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255. Der Philosoph behandelt eine Frage; wie eine Krankheit.
256. Wie ist es nun mit der Sprache, die meine Innern Erlebnisse beschreibt und die nur ich selbst verstehen kann? Wie bezeichne ich meine Empfindungen mit Worten? - So wie wir's gewöhnlich tun? Sind also meine Empfindungsworte mit meinen natürlichen Empfindungsäußerungen verknüpft? - In diesem Falle ist meine Sprache nicht ›privat‹. Ein Anderer könnte sie verstehen, wie ich. - Aber wie, wenn ich keine natürlichen Äußerungen der Empfindung, sondern nur die Empfindung besäße? Und nun assoziiere ich einfach Namen mit den Empfindungen und verwende diese Namen in einer Beschreibung. -
257. »Wie wäre es, wenn die Menschen ihre Schmerzen nicht äußerten (nicht stöhnten, das Gesicht nicht verzögen, etc.)? Dann könnte man einem Kind nicht den Gebrauch des Wortes ›Zahnschmerzen‹ beibringen.« - Nun, nehmen wir an, das Kind sei ein Genie und erfinde selbst einen Namen für die Empfindung! - Aber nun könnte es sich freilich mit diesem Wort nicht verständlich machen. - Also versteht es den Namen, kann aber seine Bedeutung niemand erklären? - Aber was heißt es denn, daß er ›seinen Schmerz benannt hat‹? - Wie hat er das gemacht: den Schmerz benennen?! Und, was immer er getan hat, was hat es für einen Zweck? - Wenn man sagt »Er hat der Empfindung einen Namen gegeben«, so vergißt man, daß schon viel in der Sprache vorbereitet sein muß, damit das bloße Benennen einen Sinn hat. Und wenn wir davon reden, daß einer dem Schmerz einen Namen gibt, so ist die Grammatik des Wortes »Schmerz« hier das Vorbereitete; sie zeigt den Posten an, an den das neue Wort gestellt wird.
258. Stellen wir uns diesen Fall vor. Ich will über das Wiederkehren einer gewissen Empfindung ein Tagebuch führen. Dazu assoziiere ich sie mit dem Zeichen »E« und schreibe in einem Kalender zu jedem Tag, an dem ich die Empfindung habe, dieses Zeichen. - Ich will zuerst bemerken, daß sich eine Definition des Zeichens nicht aussprechen läßt. - Aber ich kann sie doch mir selbst als eine Art hinweisende Definition geben! - Wie? kann ich auf die Empfindung zeigen? - Nicht im gewöhnlichen Sinne. Aber ich spreche, oder schreibe das Zeichen, und dabei konzentriere ich meine Aufmerksamkeit auf die Empfindung - zeige also gleichsam im Innern auf sie. - Aber wozu diese Zeremonie? denn nur eine solche scheint es zu sein! Eine Definition dient doch dazu, die Bedeutung eines Zeichens festzulegen. - Nun, das geschieht eben durch das Konzentrieren der Aufmerksamkeit; denn dadurch präge ich mir die Verbindung des Zeichens mit der Empfindung ein. - »Ich präge sie mir ein« kann doch nur heißen: dieser Vorgang bewirkt, daß ich mich in Zukunft richtig an die Verbindung erinnere. Aber in unserm Falle habe ich ja kein Kriterium für die Richtigkeit. Man möchte hier sagen: richtig ist, was immer mir als richtig erscheinen wird. Und das heißt nur, daß hier von ›richtig‹ nicht geredet werden kann.
259. Sind die Regeln der privaten Sprache Eindrucke von Regeln? - Die Waage, auf der man die Eindrücke wägt, ist nicht der Eindruck von einer Waage.
260. »Nun, ich glaube, daß dies wieder die Empfindung E ist.« - Du glaubst es wohl zu glauben!
So hätte sich also, der das Zeichen in den Kalender eintrug, gar nichts notiert? - Sieh's nicht als selbstverständlich an, daß Einer sich etwas notiert, wenn er Zeichen - in einen Kalender z.B. - einträgt. Eine Notiz hat ja eine Funktion; und das »E« hat, soweit, noch keine.
(Man kann zu sich selber reden. - Spricht Jeder zu sich selbst, der redet, wenn niemand anderer zugegen ist?)
261. Welchen Grund haben wir, »E« das Zeichen für eine Empfindung zu nennen? »Empfindung« ist nämlich ein Wort unserer allgemeinen, nicht mir allein verständlichen, Sprache. Der Gebrauch dieses Worts bedarf also einer Rechtfertigung, die Alle verstehen. - Und es hülfe auch nichts, zu sagen: es müsse keine Empfindung sein; wenn er »E« schreibe, habe er Etwas - und mehr könnten wir nicht sagen. Aber »haben« und »etwas« gehören auch zur allgemeinen Sprache. - So gelangt man beim Philosophieren am Ende dahin, wo man nur noch einen unartikulierten Laut ausstoßen möchte. - Aber ein solcher Laut ist ein Ausdruck nur in einem bestimmten Sprachspiel, das nun zu beschreiben ist.
262. Man könnte sagen: Wer sich eine private Worterklärung gegeben hat, der muß sich nun im Innern vornehmen, das Wort so und so zu gebrauchen. Und wie nimmt er sich das vor? Soll ich annehmen, daß er die Technik dieser Anwendung erfindet; oder daß er sie schon fertig vorgefunden hat?
263. »Ich kann mir (im Innern) doch vornehmen, in Zukunft DAS ›Schmerz‹ zu nennen.« - »Aber hast du es dir auch gewiß vorgenommen? Bist du sicher, daß es dazu genug war, die Aufmerksamkeit auf dein Gefühl zu konzentrieren?« - Seltsame Frage. -
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Quelle: http://www.geocities.jp/mickindex/wittg ... lLink-c250 Dort finden sich weitere relevante Passagen zu dieser und damit verwandter Fragestellungen.