Von der Pflicht (Richard Precht)

Gemeinsame Lektüre und Besprechung philosophischer und anderer Literatur.
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Quk
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Di 22. Aug 2023, 10:50

Timberlake hat geschrieben :
Di 22. Aug 2023, 01:57
Denn so unterschiedlich gestrickt , so wie es das Bild suggeriert, menschelt es sich ganz sicher nicht.
Danke für Deine interessante Bildkritik, aus der ich entnehme, dass Dir das Bild hinsichtlich seines Themas allzu chaotisch erscheint :-)

Tatsächlich habe ich bewusst auch harmonischere, regelmäßigere Anteile eingebaut, allerdings nur im linken Bildteil, dort bei den gelben und lila Fadenpaaren. Dieser harmonischere Bildteil macht etwa 25% der Bildfläche aus. Vermutlich hättest Du damit 80% gefüllt, und wahrscheinlich hast Du damit Recht ... :-)




Timberlake
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Di 22. Aug 2023, 15:59

Quk hat geschrieben :
Di 22. Aug 2023, 10:50
Timberlake hat geschrieben :
Di 22. Aug 2023, 01:57
Denn so unterschiedlich gestrickt , so wie es das Bild suggeriert, menschelt es sich ganz sicher nicht.
Danke für Deine interessante Bildkritik, aus der ich entnehme, dass Dir das Bild hinsichtlich seines Themas allzu chaotisch erscheint :-)

Tatsächlich habe ich bewusst auch harmonischere, regelmäßigere Anteile eingebaut, allerdings nur im linken Bildteil, dort bei den gelben und lila Fadenpaaren. Dieser harmonischere Bildteil macht etwa 25% der Bildfläche aus. Vermutlich hättest Du damit 80% gefüllt, und wahrscheinlich hast Du damit Recht ... :-)
Jetzt , wo du es sagst , so sehe ich da im linken Bildteil tatsächlich auch harmonischere, regelmäßigere Anteile , die auf ein Strickmuster hinweisen. Um dazu noch mal Kant zu Wort kommen zu lassen ..
  • "Welches Verhalten also gegen Menschen, z.B. in der moralischen Reinigkeit ihres Zustandes, oder in ihrer Verdorbenheit; ... zukomme: das gibt nicht so vielerlei Arten der ethischen Verpflichtung (denn es ist nur eine, nämlich die der Tugend überhaupt), sondern nur Arten der Anwendung (Porismen) ab."
    Kant .. Die Metaphysik der Sitten
.. harmonischere, regelmäßigere Anteile , von denen es , wenn man sie denn mit ethischen Verpflichtungen , in denen der Mensch " verstrickt" ist , gleichsetzt , so vielerlei Arten nicht gibt. Die gibt es nur in deren Anwendung. Also der Anwendung dessen , wozu man sich in der Regel ethisch Verpflichtet fühlt und zwar .. so Kant .. nur einem Einzigem, nämlich der Tugend überhaupt.

Quk hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2023, 22:30


Keinen Unterschied gibt es beispielsweise hinsichtlich der Steuerpflicht oder den Verkehrsregeln; Menschen jeden Alters haben da dieselben Pflichten. Aber es gibt einen Unterschied hinsichtlich des Lebenswerks: Zum Beispiel des Lebenswerks der Ex-Supermarktregaleinräumerin. Sie hat jahrzehntelang der Gesellschaft gedient. Das meine ich ernst. Keine Ironie, keine Rhetorik-Trickserei. Sie hat unermüdlich ihren Mitmenschen geholfen beim Zugang zu Lebensmitteln. Das ist ebenso eine Lebensarbeit wie die von 65-jährigen Ex-Ärztinnen, Ex-Straßenfegern, Ex-Briefträgerinnen
Vergleichbar mit der Steuerpflicht oder den Verkehrsregeln "überhaupt". Auch hier gibt es nur Arten der Anwendung (Porismen). So wendet eine Supermarktregaleinräumerin ihre Steuerpflicht sicherlich nicht in gleicherweise an , wie dem, der sie "verpflichtet" ist , und zwar ihrem Arbeitgeber.
  • "Um zu verstehen, inwiefern der Neue Realismus eine neue Einstellung zur Welt mit sich bringt, wählen wir in einfaches Beispiel: Nehmen wir an, Astrid befinde sich gerade in Sorrent und sehe den Vesuv, während wir (also Sie, lieber Leser, und ich) gerade in Neapel sind und ebenfalls den Vesuv betrachten. Es gibt also in diesem Szenario den Vesuv, den Vesuv von Astrid aus (also aus Sorrent) gesehen und den Vesuv von uns aus (also aus Neapel) gesehen .Die Metaphysik behauptet, dass es in diesem Szenario einen einzigen wirklichen Gegenstand gibt, nämlich den Vesuv. Dieser wird gerade zufällig einmal aus Sorrent und ein andermal aus Neapel betrachtet, was ihn aber hoffentlich ziemlich kaltlässt. Es geht den Vesuv nichts an, wer sich für ihn interessiert. Das ist Metaphysik."
    Markus Gabriel ... Der neue Realismus
Wie bei der Venus reden wir dabei tatsächlich von den "unterschiedlichen Arten des Gegebenseins (Gottlob Frege) " . Nur das es sich in diesem Szenario , wie mit einer Steuerpflicht verhält. Einmal die Steuerpflicht von einer Supermarktregaleinräumerin ( also als Lohnempfängerin ) gesehen und die Steuerpflicht von ihren Arbeitgeber ( also als derjenige, der den Lohn zahlt) gesehen. Ob demzufolge auch hier die Metaphysik behauptet, dass es in diesem Szenario einen einzigen wirklichen Gegenstand gibt, nämlich die Steuerpflicht , möchte ich allerdings einmal dahingestellt lassen . Aus naheliegenden Gründen wären die Verkehrsegeln dazu sicherlich geeigneter .
Zuletzt geändert von Timberlake am Di 22. Aug 2023, 16:36, insgesamt 8-mal geändert.




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Quk
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Di 22. Aug 2023, 16:37

Mit den Beispielen der Steuerpflicht und der Verkehrsregeln meinte ich einfach die universale Pflicht, Gesetze nicht zu übertreten.

Die unterschiedlichen Steuersätze und -regelungen für unterschiedliche finanzielle Situationen meinte ich nicht.
Auch nicht die unterschiedlichen Geschwindigkeitsgrenzen für unterschiedliche Fahrzeuge.




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AufDerSonne
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Di 22. Aug 2023, 17:38

Quk hat geschrieben :
So 20. Aug 2023, 00:10
Hier ein kleines Bildchen, das ich letztes Jahr auf ein gewisses Stichwort hin malte. -- "Jeder sein Süppchen", "Pflichtverbundenheit", "soziale Bindung" metaphorisiere ich genau so, wie das Bild es zeigt; das Stichwort lautete: "Menscheln".
Das ist so. Es menschelt eben bei den Menschen. Damit dieses Menscheln nicht umschlägt in Chaos braucht es eine Regierung. Wenigstens gibt es zur Zeit Regierungen in allen Ländern Europas. Ob es sie wirklich braucht ist ein anderes Thema. Aber gehen wir von dem aus, wie es ist.
Damit eine Regierung Sinn hat, muss sie Gesetze machen können und diese durchsetzen. Daraus ergeben sich ja dann die Pflichten für den Einzelnen im Staat.
Das Ganze hat den Sinn, dass das Menscheln nicht überhand nimmt. Dass es Leitplanken gibt, nach denen man sich richten kann.

Eine interessante Frage wäre: Könnten die Menschen eines Landes im Prinzip ohne Regierung und Gesetze leben? Das würde voraussetzen, dass jeder von sich aus weiss, wie er sich verhalten muss. Sagen wir, in jenem Land würden nur friedfertige und intelligente Menschen leben.

Mit Kant bin ich nicht einverstanden. Man muss sich nicht selbst verpflichten, sondern kann verpflichtet werden vom Staat ohne eigenes Zutun. Es sei denn, man ist gerne ein paar Jahre im Gefängnis.



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Quk
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Di 22. Aug 2023, 18:18

AufDerSonne hat geschrieben :
Di 22. Aug 2023, 17:38
Eine interessante Frage wäre: Könnten die Menschen eines Landes im Prinzip ohne Regierung und Gesetze leben?
Ich denke, es gibt immer eine Art Regierung. Und eine große Gruppe ist immer unterteilt in kleinere, verschiedene Interessensgruppen, innerhalb derer wiederum kleinere Gruppen zustande kommen und so weiter. Und die Hierarchie innerhalb jeder Gruppe kann flach, steil oder völlig abwesend sein.

Das meine ich in jeder Hinsicht: Es beginnt mit einer Familie. Oder mit einer alleinerziehenden Mutter. Sie ist die Regierung, und ihr Säugling folgt ihr. Manchmal schreit es; dann folgt die Mutter dem Säugling. Aber von den beiden hat die Mutter deutlich mehr Macht und Verantwortung. Dann ist da ein Hochhaus mit vielen Familien. Manche Kinder bilden eine Gang mit wechselnden Anführern. Wer die meiste Charme hat und am besten Kompetenz ausstrahlt, darf anführen -- muss aber auch mehr oder weniger die Interessen der Mitglieder achten, sonst gibts Neuwahlen oder Krawall. Familie, Verwandschaft, Dorf, Stadt, Gemeinde, Provinz, Staat, Kontinent, Planet. Das ist so ein komplexes Gefüge von unterschiedlichen Interessen innerhalb enger Nachbarschaft -- das kann sich nicht bloß zufällig selbst stabilisieren, glaube ich. Die dort planetaren Eingeborenen haben, im Durchschnitt betrachtet, wohl ein Minimum an gemeinsamen Interessen, die das Ganze bisher einigermaßen stabilisiert, und sie bestehen einerseits aus einer Vielzahl von Persönlichkeiten, die teilweise mehr oder weniger gerne anderen folgen und den Anführenden einige Verantwortung übertragen, und andererseits Persönlichkeiten, die teilweise mehr oder weniger gerne selber anführen, Großes gestalten, und selber möglichst viel Verantwortung übernehmen möchten; aus diesen Veranlagungen heraus bilden sich automatisch Führungen, egal wie sie heißen, ob Bandenchef, Mutter, Vater, Lehrerin, Oma, Bürgermeisterin, Schlagerstar-Helene-Fischer, Bundeskanzler, Parteivorsitzende, H-Beck, B-Bock, Klassensprecher, Papst etc. Die einen tendieren zum Vorausgehen, die andern tendieren zum Hinterhergehen. Tendenziell, mit graduellen Schattierungen. Ich meine das nicht kategorisch. Ich denke, wie gesagt, die Sache ist hochkomplex. Nicht völlig chaotisch. Nur ein bisschen.




Timberlake
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Di 22. Aug 2023, 23:28

Quk hat geschrieben :
Di 22. Aug 2023, 16:37
Mit den Beispielen der Steuerpflicht und der Verkehrsregeln meinte ich einfach die universale Pflicht, Gesetze nicht zu übertreten.

Die unterschiedlichen Steuersätze und -regelungen für unterschiedliche finanzielle Situationen meinte ich nicht.
Auch nicht die unterschiedlichen Geschwindigkeitsgrenzen für unterschiedliche Fahrzeuge.
.. wenn du meinst .

Ich meinte das , was Kant zu deinen Beispielen meinen könnte und zwar , dass es nach seiner Meinung nur eine universale Pflicht gibt , die Pflicht zur Tugend. So gehört es zweifelsohne zur Tugend , Gesetze , wie sie sich aus der Steuerpflicht , den Verkehrsregeln aber auch , wie hier erwähnt , aus der Wehrpflicht ergeben , nicht zu übertreten.
AufDerSonne hat geschrieben :
Di 22. Aug 2023, 17:38
Mit Kant bin ich nicht einverstanden. Man muss sich nicht selbst verpflichten, sondern kann verpflichtet werden vom Staat ohne eigenes Zutun. Es sei denn, man ist gerne ein paar Jahre im Gefängnis.
.. nur was ist , wenn man z. B. auf Grundlage von Letzterem , ohne sein eigenes Zutun , vom Staat in einem verbrecherischen Angriffskrieg geschickt wird ? Wäre es da nicht eine Tugendpflicht sich dem zu verweigern oder mehr noch dagegen zu rebellieren? Oder das Ganze Gegenteil , wäre es eine Tugendpflicht diejenigen , die dagegen rebellieren , zu verraten, so das man diese Rebellen gerne ein paar Jahre im Gefängnis wegsperrt oder gar mit dem Tode bestraft. So übrigens geschehen durch einen Hausmeister , als er Hans Scholl und seine Schwester Sophie bei der Verteilung von Flugblätter, gegen einen solchen Krieg , in der Münchner Universität ertappte.
  • "..Wider das gesetzgebende Oberhaupt des Staats gibt es also keinen rechtmäßigen Widerstand des Volks; denn nur durch Unterwerfung unter seinen allgemein-gesetzgebenden Willen ist ein rechtlicher Zustand möglich; also kein Recht des Aufstandes (seditio), noch weniger des Aufruhrs (rebellio), am allerwenigsten gegen ihn, als einzelne Person (Monarch), unter dem Verwände des Mißbrauchs seiner Gewalt (tyrannis), Vergreifung an seiner Person, ja an seinem Leben (monarchomachismus sub specie tyrannicidii). Der geringste Versuch hiezu ist Hochverrat (proditio eminens), und der Verräter dieser Art kann als einer, der sein Vaterland umzubringen versucht (parricida), nicht minder als mit dem Tode bestraft werden."
    Kant ... Die Metaphysik der Sitten
.. zumindest diesbezüglich lässt Kant keine Fragen offen. Sich beispielsweise .. „ unter dem Verwände des Mißbrauchs seiner Gewalt (tyrannis)“ .. an Hitler zu vergreifen , ja an seinem Leben ... „der geringste Versuch hiezu ist Hochverrat (proditio eminens), und der Verräter dieser Art kann als einer, der sein Vaterland umzubringen versucht (parricida), nicht minder als mit dem Tode bestraft werden“. So .."im Versuch" .. geschehen, durch Staufenberg bei einem Anschlag auf Hitler . Ist doch für das Volk, das unter Hitler steht, dessen oberste Gewalt, in praktischer Absicht unerforschlich ..
  • "Der Ursprung der obersten Gewalt ist für das Volk, das unter derselben steht, in praktischer Absicht unerforschlich: d.i. der Untertan soll nicht über diesen Ursprung, als ein noch in Ansehung des ihr schuldigen Gehorsams zu bezweifelndes Recht (ius controversum), werktätig vernünfteln."
    Kant ... Die Metaphysik der Sitten
Soviel zum Mut bzw. der Pflicht , sich seines eigenen Verstandes zu bedienen ...




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Quk
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Mi 23. Aug 2023, 08:02

Timberlake hat geschrieben :
Di 22. Aug 2023, 23:28
Ich meinte das , was Kant zu deinen Beispielen meinen könnte und zwar , dass es nach seiner Meinung nur eine universale Pflicht gibt , die Pflicht zur Tugend. So gehört es zweifelsohne zur Tugend , Gesetze , wie sie sich aus der Steuerpflicht , den Verkehrsregeln aber auch , wie hier erwähnt , aus der Wehrpflicht ergeben , nicht zu übertreten.
Dem möchte ich nicht widersprechen. Ich wollte nur entlang dieser Gedankenkette ein Glied zurückgehen und überhaupt die Dienstpflicht vielleicht erst gar nicht ins Gesetzbuch hineinschreiben, sodass diese von vorn herein zu keinem Gesetz werde und diesbezüglich auch kein Übertretungsgegenstand entstünde.




Timberlake
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Wohnort: Shangrila 2.0

Mi 23. Aug 2023, 10:37

Quk hat geschrieben :
Mi 23. Aug 2023, 08:02
Timberlake hat geschrieben :
Di 22. Aug 2023, 23:28
Ich meinte das , was Kant zu deinen Beispielen meinen könnte und zwar , dass es nach seiner Meinung nur eine universale Pflicht gibt , die Pflicht zur Tugend. So gehört es zweifelsohne zur Tugend , Gesetze , wie sie sich aus der Steuerpflicht , den Verkehrsregeln aber auch , wie hier erwähnt , aus der Wehrpflicht ergeben , nicht zu übertreten.
Dem möchte ich nicht widersprechen. Ich wollte nur entlang dieser Gedankenkette ein Glied zurückgehen und überhaupt die Dienstpflicht vielleicht erst gar nicht ins Gesetzbuch hineinschreiben, sodass diese von vorn herein zu keinem Gesetz werde und diesbezüglich auch kein Übertretungsgegenstand entstünde.
Womit es sich wohl zugleich mit der Tugend , wie sie sich aus dem Einhalten der Dienstpflicht ergibt , erledigt haben dürfte.
AufDerSonne hat geschrieben :
Di 22. Aug 2023, 17:38
Mit Kant bin ich nicht einverstanden. Man muss sich nicht selbst verpflichten, sondern kann verpflichtet werden vom Staat ohne eigenes Zutun. Es sei denn, man ist gerne ein paar Jahre im Gefängnis.
Entfällt doch in diesem Fall eine Verpflichtung vom Staat ohne eigenes Zutun. Bliebe da nur noch zu klären, in wie fern der Staat die Möglichkeit an bietet , sich selbst zu einem Dienst zu verpflichten.
AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2023, 17:57
Wer hat das Buch, von der Pflicht, schon gelesen? Wer hätte Interesse daran, es zu diskutieren?
Es ist von Richard David Precht. Es ist gut geschrieben und lässt sich flüssig lesen, trotz der schwierigen Gedanken, die behandelt werden.

Die zentrale Frage des Buchs ist: Wie können wir unser Pflichtbewusstsein und unser Verantwortungsgefühl stärken?

Ein Vorschlag von Precht ist es, zwei soziale Pflichtjahre einzuführen. Eines für junge Menschen nach dem Schulabgang und eines für Menschen im Renteneintrittsalter.
Der Sinn dieser Pflichtjahre besteht in der Erfahrung von Selbstwirksamkeit. Es ist ausdrücklich ein Vorschlag und keine Forderung von Precht.

Ich finde diesen Vorschlag sehr interessant.
Hier nun würde ich es allerdings sehr interessant finden , zu erfahren, wieviel sich anschließend für einen solchen Dienst tatsächlich freiwillig verpflichten.

Quk hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2023, 22:30
Ich muss schon sagen, dass ich während meines 16-monatigen Zivildienstes tatsächlich vieles gelernt und erfahren habe hinsichtlich hilfsbedürftigen Senioren, Kindern mit Behinderung, oder auch sogenannten "schwer erziehbaren" aller Art. .. Um es kurzzufassen: Ich muss mich auch fragen, waren für diese ganze Erfahrung wirklich 16 Monate nötig? Gereicht hätten vielleicht auch 16 Wochen? Am Ende des Tages fühlte ich mich jedenfalls wie das, was ich tatsächlich war: Eine billige Arbeitskraft, 40 Stunden die Woche, für 500 Mark monatlich. Selbstwirksamkeit habe ich da nicht gelernt. Die erfuhr ich davor und danach. Ich bin mir nicht sicher, aber könnte Prechts Idee von der Selbstwirksamkeit mittels Pflichtsystem nicht auch nur eine romantische Übertreibung sein?
Um während dieses Dienstes , ggf. hinsichtlich hilfsbedürftigen Senioren, Kindern mit Behinderung, oder auch sogenannten "schwer erziehbaren" aller Art. ..vieles zu lernen. Ein solches Lernbedürfnis allerdings vorausgesetzt . Wie auch jenseits dessen , wie man sich ggf. am Ende des Tages fühlt , als eine billige Arbeitskraft, die für 40 Stunden in der Woche, 500 Mark monatlich bekommt.




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Quk
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Mi 23. Aug 2023, 11:20

Worauf genau bezieht sich das "um" in Deinem letzten Abschnitt? Auf das hier?

"Hier nun würde ich es allerdings sehr interessant finden , zu erfahren, wieviel sich anschließend für einen solchen Dienst tatsächlich freiwillig verpflichten."

Also so?

"freiwillig verpflichten ... um ..."




Timberlake
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Mi 23. Aug 2023, 11:59

Quk hat geschrieben :
Mi 23. Aug 2023, 11:20
Worauf genau bezieht sich das "um" in Deinem letzten Abschnitt? Auf das hier?

"Hier nun würde ich es allerdings sehr interessant finden , zu erfahren, wieviel sich anschließend für einen solchen Dienst tatsächlich freiwillig verpflichten."

Also so?

"freiwillig verpflichten ... um ..."
... wie gesagt ..
Timberlake hat geschrieben :
Mi 23. Aug 2023, 10:37

Um während dieses Dienstes , ggf. hinsichtlich hilfsbedürftigen Senioren, Kindern mit Behinderung, oder auch sogenannten "schwer erziehbaren" aller Art. ..vieles zu lernen. Ein solches Lernbedürfnis allerdings vorausgesetzt . Wie auch jenseits dessen , wie man sich ggf. am Ende des Tages fühlt , als eine billige Arbeitskraft, die für 40 Stunden in der Woche, 500 Mark monatlich bekommt.



"freiwillig verpflichten ... um ..." während dieses Dienstes , ggf. hinsichtlich hilfsbedürftigen Senioren, Kindern mit Behinderung, oder auch sogenannten "schwer erziehbaren" aller Art. ..vieles zu lernen. "Um" dazu bei dieser Gelegenheit zu ergänzen, natürlich auch "freiwillig verpflichten ... um ..." hilfsbedürftigen Menschen zu helfen. Wenn diese Hilfe selbstlos geschieht , "freiwillig verpflichten ... zu ..." Altruismus. Stichwort : Ehrenamt

Durch Verzicht , seinen ökologischen Fußabdruck zu verringern , ließe sich übrigens auch als ein Dienst interpretieren, zu dem man sich tatsächlich freiwillig verpflichten kann... "freiwillig verpflichten ... um ..." von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen ...

  • "Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit; und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen."

    Kant .. Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?




Timberlake
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Fr 25. Aug 2023, 17:58

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 16. Aug 2023, 17:57
Wer hat das Buch, von der Pflicht, schon gelesen? Wer hätte Interesse daran, es zu diskutieren?
Es ist von Richard David Precht. Es ist gut geschrieben und lässt sich flüssig lesen, trotz der schwierigen Gedanken, die behandelt werden.

Die zentrale Frage des Buchs ist: Wie können wir unser Pflichtbewusstsein und unser Verantwortungsgefühl stärken?
Gute Frage ..
In Hinblick auf das , was Nietzsche sagt und zwar ...
  • "Unsere Pflichten – das sind die Rechte anderer auf uns. Wodurch haben sie diese erworben? Dadurch, daß sie uns für vertrags- und vergeltungsfähig nahmen, für gleich und ähnlich mit sich ansetzten . ...Nur auf das, was in unserer Macht steht, können sich die Rechte anderer beziehn; es wäre unvernünftig, wenn sie etwas von uns wollten, das uns selber nicht gehört. Genauer muß man sagen: nur auf das, was sie meinen, daß es in unserer Macht steht, voraussetzend, daß es dasselbe ist, von dem wir meinen, es stehe in unserer Macht."
    Friedrich Nietzsche .. Morgenröte
.. um unser Pflichtbewusstsein und unser Verantwortungsgefühl zu stärken gilt es zunächst einmal die Vertrags- und Vergeltungsfähigkeit zu stärken. Denn wenn unsere Pflichten , die Rechte anderer auf uns sind , wie beispielsweise . "bei uns" .. das Recht der anderen auf Asyl , so können wir dieser Pflicht nur in dem Maße gerecht werden , wie wir dazu Vertrags- und Vergeltungsfähigkeit und von daher dazu ermächtigt sind . Denn nur auf das, was in unserer Macht steht, können sich die Rechte derjenigen beziehen , die bei uns Asyl beantragen. Genauer muss man sagen: nur auf das, was sie meinen, dass es in unserer Macht steht.
  • "Verschieben sich die Machtverhältnisse wesentlich, so vergehen Rechte und es bilden sich neue – dies zeigt das Völkerrecht in seinem fortwährenden Vergehen und Entstehen"
    Friedrich Nietzsche .. Morgenröte
Weil hier in diesem Zitat vom Völkerrecht die Rede ist, habe ich mich übrigens , bei aller Problematik , durch aus bewusst für dieses Beispiel entschieden. Denn wenn hier von der Verschiebung von Machtverhältnisse die Rede ist , so ist damit bezüglich der Asylpolitik nicht etwa das Verschieben der Machtverhältnisse in der Politik gemeint. Das ist lediglich eine Folge davon , dass uns im zunehmenden Maße , die dazu erforderlich "Vertrags- und Vergeltungsfähigkeit (Nietzsche)" und damit die Ermächtigung dazu abhanden kommt. Denn .. wie gesagt .. nur auf das, was in unserer Macht steht, können sich die Rechte derjenigen beziehen , die bei uns Asyl beantragen und nur zu dem , was in unserer Macht steht , können wir uns verpflichten. Das gilt im Großen , wie auch im Kleinen, um an dieser Stelle auch das Pflichtbewusstsein und das Verantwortungsgefühl bei jedem Einzelnen mit ein zu beziehen. ...

  • "Soviel Macht einer in sich birgt, so viel ist er dieser Beurteilungsweise wert. So entsteht eine Rangordnung der Menschen nach ihren Machtgrößen. Ist es wirklich nötig, darauf hinzuweisen, daß es sich hier nicht um jene äußere Macht handelt, die mit Kanonen sich durchsetzt? Daß es sich dabei um eine innere Haltung der Seele handelt, die stark ist und nichts will, als ihre Kraft, ihre Macht erweitern, die sich nicht genug tun kann, ihren Mut zu erweisen, die so stark strömt, daß sie wissentlich ihre Kräfte verschwendet, die im Herrschen über sich und andere ihre Pflicht findet".
    Friedrich Nietzsche .. Der Wille zur Macht




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