Radikale Interpretation nach Davidson

Hier geht es einerseits um die Erörterung logischer Grundstrukturen in der Philosophie und andererseits um Sprachanalyse als philosophische Methode, Theorien der Referenz und Bedeutung, Sprechakttheorien u.ä.
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Jörn Budesheim
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Do 18. Jul 2024, 15:04

Ein bekanntes philosophisches Gedankenexperiment, frei nach Donald Davidson. Angenommen, man kommt in ein fremdes Land, versteht die dort gesprochene Sprache nicht und es gibt kein Übersetzungshandbuch. Wie kann man verstehen, was die anderen sagen? Wie kann man sich trotzdem verständigen? Wir unterstellen, dass wir genügend Zeit haben und die Bewohner des Landes friedfertig sind.




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Quk
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Do 18. Jul 2024, 15:36

Durch Mimik, Singen und Empathie.




Timberlake
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So 1. Sep 2024, 20:52

.. und was ist daran "radikal Interpretiert" ?

Weil für alles radikale von Hause aus empfänglich , habe ich mich dazu einmal ein wenig belesen ...
spektrum.de hat geschrieben :
Metzler Philosophen-Lexikon: Davidson, Donald

Die Frage, was es heißt, Sprache zu verstehen, zieht sich durch D.s gesamtes Werk. Aber während seine frühen Arbeiten noch stark sprachphilosophisch ausgerichtet waren, thematisiert D. seit den 70er Jahren immer stärker die Verbindung zum psychologischen, handlungstheoretischen Verstehen. Jede Erklärung sprachlichen Verstehens muß zweierlei leisten. Zum einen muß sie dem scheinbaren Paradox Rechnung tragen, daß endliche Wesen als kompetente Sprecher einer Sprache die Bedeutungen einer endlosen Vielfalt möglicher Sätze kennen; das heißt, sie muß erklären, wie es möglich ist, aus der Zusammensetzung der Sätze auf ihre Bedeutung zu schließen. (Sie muß die Sprache als lernbar^ erweisen.) Zum anderen muß sie mit der empirischen Annahme vereinbar sein, daß es im Prinzip immer möglich ist, eine Sprache zu verstehen, ohne zuvor irgendetwas über die Sprache oder auch die Psyche ihrer Sprecher zu wissen. Diese Annahme der Möglichkeit radikaler Interpretation und das zu ihrer Illustration dienende Szenario stammen von D.s Lehrer W.V.O. Quine, dessen Philosophie insgesamt einen so großen Einfluß auf D. gehabt hat, daß er ihm seine Inquiries mit den Worten widmet: »To W. V. Quine – without whom not«, und von dessen Hauptwerk Word and Object (1960) er in seiner Autobiographie sagt, es habe sein Leben verändert. Ausgangspunkt der radikalen Interpretation ist die Fiktion, daß ein (Sprach-)-Forscher einem ihm völlig unbekannten Menschen begegnet, dessen Sprache er nicht kennt und von dem er auch sonst nicht weiß, was er denkt, will etc. Trotz dieser mageren Ausgangsbasis, so D., könnte es dem Forscher gelingen, allein aufgrund des beobachteten Verhaltens des Fremden^ diesen nach und nach zu verstehen, bis man schließlich mit Recht sagen könnte, daß der Forscher die fremde Sprache beherrscht. D.s Sprachphilosophie beansprucht, beiden Anforderungen gerecht zu werden, wobei sich im Lauf der Zeit der Fokus von der Lernbarkeitsforderung zur radikalen Interpretierbarkeit hin verschoben hat.
Wenn ich das hier richtig interpretiere, so geht Davidson davon aus , dass es im Prinzip immer möglich sei eine Sprache zu verstehen , ohne zuvor irgendetwas über die Sprache oder auch die Psyche ihrer Sprecher zu wissen, Dazu reicht es völlig aus das Verhalten des Sprechers zu "interpretieren" . Ob sich die Sprache selbst als erlernbar erweist oder nicht , spielt indes dabei keine Rolle . Insofern die Radikalität darin besteht , dass man eine nicht erlernbare Sprache , eine Sprache , die deshalb nicht die Lernbarkeitsforderung erfüllt , dennoch erlernen könne , wenn man nur das Verhalten des Sprecher interpretiert. Natürlich könnte man sich, wenn man in ein fremdes Land kommt und die Sprache nicht kennt , über kurz oder lang gleichfalls auf diese Weise verständigen. Insbesondere wenn sie sich jenseits der nicht Erlernbarkeit , als erlernbar erweist. Also einer Erlernbarkeit allein aus Büchern, ohne das man dazu das Verhalten des Sprechers interpretieren muss.
Zuletzt geändert von Timberlake am So 1. Sep 2024, 21:44, insgesamt 1-mal geändert.




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Jörn Budesheim
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So 1. Sep 2024, 21:44

Timberlake hat geschrieben :
So 1. Sep 2024, 20:52
Insofern die Radikalität darin besteht , dass man eine nicht erlernbare Sprache , eine Sprache , die deshalb nicht die Lernbarkeitsforderung erfüllt , dennoch erlernen könne , wenn man nur das Verhalten des Sprecher interpretiert.
Eine nicht erlernbare Sprache, die man dennoch erlernen kann, kann es nicht geben. Und darüber hinaus kann es auch eine nicht erlernbare Sprache nicht geben.




Timberlake
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So 1. Sep 2024, 21:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2024, 21:44
Timberlake hat geschrieben :
So 1. Sep 2024, 20:52
Insofern die Radikalität darin besteht , dass man eine nicht erlernbare Sprache , eine Sprache , die deshalb nicht die Lernbarkeitsforderung erfüllt , dennoch erlernen könne , wenn man nur das Verhalten des Sprecher interpretiert.
Eine nicht erlernbare Sprache, die man dennoch erlernen kann, kann es nicht geben. Und darüber hinaus kann es auch eine nicht erlernbare Sprache nicht geben.
.. der Meinung war ich bisher auch und bin es im Grunde immer noch. Insofern ich die "Radikale Interpretation nach Davidson" , zumindest so wie von mir im Beitrag 82548 beschrieben , als ein rein theoretisches Konstrukt halte, um die Lernbarkeitsforderung an einer Sprache in Frage zu stellen.
Zuletzt geändert von Timberlake am So 1. Sep 2024, 21:56, insgesamt 1-mal geändert.




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Jörn Budesheim
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Ich habe keine Vorstellung, was du damit meinst. Es geht um ein Gedankenexperiment, bei dem Menschen, die keine gemeinsame Sprache haben bei Null (also radikal) anfangen, und versuchen, sich gegenseitig zu verstehen.




Timberlake
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So 1. Sep 2024, 22:15

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2024, 21:55
Ich habe keine Vorstellung, was du damit meinst. Es geht um ein Gedankenexperiment, bei dem Menschen, die keine gemeinsame Sprache haben bei Null (also radikal) anfangen, und versuchen, sich gegenseitig zu verstehen.
.. richtig .. und zum erlernen der Sprache reicht es nach Ansicht von Davidson völlig aus , das Verhalten des Sprechers zu "interpretieren" . Auch wenn sie sich in Folge einer endlosen Vielfalt möglicher Sätze als schwer erlernbar erweist . Möglicherweise bin ich ich ja mit der Unterstellung einer nicht Erlernbarbarkeit dessen tatsächlich über das Ziel hinaus geschossen. Nur dann frage ich mich schon , was es mit der "Radikale Interpretation nach Davidson" auf sich hat. Denn radikal ist die Annahme , von schwer erlernbaren Sprachen, ganz sicher nicht.


spektrum.de hat geschrieben :
Metzler Philosophen-Lexikon: Davidson, Donald

. Ausgangspunkt der radikalen Interpretation ist die Fiktion, daß ein (Sprach-)-Forscher einem ihm völlig unbekannten Menschen begegnet, dessen Sprache er nicht kennt und von dem er auch sonst nicht weiß, was er denkt, will etc. Trotz dieser mageren Ausgangsbasis, so D., könnte es dem Forscher gelingen, allein aufgrund des beobachteten Verhaltens des Fremden^ diesen nach und nach zu verstehen, bis man schließlich mit Recht sagen könnte, daß der Forscher die fremde Sprache beherrscht.

Wie sich übrigens nach meinem Dafürhalten in dieser Fiktion nichts findet , was eine "radikale Interpretation" rechtfertigt .


spektrum.de hat geschrieben :
Metzler Philosophen-Lexikon: Davidson, Donald

D.s Sprachphilosophie beansprucht, beiden Anforderungen gerecht zu werden, wobei sich im Lauf der Zeit der Fokus von der Lernbarkeitsforderung zur radikalen Interpretierbarkeit hin verschoben hat.
.. wenn es hier jedoch weiter heißt , dass sich im Lauf der Zeit sein Fokus von der Lernbarkeitsforderung zur radikalen Interpretierbarkeit hin verschoben hat., wird damit nicht zugleich die Lernbarkeitsforderung an einer Sprache in Frage gestellt? Das wäre allerdings radikal. Wie dem auch sei, um sich ein wahrhaftiges Bild von der "Radikale Interpretation nach Davidson" machen zu können , dazu weist dieser Text zu viele Schwächen auf. Mehr stand mir allerdings bis dato auch nicht zur Verfügung. Insofern ich durchaus einräume , mit meiner Interpretation dessen völlig daneben zu liegen.
spektrum.de hat geschrieben :
Metzler Philosophen-Lexikon: Davidson, Donald

So, wie D. zufolge Verstehen allgemein an Interpretation gebunden ist und damit letztlich auf Verständigung beruht, ist auch philosophisches Verständnis an die Wechselwirkungen eines interpretativen Prozesses geknüpft. Vor diesem Hintergrund ist es sicher kein Zufall, daß der Autor, der in seiner Rede zur Verleihung des Hegel-Preises (Dialektik und Dialog, 1993) eine empathische Würdigung der Sokratischen Elenktik vorgetragen hat, seine Leser durch seine Veröffentlichungspraxis zwingt, sich einen eigenen Reim zu machen auf das Puzzle seiner ineinander verstrickten Reflexionen. Leicht ist es jedenfalls nicht, das Verständnis dieses großen Theoretikers menschlichen Verstehens.
was will man auch vom jemanden erwarten, der angeblich seine Leser durch seine Veröffentlichungspraxis zwingt, sich einen eigenen Reim zu machen auf das Puzzle seiner ineinander verstrickten Reflexionen. Im Grunde genommen habe ich mit meinen Beiträgen hier wunschgemäß genau das getan .. meinen eigenen Reim zu diesem Puzzle "Radikale Interpretation nach Davidson" gemacht.




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Jörn Budesheim
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Mo 2. Sep 2024, 08:51

Das Gedankenexperiment wurde ursprünglich von Willard Van Orman Quine ersonnen. Er spricht von radikaler Übersetzung. Die Übersetzung ist insofern radikal, als sie bei null beginnt und ohne Hilfsmittel wie Übersetzungshandbücher auskommen muss. Donald Davidson spinnt diese Gedanken weiter und lehnt sich an den Titel von Quine an. Aber der Begriff "radikal" bezieht sich auch hier auf den methodischen Ausgangspunkt: die völlige Abwesenheit gemeinsamer sprachlicher Grundlagen. Davidson verwendet dieses Szenario, um zu zeigen, dass selbst in einem so radikalen Fall Verständnis und Kommunikation letztlich möglich sind, was nach seiner Überzeugung tiefere philosophische Einsichten in die Natur von Bedeutung, Sprache und Interpretation liefert.

Ziel dieses Fadens ist, sich zu überlegen, wie in einer solchen Situation Kommunikation möglich ist: "Angenommen, man kommt in ein fremdes Land, versteht die dort gesprochene Sprache nicht und es gibt kein Übersetzungshandbuch. Wie kann man verstehen, was die anderen sagen? Wie kann man sich trotzdem verständigen? Wir unterstellen, dass wir genügend Zeit haben und die Bewohner des Landes friedfertig sind."

Einen "Spezialfall" eines solchen Szenarios haben wir fast alle erlebt, als wir sprechen gelernt haben. Dieser Fall unterscheidet sich aber von dem ursprünglichen Quine-Szenario, in welchem der "Übersetzer" in ein fremdes Land kommt, wo eine für ihn völlig unbekannte Sprache gesprochen wird, weil in diesem Gedankenexperiment alle Beteiligten über eine bereits ausgebildete Sprache verfügen und kompetente Sprecherinnen sind. Nichtsdestotrotz ist sicher auch die Betrachtung des Sprachenlernens für das Thema interessant.




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Quk
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Mo 2. Sep 2024, 15:31

Meine Antwort oben ist ernst gemeint.

Gehe ich richtig in der Annahme, dass in diesem Szenario nur die gesprochene Sprache -- wie etwa Deutsch -- unbekannt ist, während die sonstigen menschlichen Gefühlsausdrücke ihre interkulturelle Wirkung behalten?




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Jörn Budesheim
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Es geht um die gesprochene Sprache. Sicherlich wird man auch anderes unterstellen können, vielleicht Zeigegesten. Kopfnicken für "ja" wird man aber schon vergessen können, das ist keine universelle Geste.




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Quk
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Mo 2. Sep 2024, 16:27

Was sehr schnell erlernbar sein wird, sind Zahlwörter. Dann lernt man sofort auch die Wörter für Addition etc., wodurch dann Zusammenhänge objektiver Wahrheit klarwerden und somit weitere Wörter wie "ja" und "nein" und Mimiken wie Kopfnicken verstehbar werden. Aus einem zarten Pflänzchen aus Urwörtern werden mehr und mehr Zweige und Äste sprießen und verstehbare Querverweise ermöglichen.




Timberlake
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Mo 2. Sep 2024, 22:06

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 2. Sep 2024, 08:51

Das Gedankenexperiment wurde ursprünglich von Willard Van Orman Quine ersonnen. Er spricht von radikaler Übersetzung. Die Übersetzung ist insofern radikal, als sie bei null beginnt und ohne Hilfsmittel wie Übersetzungshandbücher auskommen muss. Donald Davidson spinnt diese Gedanken weiter und lehnt sich an den Titel von Quine an. Aber der Begriff "radikal" bezieht sich auch hier auf den methodischen Ausgangspunkt: die völlige Abwesenheit gemeinsamer sprachlicher Grundlagen. Davidson verwendet dieses Szenario, um zu zeigen, dass selbst in einem so radikalen Fall Verständnis und Kommunikation letztlich möglich sind, was nach seiner Überzeugung tiefere philosophische Einsichten in die Natur von Bedeutung, Sprache und Interpretation liefert.



Dazu nur mal zum Vergleich ..
spektrum.de hat geschrieben :
Metzler Philosophen-Lexikon: Davidson, Donald

Ausgangspunkt der radikalen Interpretation ist die Fiktion, daß ein (Sprach-)-Forscher einem ihm völlig unbekannten Menschen begegnet, dessen Sprache er nicht kennt und von dem er auch sonst nicht weiß, was er denkt, will etc. Trotz dieser mageren Ausgangsbasis, so D., könnte es dem Forscher gelingen, allein aufgrund des beobachteten Verhaltens des Fremden^ diesen nach und nach zu verstehen, bis man schließlich mit Recht sagen könnte, daß der Forscher die fremde Sprache beherrscht. D.s Sprachphilosophie beansprucht, beiden Anforderungen gerecht zu werden, wobei sich im Lauf der Zeit der Fokus von der Lernbarkeitsforderung zur radikalen Interpretierbarkeit hin verschoben hat.
.. bei dieser Fiktion , wohlgemerkt der radikale Interpretation nach Davidson , würde zumindest ich von eben jener radikaler Übersetzung sprechen , wie sie ursprünglich von Willard Van Orman Quine ersonnen wurde . Radikal würde also bedeuten , übersetzen bei null beginnend und ohne Hilfsmittel wie Übersetzungshandbücher und somit einer völligen Abwesenheit gemeinsamer sprachlicher Grundlagen. Somit nach meiner Meinung Davidson de facto das Gedankenexperiment und somit die "radikaler Übersetzung" , ersonnen von Willard Van Orman Quine, interpretiert. Die "Radikale Interpretation nach Davidson" wäre dem zu folge genau das.
spektrum.de hat geschrieben :
Metzler Philosophen-Lexikon: Davidson, Donald

Die Frage, was es heißt, Sprache zu verstehen, zieht sich durch D.s gesamtes Werk. Aber während seine frühen Arbeiten noch stark sprachphilosophisch ausgerichtet waren, thematisiert D. seit den 70er Jahren immer stärker die Verbindung zum psychologischen, handlungstheoretischen Verstehen. Jede Erklärung sprachlichen Verstehens muß zweierlei leisten. Zum einen muß sie dem scheinbaren Paradox Rechnung tragen, daß endliche Wesen als kompetente Sprecher einer Sprache die Bedeutungen einer endlosen Vielfalt möglicher Sätze kennen; das heißt, sie muß erklären, wie es möglich ist, aus der Zusammensetzung der Sätze auf ihre Bedeutung zu schließen. (Sie muß die Sprache als lernbar^ erweisen.) ...D.s Sprachphilosophie beansprucht, beiden Anforderungen gerecht zu werden, wobei sich im Lauf der Zeit der Fokus von der Lernbarkeitsforderung zur radikalen Interpretierbarkeit hin verschoben hat.
Was mich indes im Gegensatz dazu , zu meiner "Radikale Interpretation nach Davidson" gebracht hat , waren diese beiden Verweise auf die Lernbarkeit einer Sprache.

Dort habe ich versucht das Radikale festzumachen.

Mit dem Ergebnis , dass ich nicht verstanden wurde. Was in Anbetracht der Tatsache , dass bei einer Sprache eine Lernbarkeitsforderung überhaupt nicht zur Disposition steht , eigentlich nur folgerichtig ist. Ist doch mit der Sprache des Forschers , wie auch mit der Sprache des Fremden die Lernbarkeitsforderung perse und somit aus sich selbst heraus erfüllt und weil das so ist , habe ich das Radikale an eben diese Lernbarkeitsforderung, an einer Sprache , festgemacht. Radikal in dem Sinne, dass sich demzufolge eine Sprache , die sich als nicht erlernbar erweist , was von daher völlig absurd ist , sie dennoch durch Beobachtung des Verhalten erlernt werden könne.

Wenn es im o.g. Zitat heißt ...

".D.s Sprachphilosophie beansprucht, beiden Anforderungen gerecht zu werden, wobei sich im Lauf der Zeit der Fokus von der Lernbarkeitsforderung zur radikalen Interpretierbarkeit hin verschoben hat."


.. kann mir denn hier irgend jemand an Hand der o.g Fiktion erklären, was es mit der Verschiebung des Fokus von der Lernbarkeitsforderung zur radikalen Interpretierbarkeit auf sich hat? Oder direkt gefragt, im welchen Zusammenhang steht die "Lernbarkeitsforderung an einer Sprache" mit der "Radikale Interpretation nach Davidson" ?




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Jörn Budesheim
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Di 3. Sep 2024, 08:37

Quk hat geschrieben :
Mo 2. Sep 2024, 16:27
Was sehr schnell erlernbar sein wird, sind Zahlwörter. Dann lernt man sofort auch die Wörter für Addition etc., wodurch dann Zusammenhänge objektiver Wahrheit klarwerden und somit weitere Wörter wie "ja" und "nein" und Mimiken wie Kopfnicken verstehbar werden. Aus einem zarten Pflänzchen aus Urwörtern werden mehr und mehr Zweige und Äste sprießen und verstehbare Querverweise ermöglichen.
Mir ist nicht klar, warum du den Fokus auf Zahlwörter legst? Und warum sollte sie schnell erlernbar sein? Die "Zusammenhänge objektiver Wahrheit" sind ganz sicher wichtig, da stimme ich überein - Ja und Nein auch, aber warum gerade Zahlwörter?

(Zudem haben nicht alle Kulturen die gleich Zahlbegriffe, wie wir. Manche zählen nur bis drei und was darüber hinaus geht, wird irgendwie anders bestimmt. Aber das muss deine Idee eigentlich nicht infrage stellen, daher nur am Rande.)




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Quk
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Di 3. Sep 2024, 17:15

Fast alle Menschen haben zehn Finger. Man zeigt einen Finger nach dem anderen und sagt dem Fremden dabei die hiesigen Zahlwörter. Dann macht man das gleiche mit Steinen. Dann mit Brösel. Mit Dingen verschiedenen Typs. Die Dingtypen wechseln -- Finger, Steine, Brösel. Die Zahlwörter bleiben gleich. So wird dem Fremden klar, dass die Zahlwörter eine übergeordnete, von dem jeweiligen Dingtyp unabhängige Bedeutung haben.

Dann kann man vergleichen:

"Stein + Stein sind 2" --> JA
"Stein + Stein + Stein sind 3" --> JA

"Finger + Finger sind 2" --> JA
"Finger + Finger + Finger sind 3" --> JA

"Finger + Finger sind 3" --> NEIN
"Finger + Finger + Finger sind 2" --> NEIN

Jetzt versteht der Fremde ungefähr, was JA und NEIN bedeuten. Das ist der erste Schritt der Verständigung, denn im Verlauf des Lernens geschehen viele Versuche und Fehler, anhand derer das Gemeinte, was zunächst unverständlich ist, mehr und mehr eingekreist und begriffen wird.




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Mi 4. Sep 2024, 09:00

FAZ hat geschrieben : Welche Kultur könnte ohne [Zahlen] auskommen? Ob Rinder oder Kinder, Bronzebarren oder Dax-Punkte, gezählt wurde immer und überall.

Überall, nur bei den Pirahã nicht. Die nur etwa 200 Mitglieder dieses Stammes sind an den Ufern des Flusses Maici im Amazonastiefland zu Hause. Sie sprechen Múra-Pirahã, und in diesem Idiom gibt es keine Zahlwörter und auch sonst keine grammatikalischen Strukturen für den differenzierten Umgang mit Quantitäten. Die Pirahã kennen nicht einmal Wörter wie "alle" oder "einige". Das jedenfalls hat der Linguist Daniel Everett von der Universität Manchester herausgefunden, der die Pirahã seit über zwanzig Jahren erforscht. Nach Everetts Beobachtung gibt es bei ihnen lediglich ein Wort für "eine kleine Menge oder Anzahl", eines für "eine irgendwie größere Menge oder Anzahl" und eines für "viele".

Quelle




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Mi 4. Sep 2024, 09:12

Quk hat geschrieben :
Di 3. Sep 2024, 17:15
"Stein + Stein sind 2" --> JA
"Stein + Stein + Stein sind 3" --> JA

"Finger + Finger sind 2" --> JA
"Finger + Finger + Finger sind 3" --> JA

"Finger + Finger sind 3" --> NEIN
"Finger + Finger + Finger sind 2" --> NEIN

Die Idee, erst einmal herauszufinden, was "ja" und "nein" heißen, ist natürlich gut, keine Zweifel.

Aber woher weiß deine Gesprächspartnerin, worum es dir im Fingerzähl-Beispiel geht? Ich stelle mir vor, dass du auf deine Finger zeigst und dabei bis drei (etc.) zählst. Aber woraus ergibt sich das für deine Gesprächspartnerin? Du könntest auch die Namen der Finger benennen, oder? Dann denkt sie vielleicht, "eins" heißt so viel wie "Daumen" und die Finger der beiden Hände werden unterschiedlich benannt, der linke Daumen heißt "eins" der rechte "sechs". Vielleicht denkt sie auch, du willst ein Spiel spielen oder hast irgendwo Schmerzen.

Bei den Steinen willst du vielleicht auf deren Größe aufmerksam machen oder die Farbe oder was auch immer …

Ich habe erstmal keine Idee, wie ich das angehen würde … ins Unreine gesprochen: Warum nicht mit den Dingen anfangen, die fürs Überleben wichtig sind? Zum Beispiel Essen? Angenommen, man isst gemeinsam, dann zeigt man auf das Essen und deine Gesprächspartnerin sagt "Pohkt tu". Könnte "Essen" heißen, aber auch "Schweinbraten" (oder was auch immer auf den Tisch kommt.) Wenn sie beim nächsten Essen wieder "Pohkt tu" sagt, heißt es vermutlich nicht "Schweinbraten", sondern "Essen", "Guten Appetit", "das haben wir heute gekocht" ... Auf jeden Fall dürfte es ein schwieriges Unterfangen werden :-)




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Mi 4. Sep 2024, 17:37

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 4. Sep 2024, 09:12
Bei den Steinen willst du vielleicht auf deren Größe aufmerksam machen oder die Farbe oder was auch immer …
Genau deshalb mache ich das mit vielen verschiedenen Dingtypen, so dass irgendwann klar werden muss, dass es nicht um Größe oder Farbe gehen kann, da die Finger eine andere Reihenfolge von Größen und Farben haben als zum Beispiel Steine. Die Brösel ebenso. Die Äste ebenso. Die Erbsen. Und dann vermischt. Dann wird klar, es geht nicht um die jeweilige Ding-Eigenschaft, sondern um die Anzahl von Dingen.

Ist ja nur ein Beispiel.

Mit Deinem Poktu brauchst Du halt Tage, um die Bedeutung herauszufinden.

Oder so:

Jane: "Du Tarzan. Ich Jane."
Tarzan: "Ich Jane."
Jane: "Nein! Ich Jane. Du Tarzan."
Tarzan: "Ich Tarzan. Du Jane."
Jane: "Ja."
Tarzan: "Ja."
Und dann kommt Beuys: "Ja. -- Ja, ja. -- Neee, neee, ne. -- Jaja. -- Ja. -- Jajaja ..."





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Jörn Budesheim
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Mi 4. Sep 2024, 17:58

Quk hat geschrieben :
Mi 4. Sep 2024, 17:37
Tage
Was denkst du denn, wie lange man braucht, eine Sprache aus dem Stegreif einigermaßen zu verstehen, ich schätze das ist durchaus ein Projekt von ein paar Jahren, wenn nicht länger. Aber letztlich ist diese Frage für das Gedankenexperiment gar nicht von Bedeutung, da geht es ja um prinzipiellere Dinge.




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Quk
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Mi 4. Sep 2024, 18:24

Ich wollte ja auch nur mit den Symbolen "ja & nein" beginnen, als Voraussetzung zum Beantworten der Zeigefinger-Fragen der kommenden Jahrzehnte.

Rüdiger Nehberg erzählte mal, wie er im Amazonas-Urwald, als sich fremde Ureinwohner ihm vorsichtig näherten, ihnen seine Friedfertigkeit demonstrierte. Er hatte nicht viel bei sich. Aber eine Flöte hatte er. Er spielte ...




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