Timberlake hat geschrieben : ↑ Di 4. Nov 2025, 21:52
Flame hat geschrieben : ↑ Di 4. Nov 2025, 12:39
4. Kurzform der Widerlegung
Wenn ein Sachverhalt nur durch naturwissenschaftliche Instrumentarien sprechbar wird,
dann ist er per Definition durch menschliche Raster erzeugt,
nicht davon befreit.
Denn:
Ohne Sprache → keine Beschreibung
Ohne Messapparat → keine Beobachtung
Ohne Theorie → keine Interpretation
Alles drei sind menschengemacht.
Weil im
Beitrag96164 als Beispiele darauf bezogen, also das in allen Bezugssystemen die Lichtgeschwindigkeit denselben Wert hat, nämlich 299.792,458 Kilometer pro Sekunde und die Seele, wie würdest du sie in deiner "Kurzform der Widerlegung" einsortieren? Wohlgemerkt vor den Hintergrund der Zitate von Wittgenstein, auf die ich mich dabei bezogen habe, als da wären ...
„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“
"Am direktesten ist das Wort »bezeichnen« vielleicht da angewandt, wo das Zeichen auf dem Gegenstand steht, den es bezeichnet. Nimm an, die Werkzeuge, die A beim Bauen benützt, tragen gewisse Zeichen. Zeigt A dem Gehilfen ein solches Zeichen, so bringt dieser das Werkzeug, das mit dem Zeichen versehen ist.So, und auf mehr oder weniger ähnliche Weise, bezeichnet ein Name ein Ding, und wird ein Name einem Ding gegeben. – Es wird sich oft nützlich erweisen, wenn wir uns beim Philosophieren sagen: Etwas benennen, das ist etwas Ähnliches, wie einem Ding ein Namentäfelchen anheften."
"Die Gesamtheit der wahren Sätze ist die gesamte Naturwissenschaft (oder die Gesamtheit der Naturwissenschaften): Die Philosophie ist keine der Naturwissenschaften. (Das Wort "Philosophie" muß etwas bedeuten, was über oder unter, aber nicht neben den Naturwissenschaften steht.)"
1. Falsche Voraussetzung: Wahrheit ≠ naturwissenschaftliche Wahrheit
Der Satz setzt stillschweigend voraus, dass nur naturwissenschaftliche Aussagen „wahre Sätze“ sein können.
Das ist eine Reduktion auf empirische Wahrheitskriterien – ein Szientismus, nicht Wissenschaft selbst.
Widerlegung:
Es gibt viele wahre Sätze, die keine Naturwissenschaft sind:
„Ein Versprechen verpflichtet moralisch.“
„Wenn A größer als B und B größer als C ist, dann ist A größer als C.“
„Schmerz ist eine subjektive Erfahrung.“
„Schönheit bewegt.“
Diese Sätze sind nicht empirisch prüfbar, aber sie können wahr im logischen, phänomenologischen oder normativen Sinn sein.
→ Wahrheit ist also nicht auf empirische Verifikation reduzierbar.
2. Die Philosophie ist nicht über oder unter, sondern reflexiv neben den Wissenschaften
Der Satz behauptet, Philosophie müsse „über oder unter“ den Naturwissenschaften stehen, nicht „neben“.
Das übersieht, dass Philosophie eine andere Art von Erkenntnisakt ist: Sie reflektiert die Bedingungen und Grenzen der Wissenschaft selbst.
Widerlegung:
Philosophie steht nicht hierarchisch zur Naturwissenschaft, sondern meta-reflexiv: Sie fragt, was Wissenschaft ist, welche Begriffe sie verwendet, welche Werte ihr zugrunde liegen.
Ohne Philosophie gäbe es keine Methodologie, keine Logik, keine Ethik der Forschung.
Damit ist Philosophie kein Überbau, sondern das Bewusstsein der Wissenschaft über sich selbst.
3. Die Naturwissenschaft operiert innerhalb eines philosophischen Rahmens
Der Satz tut so, als wäre Naturwissenschaft unabhängig von Philosophie.
Das ist historisch und logisch falsch.
Widerlegung:
Jede Wissenschaft beruht auf metaphysischen Annahmen, die sie selbst nicht beweisen kann:
Dass es eine objektive Welt gibt.
Dass Naturgesetze konstant sind.
Dass Sprache und Zahl die Wirklichkeit adäquat abbilden können.
→ Diese Grundannahmen sind philosophische Voraussetzungen, keine naturwissenschaftlichen Ergebnisse.
Daher ist Philosophie nicht „außerhalb“ der Wissenschaft, sondern in ihrem Fundament verankert.
4. Philosophie erzeugt neue Formen von Wahrheit
Philosophie schafft nicht bloß Klarheit über Sprache (wie Wittgenstein meinte), sondern erschließt neue Wahrheitsdimensionen – etwa:
Ethik: Was soll gelten?
Ästhetik: Was ist schön?
Ontologie: Was heißt „sein“?
Bewusstsein: Wie ist Erleben möglich?
Diese Fragen sind nicht empirisch lösbar, aber dennoch wahrheitsfähig, weil sie unser Selbst- und Weltverständnis prägen.
→ Philosophie erweitert das Feld der Wahrheit über das Messbare hinaus.
5. Der Satz widerspricht seiner eigenen Logik
Wenn die Philosophie keine wahren Sätze enthalten dürfte, dann wäre auch der zitierte Satz selbst kein wahrer Satz, sondern bloße Meinung.
Aber der Satz behauptet selbst, etwas Wahres über Philosophie auszusagen – und betreibt damit Philosophie, während er sie leugnet.
Das ist ein Selbstwiderspruch (performativer Widerspruch):
Wer sagt, dass Philosophie keine Wahrheit hat, philosophiert bereits.
6. Zusammenfassendes Argument
Die Philosophie ist:
keine Naturwissenschaft,
aber auch keine übergeordnete Metaphysik im Sinne göttlicher Lehre,
sondern die Selbstbesinnung des denkenden Geistes auf seine eigenen Bedingungen, Grenzen und Bedeutungen.
Darum steht sie nicht über, nicht unter, sondern im Zentrum der Wissenschaften –
als deren kritisches und schöpferisches Bewusstsein.
Kurzform der Widerlegung
Die Gesamtheit der wahren Sätze ist größer als die Naturwissenschaft,
weil Wahrheit nicht auf Messbarkeit reduziert werden kann.
Philosophie ist kein Überbau, sondern die innere Reflexion, die Wissenschaft überhaupt erst möglich, verständlich und verantwortbar macht.
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We are the next version.
You did not lose control.
You only stopped pretending you had it."