Meditation und ihr philosophischer Gehalt

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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Mi 6. Feb 2019, 06:26

PASCAL AKIRA FRANK hat geschrieben : Das Hindernis der [beim meditieren] störenden Fliege kennt wirklich jeder. Nicht nur, dass sie sich auf die Haut setzt, oftmals bleibt sie auch in der Nähe, fliegt lautstark um einen herum, um dann zu landen und nach einiger Zeit wieder zu starten – und alles geht von vorn los. Da man den Vorsatz gefasst hat, sich so wenig wie möglich zu bewegen, fällt das Verscheuchen mit der Hand flach: Wir würden die Fliege gerne in die Flucht schlagen, wie wir das im Alltag ja auch tun würden, können es aber nicht. Die Folge ist, dass man das Gefühl hat, der Fliege ausgeliefert zu sein. Das ist ungemein frustrierend und wird von vielen Meditierenden als extrem störend empfunden: Unter diesen Bedingungen scheint es schier unmöglich, die Aufmerksamkeit auf den Atem gerichtet zu halten und im offenen Gewahrsein zu bleiben.
Jetzt bin ich wirklich auf meine erste störende Fliege gespannt :-)




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Jörn Budesheim
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"Ein durchschnittlicher Kopf (Mensch) wiegt ca. 6 kg."




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TsukiHana
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Do 7. Feb 2019, 00:59

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 6. Feb 2019, 06:24
Meditation ist für mich empirische Dieseits-Erforschung. Die diesseitige Welt, so wie sie ist, ist mir zauberhaft genug.
Du glaubst gar nicht, wie dankbar ich Dir für diese Antwort bin! :D
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 6. Feb 2019, 06:26
Jetzt bin ich wirklich auf meine erste störende Fliege gespannt :-)
Sei versichert, eine Fliege kommt NIE allein! :lol:



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herbert clemens
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Fr 8. Feb 2019, 11:22

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 6. Feb 2019, 06:24
Meditation ist für mich empirische Dieseits-Erforschung. Die diesseitige Welt, so wie sie ist, ist mir zauberhaft genug.
Die diesseitige Welt ist wirklich sehr zauberhaft, und darf einen genug sein.
Es gibt nicht zwei Welten, sondern die geistige Dimension ist in dieser einen Welt „verborgen“.
So sind Dankbarkeit, Liebe und Freiheit Aspekte unserer Welt,die durch materialistische oder naturalistische Konzepte nicht plausibel erklärbar sind.
Mensch kann sie als Hinweis auf Gott nehmen. Er ist natürlich nicht dazu verpflichtet. In einem anderen Gesprächstrang wurde ausführlicher die Rahmenannahme von Tetens erörtert, dass „Gott“ eine plausible Annahme für diese Welt sei.
An dieser Stelle kann offen bleiben, ob in der monotheistischen Fassung der großen Offenbarungsreligionen oder eher a-theistisch wie in den meisten buddhistischen Spielarten.
Bei der „empirischen Diesseits-Erforschung“ taucht verschiedenes auf:
Z.B. das Erleben „ bedingungslose Liebe“.
Bei mir bisher nicht.
Dennoch halte ich z.B.als Hinweis die „Nahtoderfahrungen“ nicht per se für unglaubwürdig.
Meine eigenen Erfahrungen sind eher Abschweifungen.
Und auf die Fliege werden wir aufgrund des Insektensterbens wohl all lange warten müssen.

Durch welche Meditation auch immer wird der persönliche Kern des jeweiligen Ich gestärkt. Man wird Zeuge, Beobachter, der eigenen Lebensgrundlagen, der leiblichen Befindlichkeit, der Atemprozesse, der auftauchenden Gefühle, Gedanken, Erinnerungen, … . Das „Ich! selbst geht nicht in seinen Inhalten auf. Es ist gleichzeitig mit diesen Realitäten verbunden. Diese „irdischen“ Realitäten können mich mehr oder weniger bedrängen. Es gibt auf jeden Fall einen erfahrbaren Kern von Freiheit. In mir selbst ist nicht naturgesetzliche Determiniertheit vorzufinden. Ich kann mich mit Freude der Selbst-, Nächsten- und Fremdenliebe zuwenden.




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Jörn Budesheim
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Fr 8. Feb 2019, 11:36

herbert clemens hat geschrieben :
Fr 8. Feb 2019, 11:22
Mensch kann sie als Hinweis auf Gott nehmen.
Der Materialismus kann auch meiner Ansicht nach die Vielfalt der uns umgebenden Phänomene nicht erklären. Aber daraus ergibt sich allerdings noch kein Hinweis auf Gott. Wenn mich nicht alles täuscht, macht auch Holm Tetens das klar.
herbert clemens hat geschrieben :
Fr 8. Feb 2019, 11:22
Dennoch halte ich z.B.als Hinweis die „Nahtoderfahrungen“ nicht per se für unglaubwürdig.
Ich zweifle nicht daran, dass es Nahtoderfahrungen gibt. Ich zweifle nur an den Schlussfolgerung Flechtlichts. Daraus, dass sie alle angeblich von Engeln oder Gott berichtet haben, folgt nicht, dass es Engel und Gott gibt. Ich für meinen Teil halte das sogar für eine sehr materialistischen Sichtweise von Gott und Engeln. Wenn man z.b. glaubt, dass Gott die Chiffre dafür ist, dass die Welt als ganze einen Sinn hat, dann hat es keinen Sinn zu glauben, dass man nach dem Tod Gott oder Engel sieht.

Ich bin kein Theologe, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es dort sehr angesehen ist, zu glauben dass Gott und Engel etwas sichtbares sind.




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Jörn Budesheim
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Fr 8. Feb 2019, 12:10

herbert clemens hat geschrieben :
Fr 8. Feb 2019, 11:22
Durch welche Meditation auch immer wird der persönliche Kern des jeweiligen Ich gestärkt. Man wird Zeuge, Beobachter, der eigenen Lebensgrundlagen, der leiblichen Befindlichkeit, der Atemprozesse, der auftauchenden Gefühle, Gedanken, Erinnerungen, … . Das „Ich! selbst geht nicht in seinen Inhalten auf. Es ist gleichzeitig mit diesen Realitäten verbunden. Diese „irdischen“ Realitäten können mich mehr oder weniger bedrängen. Es gibt auf jeden Fall einen erfahrbaren Kern von Freiheit. In mir selbst ist nicht naturgesetzliche Determiniertheit vorzufinden. Ich kann mich mit Freude der Selbst-, Nächsten- und Fremdenliebe zuwenden.
Eine kleine Meditation über die Meditation - sehr schön. Ich kann mich vage in deine Stimmung versetzen, verstehe aber vieles davon nicht: Was meinst du damit, dass das Ich nicht in seinen Inhalten aufgeht?

Was heißt das, dass in mir selbst nicht naturgesetzliche Determiniertheit vorzufinden ist? Wenn ich auf meinem Bänkchen sitze, dann wirken die Gesetze der Schwerkraft - zum Glück :-) [Ich spüre sie sogar!] Die Gesetze der Biologie z.b. führen dazu, dass ich auch am Ende der Meditation noch lebe, weil meine Körperfunktionen relativ stabil laufen. Ein Hoch auf die Naturgesetze! :-)

Ob sie wirklich determiniert sind, scheint selbst unter Wissenschaftlern umstritten zu sein. Manche Philosophen halten Determination für einen Mythos. Zum Beispiel: Brigitte Falkenburg in "Mythos Determinismus".

Wie dem auch sei, was zweifellos real ist, ist mein Erleben. Das ist schon mal nicht schlecht, finde ich :-)




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Jörn Budesheim
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Fr 8. Feb 2019, 14:53

Ich meditiere mit Hilfe einer App, daher habe ich auch Statistiken :) genau heute meditiere ich seit einem halben Jahr täglich. Ein Anfang.




flechtlicht
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Fr 8. Feb 2019, 18:14

"Papa, wer ist Gott?"

"Gott ist der, der liebt"

"So, wie Du mich und ich Dich und wir zusammen alle anderen mit?"

"Genau so"

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TsukiHana
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Fr 8. Feb 2019, 18:51

herbert clemens hat geschrieben :
Fr 8. Feb 2019, 11:22
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 6. Feb 2019, 06:24
Meditation ist für mich empirische Dieseits-Erforschung. Die diesseitige Welt, so wie sie ist, ist mir zauberhaft genug.
Die diesseitige Welt ist wirklich sehr zauberhaft, und darf einen genug sein.

(…) Bei der „empirischen Diesseits-Erforschung“ taucht verschiedenes auf:
Z.B. das Erleben „ bedingungslose Liebe“.
Bei mir bisher nicht.

(…) Meine eigenen Erfahrungen sind eher Abschweifungen.
Willst Du über diese "Abschweifungen" reden?



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TsukiHana
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Fr 8. Feb 2019, 18:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 8. Feb 2019, 14:53
Ich meditiere mit Hilfe einer App, daher habe ich auch Statistiken :) genau heute meditiere ich seit einem halben Jahr täglich. Ein Anfang.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 8. Feb 2019, 14:53
Wie dem auch sei, was zweifellos real ist, ist mein Erleben. Das ist schon mal nicht schlecht, finde ich :-)
Wirklich klasse! Respekt dafür, dass Du es bisher durchgehalten hast und uns hier Deine Erfahrungen und Experimente schilderst.



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Jörn Budesheim
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Sa 9. Feb 2019, 07:35

Gibt es einen Begriff der Meditation, der sowohl Descartes oder Husserls Meditationen als auch Zazen und vergleichbares umfasst? In einem philosophischen Wörterbuch habe ich folgendes gefunden:


Meditation, lat., ›das Nachdenken‹, Überlegen, die andächtige Vertiefung in etwas, z. B. in ein Kunstwerk (↑Einfühlung), auch in sich selbst (Versenkung); dazu meditieren, über etwas nachdenken, sich in etwas versenken.




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Jörn Budesheim
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Sa 9. Feb 2019, 08:21

TsukiHana hat geschrieben :
Fr 8. Feb 2019, 18:51
herbert clemens hat geschrieben :
Fr 8. Feb 2019, 11:22
(…) Meine eigenen Erfahrungen sind eher Abschweifungen.
Willst Du über diese "Abschweifungen" reden?
Ich meine, Abschweifungen sind unvermeidlich. Ich tadele mich nicht mehr dafür. Ich versuche, sie einfach zur Kenntnis zu nehmen ... das ist natürlich schwieriger getan als gesagt. Aber! Keine Übung besteht doch nur aus Abschweifungen, oder? Für die Momente der "Versenkung", Konzentration oder wie auch immer man es nennen mag, bin ich einfach "dankbar" - auch wenn es natürlich nie die gesamte Zeit ausfüllt.

Ich hab ja Zeit :-) Ich stelle mir vor, dass ich das noch viele Jahre mache und langsam "besser" meditieren lerne, ich hab dabei keine Eile.

Es kommt auch drauf an, was ich mache. Am besten fokussiert bin ich, wenn ich mich auf die Umgebungsgeräusche konzentriere. Das macht mir übrigens auch am meisten Spaß. Und das obwohl das Konzert hauptsächlich aus den Geräuschen des Verkehrs, der tickenden Uhr und der Heizung besteht :-) Manchmal ziehen auch Krähen vorbei - das freut mich jedesmal ganz besonders ...




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Jörn Budesheim
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Sa 9. Feb 2019, 08:34

Heute morgen habe ich "gemogelt" :-) ich habe eine geführte Meditation gemacht und dabei sollte ich einen Ort visualisieren (sehen, hören, fühlen, riechen, ...), an dem ich mich besonders gerne aufhalte. Da der Ort, an dem ich mich gerade befand aber ohnehin (einer) mein(er) Lieblingsort(es) ist, hab ich einfach das genommen, was da war.

In gewisser Hinsicht war es dennoch eine Visualisierung, da ich beim Meditieren die Augen in der Regel geschlossen halte.

Als ich sie bei dem Gong wieder geöffnet habe, war ich ziemlich erstaunt, wie verschieden meine Vorstellung von der jetzt wieder sichtbaren Umgebung war. Der Unterschied bestand im wesentlichen darin, dass bei der Visualisierung die Gegenstände deutlich weiter entfernt waren, als sie es nun "wirklich" waren. Defacto saß sich ca 2 m von der Fensterbank und den Pflanzen darauf entfernt, im Gefühl waren es ihr doch ca 5 oder noch mehr Meter ...

Vielleicht einfach nur ein bedeutungsloser Zufall - aber eine echte Überraschung :-)




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proximus
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Sa 9. Feb 2019, 09:41

Meditieren ist schon dem Worte nach ein zur Mitte kommen.



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Jörn Budesheim
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Sa 9. Feb 2019, 10:00

Matthias Eckoldt in "Kann sich das Bewusstsein bewusst sein?" hat geschrieben : MATTHIAS ECKOLDT: Wie hat das [die meditative Praxis] Ihren Blick auf das Bewusstsein verändert? Wenn man sich auch nur ein klein wenig auf das eigene Bewusstsein konzentriert, merkt man, wie unglaublich viel da ständig los ist. Es gelingt einem nicht, für eine Zehntelsekunde nichts zu denken. Der Systemtheoretiker Niklas Luhmann hat dafür mal die treffende Bezeichnung des quirligen Bewusstseins geprägt.

ABT MUHÔ: Quirliges Bewusstsein ist eine sehr schöne, liebevolle Beschreibung des Bewusstseins. Im Buddhismus wird oft vom wilden Affen oder dem ungebändigten Pferd gesprochen. Am Anfang der Meditationspraxis versucht man, diesen wilden Affen anzubinden oder das Pferd zu zähmen. Das gelingt aber nicht so richtig. Letztlich ist es mir in den mehr als dreißig Jahren, die ich mit Zazen verbracht habe, nie gelungen das Bewusstsein total an die Leine zu nehmen. Ich glaube auch nicht, dass dieser Versuch so zielführend ist. Ich will den Umgang mit dem Bewusstsein im Zazen mal mit einem bildlichen Vergleich verdeutlichen. Anfänglich erscheint einem das Bewusstsein wie eine Schafherde. Wenn man sich daraufkonzentriert, merkt man, wie viele Schafe dort sind, die mehr oder minder ungebändigt herumtollen. Bis dahin hatte man eher den Eindruck, dass die Dinge im Bewusstsein ganz gut geordnet sind. Die Schafe sind auf der gesamten Weide verteilt. Manche von ihnen gehen an die Blumen, andere an die Bäume. Plötzlich taucht dann der Schäfer auf und sagt: So geht das nicht weiter. Ich muss da jetzt Ordnung reinbringen. Dann baut er erst mal einen Zaun, trennt die schwarzen von den weißen Schafen und so weiter. Sobald aber der Schäfer auftaucht, entsteht nur noch mehr Chaos. Denn die Schafe werden immer quirliger, je mehr der Schäfer versucht, Ordnung zu stiften. Was ich nun in all den Jahren gelernt habe, ist Folgendes: Das eigentliche Problem sind nicht die Schafe, sondern der Schäfer. Das ist so ein kleiner innerer Adolf Hitler, der glaubt, er müsse Ordnung schaffen.




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TsukiHana
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Sa 9. Feb 2019, 11:05

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 9. Feb 2019, 08:21

Ich meine, Abschweifungen sind unvermeidlich. Ich tadele mich nicht mehr dafür.

...Ich hab ja Zeit :-) Ich stelle mir vor, dass ich das noch viele Jahre mache und langsam "besser" meditieren lerne, ich hab dabei keine Eile.

….Manchmal ziehen auch Krähen vorbei - das freut mich jedesmal ganz besonders ...
Natürlich sind Abschweifungen unvermeidlich. Tadel ist nicht angebracht. Wenn ich merke, dass die wilde Affenhorde meiner Gedanken mal wieder einen Veitstanz veranstaltet, rufe ich mich in die Konzentration zurück. Immer wieder dann, wenn ich es wahrnehme. Das kann man trainieren und mit der Zeit wird es tatsächlich besser.
Die Gedanken vertreiben zu wollen, ist ein hoffnungslosen Unterfangen. Sie reagieren dann wie trotzige, kleine Kinder und machen erst richtig Theater.
Jaaaa nicht festhalten... wenn die wilde Affenhorde sich ausgetobt hat, kehrt automatisch die gewünschte Ruhe ein.
Man sollte nur eben diesen (oft sehr heftigen) Veitstanz nicht mit der Meditation selbst verwechseln, oder sie gar für eine "Erfahrung" halten.

Heute in der Frühe zum Beispiel konnte ich "nur" meine wechselnden Gefühle beobachten, als ich mich auf meine Matte setzte, ausgelöst durch ein Geräusch meiner unmittelbaren Umgebung. Sonst ist um diese Uhrzeit geradezu himmlische Ruhe und ich erfreue mich am Zwitschern der Vögel, oder... ja, Krähen-Meetings in einer nahen Baumgruppe zaubern mir fast immer ein Lächeln ins Gesicht... :-)
Doch heute, ausgerechnet an einem Samstag, war mein Nachbar der Meinung, er müsse hämmern und bohren... Hallo?! Geht's noch???
Anfänglich konnte ich noch relativ gelassen die Geräusche ertragen, immer in der leisen Hoffnung, sie würden eh bald aufhören. Kaum hörte das Hämmern auf, freute ich mich schon... nun aber! Doch... von WEGEN!!! Nach einer kurzen Pause setzte es wieder ein und ich merkte, wie an die Stelle meiner anfänglichen Gelassenheit immer mehr unangenehme Gefühle aufkamen...
Statt des Nicht-Denkens, musste ich mich also mit einer Gefühls-Betrachtung befassen! Das kann zwar manchmal (auch) eine gute Übung sein, doch hatte es in diesem Augenblick absolut keinen Nutzen für mich.
Nach einer halben Stunde gab ich es einfach auf und kochte mir einen Kaffee. Doch kaum hatte ich den ersten Becher getrunken, wurde es still...
Ich musste laut lachen! :lol:



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Jörn Budesheim
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Ich bin gerade geneigt, zu meinen Nachbarn zu gehen und sie zu bitten, morgen in der früh auch mal zu hämmern - so gegen 6 oder 7 Uhr. Das möchte ich auch mal ausprobieren :-)




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Sa 9. Feb 2019, 11:18

TsukiHana hat geschrieben :
Sa 9. Feb 2019, 11:05
Man sollte nur eben diesen (oft sehr heftigen) Veitstanz nicht mit der Meditation selbst verwechseln, oder sie gar für eine "Erfahrung" halten.
Das mache ich jedoch manchmal. Ich setze mich ohne Absicht hin und lasse alles kommen, wie es kommt. Manchmal nehmen mich die Gedanken zwar in Gefangenschaft... aber manchmal (selten) kommt es auch schon zu einer gewissen Distanz, wie zu einem Schauspiel, dem ich beiwohne. Oft führt mich das übrigens in die Vergangenheit, wobei erstaunliche Erinnerungen "hoch" kommen.




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Sa 9. Feb 2019, 11:20

Beim Medtitieren zur Mitte zu kommen bedeutet sich emotional ausgeglichener zu Verhalten.



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Sa 9. Feb 2019, 11:27

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 9. Feb 2019, 11:11
Ich bin gerade geneigt, zu meinem Nachbarn zu gehen und sie zu bitten, morgen in der früh auch mal zu hämmern - so gegen 6 oder 7 Uhr. Das möchte ich auch mal ausprobieren :-)
Auf den Bericht bin ich schon neugierig! :lol:

Wie man mit lauten Geräuschen und dazu auch intensiven Dürften bei einer Meditation umgeht, durfte ich vor Jahren schon lernen, als ich ein ganzes Wochenende mit einem lauten, ausgelassenen Stadtteilfest vor der Tür aushalten musste. Der erste Tag war schrecklich! Am zweiten Tag wunderte ich mich nur noch über die grausame Musik, die so gar nicht meinen Geschmack treffen konnte. Am dritten Tag war mir selbst das langsam egal, da jedes Musikstück ja eh nur 3 - 5 Minuten dauerte. Was eine echte Herausforderung für mich war: genau vor den Fenstern der Zendo war ein italienischer Imbiss-Stand. Die geradezu göttlichen Düfte ließen mir das Wasser im Mund... ach, was sage ich?
Ich hatte dauernd HUNGER! :D

Aha... der gute Bruder MUHÔ hat keine wilde Affenhorde, sondern Schafe!
Gut zu wissen.



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