Meditation und ihr philosophischer Gehalt

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
Tosa Inu
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Do 30. Aug 2018, 08:48

Friederike hat geschrieben :
Mi 29. Aug 2018, 14:11
häppchenweise
Alles klar, wir können da gerne zwei Gänge raus nehmen.

In der Spiritualität gibt es keine Fleißkärtchen, d.h. man kann sich 50 Jahre den Hintern platt sitzen, ohne dass man kapiert, worum es geht oder man hat eine beliebige Erfahrung, wie bei Ramana, der mit 16 eine Art Nahtoderfahrung hatte und danach ist alles klar. Es kann aber auch sein, dass Du im Supermarkt stehst, überlegst, was Du noch fürs Abendbrot brauchst und mit einem Mal ist Dir alles klar.
Will sagen, es braucht keine Jahrzehnte der Vorarbeit und die eindrucksvollsten Erlebnisse bringen nichts, wenn man sich nicht mit dem Wechsel identifiziert, sondern statt dessen eine Kontinuität dieser eindrucksvollen Erfahrungen sucht. Das Anhaften ist das Problem, auch das an höchste Zustände.

Ich denke, es ist ein Vorteil, wenn man sich selbst klar macht, was man eigentlich von Meditation, Spiritualität und Philosophie und irgendwie auch noch der Psychotherapie erwartet. Es gibt das schöne Zitat, Psychotherapie sei zu kostbar, um dem Kranken vorbehalten zu sein. Mit den Dingen ernst zu machen, heißt m.E. nicht unbedingt die Häufigkeit vergrößern zu müssen, sondern Schlüsse für sein Leben daraus zu ziehen.
Ich glaube, dass unterscheidet die Menschen, wobei ich betonen möchte, dass die andere Haltung, diese Dinge eher zur Unterhaltung zu benutzen nicht schlecht oder ehrenrührig ist, man lebt dann einfach nur auf dem Boden anderer Prämissen und es ist glaube ich ganz gut, wenn man sich klar macht, in welches Lager man gehört. Aus beidem kann man wiederum eine Show machen und verbissen und mit heiligem Ernst an die Dinge zu gehen, finde ich eher unnötig, da die Fähig zum Humor und zur Ironie erlischt (oder sich nie entwickelt) und oft durch Spott und Häme ersetzt wird.

Mit Selbstgewissheit hat das glaube ich alles nicht viel zu tun, sondern eher damit, es ernst zu meinen. In der Philosophie, der Psychotherapie und der Meditation ist man aufgerufen erst mal gar nichts voraussetzungslos zu glauben, was aber nicht heißt, dass man im Status des Nichtwissens verharrt. Gerade die grundlegendsten Fragen, wie die, ob man denn überhaupt erkennen kann und ob überhaupt irgendwas ist und ob man selbst ist, kann man beantworten (alle positiv) und darauf weiter aufbauen.
Was ich gerade in der Meditation erlebt habe, wieso sollte ich mir einreden lassen, dass ich das alles nicht erlebt hätte oder absurde Verrenkungen mitmachen, wie die, dass das doch alles nur aus meinem Hirn käme? Die stillen Prämissen, die oft schon in der Kritik liegen, die unsachgemäßen Schlüsse, die einfach so gezogen werden, kann man allesamt auch offenlegen. Dazu braucht man kein Genie zu sein, ich glaube, man kommt sehr weit, wenn man eine Sache wirklich klären will. Vielleicht ist Unbeirrbarkeit da wichtiger als Selbstgewissheit, Unbeirrbarkeit nicht in dem Sinne, dass man Kritik sogleich abblockt, sondern im Gegenteil, dass man sie sorgsam prüft, aber wenn an einer Sache wirklich nichts dran ist, kann man sie vergessen und braucht sie nicht eine Woche später wieder zu besprechen.

Das gilt ja gerade auch für die Meditation, die ja so primäres Welterleben ist, wie Kaffee trinken. Da fragt man sich ja auch nicht jede halbe Stunde, ob man den Kaffee denn auch wirklich getrunken hat (es sei denn man ist ein seltsamer Konstruktivist) und auch nach der Meditation kann man die Fragen, ob das nun der Schutzengel, das Krafttier, Kundalini oder schon die Erleuchtung war, ja auf das reduzieren, was wirklich war. Wie habe ich mich gefühlt, was habe ich zweifelsfrei erlebt? Eben so, wie man gerade seinen Kaffee getrunken hat.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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proximus
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Fr 31. Aug 2018, 06:49

Ich frage mich öfter, wieso manche Meditierende anfangen mit der Zeit indische Worte für ihre Erfahrungen zu gebrauchen und eine irgendwie adaptierte indische Lehre zu vertreten. Ich denke die haben weniger meditiert als vielmehr gelesen. Meiner Erfahrung nach folgt auf Meditation nicht notwendigerweise die Eingebung einer bestimmten Lehre, die man dann wortreich vertreten müsste.



""Wahrheit" ist immer nur theoretisch." proximus

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Jörn Budesheim
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Man kann beim Meditieren durchaus neue Erfahrung machen, für die die alten Worte nicht ohne weiteres genügen.




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Friederike
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Fr 31. Aug 2018, 14:19

Entschuldigt mich bitte ein bißchen. Ich bin nur halb präsent.




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Jörn Budesheim
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So 2. Sep 2018, 07:05

Aus der geführten Meditationen: "unser Leben verläuft teilweise ohne uns..."




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Jörn Budesheim
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Friederike hat geschrieben :
Di 14. Aug 2018, 16:41

Hm, ich würde ähnlich wie Hermeneuticus in die Richtung antworten, daß wir "Innen" und "Außen" so wie alle begrifflichen Dualismen als Bewußtseinsstufe erkennen, als eine von mehreren Bewußtseinsstufen. In der Meditation (genauer müßte man sagen, im vollendeten Mediationszustand) hat die Rede von Innen und Außen, Ich und die Welt usw. gar keinen Sinn mehr. Das heißt, die Unterscheidung in Innen und Außen z.B. fließt als Vorannahme in die Med.-Praxis ein.
Ich finde die Unterscheidung nach wie vor schwierig auszubuchstabieren. Die Haut als Grenze ist doch wohl nicht gemeint. Dass die Niere innen liegt, ist nicht Gegenstand der Unterscheidung. Es geht dabei doch eher um so etwas wie das "Innenleben". Vielleicht: Gedanken, Gefühle, Stimmungen. Aber inwiefern sind die innen? Nicht in einem räumlichen Sinn, denke ich. Sie sind innen, weil es meine Gedanken, Gefühle und Stimmungen sind. Oder? Aber diesen Innen ist ja nicht ein homogenes Etwas, es ist da Raum für Reflexives in verschiedenen Formen - man kann sich innen von sich selbst distanzieren ...

Bei den Übungen, die ich bisher gemacht habe, ging es gelegentlich um solche "Innereien". Dabei sollte man (in meinen eigenen Worten ausgedrückt) versuchen, ein "beobchtendes" Verhältnis zu diesen Dingen (etwa Gedanken und Gefühle) zu erreichen, so dass sie einen nicht "übernehmen". Zu den Methoden diese Distanz zu erreichen, zählte: diese Gedanken benennen, sie zählen, sie als Vorbeischwebende zu betrachten etc.

Das ist allerdings etwas leichter gesagt als getan :-)




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So 2. Sep 2018, 09:55

Meine Erfahrung ist bisher, dass die einfachsten Dinge ziemlich schwierig sind :-)

Meistens lege ich die Hände mit der Innenseite auf die Oberschenkel. Manchmal drehe ich sie auch und lasse Daumenspitze und Zeitenfingerspitze einander berühren, so wie man es auch von vielen Bilder her kennt. Gleichzeitig ruhig und regelmäßig atmen und mich auf diese Berührung zu konzentrieren (ihr nachzuspüren) und das "Orange" des Gesichtsfeldes zu genießen (ich habe die Augen geschlossen) ist für mich ziemlich schwer - aber wenn es für einige Momente gelingt, auch sehr schön :-)




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So 2. Sep 2018, 10:41

Noch mal zu innen\außen. Wenn dabei zwar nicht dass Innere des Körpers gemeint ist, dann ist vielleicht der Begriff Leib ein brauchbares Stichwort. Der Leib ist doch im Grunde der Körper aus der Innensicht. ... Meditation und Leib - das passt :)




herbert clemens
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Mo 3. Sep 2018, 09:18

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 2. Sep 2018, 07:05
Aus der geführten Meditationen: "unser Leben verläuft teilweise ohne uns..."
Umkehrschluss: Ziel ist es, dass mein Leben von mir bestimmt in eigener Verantwortung läuft. Für mich ein Charakteristikum von Freiheit, und Ziel meines Lebens und von Meditation als Grundübung, diesem Ziel nahe zu kommen. Das wäre die Dimension des vernunftbegabten Menschen.
In der Gefühlsdimension würde ich meine Lebensfreude als Ziel nennen.
Persönlich Freude zu erleben, scheint mir durchaus ein angemessener Sinn meines Lebens zu sein.
(Was das ist, kann jedes Ich nur in sich erleben.)
Meine Meditationsversuche stärken meine Kraft nicht an Leid, das dann ja immer schon vergangen ist, zu haften. (Mir ist das Wort Erleuchtung dafür zu groß)




herbert clemens
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Mo 3. Sep 2018, 09:20

Ich stimme in vielem den Ausführungen von TI zu und freue mich an Ihnen.
Vor Jahren habe ich Bücher von Wilber und auch von Tolle (@ Friederike Tolle ist besser als der Klappentext.) weitgehend mit innerer Zustimmmung gelesen. Ich habe sie aber nicht so präsent.
Ergänzend/ quer zu den bisherigen Gedanken.
Warum meditiere ich? Mit welchem Ziel?
Geht es in buddhistischer Tradition um die Vermeidung von Leid durch die Akzeptans von Leid?
Sich nicht durch die Anhaftung an irdische Glücksversprechungen irritieren lassen?
Krankheit,Tod , … sind unvermeidlich.
Indem ich (wer?) zum Zeugen werde, löse ich mich aus den Alltagsgedanken, Gefühlen, Mustern.
Gehe ich für kurze Fristen ins „Nirwana“ ein oder bleibt ein Zentrum, der „Zeuge“ erhalten?
Mein höheres Selbst?
Ich bin so egozentrisch, dass mir diese Möglichkeit am besten behagt, und sie mir auch rational erscheint. (Und der Begriff „Nirwana“ mir nichts sagt.)
Offensichtlich gibt es „Ich“, „Du“, die Welt, …
Mit TosaInus Worten: „Gerade die grundlegendsten Fragen, wie die, ob man denn überhaupt erkennen kann und ob überhaupt irgendwas ist und ob man selbst ist, kann man beantworten (alle positiv) und darauf weiter aufbauen.“




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Mo 3. Sep 2018, 13:26

herbert clemens hat geschrieben :
Mo 3. Sep 2018, 09:18
Das wäre die Dimension des vernunftbegabten Menschen.
Schwer zu sagen ... Der Versuch nicht in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu leben, ist zwar vernünftig. Aber ist es auch das (vorrangige) Geschäft der Vernunft? Sich auf die das Hier und Jetzt einzulassen, statt sich im Strom der Gewohnheiten forttreiben zu lassen, ist nicht ganz einfach --- ich würde es aber eher als einen Job der Sinne, oder als Kompromiss als etwas Ganzheitliches auffassen. Sicher bin ich keineswegs. Spannend ist das allemal.




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Mo 3. Sep 2018, 13:38

Heute morgen sollte ich eine (für mich sehr schwere) Übung machen. Ich sollte mir vorstellen, dass von oben ein sanfter Wasserstrahl auf mich fließt und mich von innen her "befüllt". Das heißt der Strahl ging durch mich hindurch und von den Füßen an, floss in mir Wasser voll. Das war nicht einfach vorzustellen. Besonders schwer fiel mir, "zwei" Vorstellungen miteinander zu verknüpfen: den Wasserstrahl von oben und das Auffüllen von unten. Manchmal ist es für Momente näherungsweise geglückt ... aber immer nur kurz :-) Je höher das Wasser stieg, desto dichter die beiden Vorstellungen also kamen, desto "einfacher" (stark übertrieben gesagt) war es. Eins hab ich gar nicht geschafft: den Kopf ganz aufzufüllen - ungefähr bei den Augen war Schluss.

Morgen Früh wird die Übung vertieft. Dann berichte ich wieder :-)




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Di 4. Sep 2018, 09:03

herbert clemens hat geschrieben :
Mo 3. Sep 2018, 09:20
Ich stimme in vielem den Ausführungen von TI zu und freue mich an Ihnen.
Schön, und vielen Dank.
herbert clemens hat geschrieben :
Mo 3. Sep 2018, 09:20
Warum meditiere ich? Mit welchem Ziel?
Die Gründe sind, wie in anderen Bereichen des Lebens auch, teils offen, teils uns selbst verborgen.
Man hat sicher immer einen Grund, oft ist man von Freunden, öfter vielleicht sogar noch öfter von Büchern inspiriert.
Zu einem Teil mag es Exotik, Lifestyle, Neugier und so etwas sein, das ist dann in der Regel schnell vorbei, hartnäckiger ist es, wenn man unbewussten tiefergehende Interessen hat, nämlich großartig sein zu wollen, also auch edel, hilfreich und gut, aber auch mächtig. Die Themen Spiritualität haben auch viel mit Macht zu tun und mehr noch mit Phantasien von Macht. Bei Frau Reiki, die ihre Energie nur für die Heilung und zum Guten verwendet und die böse Energien immer aussperrt und zurückweist, ist dieser Machtaspekt im Schatten und diese Menschen sind nach meiner Einschätzung weitaus öfter davon überzeugt, dass sie das können (inklusive alle dieser „Das bin ja nicht ich, ich bin nur der Kanal“ Beschwichtigungen), als dass sie echte Scharlatane sind.

Der andere große Strang ist Angst oder Leid, man erhofft sich ein besseres Leben, weil man krank und/oder psychisch etwas instabil ist. Beides schließt sich nicht aus, häufig gibt es Schnittmengen, wie beim Schamanismus, wenn man sein Krafttier sucht, was einen begleitet und schützt.
Wir beginnen alle aus den ‚falschen‘ Gründen, die Frage ist eher, was passiert, wenn wir das merken.

Ich habe einigen Deiner Fragen und Gedanken mal in zwei Gruppen eingeteilt, die einmal unsere westlichen Vorstellungen betreffen und einmal die eher östlichen.
herbert clemens hat geschrieben :
Mo 3. Sep 2018, 09:20
Indem ich (wer?) zum Zeugen werde, löse ich mich aus den Alltagsgedanken, Gefühlen, Mustern
Sich nicht durch die Anhaftung an irdische Glücksversprechungen irritieren lassen?
Krankheit,Tod , … sind unvermeidlich.
Diese Fragen und Bemerkungen sind davon inspiriert, dass wir im Westen zur Idee der Meditation einen anderen Zugang haben oft bis in die Spiritualität des Mainstream hinein, von dem aus wir hier alle starten müssen. Wir finden Spiritualität hier selten allein vor, sondern oft in den Kontext Charakterveredelung (bis zur Vollkommenheit, Erleuchtung oder dem Eingeweihten) und Geheimgesellschaften eingebunden und zum anderen, die eher weiblich-naturverbundene Seite, die die Natur preist und der es um Fließen, Tanzen und Gesundheit geht. Die Naturseite hat häufig einen Machtschatten, die andere Seite hat ihren Schatten in der Verleugnung der eigenen Angst, Verletzlichkeit und dem Durchschnitt, alles muss hier idealisiert werden und besonders sein, noch das Essen hat stets mit höchster Achtsamkeit zu erfolgen und man gibt sich ganz ausgesprochen normal.

Man versucht im Westen tendenziell eher die das Kleine und Profane zu heiligen und groß zu machen und in Zuge dieser Großartigkeit auch irgendwann die eigene Kleinheit annehmen zu können, nachdem man die ganze Welt geheilt hat. Und wir vermischen spirituelle Techniken viel mehr mit Psychotherapie oder Ideologien, als der Osten das tut.
herbert clemens hat geschrieben :
Mo 3. Sep 2018, 09:20
Geht es in buddhistischer Tradition um die Vermeidung von Leid durch die Akzeptans von Leid?
Gehe ich für kurze Fristen ins „Nirwana“ ein oder bleibt ein Zentrum, der „Zeuge“ erhalten?
Mein höheres Selbst?
Ich bin so egozentrisch, dass mir diese Möglichkeit am besten behagt, und sie mir auch rational erscheint. (Und der Begriff „Nirwana“ mir nichts sagt.)
Der Buddhismus akzeptiert das Leid ja gerade nicht und versucht einen Weg da raus zu zeigen, er untersucht aber sehr genau, woran wir überhaupt leiden. Dabei ist der Buddhismus etwas struktureller, d.h. er schielt weniger auf konkrete Inhalte, als vielmehr auf die Form. Es gibt also in dem Sinne keine falsche Seite, der man sich verschreibt, sondern das Anhaften überhaupt ist das Problem. Es sind auch die himmlischen Glücksversprechen, inklusive dem, was man oft unter Nirwana versteht, nicht besser, als die irdischen, beides sind Anhaftungen. Der Osten versucht daher eher, das Großartige klein zu machen, das Projekt eines Individuums das viel Aufhebens um sich macht, ist eher eines des Westens.
Darum kann man auch die östlichen Guru-Ideen schlecht bis gar nicht in den Westen transferieren, weil wir hier eine andere Vorstellung von Hingabe an einen spirituellen Lehrer haben.
So ein höheres Selbst ist im Grunde keine buddhistische Idee, da dort Ich, Seele und Gott insofern aufgelöst werden, als ihnen keine letzte Existenz zugesprochen wird, es bleibt in der meditativen Praxis nichts davon übrig. Aber die Formen des Buddhismus sind ja regional, durch die dortigen magisch-mythischen Vorformen gefärbt. Dort gibt es dann auch wieder sowas wie Göttern.
herbert clemens hat geschrieben :
Mo 3. Sep 2018, 09:20
Offensichtlich gibt es „Ich“, „Du“, die Welt, …
Das Element, was in der Spiritualität anders ist, als im gewöhnlichen Denken, ist die Idee, dass eine Wahrheit nicht immer und in jedem Fall wahr ist, sondern, dass man ihren Inhalt auch begreifen muss. In der Philosophie kennen wir das durchaus auch, dort sprechen wir von Berechtigungen die wir ungefragt behaupten, wenn wir scheinbare Selbstverständlichkeiten betonen wollen. Wer Wendungen wie „Wie schon Einstein in seiner großartigen speziellen Relativitätstheorie nachwies ...“ beruft sich einerseits auf Autoritäten, behauptet aber zugleich sich in diesem Kontext so gut auszukennen, dass er den Inhalt kennt und beurteilen kann und das stimmt dann oft nicht, wird aber rhetorisch so ‚blendend‘ aufgearbeitet, dass derjenige ein Narr zu sein scheint, der an der Stelle noch mal nachfragt.

In der Spiritualität ist es auch so, dass man sich mit Begriffen schmücken kann, von denen man im Grunde nichts versteht und einfach zu sagen „Es gibt kein Ich, das hat der erleuchtete Meister x gesagt“, ist nichts anderes, als sich auf Einstein zu berufen, wenn man von diesem nicht mehr als Schlagworte kennt. Dieselbe Mischung auf Berufung auf eine Autorität und die Hoffnung, der Glanz möge sich spiegeln.
Nur, wie Du schon sagst, ganz offensichtlich gibt es Ich, Du und Welt und wir können zumindest plausibler darstellen, was das Ich ist, als wir darstellen können, was es heißt kein Ich zu sein.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Di 4. Sep 2018, 10:05

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 3. Sep 2018, 13:38
Eins hab ich gar nicht geschafft: den Kopf ganz aufzufüllen - ungefähr bei den Augen war Schluss.
Es ist sehr interessant, die psychologischen, aber dann auch philosophischen Fragen zu betrachten, die sich aus so einer Praxis ergeben.
Zunächst ist es ganz interessant herauszufinden, zu welchen Regionen den eigenen Körpers man eigentlich einen problemlosen Zugang hat, in welche man problemlos hineinspüren kann und welche Bereiche den Kontakt eher verweigern, gleiches kann man mit den Chakren machen, das kommt bestimmt noch.

Aber vielleicht kannst Du bereits jetzt merken, dass bestimmte Dinge leichter werden, sei es nur entspannt oder überhaupt still zu sitzen. Nach einiger Zeit kann man auch routinierter mit dem Körper Kontakt aufnehmen, kann spüren, wie sich der Atem verändert, wie man ihn lenken kann usw. und auf einmal auch Bereiche spüren kann, bei denen das vorher nicht der Fall war. Ich kenne jemanden, der seit Jahren jeden Morgen Tai Chi im Park macht und der kann auch sein Körperinneres spüren, obwohl das offiziell gar nicht geht. Herz, das klappt noch, die Leber, wenn sie gespannt ist, aber der Rest, die Nieren?

Da ist dann Musik drin, umso mehr, wenn Aussagen wie ein 360° Blick, den es ja eigentlich nicht geben kann, erlebt werden und andere mittlere Sensatiönchen, die nicht selten im Widerspruch zur offiziellen Lehrmeinung stehen. Und wenn man dann das Glück oder Pech hat, mal eine Gipfelerfahrung zu machen, die absolut nicht sein kann, die man aber dennoch gemacht hat, dann bekommen diese Erlebnisse sogar philosophisches Gewicht, denn die erste Reaktion ist die Wegerklärung (also von hinweg, fort, nicht die Erklärung des Weges), bei der es primär darum geht, zu erklären, dass das was man erlebt hat eine ganz natürliche und ganz und gar nicht übersinnliche Erklärung hat, weil es denen, die dort in vorderster Reihe stehen darum geht, dass es nichts Übernatürliches geben kann und man sich entspannt zurück lehnt, wenn man meint, das Phänomen irgendwie erklärt zu haben, statt weiter danach zu fragen, was es mit dem Menschen, der so etwas erlebt hat, macht.
Die Mehrzahl der Entzauberer kann sich aber gar nicht vorstellen, dass es um etwas anderes gehen könnte, als den Nachweis führen zu wollen, dass es Geister gibt oder andere an der Nase herum zu führen und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Aber das sind Wege, die immer auch in eine philosophische Richtung gehen und entsprechend ausgeleuchtet werden können. Bis zu der Frage des ontologischen Gehalts von "Wesen", denen man hier möglicherweise begegnet, oder wie Innen und Außen nun tatsächlich verflochten sind, denn wo verläuft eigentlich genau die Grenze? Die Frage bewegt Dich ja aktuell auch.



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Tosa Inu hat geschrieben :
Di 4. Sep 2018, 10:05
Die Frage bewegt Dich ja aktuell auch.
Ich frage mich eher, was die Begriffe bedeuten, was der Unterschied überhaupt "meint".




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Di 4. Sep 2018, 15:30

Tosa Inu hat geschrieben :
So 12. Aug 2018, 10:22
Ach, lasst uns lieber selber denken, philosophieren, vielleicht auch mal meditieren und das in Beziehung setzen. Es ist auch hier nicht so interessant zu hören, was A, B oder C von Meditation halten.
Das wollte ich noch nachtragen, weil es für mich wichtig ist: Für mich gehören selbst denken, selbst philosophieren und lesen oder sonstwie erfahren, was andere denken und philosophieren fest zusammen. Und beim Meditieren oder auch sonstigen Tätigkeiten egal welcher Art bin ich im Grunde immer auch neugierig zu erfahren A, B oder C davon halten. Ich sehe beides nicht als entweder oder, sondern als ein sowohl als auch.

Aber das nur am Rande :-)




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Di 4. Sep 2018, 15:41

Tosa Inu hat geschrieben :
Do 30. Aug 2018, 08:48
Spiritualität
Ein Begriff mit sehr vielen verschiedenen Konnotationen. Kannst du andeuten, wie du ihn verwendest? Ich meditiere jetzt seit knapp drei Wochen. Ich würde sagen, dass ich dabei einige interessante, teilweise erstaunliche und neue Erfahrungen gemacht habe. Aber der Begriff Spiritualität käme mir dabei nicht in den Sinn. Ich meine bloß Aspekte an mir zu entdecken, die ich zuvor nicht kannte.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 4. Sep 2018, 15:30
Das wollte ich noch nachtragen, weil es für mich wichtig ist: Für mich gehören selbst denken, selbst philosophieren und lesen oder sonstwie erfahren, was andere denken und philosophieren fest zusammen. Und beim Meditieren oder auch sonstigen Tätigkeiten egal welcher Art bin ich im Grunde immer auch neugierig zu erfahren A, B oder C davon halten. Ich sehe beides nicht als entweder oder, sondern als ein sowohl als auch.
Das geht mir durchaus ähnlich und ich schätze es sehr, mich mit anderen auszutauschen, aber ich meine eben Menschen, wie Dich, die das Experiment tatsächllich wagen. Es melden sich aber gerne bei dem Thema auch Leute zu Wort, die vollkommen ahnungslos sind, dafür aber umso meinungsstärker.
Das finde ich dann nicht mal mehr als psychologische Studie interessant. Es ist wieder etwas anderes, wenn man wissen will, was denn bei der Meditation im Hirn oder Körper passiert, auch das ist sehr interessant, aber da brauche ich dann keine "das ist doch nur" Erklärungen.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 4. Sep 2018, 15:41
Tosa Inu hat geschrieben :
Do 30. Aug 2018, 08:48
Spiritualität
Ein Begriff mit sehr vielen verschiedenen Konnotationen. Kannst du andeuten, wie du ihn verwendest? Ich meditiere jetzt seit knapp drei Wochen. Ich würde sagen, dass ich dabei einige interessante, teilweise erstaunliche und neue Erfahrungen gemacht habe. Aber der Begriff Spiritualität käme mir dabei nicht in den Sinn. Ich meine bloß Aspekte an mir zu entdecken, die ich zuvor nicht kannte.
Ich unterscheide Spiritualität und Religion.
Religion ist für mich der Glaube daran, dass es das, was der jeweilige Mythos oder die Legende erzählt, tatsächlich gegeben hat.
Spiritualität ist einfach das eigene Experiment und da ist die Meditation im Grunde immer das Herzstück.

Im engeren Sinne würde ich den Experimentierenden die Unterscheidung selbst treffen lassen. Es gibt Erfahrungen die man als schön, entspannend, eindrucksvoll, interessant oder erhebend bezeichnen würde, ohne dass man selbst das Gefühl hat das jetzt spirituell nennen zu wollen.
Einige sogenannte Gipfelerfahrungen unterscheiden sich davon. In aller Regel sind das Einheitserfahrungen mit Dingen, Personen oder Situationen, die wir kognitiv nicht als zu uns gehörend interpretieren würden, wobei das unmittelbare Gefühl ist, dass einen die Szenerie ungeheuer nah ist, als gehöre die Straße dort plötzlich zu einem. Es gibt aber auch andere außergewöhnliche Erfahrungen.
.
Auf einem spirituellen Weg werden diese außergewöhnliche Erfahrungen mit sehr gemischten Gefühlen gesehen, weil man sich mit ihnen wichtig machen kann und das genau das Gegenteil dessen ist, was den spirituellen Weg eigentlich ausmacht, es dreht sich da eher um eine (oft recht radikale) Zurückweisung der Egozentrik. Andererseits, wer nichts erlebt und feixend verkündet, er hätte nur Aua Knie gespürt, der hat halt nichts einzubringen.
Meine Erfahrung ist aber, dass es genügend Leute gibt, die über spirituelle Erfahrungen verfügen und sich damit nicht aufbrezeln.

Mir gefällt das Du das Experiment wagst und drei Wochen dabei zu bleiben, ist schon gar nicht schlecht, muss man erst mal machen. Die Übungen, die Du beschrieben hast, erinnern mich an meine Franz Bardon Zeit. Bardon ist ein tschechischer Magier gewesen, der in der Szene recht bekannt ist und bei dem es auch darum ging, die Elemente zu stauen und verschiedene Körperregionen damit zu füllen. Sein erstes Buch "Der Weg zum wahren Adepten" beginnt sehr solide und ist im Grunde ein super Training, was man vielen heute empfehlen könnte, wird dann aber im mittleren Teil ziemlich abgedreht.

Bardon sieht, wie in der Magie nicht unüblich, manches von dem, was man als schlechte Angewohnheit oder Sucht bezeichnen würde, nach außen gestellt als eien Art Wesenheiten an, in dem Fall sogenannten Larven, die uns, durch unsere Angewonheiten geschaffen, dann dazu animieren, das zu tun, was der Larve dient, nämlich ihr Aufmerksamkeit zu schenken, entweder, dadurch, dass man einer bestimmten Angewohnheit erneute nachgeht, aber auch, in dem man gegen die Angewohnheit kämpft, was die Larve ebenfalls nährt. Eine im Grunde sehr gute Geschichte, wie man an all denen sieht, die zwar nicht mehr Rauchen, Trinken, Fleisch essen oder sonst was, aber von dem Thema nicht frei sind und zu dem werden, was man militante Nichtraucher oder was eben gerade das Thema ist, nennt. Mit dem inneren Zoo geht es dann weiter bei Bardon, ich mag's man sollte da nur nicht mit einer zu paranoiden Grundeinstellung dran gehen, dann fühlt man sich schnell mal verfolgt.

Aber Gefühle, Süchte oder das innere Kind oder so etwas zu externalisieren und ihnen eine Form zu geben, das ist schon was.
Das ganze Thema von psychischen 'Energien' ist um Grunde sehr interessant, wenn auch völlig abgedreht. Für unsere ontologische Frage, ab wann man eigentlich davon sprechen kann, dass es etwas tatsächlich gibt sind Experimente wie um den Egregor, ein Wesen, geschaffen aus gebündelten Willenskräften.

Aber auch das Gefühl mit bestimmten Archetypen in Kontakt zu sein, oder in eine Welt reiner Gefühle oder Empfindungen einzutreten, d.h. ein Gefühl ohne damit verbundenen äußeren Anlass zu verspüren, gibt einen Empfindung dafür, wie man auf eine Ideenlehre gekommen sein kann. Ich glaube, dass das nur zu einem Teil ausgedacht ist, das andere basiert auf einer inneren Erfahrung.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mi 5. Sep 2018, 14:26

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 4. Sep 2018, 20:34
Spiritualität ist einfach das eigene Experiment und da ist die Meditation im Grunde immer das Herzstück.
Für mich klingen bei dem Begriff immer Begriffe "Spiritualität" wie die folgenden mit - einige stärker andere schwächer: Transzendentes, Jenseits, Religion, Esoterik ... Nach dem wenigen, was ich bisher ausprobiert und erfahren habe, würde das für mich nicht passen. Ich hab natürlich kein Problem mit dem Begriff Geist :-) Für mich sind es bisher geistig/körperlich/leibliche "Übungen". Daher ergeben sich für mich (bisher) auch keine "ontologischen" Probleme.




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Jörn Budesheim
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Mi 5. Sep 2018, 14:40

Aus meinem Tagebuch :-)

In der letzten Zeit fallen mir manche Dinge, die früher easy waren, schwerer. Insbesondere das Sitzen. Wenn ich mich auf etwas bestimmtes "inneres" richte (etwas beim sogenannten Body-Scan) dann neige ich dazu meine gerade Haltung aufzugeben und mich (ein klein wenig) dahin zu beugen, wo meine Aufmerksamkeit hin soll. Das Sitzen ist insgesamt nicht ohne. Gerade, würdevoll und bequem zusammen, das ist für mich schwer, ich schaffe es nicht durchgängig und muss mich immer wieder "zur Ordnung" rufen :-)




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