Sein, Seiendem und ...*seufz*

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Stefanie
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Sa 27. Jun 2020, 19:27

Aber meines Erachtens ist die Frage ja ganz pragmatisch: wie viel Heidegger brauchst du, um die Einführung in Levinas einigermaßen verstehen zu können? Wie viel davon liefert die Einführung selbst
Die Einführung liefert genug. Mehr Heidegger brauchen brauche ich nicht, aber wollen will ich. Man stolpert immer wieder, auch woanders, über diese, seine Begrifflichkeiten und Thesen, irgendwann muss ich soweit sein, diese ohne andauernd nachschlagen zu müssen und gefrustet zu werden, lesen zu können. Mein Philosoph wird er aber nie werden.



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Stefanie
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Sa 27. Jun 2020, 19:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 27. Jun 2020, 19:22
Stefanie hat geschrieben :
Sa 27. Jun 2020, 18:45
Zum Verb sein nur solche Sätze wie "In 15 Jahren werde ich Rentner sein."
Dann versuche es vielleicht einfach mal mit "ist" :) ich meine dieses Wort habe ich gelegentlich gesehen. Auch bin, bist, sind, seid sollen hier und da vorkommen.
Die habe ich auch gelesen, ich war sogar auf Seiten mit Deutschkursen für nicht Muttersprachler.
Mir fällt dazu immer "Etwas ist" ein.



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Jörn Budesheim
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Sa 27. Jun 2020, 19:54

"Der Sinn von Sein muß uns daher schon in gewisser Weise verfügbar sein. Angedeutet wurde: wir bewegen uns immer schon in einem Seinsverständnis. Aus ihm heraus erwächst die ausdrückliche Frage nach dem Sinn von Sein und die Tendenz zu dessen Begriff. Wir wissen nicht, was »Sein« besagt. Aber schon wenn wir fragen: »was ist ›Sein‹?« halten wir uns in einem Verständnis des »ist«, ohne daß wir begrifflich fixieren könnten, was das »ist« bedeutet. Wir kennen nicht einmal den Horizont, aus dem her wir den Sinn fassen und fixieren sollten. Dieses durchschnittliche und vage Seinsverständnis ist ein Faktum."

(Martin Heidegger, Sein und Zeit)

"Das durchschnittliche, vage Seinsverständnis kann ferner durchsetzt sein von überlieferten Theorien und Meinungen über das Sein, so zwar, daß dabei diese Theorien als Quellen des herrschenden Verständnisses verborgen bleiben. – Das Gesuchte im Fragen nach dem Sein ist kein völlig Unbekanntes, wenngleich zunächst ganz und gar Unfaßliches."

(Martin Heidegger, Sein und Zeit)




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So 28. Jun 2020, 06:41

Stefanie hat geschrieben :
Sa 27. Jun 2020, 18:45
Aber nochmal meine Frage, wie kann es Der Tanz als Sein geben, wenn es nicht den Seienden also den Tänzer geben würde.
Und noch mal die Rückfrage: wieso stellst du/stellt sich dir diese Frage? Worauf willst du damit hinaus? Worauf bezieht sich das? Meinst du, man kann etwas, was in irgendeiner Art und Weise zusammenhängt, nicht unterscheiden?

Für mich ist das ungefähr so unverständlich wie das folgende: ein ausländischer Kollege fragt nach der Bedeutung der Ausdrücke Tisch und Wohnzimmer. Man zeigt ihm einen Tisch und und erklärt was ein Wohnzimmer ist und er antwortet: der Tisch steht doch im Wohnzimmer ...

Ich vermute folgendes: du scheinst in der Unterscheidung zwischen Sein und Seiendem irgendeine Implikationen zu sehen, die die Unterscheidung problematisch macht. Diese Implikation führt dich zu dieser Rückfrage. Jetzt müsste man den nächsten Schritt das Implizite explizit machen, damit man darüber reden kann.




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So 28. Jun 2020, 07:15

Stefanie hat geschrieben :
Sa 27. Jun 2020, 19:30
Die habe ich auch gelesen, ich war sogar auf Seiten mit Deutschkursen für nicht Muttersprachler.
Mir fällt dazu immer "Etwas ist" ein.
"der Himmel ist blau, ich bin froh und dergleichen" das sind die Alltagsbeispiele von Heidegger. Weitere Möglichkeiten: Aldi ist zu, der Chef ist heute schlecht gelaunt, Hans ist gut in Form...




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Jörn Budesheim
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So 28. Jun 2020, 09:03

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Die Vögel rufen das Nichts aus!




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Stefanie
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So 28. Jun 2020, 09:26

Alethos hatte zum Tanzbeispiel geschrieben:
Der Tanz scheint irgendwie vorher da zu sein, damit das Tun von Individuen ein Tanzen sein kann.
Von mir unterstrichen.

Auf diesen Satz bezieht sich meine Frage.
Das Sein ist vor dem Seiende da, damit diese dann Seiende sein können?
Das Sein soll alles sein, was ist, also existiert. In dem Tanzfall existiert der Tanz als Sein schon vorher, bevor die Seienden den Tanz aktiv erst zum existieren gebracht haben? Wo war denn der Tanz vorher, im Nichts?

Ich glaube, es geht mir um die Stellung und die Position des Menschen in diesem ganzen Zusammenhang.
Is er das Sein oder " nur" der Seiende? Wenn der Mensch "nur" der Seiende ist, nimmt er am Sein nur teil, ist aber nicht aktiv, indem er das Sein erschafft und gestaltet.

Ich merke gerade beim schreiben, dass ich zwar die Beispiele mit laufen, das Laufen, der Laufende grammatikalisch verstehe, aber gerade wieder nicht den Unterschied zwischen:
Seiendes: Paradigmatisch konkrete Gegenstände. Der Tisch, der Baum, der Himmel et cetera. (Das muss sicherlich nicht nur Raumzeitliches sein, einfach alles, was es gibt.)
Sein: der allgemeinste philosophische Begriff, den wir überhaupt kennen. Er bezieht sich auf "das Existieren von Dingen überhaupt", so findet man es z.b. im philosophischen Handbuch.
Verstehe.

Ohne Zweifel existiert der Mensch in dem o.g. Sinne, ist aber kein Sein?
Das Seiende scheint abhängig vom Sein zu sein. Der Mensch ist in seiner Existenz abhängig davon, dass es einen Tanz gibt, oder einen Tisch. Nicht wirklich. Anders bei Der Welt, Himmel, Weltall. Der Mensch ist für mich oft beides.

Nauplios schrieb: Das Sein selbst ist aber nichts Seiendes.
Demnach kann der Mensch nicht beides sein. Oder geht es andersrum, dass ein Seiendes auch das Sein sein kann?



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So 28. Jun 2020, 09:57

Was meinst du mit "vor"? Was meinst du mit "abhängig"?




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So 28. Jun 2020, 10:12

Ich sehe auch nicht genau, was du da oben eigentlich machst, bist du dabei die Begriffe zu verstehen oder möchtest du sie kritisieren?




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So 28. Jun 2020, 10:25

Nehmen wir mal ein einfaches Beispiel, dabei geht es nicht* um Sein und Seiendes. Stellen wir uns vor, Adam und Eva tanzen zum allerersten Mal. Sie haben also den Tanz erfunden, indem sie getanzt haben und Tanzende waren. Als sie müde wurden, haben sie aufgehört zu tanzen. Da waren sie keine Tanzenden mehr, aber der Tanz war damit ja nicht aus der Welt.

*Als ich das Beispiel mit dem Tanz gebracht habe, habe ich nicht gesagt, dass der Tanz für das Sein steht und die Tanzenden für das Seiende. Ich habe nur gesagt, dass die beiden Begriffspaare in derselben Relation stehen.




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So 28. Jun 2020, 10:37

Stellen wir uns um des Argumentes Willen vor, dass es logisch konsistent möglich wäre, dass es Nichts gäbe: und aus dem Nichts erscheinen mir nichts dir nichts Adam und Eva. (Ich könnte dafür natürlich auch Gott bemühen, aber ich will den nicht aufwecken, er ruht gerade.) In dem das geschieht, macht ineins das Nichts dem Sein Platz und wir finden ein bestimmtes Seiendes vor, nämlich das Dasein. Damit es den beiden (Adam und Eva) nicht gleich wieder an den Kragen geht, wollen wir uns vorstellen, dass zugleich das gesamte Paradies aus dem Nichts kam. Jetzt haben wir weitere Seiende im Bild, nämlich solche, die einfach vorhanden sind, z.b. Steine, die kein Verhältnis zu sich selbst und dem Sein errichten können. Nachdem sie sich selbst erkannt haben, müssen Adam und Eva natürlich das Paradies verlassen, können Kinder zeugen und sterben :)

Was geschieht jetzt mit Sein und Zeit?




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Stefanie
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So 28. Jun 2020, 10:51

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 28. Jun 2020, 09:57
Was meinst du mit "vor"? Was meinst du mit "abhängig"?
Alethos hat "vorher" geschrieben. Ich verstehe das so, dass der Tanz schon existierte als das Sein, bevor auch nur irgendwer eine Schritt gemacht hat. Wie auch bei Adam und Eva. Das ist für nicht begreifbar. Es ist für mich genau andersrum. Der Tanz ist das Seiende und die Menschen, die tanzen das Sein. grammatik hin, Grammatik her. Das macht doch sonst keinen Sinn.

Abhängig meint, gibt es kein das Sein, gibt es kein Seiende. Oder? So habe ich das verrstanden.
Kein Tanz, keine Menschen, die tanzen. Auch hier sehe ich es andersrum.

Ich kritisiere nicht, ich verstehe es nicht. Vor allem nicht, warum der Mensch nicht zum Sein gehören soll. Oder doch?
Als ich das Beispiel mit dem Tanz gebracht habe, habe ich nicht gesagt, dass der Tanz für das Sein steht und die Tanzenden für das Seiende. Ich habe nur gesagt, dass die beiden Begriffspaare in derselben Relation stehen.
Und welche Relation wäre das denn? Das Beispiel verstehe ich immer weniger.



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So 28. Jun 2020, 11:05

Stefanie hat geschrieben :
So 28. Jun 2020, 10:51
Das Beispiel verstehe ich immer weniger.
Dann lass es einfach weg. Ich finde es sonnenklar, aber wenn man es erst erklären muss und es kein Aha-Erlebnis bietet, dann hat es natürlich gar keinen Sinn.




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Jörn Budesheim
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So 28. Jun 2020, 12:02

Stefanie hat geschrieben :
So 28. Jun 2020, 10:51
Vor allem nicht, warum der Mensch nicht zum Sein gehören soll.
Woraus ergibt sich das, deiner Ansicht nach?




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Stefanie
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So 28. Jun 2020, 12:34

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 28. Jun 2020, 12:02
Stefanie hat geschrieben :
So 28. Jun 2020, 10:51
Vor allem nicht, warum der Mensch nicht zum Sein gehören soll.
Woraus ergibt sich das, deiner Ansicht nach?
Weiß ich nicht, ich entnehme das den Äusserungen hier.

Jörn:
"Dasein versteht sich in irgendeiner Weise und Ausdrücklichkeit in seinem Sein." Menschen kommen schließlich nicht nur vor, wie Steine, die einfach nur sind, wir haben auch diesen eigentümlichen Selbst- und Weltbezug. "Diesem Seienden eignet, dass mit und durch sein Sein dieses ihm selbst erschlossen ist." Und das besondere an uns ist, dass wir, indem wir selbst sind, also am Sein teilhaben, bereits ein Verständnis vom Sein schlechthin haben. Wir wissen gewissermaßen von eigenen Fall, was es heißt zu sein und haben somit auch ein Begriff vom Sein schlechthin."

Wenn wir am Sein teilhaben, sind wir nicht das Sein. Wir nehmen daran teil.

Nauplios:
Vorsicht! Die Tanzenden sind seiende. Der Tanz - und daran ändert nichts, daß er auf Tanzende angewiesen ist, die ihn zu seinem Sein verhelfen, indem sie tanzen - ist auch ein Seiendes.

Die Tanzenden sind Seiende und nicht das Sein. Die Tanzenden sind Menschen, also sind die Menschen nicht das Sein.

Alethos:
Der Tanz scheint irgendwie vorher da zu sein, damit das Tun von Individuen ein Tanzen sein kann. Die Tanzenden ergeben keinen Tanz, wenn sie auch einen Tanz tanzen, die Seienden kein Sein, auch wenn sie Sein haben. Das Sein scheint so gesehen vorgelagert, das, was das Seiende zum
Seienden macht. Es hat ein eigenes Sein - das Sein des Seins. Es wird bei den Seienden offenkundig, aber es bleibt in seinem Sein als Sein verborgen. Wir können das Sein nur durch die Seienden denken.

Auch hier, der Seiende nicht das Sein.

Und bei denen Erklärungen taucht der Mensch bei Dasein auf, aber nicht bei Sein.
Ich habe woanders auch keinen Text gefunden, in dem steht, der Mensch ist das Sein. Er ist immer das Seiende.



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Jörn Budesheim
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So 28. Jun 2020, 12:43

Und daraus, dass der Mensch nicht das Sein ist, folgenderst du, dass er nicht zum Sein gehört? Das ist ziemlich gewagt. Das wäre so, als würde man sagen, dass der Mensch nicht zur Welt gehört, weil er nicht die Welt ist. (Wenn wir einfach mal die Frage beiseite lassen, ob es die Welt gibt.)




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Jörn Budesheim
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So 28. Jun 2020, 13:20



Irgendwie 'lustig' :) am Anfang sagte auch ein wenig etwas zu der Seinsfrage.




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Alethos
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So 28. Jun 2020, 14:17

Heidegger in 'Sein und Zeit' hat geschrieben : Das »Sein« ist der »allgemeinste« Begriff (…) Aber die »Allgemeinheit« von »Sein« ist nicht die der Gattung. »Sein« umgrenzt nicht die oberste Region des Seienden, sofern dieses nach Gattung und Art begrifflich artikuliert ist (…) Die »Allgemeinheit« des Seins »übersteigt« alle gattungsmäßige Allgemeinheit. »Sein« ist nach der Bezeichnung der mittelalterlichen Ontologie ein »transcendens«. Die Einheit dieses transzendental »Allgemeinen« gegenüber der Mannigfaltigkeit der sachhaltigen obersten Gattungsbegriffe hat schon Aristoteles als die Einheit der Analogie erkannt. Mit dieser Entdeckung hat Aristoteles bei aller Abhängigkeit von der ontologischen Fragestellung Platons das Problem des Seins auf eine grundsätzlich neue Basis gestellt. Gelichtet hat das Dunkel dieser kategorialen Zusammenhänge freilich auch er nicht. Die mittelalterliche Ontologie hat dieses Problem vor allem in den thomistischen und skotistischen Schulrichtungen vielfältig diskutiert, ohne zu einer grundsätzlichen Klarheit zu kommen. Und wenn schließlich Hegel das »Sein« bestimmt als das »unbestimmte Unmittelbare« und diese Bestimmung allen weiteren kategorialen Explikationen seiner »Logik« zugrunde legt, so hält er sich in derselben Blickrichtung wie die antike Ontologie, nur daß er das von Aristoteles schon gestellte Problem der Einheit des Seins gegenüber der Mannigfaltigkeit der sachhaltigen »Kategorien« aus der Hand gibt. Wenn man demnach sagt: »Sein« ist der allgemeinste Begriff, so kann das nicht heißen, er ist der klarste und aller weiteren Erörterung unbedürftig. Der Begriff des »Seins« ist vielmehr der dunkelste.
Gleich in der Einleitung zu Sein und Zeit bezeichnet Heidegger das Sein als allgemeinsten Begriff. ‚Allgemein’ nicht in der Form eines gattungsmässig Allgemeinen, sondern in der Form einer Einheit durch ein unsichtbares Band. Das Sein überhaupt, das allgemeine Sein, so wird bereits beim Einwand gegen Hegel deutlich, kann nach Heidegger nicht das Sein der Seienden sein, nicht das Sein der Einzeldinge.

Und das leuchtet ein: Nehmen wir an, es gebe keine Seienden. Lauter Nichtsein. Und plötzlich käme ein Seiendes zur Existenz: Wäre es dann so, dass mit diesem Seienden das Sein entsteht oder ist es nicht so, dass es da ein Sein geben muss, durch das das Seiende zu existieren beginnen kann? Sein muss es doch geben, bevor es Seiende gibt, wie wollte denn sonst dieses Seiende je sein können? Das meinte ich mit „davor“.



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Alethos
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So 28. Jun 2020, 14:33

Stefanie hat geschrieben :
So 28. Jun 2020, 10:51
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 28. Jun 2020, 09:57
Was meinst du mit "vor"? Was meinst du mit "abhängig"?
Alethos hat "vorher" geschrieben. Ich verstehe das so, dass der Tanz schon existierte als das Sein, bevor auch nur irgendwer eine Schritt gemacht hat. Wie auch bei Adam und Eva. Das ist für nicht begreifbar. Es ist für mich genau andersrum. Der Tanz ist das Seiende und die Menschen, die tanzen das Sein.
Darum bin ich mit der Analogie von Tanz- Tanzenden und Sein-Seiendem nicht ganz glücklich. Es ist nämlich so, wie du es sagst: Der Tanz ist ein Seiendes. Er ist das "Ding", das Tanzende vollführen. Und sein Sein als Seiendes wird instanziiert durch das Tun der Tanzenden, also durch das Tanzen der Tanzenden. Dieser Tanz ist, indem er getanzt wird und er bleibt auch bestehen, wenn niemand tanzt, nämlich in der Möglichkeit zu tanzen. Niemand wird doch behaupten, es gebe überhaupt keinen Tanz, wenn niemand tanzt. Es bleibt möglich zu tanzen, weil es einen Tanz gibt.

Aber eben ist dieser Tanz ein begrifflich Allgemeines, es ist ein allgemein Seiendes unter Seienden, ein Tanz unter Tänzen.
Das ist mit dem Sein gerade nicht so, wenn ich Heidegger richtig verstehe. Bei ihm ist Sein kein Seiendes wie der Tanz, also kein kategorialer Begriff, sondern die Kategorien erst ermöglichender Begriff. Ein transzendenter, wenn man so will.

Aber es bleibt deutlich, dass die Tanzenden kein Sein schlechtin sind, sie sind nämlich Seiende. >Seiende< sind Dinge und Tanzende sind Dinge. Bei den Tanzenden, sofern es sich um Menschen handelt, handelt es sich ferner um Daseiende, weil sie sich sich und der Welt zuwenden können - sie haben ein In-der-Welt-Sein. Aber sie sind Seiende, weil sie Dinge sind und sie sind als Tanzende spezifisch Seiende, doch kein Sein im allgemeinsten Sinn. Sie performieren durch ihr Tun, das Tanzen, das Sein des Tanzes, aber es ist ein Sein eines Dings, nämlich des Tanzes. Insofern hast du recht, dass sie (die Tanzenden) das Sein des Tanzes sind, aber sie sind nicht Sein in dem Sinne, wie es Heidegger als Allgemeinstes vorschwebt.



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Jörn Budesheim
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So 28. Jun 2020, 17:07

Alethos hat geschrieben :
So 28. Jun 2020, 14:33
Der Tanz ist ein Seiendes.
Das entspricht aber nicht dem, was ich sage, sondern schert aus dem, was ich sage aus, indem du dich fragst, wo du das Tanzen in der ontologischen Differenz einsortierst. Das ist nicht mit dem Beispiel gedacht, sondern gegen das Beispiel. Wenn ich schreibe:

Tanz verhält sich zu Tanzenden
wie Sein zu Seienden.

Dann wird das, was ich sage, verzerrt, wenn man sich fragt, ob das Tanzen ein Seiendes ist. Nichts in der Art wird dort behauptet. Stattdessen geht es um die Verhältnisse der beiden Begriffspaare.

In der Vorlesung, die Stefanie gepostet hat, wird es im übrigen haargenauso erläutert. (Am Beispiel Laufen.) Es geht erstmal nur um die allgemeine Struktur.




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