Wesen

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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Do 9. Mai 2019, 18:54

szimmer hat geschrieben :
Sa 4. Mai 2019, 22:26
Vll. macht Jörn ja einen Thread dazu [Wesen] auf.
Okay :-) Was bedeutet der Begriff "Wesen"?




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Jörn Budesheim
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Do 9. Mai 2019, 18:59

Unter dem Wesen von etwas verstehe ich sein "Sosein", also das, was es zu dem macht, was es ist. Eine der Grundfrageformen der Philosophie ist "Was ist X?". Das ist meines Erachtens die Frage nach dem Wesen von X, man könnte daher auch von seiner begrifflichen Bestimmung sprechen.




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Friederike
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Fr 10. Mai 2019, 10:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 9. Mai 2019, 18:59
Unter dem Wesen von etwas verstehe ich sein "Sosein", also das, was es zu dem macht, was es ist. Eine der Grundfrageformen der Philosophie ist "Was ist X?". Das ist meines Erachtens die Frage nach dem Wesen von X, man könnte daher auch von seiner begrifflichen Bestimmung sprechen.
Ich muß nachfragen.

Wenn ich @Herberts Aussage (in "Gott für Atheisten") nehme, das Wesen des Menschen sei seine Unbestimmtheit, der Du zugestimmt hattest, dann würde ich den Begriff "Wesen" in dieser Aussage so verstehen, daß damit das wichtigste, das entscheidende Merkmal, das den Menschen kennzeichnet, gemeint ist. Entspricht das Deiner Aussage, die ich oben im Zitat unterstrichen habe? Ist es also nur eine andere Formulierung?

Hm, das mit der begrifflichen Bestimmung kapiere ich nicht.

Ich sage mal, was ich unter "Wesen" verstehe. Es ist das, wozu ein X bestimmt ist. Das bedeutet allerdings, daß diese Bestimmung außerhalb des X liegt. Das X kann sich nicht selber diese Bestimmung geben. Aus meiner Sicht ist der Begriff "Wesen" im Rahmen eines metaphysischen Konzeptes angesiedelt, deswegen kann die Festlegung der Bestimmung nicht in dem jeweiligen X selber liegen.




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Jörn Budesheim
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Fr 10. Mai 2019, 13:22

Das Wort "Bestimmung" hat leider verschiedene Konnotationen. Ein Hammer hat eine Bestimmung, das heißt er wurde für einen gewissen Zweck gemacht. Diese Bestimmung ist abhängig von denen, die sie dem Hammer geben. Aber sie ist natürlich auch abhängig vom Sosein des Hammers.

Wenn jemand allerdings Pilze (oder sonst irgendeine Art) bestimmt, liegen die Dinge etwas anders. Dann geht es darum, zu bestimmen was ohnehin der Fall ist.

Wenn wir das Wesen von etwas bestimmen, dann legen wir es nicht (per se) fest, sondern fragen danach. Der Akt des Bestimmens ist natürlich nicht notwendig Teil des Gegenstandes. Aber das, was bestimmt wird, ist eben der Gegenstand selbst.

Und wenn Sartre bzw der Neoexistentialismus Recht haben, dann geht beim Pilz und beim Hammer die Essenz (das Wesen) der Existenz voraus. Während wir Menschen uns in gewissen Grenzen selbst bestimmen können.




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Alethos
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Mi 14. Aug 2019, 22:45

Das Wesen eines Dings ist das Beharrliche an ihm. Beharrlich wiederum nennen wir dies, was durch seine verschiedenen Bestimmungen (Zustände) hindurch als dasselbe erkannt wird. Das Substanzielle an einem Ding gibt sein Wesen, weil in seinem Wesen seine Subsistenz liegt. Dadurch ist es dieses Wesenhafte, dass es aus sich selbst heraus beharrlich ist. Ein Ding existiert als Wesentliches durch sich selbst, vor dem Hintergrund seiner Seinsbedingungen, denn nur vor dem Hintergrund, dass es irgendwo vorkommt, kommt es vor. Und es kommt
durch sich selbst vor diesem vor als dieses. Es ist das Vorkommende vor diesem und als Vorkommendes Erscheinung in diesem.

Das Wesen muss daher der Existenz vorangehen, denn nur dadurch, das etwas dieses Wesentliche ist, kann es als etwas Reales, d.h. als etwas Erscheindendes vorkommen. Denn in Realität sein bedeutet existieren. Ohne dass etwas seine Wesentlichkeit hätte, vermöchte es in seinem Wesen gar nicht zu existieren, denn es wäre schlicht das sich ständig wesentlich Verändernde und daher nichts, das erscheinen könnte. Es wäre dann nur dasjenige, was potentiell existierte als etwas, ohne dieses je zu sein. Existenz bedeutet demnach die Verwirklichung des Dings in seinem Wesen, das sich deshalb erst verwirklichen muss, um existieren zu können.



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Jörn Budesheim
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Fr 16. Aug 2019, 12:21

Man könnte auch fragen: "Wesen - in welcher Hinsicht?" Biologisch sind wir vielleicht über unsere Gene bestimmt, sie machen uns als Mitglied der Spezies Homo sapiens aus. Dennoch sind wir in einer gewissen Hinsicht stets unbestimmt, weil wir uns fragen (können), wer wir sind, sein wollen oder sein sollen ... und uns an der Antwort orientieren können. Aber diese Antwort kann nie endgültig sein, erstens weil wir nicht alles über uns wissen können und zweitens weil wir uns auch neu bestimmen können. Wir sind schließlich, wie Sartre sagt, zur Freiheit gezwungen, was auch heißt, dass wir immer ein wenig unserer Essenz hinterherlaufen.




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Stefanie
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Sa 17. Aug 2019, 23:45

Jörn:
Aber diese Antwort kann nie endgültig sein, erstens weil wir nicht alles über uns wissen können und zweitens weil wir uns auch neu bestimmen können. Wir sind schließlich, wie Sartre sagt, zur Freiheit gezwungen, was auch heißt, dass wir immer ein wenig unserer Essenz hinterherlaufen.
Wenn wir uns immer neu bestimmen können, was ich auch so sehe, können wir nicht zur Freiheit gezwungen sein.
Alles was als Zwang empfunden wird, verhindert doch gerade, dass man sich neu bestimmen kann. Zwang ist einschränkend, begrenzend, beschränkt die Möglichkeiten ein. Freiheit ist eine Möglichkeit, und kein Zwang.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Jörn Budesheim
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So 18. Aug 2019, 08:41

Wir können uns uns dieser Freiheit allerdings nicht wirklich entledigen und darin besteht ihr Zwang.




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