David Chalmers Zombies Bewusstsein

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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So 9. Dez 2018, 17:33

Herr K. hat geschrieben :
So 9. Dez 2018, 17:06
Den Beitrag 26816 habe ich nicht verstanden. Dort sind 3 Zitate untereinander aufgelistet. Schön, und weiter?
Zitat 2 und 3 sind Antworten auf deine Position.




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Herr K.
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So 9. Dez 2018, 19:03

Oh, ich sehe gerade, dass der Link zu Chalmers' Buch der falsche ist, hier nochmal ein Versuch: The conscious mind.

Wieso in Beitrag 26816 die Zitate 2 und 3 Antworten auf mein Zitat sein sollen, habe ich nun immer noch nicht verstanden. Das Zitat von Jackson "Jedes minimale physikalische Duplikat der aktualen Welt ist ein Duplikat schlechthin" sehe ich als Definition des Physikalismus an. Das Zitat von Prof. Dr. Sven Walter nicht, denn da fehlt das "minimal", wobei "minimal" hier bedeutet: es wird nichts hinzugefügt. Ergo: angenommen, es gibt in unserer Welt kein epiphänomenales Bewusstsein, dann braucht es in einem minimalen physikalischen Duplikat auch kein epiphänomenales Bewusstsein zu geben. Das war es, was ich urspünglich sagen wollte: Physikalismus ist kein Aussage über alle möglichen Welten, es wird nicht behauptet, dass in allen möglichen Welten Physikalismus wahr ist. Z.B. wird nicht behauptet, dass epiphänomenales Bewusstsein logisch unmöglich sei. Ich behaupte lediglich, dass es in unserer Welt kein epiphänomenales Bewusstsein gibt.

Dein Gedankenexperiment kann ich auch immer noch nicht nachvollziehen. Angenommen, es sei uns - wie auch immer - möglich, nicht durch Zeugung, sondern durch irgendwelche wie auch immer Konstruktionen ein ganzes Universum mit Wesen aus Fleisch und Blut zu erzeugen, das mit dem unseren physikalisch identisch ist - wieso sollte daraus folgen, dass die von uns konstruierten Wesen kein phänomenales Bewusstsein hätten?




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Jörn Budesheim
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So 9. Dez 2018, 19:22

Herr K. hat geschrieben :
So 9. Dez 2018, 19:03
Physikalismus ist kein Aussage über alle möglichen Welten
Das ist ein Problem. Denn dann fehlt uns die gemeinsame Basis, um über das Gedankenexperiment zu sprechen.




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Herr K.
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So 9. Dez 2018, 19:54

Wieso? Wenn Du Jacksons Zitat "Jedes minimale physikalische Duplikat der aktualen Welt ist ein Duplikat schlechthin" als Bestimmung des Physikalismus gelten lässt, dann lässt sich daraus ja nun nicht so etwas ableiten: in jeder logisch möglichen Welt ist der Physikalismus wahr.




Tosa Inu
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Mo 10. Dez 2018, 09:59

Bewusstsein ist doch das schlechthin Gesetzte, von dem wir ausgehen müssen. Ob wir den Bestand einer gemeinschaftlich geteilten Außenwelt rechtfertigen können, ist schon eher die Frage, auch wenn dies m.E. der Fall ist. Bewusstsein ist das, was uns erkennen und schließen lässt. Das nachträglich zu einer Theorie umzubauen, in der das Bewusstsein wieder marginalisiert wird, erscheint mir sinnlos, weil dabei nur herauskäme, dass wir uns mit dem „Ding“, anhand dessen wir uns Welt erklären, diese nicht erklären können und die vermeintlich bessere Theorie wäre dann hoch umständlich erklärt vor allem wieder mal nicht viel.

Es würde auf irgendeine Form der Hirnaktivität hinauslaufen, die einerseits in ihren Tiefen die Eindrücke der Welt verarbeitet, andererseits so ein epiphänomenales Ich zur Verfügung stellt, in dem fertige Ergebnisse ankommen, zu dem Zweck, damit das projizierte Ich sich wohl fühlt und die Welt versteht, auch wenn dieses ganze Segment, ohne weiteren Einfluss auf die Welt bliebe.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Herr K. hat geschrieben :
Mi 28. Nov 2018, 05:53
Alleine mit Denkbarkeit funktioniert das Argument nicht, meine ich.
Herr K. hat geschrieben :
So 9. Dez 2018, 19:54
in jeder logisch möglichen Welt
Da wir uns nicht auf eine gemeinsame "Semantik" der möglichen Welten einigen können, können wir es auch mit den üblichen Begriffen versuchen. Daher noch mal sehr, sehr kurz, wie ich das Argument Chalmers in den Grundzügen verstehe:

Falls Bewusstseinzustände Gehirnzustände sind, gilt diese Identität notwendigerweise.
Diese Identität gilt nicht notwendigerweise, weil Zombies vorstellbar sind. (Chalmers Argument der Conceivability=Dankbarkeit/Vorstellbarkeit)
Also sind Bewusstseinzustände keine Gehirnzustände.
Also ist der Physikalismus falsch.




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Herr K.
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Mo 10. Dez 2018, 20:40

1. Falls Bewusstseinzustände Gehirnzustände sind, gilt diese Identität notwendigerweise.
2. Diese Identität gilt nicht notwendigerweise, weil Zombies vorstellbar sind. [...]
3. Also sind Bewusstseinzustände keine Gehirnzustände.
4. Also ist der Physikalismus falsch.


Ich habe das mal nummeriert, ich hoffe das ist genehm. Punkt 1 stimme ich zu. Bei Punkt 2 kommt es nun darauf an, was unter "Bewusstsein" verstanden wird. Falls a) Bewusstsein hierbei etwas sein soll, das Auswirkungen auf die physikalische Welt, also u.a. auf unser Verhalten, unsere Äußerungen und dergleichen haben soll, dann wären Zombies nicht möglich; fehlte das Bewusstsein, fehlte damit auch eine Ursachenquelle. Im Falle von a) wären Zombies daher nicht möglich, d.h. 2 wäre nicht richtig.

Falls jedoch b) Bewusstsein so konzipiert wird, dass es keinerlei Auswirkungen auf die physikalische Welt, also auch nicht auf unser Verhalten, unsere Äußerungen, Erinnerungen und dergleichen haben soll, wenn es also epiphänomenal konzipiert ist, dann wären zwar Zombies möglich, allerdings würde ich in dem Falle bestreiten, dass es in unserer Welt epiphänomenales Bewusstsein gibt. In dem Falle wären zwar 2 und 3 richtig, jedoch würde 4 nicht folgen.

So oder so ist das Zombie-Argument mE nicht erfolgreich.




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Jörn Budesheim
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Di 11. Dez 2018, 06:44

Herr K. hat geschrieben :
Mo 10. Dez 2018, 20:40
in unserer Welt
Das kommt in der Argumentation gar nicht vor. Wenn 1, 2 und 3 richtig sind, folgt 4 zwingend. Denn wenn Gehirn-Zustände in der fraglichen Art und Weise ohne Bewusstsein vorkommen können, dann liegt keine Identität von Gehirn Zuständen und Bewusstsein vor. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist es Physikalismus falsch.




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Herr K.
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Di 11. Dez 2018, 12:28

Zombies sind nur möglich, wenn Bewusstsein epiphänomenal ist, nennen wir so etwas "E-Bewussein". Da Physikalismus nicht behauptet, dass E-Bewusstsein mit Gehirn-Zuständen identisch sei, (sondern dass Bewusstsein mit Gehirnzuständen identisch sei), folgt aus 1, 2 und 3 nicht 4.




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Jörn Budesheim
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Di 11. Dez 2018, 13:18

Herr K. hat geschrieben :
Di 11. Dez 2018, 12:28
Da Physikalismus nicht behauptet, dass E-Bewusstsein mit Gehirn-Zuständen identisch sei
Das bestreite ich. Der Physikalismus behauptet, dass letztlich alles physikalisch ist. Wenn etwas, egal was, nicht in dieses Muster passt, ist der Physikalismus falsch.




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Jörn Budesheim
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Di 11. Dez 2018, 13:54

Ich bin mit dem Ergebnis Chalmers Gedanken zwar natürlich sehr einverstanden :-) Dennoch hab ich auch das Gefühl, dass etwas an dem Argument nicht stimmt. Aber was? Das Epiphänomen-Argument finde ich nicht sehr überzeugend. Wenn ich mein eigenes Beispiel oben durchdenke, dann glaube ich nicht, dass die Roboter, obwohl sie uns ähnlicher und ähnlicher werden, am Ende kein Bewusstsein entwickeln. Vielleicht ist es einfach biologisch unausweichlich, wer weiß ...




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Jörn Budesheim
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Di 11. Dez 2018, 18:45

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Wie klein die Welt ist, das war heute im Briefkasten :)




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Herr K.
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Mi 12. Dez 2018, 18:22

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 11. Dez 2018, 13:18
Herr K. hat geschrieben :
Di 11. Dez 2018, 12:28
Da Physikalismus nicht behauptet, dass E-Bewusstsein mit Gehirn-Zuständen identisch sei
Das bestreite ich. Der Physikalismus behauptet, dass letztlich alles physikalisch ist. Wenn etwas, egal was, nicht in dieses Muster passt, ist der Physikalismus falsch.
Der Physikalismus behauptet nicht, dass etwas, das nicht existiert, physikalisch sei.




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Jörn Budesheim
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Fr 14. Dez 2018, 13:27

Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 10. Dez 2018, 09:59
Bewusstsein ist doch das schlechthin Gesetzte, von dem wir ausgehen müssen. Ob wir den Bestand einer gemeinschaftlich geteilten Außenwelt rechtfertigen können, ist schon eher die Frage, auch wenn dies m.E. der Fall ist.
Das Bewusstsein ist sowohl logisch begrifflich als auch ontisch abhängig von der sogenannten Außenwelt, da eins seiner Merkmale eben die Intentionalität, also die Gerichtetheit ist. Wenn ich recht verstehe, zählt David Chalmers das jedoch zum leichten Problem. Das harte Problem ist, die Frage warum sich diese Gerichtetheit auch noch irgendwie anfühlt.

Mit anderen Worten: Man könnte die Phänomenalität des Bewusstseins zur Randfrage erklären ohne zugleich Intentionalität Bewusstseins in ihrer Bedeutung zu leugnen.




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Stefanie
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Di 5. Sep 2023, 18:53

UM EINE FLASCHE WEIN
Ein Philosoph und ein Neurologe wetteten um die Natur des Bewusstseins
Vor 25 Jahren schlossen Christof Koch und David Chalmers eine Wette ab, ob sich das Bewusstsein wissenschaftlich erklären lässt. Nun wurde der Sieger gekürt.
Der Philosoph David Chalmers und der Neurologe Christof Koch diskutierten über die Frage, ob sich das menschliche Bewusstsein auf der Ebene der Neuronen erklären ließe.
https://www.derstandard.de/story/300000 ... wusstseins



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Jörn Budesheim
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Di 5. Sep 2023, 18:57

Chalmers hielt es für eine (relativ) sichere Wette, cool. Koch, der über die Niederlage quittieren musste, ist übrigens derselbe Koch, den ich heute in einem der Beiträge zum Thema Panpsychismus erwähnt habe




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