Meditation und ihr philosophischer Gehalt

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Do 20. Aug 2020, 02:21

Jovis hat geschrieben :
Mi 19. Aug 2020, 19:07

Ich finde das gar nicht so off topic. Das ist ja ein ganz fundamentaler Punkt, den man bei der Meditation lernt: Das Geschehenlassen. Und Ulrich, so, wie du ihn beschrieben und zitiert hast, würde damit arge Probleme haben, wenn er eine solche Abneigung gegen das "Seinesgleichen geschieht" hat. Ich bin mit dem Buch vor vielen Jahren ziemlich weit gekommen, wurde aber immer unwilliger beim Lesen, weil es einerseits nach meinem Gefühl immer mehr zerfaserte, aber vor allem, weil mir die Hauptfigur mit ihrer gequälten Individualitätssucht immer unsympathischer wurde. Und das bestätigt sich bei deinen Zitaten wieder.

Der Verlag bewirbt den Mann ohne Eigenschaften von Robert Musil mit einem Zitat von W. E. Süskind:

"Musils Buch besitzt die hinreißendsten Romaneigenschaften: Anschaulichkeit noch in der unsinnlichsten Reflexion, Heiterkeit bis zu tanzendem Übermut, gründlichen Humor, der kaum an ein oder zwei Stellen geringere Humostika passieren lässt, und vor allem einen Reichtum und Witz des Vergleichs und der Bilder, wie er in der deutschen Literatur, mindestens seit Gottfried Keller, nicht seinesgleichen hat.» (W. E. Süskind)

Schon wieder "seinsgleichen". ;)

Der Name Süskind läßt uns natürlich an den berühmten Autor des "Parfums" denken, Patrick Süskind. Wilhelm Emanuel Süskind war sein Vater, nach 1945 Sonderberichterstatter von den Nürnberger Prozessen für die "Süddeutsche". Über seinen Sohn Patrick schreibt der Vater an einen Freund: "Patrick kam auf einem Halbjahresband der Wirtschaftszeitung zur Welt, den man der Mutter zu ihrer Bequemlichkeit unterschob. Die Hoffnung, daß er davon ein kaufmännisches Genie werden könnte, ist mir lieb." Die Hoffnung des Vaters hat sich, wenn auch auf andere Weise, mit dem Welterfolg und der anschließenden Verfilmung von Das Parfum dann ja auch erfüllt. -

"Reichtum und Witz des Vergleichs und der Bilder, wie er in der deutschen Literatur, mindestens seit Gottfried Keller, nicht seinesgleichen hat ... Heiterkeit bis zu tanzenden Übermut ... gründlicher Humor ... die hinreißendsten Romaneigenschaften ... "

Ist Literatur eine Angelegenheit des Geschmacks? - Die Frage ist auf gefährlichem Kollisionskurs mit der Frage nach der Schönheit. - Auch hier schieden sich die Geister am (objektiven/subjektiven) Status. Der Mann ohne Eigenschaften findet auch heute sicher nur wenige Leser, die das begeisterte Urteil von W.E. Süßkind teilen. In der Literaturwissenschaft zählt der Roman Musils, neben anderen von Joyce, Proust, Thomas Mann, Kafka ... zu den bedeutendsten Werken des 20. Jahrhunderts. - Ist das ein Maßstab? Oder ist es das Gefallen, das als "subjektives" legitimerweise sein Urteil spricht? -

(Zum eigentlichen Thema "Meditation und ihr philosophischer Gehalt" kann ich nichts beitragen. Ich habe noch nie meditiert.)




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Do 20. Aug 2020, 06:18

Hallo Jovis,

Ich habe das Video eingebunden. Das ist aber kein Zauberwerk, sondern ganz leicht :)

Code: Alles auswählen

https://www.youtube.com/watch?v=fNmdtlueAAM
[youtube]fNmdtlueAAM[/youtube]
Im Bearbeitungsmodus für einen Beitrag gibt es einen YouTube Button. Dort einfach den Teil der Adresse, der nach dem Gleichheitszeichen kommt einfügen, fertig.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Do 20. Aug 2020, 06:29

Danke für das Video. Dann ist die Sache für mich jetzt klar: ich mache Zazen! Gut zu wissen nach zwei Jahren :)

Ich erinnere mich, dass ich vor längerer Zeit (mehr am Anfang meiner Zazen Praxis) mal in einer Buchhandlung gestöbert und ein Buch über Meditation in die Hand bekommen habe. Ein Kapitel in diesem Buch hieß: "hört auf zu Meditieren!" Ich denke, das dürfte vielleicht in eine vergleichbare Richtung laufen.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Do 20. Aug 2020, 06:49

Es heißt: "der Weg ist das Ziel". Das gilt, meine ich, für alle Dinge, die man um ihrer selbst willen macht. Oder? Dann ist das, was man tut, ein Wert in sich selbst und wird nicht erst wertvoll durch das Erreichen des Ziels also durch etwas anderes, was es nicht selbst ist.

Wenn man etwas, was eigentlich ein "Zweck in sich selbst" sein könnte, tut, um etwas anderes zu erreichen, dann kann es leicht passieren, dass man den Wert, den das eigene Tun hat/haben könnte, "verpasst".

Ein Beispiel: man liest gelegentlich, dass die musischen Fächer in der Schule, also z.b. Malen, Zeichnen, Musizieren so wichtig wären, weil sie die "wirklich wichtigen" Fächer: Physik, Mathematik, etc. "befördern". Selten jedoch hört man, dass es gut ist, Mathematik zu betreiben, weil das die musischen Fähigkeiten steigert :) wobei es wahrscheinlich sogar stimmt, man denke dabei nur an die berühmten Sphärenklänge!

(Wenn man gedanklich bei der Schule ist, dann bekommt der Ausdruck "stillsitzen" plötzlich einen ganz besonderen, nicht so schönen Klang 😁)

Aus diesem Grund stehen heute oft Praktiken (wie das Meditieren) sogar in der Kritik, wenn sie nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Selbstoptimierung praktiziert werden. Man fügt sie dann gegen die Idee der Sache wieder in den allgemeinen Verwertungszusammenhang ein - als Spieler auf dem Spielfeld, wie es Muho nennt.




Benutzeravatar
Jovis
Beiträge: 228
Registriert: So 19. Apr 2020, 08:46

Do 20. Aug 2020, 16:35

Test Test Test - just for fun: Rezitation des Herz-Sutras





herbert clemens
Beiträge: 343
Registriert: Di 22. Aug 2017, 14:06

Fr 21. Aug 2020, 10:28

Friederike hat geschrieben :
Mo 17. Aug 2020, 11:45
Jovis hat geschrieben :
Sa 15. Aug 2020, 17:02
Mich hat seitdem besonders das Bild der Bühne beschäftigt. Wir sind demnach nicht die Schauspieler und nicht die Zuschauer in unserem Leben und schon gar nicht der Regisseur. Sondern "nur" die Bühne, auf der sich dies alles abspielt. Nicht ich lebe mein Leben, sondern das Leben lebt mich, sozusagen. Ich empfinde diese Vorstellung als befreiend und beängstigend zugleich. Das Leben lebt quasi durch mich hindurch. (Was ist das allerdings, dieses "Leben"?)
Ich war neulich mit meiner Tochter und ihrer Familie in einem Tierpark, und überall wuselten Kinder und Eltern und Großeltern umher (mit mehr oder weniger Corona-Abstand), und ich hatte plötzlich, noch unter dem Eindruck von Muhos Bild, das Gefühl, als seien all diese Menschen Bühnen, auf denen, ohne dass sie es richtig wissen, dieses merkwürdige Stück namens Leben gespielt wird. Wir alle (denn ich will mich da nicht ausschließen) hatten das Gefühl, etwas zu TUN - mit den Kindern lachen, auf sie aufpassen, sich unterhalten, gucken ... - aber in Wirklichkeit GESCHAH einfach alles. Das war sehr merkwürdig.
@Jovis, vorhin habe ich dieses Bild versucht zu imaginieren - "merkwürdig" trifft mein Befinden dabei ausgezeichnet. Zuerst hat das Beängstigende dominiert, weil es mir so vorkam, als würde der zentrale Festhaltepunkt, der Punkt, der alles kontrolliert ... oder besser, der alles zusammenhält, also mein "Ich" verschwinden. Da ist auf einmal gar nichts mehr. Eigentlich auch nichts mehr von mir, was die Person Friederike und wie sie sich als Bühne erlebt, beobachtet. Das befreiende Moment kam später erst, obwohl "befreiend" mir zu groß scheint; eher trifft es die "Empfindung von Weite". Es geschieht einfach, das Leben geschieht, ohne mich :lol: - das ist wirklich eine total unvertraute Vorstellung, aber schön.
@Friederike
diese schöne Vorstellung ist vielleicht schon in der Situation,
oder nur in der nachherigen Reflektion (?)
deine Vorstellung
(die ich nachvollziehen kann)
ein Punkt, vielleicht nahe dem „Nichts“, nimmt wahr
ich helfe mir in meinem Bild vom Menschen mit der Vorstellung (m)eines höheren Selbst
im Gegensatz zum biographischen Ich, das von aktuellen Befindlichkeiten und anerzogenen Gefühlen beherrscht wird und unfrei ist.
Dieses Selbst ist Nichts-Punkt, aber umwoben vom biographischen Ich,
beide lassen sich in der Lebenspraxis nicht trennen.
Dieses Selbst kann dem Ich den „Kick“ geben, auf seine eingeschränkte biographische Befindlichkeit zu verzichten,
und sich dem „Leben“ hinzugeben.
Neulich beim Boule im Stadthallengarten in der Dreiermannschaft ein wenig langweilig
Zeit, die Schönheit des blühenden Lebens wahrzunehmen
eine selten gesehene weiß-lila Farbkomposition rührt mich besonders an
ich gebe mich für wenige Momente hin,
bin mit dem „leben“ verbunden: Freude
(Schönheit wahrzunehmen ist in letzter Zeit ein „Übungsschwerpunkt“.
Gerne versuche ich mit dem Handyfotoapparat dies fest zu halten.
Wie schon manchmal gelingt es mir nicht: die Farbenpracht im „Auge des Betrachters“ (?), im „Herzen“, in „Mir“ ist auf dem Foto nicht zu sehen.
(Vielleicht wäre es malbar gewesen?))

Mit dem ZaZen als Übungsweg komme ich nicht recht zurecht.
Der Schäfchen sind zu viele …
Bei meinem „Innehalten“
versuche ich schon still zu werden, in einer zentrierten Haltung zu sitzen, mich dem Atem anzuvertrauen, …
wichtig ist, was auch Abt Muho ausführt,
dass es um die Liebe geht …
PC-Müdigkeit breitet sich leider bei mir aus ...




Benutzeravatar
Jovis
Beiträge: 228
Registriert: So 19. Apr 2020, 08:46

Fr 21. Aug 2020, 16:47

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 20. Aug 2020, 06:49
Es heißt: "der Weg ist das Ziel". Das gilt, meine ich, für alle Dinge, die man um ihrer selbst willen macht. Oder? Dann ist das, was man tut, ein Wert in sich selbst und wird nicht erst wertvoll durch das Erreichen des Ziels also durch etwas anderes, was es nicht selbst ist.

Wenn man etwas, was eigentlich ein "Zweck in sich selbst" sein könnte, tut, um etwas anderes zu erreichen, dann kann es leicht passieren, dass man den Wert, den das eigene Tun hat/haben könnte, "verpasst".
Ich liebe diesen Satz "Der Weg ist das Ziel" ja eigentlich, aber er ist inzwischen so abgedroschen, dass das allmählich bei mir kippt und sich Widerstand regt. Nicht dass ich ihn nun umgekehrt lesen will, sondern ich denke, dass doch beides gleichwertig sein könnte: Ich habe ein Ziel, und es führt ein Weg dorthin (oder mehrere, aber ich habe mich für diesen einen entschieden). Ziele sind doch nicht per se etwas Schlechtes, oder? Es müsste doch möglich sein, beides wertzuschätzen. (Ziele zu verfolgen widerspricht jetzt wahrscheinlich dem "Geschehenlassen", aber ich bin ja auch nicht erleuchtet. :roll: )
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 20. Aug 2020, 06:49
Aus diesem Grund stehen heute oft Praktiken (wie das Meditieren) sogar in der Kritik, wenn sie nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Selbstoptimierung praktiziert werden. Man fügt sie dann gegen die Idee der Sache wieder in den allgemeinen Verwertungszusammenhang ein - als Spieler auf dem Spielfeld, wie es Muho nennt.
Ja, auch Meditation zur Leistungssteigerung von Managern oder Angestellten soll es ja tatsächlich geben. Damit man ganz entspannt aus seiner Mitte heraus den Profit der Konzerne noch ein wenig steigern kann. Nicht Verhältnisse ändern, Druck und Stress abbauen, sondern eine kurze Meditations-Reha, um anschließend möglichst noch mehr Leistung zu erbringen, damit der Kurs sich auch bezahlt macht ... Da haben aus meiner Sicht sowohl Weg als auch Ziel jeglichen Wert verloren.




Benutzeravatar
Jovis
Beiträge: 228
Registriert: So 19. Apr 2020, 08:46

Fr 21. Aug 2020, 17:04

Ein kleines, banales Beispiel für die mögliche Gleichwertigkeit von Weg und Ziel: Dieser Mönch in dem Video mit dem Herz-Sutra, mit welcher Sorgfalt er das Mikrofon aufnimmt und am Ende behutsam wieder ablegt ... Ja natürlich, er macht das auch für die Kamera, das ist mir schon klar. Aber vielleicht ist es ja tatsächlich so wie in meiner romantischen Vorstellung von einem Zen-Mönch, dass ihm ein solch achtsamer Umgang mit allen Dingen und Handlungen in Fleisch und Blut übergegangen ist. Er hat das Ziel Musik zu machen. Aber den Weg dorthin nimmt er genauso wichtig. Oder vielmehr: Er macht keine Unterscheidung zwischen wichtig und unwichtig. Er tut einfach mit gleichbleibender Sorgfalt, was getan werden muss.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 22. Aug 2020, 06:58

Jovis hat geschrieben :
Fr 21. Aug 2020, 16:47
Ziele sind doch nicht per se etwas Schlechtes, oder?
[...]
Es müsste doch möglich sein, beides wertzuschätzen.
Nein, Ziele sind nicht per se etwas Schlechtes! Das wären ja ansonsten auch schlechte Nachrichten für den Weg, der selbst ein Ziel ist :) Es stimmt natürlich, das Zitat ist total abgedroschen. Dennoch: für mich drückt es aus, dass es möglich ist, beides wertzuschätzen. Den Weg um seiner selbst willen und das Ziel, wenn der Weg denn ein weiteres hat (wie z.b. dein Weg zur Arbeit) natürlich ebenso.




Benutzeravatar
Jovis
Beiträge: 228
Registriert: So 19. Apr 2020, 08:46

Sa 22. Aug 2020, 09:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 22. Aug 2020, 06:58
Nein, Ziele sind nicht per se etwas Schlechtes! Das wären ja ansonsten auch schlechte Nachrichten für den Weg, der selbst ein Ziel ist :)
:lol:




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 22. Aug 2020, 10:10

herbert clemens hat geschrieben :
Fr 21. Aug 2020, 10:28
wichtig ist, was auch Abt Muho ausführt, dass es um die Liebe geht …
Interessant, dass du einen Aspekt des Interviews hervorhebst, an den ich mich noch nicht mal erinnern kann!
herbert clemens hat geschrieben :
Fr 21. Aug 2020, 10:28
Der Schäfchen sind zu viele …
... sagt der Schäfer und es wurden mehr :)




herbert clemens
Beiträge: 343
Registriert: Di 22. Aug 2017, 14:06

Mo 24. Aug 2020, 13:29

@Jörn
Die selektive Wahrnehmung ist schon eine interessante Tatsache.
Vielleicht hörst Du noch mal hinein. Für mich war folgender Gedankengang zentral.
Zazen erinnert mich daran, dass ich aus dem Spiel aussteigen kann
im Schweigen, in der Stille, dem Spiel eine Bühne gebe
als zweiter Schritt Liebe als Grundlage erfahrbar ist
als ritter Schritt Liebe in Kooparation in Lebenspraxis überführt werden kann
das Maximum an Freude für alle als Perspektive sich entwickelt.

@Friederike ich habe gerade gesehen, dass die Unterscheidung Ich und Selbst auch von David Damberg benutzt wird:
Damberg:
Wir Menschen bestehen aus zwei Seiten und sind Bürger zweier Welten. Wir gehören hier zur Erde und wir gehören zum Himmel. Und so ist in uns auch eine Instanz, die sich ganz um die irdischen Dinge kümmert und eine um die spirituellen und geistigen Dinge. Wir nennen sie meistens Ich und Selbst. Und diese beiden Instanzen oder inneren Seiten spielen beim Wünschen und bei der Erfüllung eine große Rolle.

Es gibt drei Schritte bei diesem Wünschen:

Zunächst geht es darum, den Mangel zu erkennen. Was brauchst Du? Was vermisst Du? Was fehlt in Deinem Leben?
Dann kannst Du daraus den Wunsch formulieren. Formuliere in der Gegenwart und positiv. Beschreibe in dem Satz also nicht, was Du nicht haben willst, sondern was Du möchtest. Versuche dem Satz so viel Emotionalität wie möglich zu geben. Das kann Dir durch Adjektive gut gelingen. Der Satz muss sich richtig gut und stark anfühlen.

Im letzten Schritt lässt Du den Satz wieder los, überlässt den Satz Deinem Selbst, der Seite in Dir, die Du spürst, wenn Du meditierst, auf dem Gipfel eines Berges in die Weite schaust oder die Du nach einer wohltuenden Yoga-Sitzung fühlst. Überlasse Deinen Wunsch dieser Seite in Dir.
Von dort kommt die Erfüllung, nicht davon, dass ich den Satz in einer bestimmten Anzahl wiederhole oder sonst etwas mache, was mit Anstrengung und Konzepten zu tun hat.
Die Erfüllung kommt von dort, wo die Fülle wohnt.

Aus: https://mystik-im-leben.de/2020/08/22/w ... sm%2FA0%3D




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 24. Aug 2020, 15:42

herbert clemens hat geschrieben :
Mo 24. Aug 2020, 13:29
@Jörn
Die selektive Wahrnehmung ist schon eine interessante Tatsache.
Vielleicht hörst Du noch mal hinein. Für mich war folgender Gedankengang zentral.
Zazen erinnert mich daran, dass ich aus dem Spiel aussteigen kann
im Schweigen, in der Stille, dem Spiel eine Bühne gebe
als zweiter Schritt Liebe als Grundlage erfahrbar ist
als ritter Schritt Liebe in Kooparation in Lebenspraxis überführt werden kann
das Maximum an Freude für alle als Perspektive sich entwickelt.
Ich hab mir das Interview jetzt tatsächlich noch mal angehört. Es kommt bei einer von neun Fragen tatsächlich der Ausdruck Liebe vor. Allerdings weit ab von der gängigen Bedeutung, denn ein Beispiel dafür ist den Anderen auch mal zu fragen: "Wie geht es dir?" So wie ich den Begriff bei Muho verstehe, sagt er eher so viel wie: Anerkennung, Kooperation, Solidarität, im selben Team sein, auf derselben Bühne sein. Das, was in deiner Zusammenfassung zwei Schritte sind, sehe ich als einen. In einem anderen Interview äußert sich Muho zum Gebrauch des Begriffs "Liebe" skeptisch: "Das Christentum ist die Religion der Liebe. Oder zumindest, so sollte man vielleicht besser sagen, eine Religion, in der viel von Liebe die Rede ist. Von der Liebe zu Gott, von der Liebe zum Nächsten. Doch wenn man über eine Sache zu viele Worte verlieren muss, bedeutet das meist, dass man mitunter ein gar nicht so kleines Problem mit ihr hat. So ist es auch mit der Liebe. Über die Liebe zu reden und tatsächlich zu lieben sind zwei verschiedene Dinge."

Warum ist mir das so wichtig eigentlich? Ich könnte dich ja auch "gewinnen" lassen. Ich glaube, weil mir das Sitzen auf der Bank (bei mir ist es nicht das Kissen) so lieb geworden ist. Ich möchte es vor zu großen Worten in Schutz nehmen :-)

--------------------------------------

Ich hab mal das Interview - nicht zusammengefasst - sondern mir/uns in freien Wort ein paar Erinnerungsstützen notiert. Ist aber nicht einfach in sich verständlich, befürchte ich, sondern wohl nur im Zusammenhang mit dem gesprochenen Text.

(1) Was ist das Ich?
"Person auf der Bühne"/"Spieler" und zudem das "wahre Selbst"

(2) Was ist Erleuchtung?
Man ist mehr als die Person, ich bin die ganze Bühne, aber kann dennoch zurück an den Spieltisch gehen. Dann spricht man dort "Worte der Liebe", zum Beispiel "Wie geht es dir", man nimmt den anderen zur Kenntnis, man hilft, man kooperiert, man ist im selben Team.

(3) Voraussetzungen der Erleuchtung?
Im Spiel selbst gibt es nichts, was die Person/Figur erkennen lässt, dass sie aussteigen kann. Im Zen ist die Voraussetzung sich aufs Kissen zu setzen und zu erkennen, dass Zen gut für nichts ist.

(4) Was ist Zazen und wie geht das?
Zunächst ist eine bestimmte (Körper-)Haltung wichtig. Der Atem steht nicht so sehr im Zentrum. "Denke auf dem Grund des Nichtdenkens" - das "Undenken". Der Geist erlaubt den Gedanken sich zu entfalten, er gibt ihnen Raum, doch er ist nicht diese Gedanken.
Man macht sich Sorgen um die vielen Schafe, man will sie einhegen. Je mehr man Schäfer wird, desto mehr tricksen die Schafe mit dir. Langsam wird aus dem Schäfer ein kleiner Adolf. Die Schafe bleiben davon unbeeindruckt und Adolf platzt vor Wut. Wer ist hier eigentlich das Problem? Natürlich Adolf/der Schäfer selbst. Der Schäfer sollte sich etwas beruhigen, sich unter die Eiche legen und die Vögel zwitschern hören. Du musst gar kein Schäfer sein, schau dir die Szene mal von oben an. Komme dann aber vom Himmel runter und sei einfach die Weide selbst. Die Schafe dürfen auf einem rumtrampeln und rumscheißen …

(5) Wie können wir Unzufriedenheit und Leiden überwinden
Wie kann man (zum Beispiel) Schmerzen ertragen/überwinden? Loslassen UND Annehmen. Nicht dagegen kämpfen und nicht davon weglaufen. ("Das bringt mich noch um! Ist doch kein Problem, wir haben doch einen Friedhof im Kloster.")

(6) Man soll das Ego töten, überwinden oder abschneiden, was heißt das?
Wer will eigentlich das "Ego" töten? Das Ego! Man muss den Spieler nicht töten, denn der Spieler ist Teil von dir. Der Spieler kann das Spiel auch kooperativ spielen - Beispiel: Schachspiel mit dem eigenen Kind - Das Ego überwinden heißt: Ich mache zwar das Beste aus diesem Spieler, der ich bin, aber letztlich kommt es darauf nicht an.

(7) Was versteht man im Zen unter Hingabe?
Hingabe ist der letzte Schritt, wo man zur Weide wird, wo man die anderen gewinnen lässt, wo man selbst hätte gewinnen können.

(8) Wie praktiziert man Zen im Alltag? (Familie, Beruf, Ökologie …)
Das heißt "übersetzt" wie kann ich die Hingabe auch im Alltag praktizieren, auf dem Kissen geht das, aber wirklich ernst wird es, wenn man vom Kissen runter steigt und wieder im Alltag ist. Wenn es um Geld und Profite geht, dann ist Hingabe nicht einfach, man wird leicht ausgenutzt … da stößt man schnell an Grenzen. Wichtig ist zu Erkennen, dass man keinen Anspruch auf Schadensersatz hat, fürs Geworfensein in die Welt - alles ist ein Geschenk und man darf alles zurückgeben. ...

(9) Was sagt man kurz und prägnant jemandem, der mit Zen beginnen will?
Warum begibst du dich auf den Weg? Was mache ich da eigentlich? Es lohnt sich immer wieder neugierig zu sein.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 24. Aug 2020, 15:52

@Herbert, ich hab's ausprobiert - die Übung gefällt mir sehr. Sie ist einfach und -vielleicht ist's ein wenig magisch gedacht- die Fülle (hier das "Selbst") wird schon wirken. Damit meine ich, sie wird ihre Wirkung entfalten, irgendwann dann, wenn ich gar nicht an Wunsch und Erfüllung/Mangel und Fülle denke.




herbert clemens
Beiträge: 343
Registriert: Di 22. Aug 2017, 14:06

Mi 26. Aug 2020, 08:17

@ Jörn
Danke für diesen liebevollen Beitrag.
Viele Wege führen nach Rom.
Uns ist der je eigene Weg sinnvoll
(und ich habe wohl im Hören Übereinstimmungen mit meinen Weg hören wollen)
Viele Wege, die sich kreuzen, gemeinsame Wegstrecken beinhalten, sich parallel bewegen, …
Ich „sehe“ (?), vermute, dass Du durch deinen Weg viel gewonnen hast.
Das könnte ich also auch so stehenlassen.
Nun sind wir in einem philosophische Austauschforum und ringen darum, gedanklich angemessen zu verstehen und auszusprechen.
Deshalb rede auch ich hier weiter.
Inne halten tun wir beide zu Tagesbeginn.
Wir werden still.
Heute hat der Beginn meines Dasein am PC folgenden Inhalt:
„26.8.20
inne halten
die Liebe in mich wach machen
in selbst-bewusster aufrechter Haltung
aufrichtig
dem Atemfluss des Lebens vertrauen
das Leid wahrnehmen
die Trauer um … zulassen
sie loslassen
praktisch die Not so weit wenden wie möglich
mich in die „Welt“ begeben
vernünftige Gedanken zum Weltgeschehen in sie hineintragen
To do
….“

durchs Innehalten Abstand gewinnen vom biographischen Ich
sich im Selbst von der allumfassenden Liebe getragen fühlen
(die Liebe wurde vom Christentum verunglimft,
sie bleibt mir sinnvolle Annahme meines sinnvollen Seins)
und sie wird nur wahr, wenn ich frage: Wie geht es dir?
So weit für heute




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 26. Aug 2020, 15:22

herbert clemens hat geschrieben :
Mi 26. Aug 2020, 08:17
die Liebe in [mir] wach machen
Es fällt mir schwer, mir darunter etwas vorzustellen.

Erstens hat Liebe immer ein Gegenüber: jemand oder etwas, was geliebt wird. Das fehlt in dieser Formulierung. Wieso?
Zweitens: Ist Liebe etwas in mir? Für mich nicht. Ich liebe ja jemanden. Diese Person ist ja "Teil" der Liebe. (In manchen Fällen spricht man von einer Beziehung oder einem Verhältnis - beides kann nicht "in" mir sein, es ist umgekehrt: ich bin darin.)
Und drittens: wach machen? Je nachdem, was man unter Liebe verstehen mag, ist sie entweder immer da, weil es die Beziehung "umfasst", in guten wie in schlechten Zeiten. Sie kann sich aber auch in besonderen Momenten äußern, als Momente der Verliebtheit, dann aber oft "überfallartig" und vor allem von "außen", sie ergreift einen.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 26. Aug 2020, 16:35

Ist das Sehen in dir? Das Hören?




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mi 26. Aug 2020, 18:53

Ich sehe in @Herberts Formulierung mehr die Betonung des Aspektes, daß man die Wahl hat zu sagen: "ich will lieben oder ich will nicht lieben".




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 26. Aug 2020, 19:23

Aber wem gilt die Liebe?




Benutzeravatar
Jovis
Beiträge: 228
Registriert: So 19. Apr 2020, 08:46

Mi 26. Aug 2020, 19:26

Wenn man statt Liebe Mitgefühl sagt, passt es vielleicht besser. Das ist ja eigentlich auch der gebräuchlichere Ausdruck im Buddhismus. In der Metta-Meditation versucht man, das Mitgefühl in sich selbst zu fördern und zu stärken. Oder wach zu machen, wie Herbert sagt. Ich fühle mit allen leidenden Wesen - das ist ein Gefühl in mir, auch wenn es sich auf andere richtet.

Liebe hingegen ist eine komplexere Sache als ein Gefühl. Dass Muho das Wort verwendet, hatte mich ohnehin leicht gewundert.




Antworten