
Es folgt ein kurzer Ausschnitt aus Berkeleys Text: "Ueber die Principien der menschlichen Erkenntniss" mehr findet man HIER
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XIX. Jedoch wenn wir auch möglicherweise zu allen unseren sinnlichen Wahrnehmungen ohne äussere Objecte gelangen, so könnte man es doch vielleicht für leichter halten, ihre Entstehungsweise durch die Voraussetzung von äusseren Körpern, die ihnen ähnlich seien, als auf andere Weise zu erklären, und so würde es denn wenigstens für wahrscheinlich gelten dürfen, dass solche Dinge wie Körper existiren, die ihre Ideen in unseren Seelen anregen. Aber auch dies kann nicht gesagt werden; denn geben wir auch den Materialisten ihre äusseren Körper zu, so wissen sie nach ihrem eigenen Bekenntniss doch noch ebenso wenig, wie unsere Ideen hervorgebracht werden, da sie sich selbst für unfähig erklären zu begreifen, in welcher Art ein Körper auf einen Geist einwirken könne, oder wie es möglich sei, dass eine Idee dem Geiste eingeprägt werde. Hiernach leuchtet ein, dass die Production von[30] Ideen oder Sinneswahrnehmungen in unserem Geiste kein Grund sein kann, Materie oder körperliche Substanzen vorauszusetzen, da anerkannt wird, dass diese Production unter jener Voraussetzung und ohne dieselbe gleich unerklärlich bleibt. Also selbst dann, wenn es möglich wäre, dass Körper ausserhalb des Geistes existirten, müsste doch die Annahme, dass solche wirklich existiren, eine sehr unsichere Meinung sein, da dies voraussetzen hiesse, Gott habe unzählige Dinge geschaffen, die durchaus nutzlos seien und in keiner Art zu irgend welchem Zwecke dienen.
XX. Kurz, gäbe es äussere Körper, so konnten wir unmöglich zur Kenntniss derselben gelangen, und gäbe es keine, so möchten wir doch die gleichen Gründe, wie jetzt, für die Existenz derselben haben. Macht die Voraussetzung, deren Möglichkeit Niemand leugnen kann, eine Intelligenz habe ohne Mitwirkung äusserer Körper die nämliche Reihe von Sinneswahrnehmungen oder Ideen, die ihr habt, und zwar sei dieselbe in der nämlichen Ordnung und mit gleicher Lebhaftigkeit dem Geiste eingeprägt. Ich frage, ob diese Intelligenz nicht ganz eben den Grund habe, die Existenz körperlicher Substanzen, die durch seine Ideen repräsentirt würden und dieselben in ihr anregten, anzunehmen, den ihr möglicherweise haben könnt, das Nämliche anzunehmen? Dies kann gar nicht zweifelhaft sein, und diese Eine Betrachtung genügt schon, jedem vernünftig Erwägenden die Kraft der Argumente, von welcher Art auch dieselben sein mögen, verdächtig zu machen, die er für die Annahme, dass Körper ausserhalb des Geistes existiren, vielleicht zu haben glaubt.
XXI. Wäre es erforderlich, irgend welchen ferneren Beweis gegen die Existenz einer Materie dem schon Gesagten noch beizufügen, so könnte ich einige von jenen Irrthümern und Schwierigkeiten (um nicht zu sagen Gottlosigkeiten) anführen, welche aus jener Annahme hergeflossen sind. Dieselbe hat zahllose Streitfragen und Disputationen in der Philosophie und nicht wenige von weit grösserer Bedeutung in der Religion hervorgerufen. Aber ich werde hier nicht speciell darauf eingehen, theils weil ich dafür halte, dass es keiner aus den Consequenzen (a posteriori) entnommenen Argumente zur Bestätigung dessen bedürfe, was, wenn ich nicht irre, zureichend aus[31] den Realgründen (a priori) erwiesen worden ist, theils darum, weil ich hernach noch Gelegenheit finden werde, einiges darüber zu sagen.
XXII. Ich fürchte, dass ich Anlass gegeben habe zu glauben, ich sei unnöthigerweise weitläufig bei der Behandlung dieses Gegenstandes gewesen. Denn wozu dient es ausführlich zu sein über das, was mit der grössten Deutlichkeit in einem oder zwei Sätzen einem Jeden erwiesen werden kann, der auch nur des geringsten Nachdenkens fällig ist? Ihr braucht blos eure eigenen Gedanken zu betrachten und so zu erproben, ob ihr für möglich halten könnt, dass ein Ton, eine Figur, eine Bewegung oder eine Farbe ausserhalb des Geistes oder unpercipirt existire. Dieser leichte Versuch lässt euch erkennen, dass eure Behauptung ein völliger Widerspruch ist, so sehr, dass ich damit einverstanden bin, die Entscheidung der ganzen Frage von dem Ergebniss abhängig zu machen. Falls ihr es auch nur als möglich denken könnt, dass eine ausgedehnte bewegliche Substanz oder im Allgemeinen irgend eine Idee oder etwas einer Idee Aehnliches in einer anderen Weise existire als in einem sie percipirenden Geiste, so werde ich willig meinen Satz aufgeben und euch die Existenz des ganzen Gefüges äusserer Körper, die ihr behauptet, zugestehen, obschon ihr mir keinen Grund angeben könnt, warum ihr glaubt, dass es existire, und keinen Zweck, dem es diene, wenn vorausgesetzt wird, dass es existire. Ich sage, die blosse Möglichkeit, dass eure Meinung wahr sei, soll für ein Argument gelten, dass sie in der That wahr sei.
XXIII. Aber es ist doch, sagt ihr, gewiss nichts leichter, als sich vorzustellen, dass z.B. Bäume in einem Parke oder Bücher in einem Cabinet existiren, ohne dass Jemand sie wahrnimmt. Ich antworte: es ist freilich nicht schwer, dies vorzustellen, aber was, ich bitte euch, heisst dies alles anders, als in eurem Geiste gewisse Ideen bilden, die ihr Bücher und Bäume nennt, und gleichzeitig unterlassen, die Idee von Jemandem, der dieselben percipire, zu bilden? Aber percipirt oder denkt ihr selbst denn nicht unterdess eben diese Objecte? Dies führt also nicht zum Ziel; es zeigt nur, dass ihr die Macht habt, zu erdenken oder Vorstellungen in eurem Geiste zu bilden; aber es zeigt nicht, dass ihr es als möglich begreifen könnt, dass die Objecte[32] eures Denkens ausserhalb des Geistes existiren; um dies zu erweisen, müsstet ihr vorstellen, dass sie existiren, ohne dass sie vorgestellt werden oder an sie gedacht werde, was ein offenbarer Widerspruch ist. Wenn wir das Aeusserste versuchen, um die Existenz äusserer Körper zu denken, so betrachten wir doch immer nur unsere eigenen Ideen. Indem aber der Geist von sich selbst dabei keine Notiz nimmt, so täuscht er sich mit der Vorstellung, er könne Körper denken und denke Körper, die ungedacht von dem Geiste oder ausserhalb des Geistes existiren, obschon sie doch zugleich auch von ihm vorgestellt werden oder in ihm existiren. Ein wenig Aufmerksamkeit wird einem Jeden die Wahrheit und Evidenz dessen, was hier gesagt worden ist, zeigen und es überflüssig machen, andere Beweise gegen die Existenz einer materiellen Substanz aufzustellen.
XXIV. Es ist schon bei der geringsten Prüfung unserer eigenen Gedanken sehr leicht zu wissen, ob es uns möglich sei zu verstehen, was gemeint sei mit der absoluten Existenz sinnlich wahrnehmbarer Objecte an sich oder ausserhalb des Geistes. Mir ist offenbar, dass diese Worte entweder einen directen Widerspruch oder andernfalls überhaupt nichts bedeuten. Um hiervon auch Andere zu überzeugen, weiss ich keinen leichteren und geraderen Weg einzuschlagen, als den, dass ich sie bitte, ruhig auf ihre eigenen Ge danken zu achten, und wenn hierdurch die Sinnlosigkeit dieser Ausdrücke oder der Widerspruch in denselben zu Tage tritt, so ist gewiss nichts Weiteres zu ihrer Ueberzeugung erforderlich. Hierauf also lege ich Gewicht, dass die Worte »absolute Existenz undenkender Dinge« ohne Sinn oder mit einem Widersprach behaftet seien. Dies wiederhole und betone ich und empfehle es ernstlich dem aufmerksamen Nachdenken des Lesers.
XXV. Alle unsere Ideen, Sinneswahrnehmungen oder die Dinge, die wir percipiren, durch welche Namen auch immer dieselben bezeichnet werden mögen, sind augenscheinlich ohne Activität; es ist in ihnen nichts von Kraft oder Thätigkeit enthalten, so dass eine Idee oder ein Denkobject nicht irgend, eine Veränderung in einem anderen hervorbringen oder bewirken kann. Um uns von der Wahrheit dieses Satzes zu überzeugen, brauchen wir nur unsere Ideen zu beobachten. Denn da sie und ein jeder ihrer Bestandtheile nur In dem Geiste existiren, so folgt, dass[33] nichts in ihnen ist, als was percipirt wird. Ein Jeglicher, der auf seine vermittelst der Sinne oder vermittelst der auf Seelenvorgänge gerichteten Reflexion hervorgebrachten Ideen achtet, wird in denselben keine Kraft oder Thätigkeit wahrnehmen; es ist demgemäss nichts Derartiges in ihnen enthalten. Ein wenig Aufmerksamkeit wird uns zeigen, dass das Sein einer Idee die Passivität oder Inactivität so durchaus involvirt, dass es unmöglich ist, dass eine Idee etwas thue, oder, um den genauen Ausdruck zu gebrauchen, die Ursache von irgend Etwas sei; auch kann sie nicht das Abbild oder der Abdruck von irgend einem activen Dinge sein, wie aus Section VIII. hervorgeht. Hieraus folgt offenbar, dass Ausdehnung, Figur und Bewegung nicht die Ursache unserer Sinnesempfindungen sein können. Wenn man sagt, dass diese die Wirkungen von Kräften seien, die aus der Gestalt, Zahl, Bewegung und Grösse von kleinsten Körpertheilen hervorgehen, so muss dies hiernach gewiss falsch sein.
XXVI. Wir percipiren eine beständige Folge von Ideen; einige derselben werden von Neuem hervorgerufen, andere werden verändert oder verschwinden ganz. Es giebt demnach eine Ursache dieser Ideen, wovon sie abhängen und durch die sie hervorgebracht und verändert werden. Dass diese Ursache keine Eigenschaft oder Idee oder Verbindung von Ideen sein kann, ist klar aus der vorigen Section. Dieselbe muss also eine Substanz sein; es ist aber gezeigt worden, dass es nicht eine körperliche oder materielle Substanz giebt; es bleibt also nur übrig, dass die Ursache der Ideen eine unkörperliche thätige Substanz oder ein Geist ist.
XXVII. Ein Geist ist ein einfaches, untheilbares thätiges Wesen, welches, sofern es Ideen percipirt, Verstand, und sofern es sie hervorbringt oder anderweitig in Bezug auf sie thätig ist, Wille heisst. Daher kann keine Idee einer Seele oder eines Geistes gebildet werden; denn da (nach Section XXV.) alle Ideen passiv oder unthätig sind, so können sie uns nicht als Abbilder oder durch Aehnlichkeit das, was wirkt, repräsentiren. Ein wenig Aufmerksamkeit wird einem Jeden klar machen, dass es absolut unmöglich ist, eine Idee zu haben, welche jenem thätigen Princip der Bewegung und des Wechsels der Ideen ähnlich sei. Derartig ist die Natur des Geistes oder dessen, was wirkt, dass derselbe nicht an sich selbst percipirt werden kann,[34] sondern nur vermöge der Wirkungen, die er hervorbringt. Wenn Jemand an der Wahrheit des hier Vorgetragenen zweifelt, so mag er nur nachdenken und versuchen, ob er die Idee irgend einer Kraft oder eines thätigen Dinges bilden könne, und ob er Ideen von zwei Grundkräften habe, die durch die Namen Wille und Verstand bezeichnet werden und ebensowohl von einander verschieden sind, wie von einer dritten Idee, nämlich der Idee der Substanz oder des Seienden überhaupt, die mit der Relationsvorstellung verbunden ist, die vorhin genannten Kräfte zu tragen oder ihr Substrat zu sein, und den Namen trägt Seele oder Geist. Einige nehmen dies an; aber so viel ich sehen kann, bezeichnen die Worte Wille, Seele, Geist nicht verschiedene Ideen oder in Wahrheit überhaupt nicht irgend eine Idee, sondern etwas, was von Ideen sehr verschieden ist und was, da es etwas Thätiges ist, nicht irgend welcher Idee ähnlich oder durch dieselbe repräsentirt sein kann. Doch muss gleichzeitig zugegeben werden, dass wir einen gewissen Begriff (notion) von der Seele, dem Geist und den psychischen Thätigkeiten, wie Wollen, Lieben, Hassen haben, sofern wir den Sinn dieser Worte kennen oder verstehen.
XXVIII. Ich finde, dass ich Ideen in meinem Geiste nach Belieben hervorrufen und die Scene so oft wechseln und sich verändern lassen kann, als ich es für geeignet halte. Ich brauche nur zu wollen und sofort taucht diese oder jene Idee in meiner Phantasie auf, und durch dieselbe Kraft tritt sie ins Unbewusstsein zurück und macht einer anderen Platz. Dieses Produciren und Aufheben von Ideen berechtigt uns, den Geist recht eigentlich activ zu nennen. Dieses alles ist gewiss und auf Erfahrung gegründet; wenn wir dagegen von nicht denkenden activen Dingen oder von einem Hervorrufen von Ideen durch etwas anderes als den Willen reden, dann spielen wir nur mit Worten.
XXIX. Aber was für eine Macht ich auch immer über meine eigenen Gedanken haben mag, so finde ich doch, dass die Ideen, die ich gegenwärtig durch die Sinne percipire, nicht in einer gleichen Abhängigkeit von meinem Willen stehen. Wenn ich bei vollem Tageslicht meine Augen öffne, so steht es nicht in meiner Macht, ob ich sehen werde oder nicht, noch auch, welche einzelnen Objecte sich meinem Blicke darstellen werden, und so sind[35] gleicherweise auch beim Gehör und den anderen Sinnen die ihnen eingeprägten Ideen nicht Geschöpfe meines Willens. Es giebt also einen anderen Willen oder Geist, der sie hervorbringt.
XXX. Die sinnlichen Ideen sind stärker, lebhafter und bestimmter als die Ideen der Einbildungskraft; sie haben desgleichen eine gewisse Beständigkeit, Ordnung und Zusammenhang und werden nicht auf's Gerathewohl hervorgerufen, wie es diejenigen oft werden, welche die Wirkungen menschlicher Willensacte sind, sondern in einer geordneten Folge oder Reihe, deren bewunderungswürdige Verbindung ausreichend die Weisheit und Güte ihres Urhebers bezeugt. Nun werden die festen Regeln oder bestimmten Weisen, wonach der Geist, von dem wir abhängig sind, in uns die sinnlichen Ideen erzeugt, die Naturgesetze genannt, und diese lernen wir durch Erfahrung kennen, die uns belehrt, dass gewissen bestimmten Ideen bestimmte andere Ideen in dem gewöhnlichen Laufe der Dinge folgen.
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