Friederike hat geschrieben : ↑ Do 16. Aug 2018, 12:31
Was ist denn eigentlich der Antrieb in unserer, der westeuropäischen Gesellschaft, Meditationsformen auszuprobieren? Meine These, auch begründet durch eigene Erfahrung, lautet, daß der Impuls von einer Art von Unglücklichsein gegeben ist. Dem Wunsch und der Erwartung, Meditation könne das Lebens-Gefühl verbessern.
Glaube ich eher nicht und zwar aus zwei Gründen: Zum einen finde ich das Unglücksmotiv zu pauschal, denn man kann es jeder Veränderung oder so gut wie jeder Aktivität unterstellen.
Warum werden Menschen politisch, engagieren sich für Menschen, Natur, Tierschutz …, ernähren sich anders oder machen Sport? Immer kann man eine Art und Unzufriedenheit mit dem Leben unterstellen.
Zudem habe ich die Erfahrung gemacht, wenn man unglücklichen Menschen rät zu meditieren, man eigentlich stets auf Granit beißt. Fast kann man den Eindruck haben, dass sie lieber unglücklich sind.
Dann glaube ich, dass, wenn man den Drang nach Veränderung, Neugier oder dergleichen nicht auf Unzufriedenheit reduziert, ein breiter Strauß an Motiven sichtbar wird. Sicher auch eine Unzufriedenheit im engeren Sinne, dass Gefühl, dass das nicht alles im Leben gewesen sein kann, was man oft gerade dann hat, wenn es recht gut läuft. Wenn man erreicht, was der Mainstream als zu erreichen diktiert, müsste man eigentlich zufrieden sein. Aber was, wenn sich diese Zufriedenheit nicht einstellt?
Da hat man es ‚gut‘, wenn man über irgendwelche Mängel schimpfen kann. Die bessere Figur, die größere Intelligenz, das eigene Haus, den akademischen Grad, das Mehr an Freizeit vom Nachbarn oder was auch immer es sei. Wenn man den vorgeschriebenen Lebensweg erfolgreich geht und das Glück sich dennoch nicht im erwarteten Umfang einstellt, hat man es nicht so leicht.
Aber es kann auch andere Motive geben, warum man es mit der Meditation mal versucht hat. Das Besondere, der Exotismus, ein wenig Auffallen, nachdem das aufstrebende Bürgertum nun kollektiv gebräunt zeigen konnte, dass es im Urlaub in Italien oder Spanien, am Teutonengrill war, musste was anderes kommen, mit dem man sich abgrenzen konnte
Experimentierfreude im Zuge der Hippiebewegung, war sicher ein Motiv. Freie Liebe, psychodelische Musik, freier Körperausdruck (neue Tanzstile), Drogen und dann eben auch Meditation.
Wissensdurst und Ehrgeiz scheint mir auch ein starkes Motiv zu sein, vielleicht bei wenigen, dafür dann aber umso intensiver. Diejenigen die darin mehr als ein Zeitgeistphänomen sahen, konnten darin viel finden.
Ich denke, dass Sinn- und Lebenskrisen durchaus Auslöser sein können um offen zu sein, sich Neuem zuzuwenden und der tiefe Drang mehr aus seinem Leben zu machen oder hier im Leben überhaupt anzukommen, gehört sicher auch dazu. Aber man sollte sich zugleich vor der Idee hüten, dass es ein richtiges oder edles Motiv gibt, mit dem man mit der Meditation starten könnte. Menschen die aus perfektem Antrieb zum Buddha kamen, hat derselbe weggeschickt: sie sollten erst mal sündigen und leben.
Denn der Wunsch zu meditieren ist nicht in dem Sinne aus dem Leid geboren, dass man sagt, dass man da im Leben irgendwie nicht weiter kommt und auch keine depressive Grundhaltung, sondern Meditation ist eine Antwort auf die tiefe Erkenntnis, dass das Leben, so wie es von so gut wie jedem gelebt wird, zwingend zum Leid führt. Der Legende nach gilt der Buddha ja nicht als armer Schlucker, sondern als Kind einer wohlhabenden Familie, was als junger Mann dann irgendwann mit den Leid der Welt konfrontiert war, dass er nie sah. Im Grunde ist das eine Variante der Theodizeefrage, wenn man mal genauer hinschaut.
Samsara ist auch weniger unsere Welt als unsere Art zu leben, mit Welt umzugehen, Nirwana kein Äquivalent zum Paradies, sondern ein anderes Weltbild, denn einer der entscheidenden Punkte ist die Erkenntnis, dass Samsara und Nirvana nicht getrennt sind.
Hier kommen wir aber wirklich in den Bereich des Verstehens. Denn, es ist eine Sache, sich die Wahrheiten aller Weisen durchzulesen und auswendig zu lernen, die andere ist, sie wirklich innerlich zu erfassen. Da das schwer und keineswegs banal oder wirr ist, gibt es viele Fürsprecher der Idee, dass man über das Höchste eigentlich nicht reden kann oder sollte. Ein wunderschönes Einfallstor für jede Menge dummes Geschwafel, von Leuten, die nun ihre spirituellen Einsichten und Weisheiten verkünden konnten und die sich nie festnageln ließen, denn das Höchste lässt sich ja bekanntlich nicht in Worte fassen.
Etwas anspruchsvollere Varianten sehen Gott oder etwas in der Art, als nur negativ bestimmbar an, weil das, was sich offenbart stets nicht Gott ist und Gott dann das ewig sich entziehende Prinzip darstellt.
In der Frage nach der Meditation und den Erkenntnissen die man dort gewinnen kann, treffen wir aber nicht einfach auch irgendwelche verschrobenen Ideen des Ostens (und wir wissen, nur im Westen konnte man richtig denken), sondern knüpfen an alten platonische Ideen an, sich so anhören:
Harald Seubert hat geschrieben : „Es zeigt sich auch, wenn signalisiert wird, dass ein richtiger Satz, von einer falscher Person oder zu einem falschen Zeitpunkt gesagt, falsch werden kann.“
Und etwas später:
„Die eindrücklichste Bestätigung des Gewichts jeder Bezeugung, findet sich in der Maxime, dass nicht nur die Tauglichkeit der Untersuchung geprüft werden soll, sondern auch die Seele dessen, der untersucht.“
(Harald Seubert, Platon – Anfang, Mitte und Ziel der Philosophie, Verlag Karl Aber 2017, S. 20)
Wir sind einen anderen Weg gegangen. Für uns ist ein wahrer Satz wahr, weil er sich auf eine allgemein zugängliche Wahrheit dahinter, die so ist, wie behauptet, bezieht. Der Turm ist eben 30 Meter hoch. In der Meditation oder ihren Erfahrungen holen wir uns diese andere Sicht auf die Wahrheit wieder zurück, denn ein beliebiger Satz den ein Weiser ausspricht mag aus dessen Sicht wahr sein, aber wenn nun irgendwer sagt, dass Samsara und Nirwana nicht zwei sind, ja was bedeutet das? Wer sagt, dass es kein Ich gibt oder das Leben Leid ist … warum? In welchem Kontext? Was heißt das eigentlich alles?
Im spirituellen Mainstream fährt man gut damit, dass sich das Höchste der Sagbarkeit angeblich entzieht, denn man hat immer einen Punkt auf den man sich zurückziehen kann. Die Kritiker fahren auch gut damit, können sie sich doch das irgendwie Antiintellektuelle weiter bestätigen und dass man sich mit all dem Unsinn nicht näher abzugeben braucht.
Aber auch was für eine Wahrheit verweisen denn die Sätze der Weisen? Ist das alles Mist? Kümmerliche Erkenntnisse, die vor den der Kraft unseres Intellekts ganz einfach verglühen? Tausende Jahre verständlicher Irrtum, aber leider doch eben falsch? Bleibt dann doch die Bespaßung für die überspannte Hausfrau oder die durchaus nützliche Entspannungstechnik?