Das harmlose Ist-Wort

Hier geht es einerseits um die Erörterung logischer Grundstrukturen in der Philosophie und andererseits um Sprachanalyse als philosophische Methode, Theorien der Referenz und Bedeutung, Sprechakttheorien u.ä.
Hermeneuticus
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Segler hat geschrieben :
Di 12. Sep 2017, 12:10
Das führt direkt in einen ontologischen Antirealismus.
Selbst wenn es so wäre, würde mir das keine schlaflosen Nächte bereiten. Aber ich bin weit davon entfernt zu glauben, dass es jenseits unserer Begriffe nichts gäbe oder dass sich die Wirklichkeit nach unseren Begriffen richtete. Ich glaube nur, dass unsere begriffliche Tätigkeit für uns unhintergehbar ist. Wenn Du z.B. sagst: "Es gibt ein von unsren Begriffen unabhängiges Sein", stimme ich dem sofort zu, stelle aber auch fest, dass es sich dabei um einen metasprachlichen Begriffsgebrauch handelt und "das von unseren Begriffen unabhängige Sein" ein Abstraktum ist. Und so bleibt der epistemische Nährwert dieser Aussage unterm Strich ziemlich dünn.
Nehmen wir an, Du wirst von einem Krankheitserreger infiziert, für den Du keinen Begriff hast. Existiert dieser Krankheitserreger, oder existiert er nicht?
Wenn es ein Krankheiterreger ist, existiert er selbstverständlich. Aber "Krankheitserreger" oder "ein unbekannter Krankheitserreger" sind ja auch Begriffe. :-)




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Herr K.
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Mi 13. Sep 2017, 00:52

Hermeneuticus hat geschrieben :
Di 12. Sep 2017, 08:23
Versuch es mal so: Gibt es "Existenz als solche", d.h. Existenz ohne ein so und so beschaffenes Ding? Das scheint mir ziemlich offensichtlich nicht der Fall zu sein. Und der Grund dafür liegt darin, dass "Existenz" ein (begriffliches) Abstraktum ist, während Dinge stets Konkreta sind. "Existenz" lässt sich auch nicht definieren; es lässt sich allenfalls sagen, dass es das Gegenteil von "Nichts" oder von "Nicht-Existenz" sei, und das hilft nicht wirklich weiter.
Ich lese das nun so: es kann kein Ding geben, das außer der Eigenschaft "es existiert" keine sonstigen Eigenschaften hat. Meintest Du das so? Falls ja, dann erscheint mir das auch selbstevident. Aber ob Dinge bzw. Existierendes immer Konkreta sind, weiß ich nun noch nicht so recht, immerhin gibt es viele Leute, die meinen, dass auch abstrakte Dinge existierten. Meine ich zwar eigentlich nicht, aber von Vorneherein (per Definition) ausschließen möchte ich es auch nicht, vielleicht gibt es ja gute Gründe, sowas anzunehmen.

Dass sich "existieren" nicht zufriedenstellend definieren lässt, meine ich jedoch wiederum auch. Mir gefällt es an der Stelle übrigens besser, das Verb "existieren" zu verwenden anstatt der Substantivierung "Existenz", das schaltet mE schon mal eine mögliche Verwirrung aus.




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Mi 13. Sep 2017, 09:13

Herr K. hat geschrieben :
Mi 13. Sep 2017, 00:52
Ich lese das nun so: es kann kein Ding geben, das außer der Eigenschaft "es existiert" keine sonstigen Eigenschaften hat. Meintest Du das so?
Nein, ich halte "Existenz" bzw. "existieren" nicht für ein sinnvolles Prädikat, also auch nicht für eine "Eigenschaft" der Dinge (= der Seienden). Der Hauptgrund dafür ist eben der, dass damit nichts bestimmt wird. Ein Satz wie "Dies Seiende existiert" ist tautologisch, während die Negation "Dies Seiende existiert nicht" schlicht Unsinn ist.




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Herr K.
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Mi 13. Sep 2017, 11:19

Hermeneuticus hat geschrieben :
Mi 13. Sep 2017, 09:13
Nein, ich halte "Existenz" bzw. "existieren" nicht für ein sinnvolles Prädikat, also auch nicht für eine "Eigenschaft" der Dinge (= der Seienden). Der Hauptgrund dafür ist eben der, dass damit nichts bestimmt wird. Ein Satz wie "Dies Seiende existiert" ist tautologisch, während die Negation "Dies Seiende existiert nicht" schlicht Unsinn ist.
Oh, verstehe. An der Stelle kommen wir dann nicht zusammen, denn ich denke sehr wohl, dass existieren eine Eigenschaft ist, nämlich die höherstufige Eigenschaft, Eigenschaften zu haben. Zu sagen, dass etwas existiere bzw. nicht existiere halte ich auch nicht für tautologisch bzw. nicht für Unsinn, so ist z.B. die Behauptung "Bielefeld existiert nicht" zwar falsch, aber nicht unsinnig. Die Behauptung "es gibt keine Einhörner" (die gleichbedeutend ist mit "Einhörner existieren nicht") hingegen ist sinnvoll und wahr. Und tautologisch ist es nicht, z.B. zu sagen "wir haben kein Brot mehr", (was mE gleichbedeutend ist mit "es existiert hier kein Brot mehr"), sondern informativ.




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Alethos
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Mi 13. Sep 2017, 20:37

Es macht schon einen Unterschied, ob wir sagen: 'Wir haben kein Brot' oder es 'Existiert kein Brot'. Zur Verfügung haben oder es nirgends haben, ist schon ein Unterschied.

Aber vielleicht lohnt sich auch wieder ein Blick auf die Sprache. Wir benutzen ja sprachliche Konstrukte wie 'Es gibt' oder 'es gibt nicht'. Wer gibt hier? Was ist dieses gebende Subjekt? Und welches Subjekt gibt ein Nichtsein? Es wird also insbesondere bei der negierten Existenz widersprüchlich. Wir sagen: 'Dieses Objekt existiert nicht' Das ist ein syntaktischer performativer Widerspruch. Wir setzen ein Subjekt, das es eigentlich nicht gibt, es aber in der sprachlichen Konstruktion geben muss, damit seine Existenz negiert werden kann. Das zeigt für mich einen sprachlichen Mangel. Existenz ist immer 'Existenz von etwas'. Aber das bedeutet dann sprachlich gesehen, dass die Nichtexistenz auch Nichtexistenz von etwas sein muss, obwohl es dieses Etwas gerade nicht gibt. Nichtexistenz lässt sich nur substanziell ausdrücken.

Wenn Sprache in ihrer Rolle als logische Funktion bei der Seinserfassung (und der Nichtseinserfassung) versagt, dann ist Sprache kein hinreichendes, präzises Instrument für Wahrheit. Sprachlogik hat ja auch Parmenides vor 2500 Jahren zur heute bizarr klingenden Aussage verleitet, dass alles sei. Und es keine Veränderung gebe, da keine Bewegung möglich sei. Bewegung sei nur möglich, wenn es ein Nichts gebe, das der Bewegung 'Platz schafft.' Und da es ein Nichts nicht geben kann, gebe es auch keine Bewegung, folglich auch keine Zeit. Das widerspricht ja ziemlich stark unserer Erfahrung. Aber sprachlich gesehen liegt es nahe zu sagen, dass etwas nicht nicht existieren kann. Wir haben ja einen Begriff vom Nichtsein, wodurch es eben sein muss. Unter existenzphilosophischem Gesichtspunkt ist Sprache defizitär (oder aber unsere Sprachverwendung ist es).

Aber das alles ist nur der Anfang :) Problematischer wird's mit der roten Rose und der nach ein paar Tagen verwelkten braunen Rose. Ist es noch dieselbe? Wo fängt etwas an zu sein, wie wir es nennen, und wo hört es auf? Wo beginnt der Untergang der Substanz und wo beginnt ihre Existenz, wenn sich ihre Eigenschaften ändern? Wie hängen Eigenschaften mit dem Träger zusammen? Und ist Träger von Eigenschaften noch ein zeitgemässer Begriff?



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Herr K.
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Do 14. Sep 2017, 00:06

Alethos hat geschrieben :
Mi 13. Sep 2017, 20:37
Aber vielleicht lohnt sich auch wieder ein Blick auf die Sprache. Wir benutzen ja sprachliche Konstrukte wie 'Es gibt' oder 'es gibt nicht'. Wer gibt hier? Was ist dieses gebende Subjekt? Und welches Subjekt gibt ein Nichtsein?
So funktioniert das aber nicht, denn "geben" hat im Deutschen mehrere unterschiedliche Bedeutungen. Z.B. a) "reichen" und - in Verbindung mit einem unpersönlichen "es", also "es gibt" - b) "da sein". Diese Bedeutungen sind sehr unterschiedlich, man kann sie nicht mischen, so wie Du das hier tust. Was sich auch zeigt, wenn wir uns andere Sprachen anschauen. a) kann man nun ins Englische mit "to give" übersetzen und ins Französische mit "donner". Für b) kann man aber weder im Englischen "to give" verwenden noch im Französischen "donner". Z.B. diese beiden Übersetzungen von "es gibt keine Einhörner" in "it gives no unicornes" und "il ne donne pas de licornes" wären falsch. Auf Englisch hieße es korrekt "there are no unicornes" (wörtlich: da sind keine Einhörner) und auf Französisch: "il n'y a pas de licornes" (wörtlich: es hat dort keine Einhörner).
Alethos hat geschrieben :
Mi 13. Sep 2017, 20:37
Es wird also insbesondere bei der negierten Existenz widersprüchlich. Wir sagen: 'Dieses Objekt existiert nicht' Das ist ein syntaktischer performativer Widerspruch. Wir setzen ein Subjekt, das es eigentlich nicht gibt, es aber in der sprachlichen Konstruktion geben muss, damit seine Existenz negiert werden kann. Das zeigt für mich einen sprachlichen Mangel. Existenz ist immer 'Existenz von etwas'. Aber das bedeutet dann sprachlich gesehen, dass die Nichtexistenz auch Nichtexistenz von etwas sein muss, obwohl es dieses Etwas gerade nicht gibt. Nichtexistenz lässt sich nur substanziell ausdrücken.
Ich kann das Problem nicht recht sehen, mir erscheint es ziemlich problemlos möglich zu sein, einen Begriff zu haben, unter den nichts fällt, z.B. habe ich keine Schwester, d.h. unter "meine Schwester" fällt nichts, d.h. meine Schwester existiert nicht. Wenn die Aussage "Herr K.'s Schwester existiert" sinnvoll ist und wahr sein könnte, dann sollte auch die Verneinung dieses Satz möglich sein, d.h. "nicht(Herr K.'s Schwester existiert)" sollte sinnvoll sein und Wahrheitswerte, z.B. "wahr", haben können. Was aber doch letztlich nichts anderes aussagt als "Herr K.'s Schwester existiert nicht". Oder man kann auch sagen: "es ist nicht der Fall, dass Herr K.'s Schwester existiert" oder "die Aussage 'Herr K. existiert' ist wahr und die Aussage 'Herr K.'s Schwester existiert' ist falsch". Was aber einfach nur umständlicher wäre.
Alethos hat geschrieben :
Mi 13. Sep 2017, 20:37
Aber das alles ist nur der Anfang :) Problematischer wird's mit der roten Rose und der nach ein paar Tagen verwelkten braunen Rose. Ist es noch dieselbe? Wo fängt etwas an zu sein, wie wir es nennen, und wo hört es auf? Wo beginnt der Untergang der Substanz und wo beginnt ihre Existenz, wenn sich ihre Eigenschaften ändern? Wie hängen Eigenschaften mit dem Träger zusammen? Und ist Träger von Eigenschaften noch ein zeitgemässer Begriff?
Ui, das sind ja gleich mehrere ziemlich große Fässer auf einmal. Wäre es nicht besser, die in neuen Threads zu behandeln?




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Do 14. Sep 2017, 06:26

Herr K. hat geschrieben :
Do 14. Sep 2017, 00:06
Alethos hat geschrieben :
Mi 13. Sep 2017, 20:37
Aber vielleicht lohnt sich auch wieder ein Blick auf die Sprache. Wir benutzen ja sprachliche Konstrukte wie 'Es gibt' oder 'es gibt nicht'. Wer gibt hier? Was ist dieses gebende Subjekt? Und welches Subjekt gibt ein Nichtsein?
So funktioniert das aber nicht, denn "geben" hat im Deutschen mehrere unterschiedliche Bedeutungen. Z.B. a) "reichen" und - in Verbindung mit einem unpersönlichen "es", also "es gibt" - b) "da sein". Diese Bedeutungen sind sehr unterschiedlich, man kann sie nicht mischen, so wie Du das hier tust. Was sich auch zeigt, wenn wir uns andere Sprachen anschauen. a) kann man nun ins Englische mit "to give" übersetzen und ins Französische mit "donner". Für b) kann man aber weder im Englischen "to give" verwenden noch im Französischen "donner". Z.B. diese beiden Übersetzungen von "es gibt keine Einhörner" in "it gives no unicornes" und "il ne donne pas de licornes" wären falsch. Auf Englisch hieße es korrekt "there are no unicornes" (wörtlich: da sind keine Einhörner) und auf Französisch: "il n'y a pas de licornes" (wörtlich: es hat dort keine Einhörner).
Einverstanden. Geben kann hier in seiner Bedeutung b) gelesen werden, aber seine Grundbedeutung bleibt immer 'reichen, abtreten'. Allenfalls in Verbindung mit es wird es zu existieren.

Dein Verweis aufs Französische macht Sinn, Es gibt lässt sich so nicht übersetzen, hier wird tatsächlich Il y a verwendet, was aber die Sache nicht besser macht. Hier hat Existenz Possessivcharakter. Etwas hat Existenz.



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Fr 15. Sep 2017, 00:09

Herr K. hat geschrieben :
Mi 13. Sep 2017, 11:19
Zu sagen, dass etwas existiere bzw. nicht existiere halte ich auch nicht für tautologisch bzw. nicht für Unsinn, so ist z.B. die Behauptung "Bielefeld existiert nicht" zwar falsch, aber nicht unsinnig. Die Behauptung "es gibt keine Einhörner" (die gleichbedeutend ist mit "Einhörner existieren nicht") hingegen ist sinnvoll und wahr. Und tautologisch ist es nicht, z.B. zu sagen "wir haben kein Brot mehr", (was mE gleichbedeutend ist mit "es existiert hier kein Brot mehr"), sondern informativ.
Ja, umgangssprachlich, in konkreten Kontexten ist diese Ausdrucksweise durchaus unbedenklich und verständlich. (Wobei ich die Umformulierung von "Wir haben kein Brot mehr" in "Es existiert hier kein Brot mehr" nicht zwingend finde; aber das nur nebenbei.)

Aber es ist doch ziemlich offensichtlich, dass "Existenz" kein klassifikatorisches Prädikat ist, durch das alle Dinge in zwei Mengen aufgeteilt werden, nämlich in diejenigen, denen das Prädikat zukommt, und diejenigen, denen es nicht zukommt. Die Menge der nicht-existierenden Seienden existiert nicht. Auch umgangssprachlich wäre es unsinnig, die Menge der nicht-existierenden Dinge zu bilden, zu der dann z.B. gehören: Einhörner, die Fünfhundert-Euro-Noten in meiner Brieftasche, der Ferrari in meiner Garage, das Brot in meiner Küche bis morgen früh, wenn ich vom Bäcker zurückkommen werde usw.

Das Gleiche gilt aber auch für die "höherstufige Eigenschaft, Eigenschaften zu haben". Auch mit dieser Eigenschaft lässt sich keine gehaltvolle Klassifikation vornehmen, da keine Dinge existieren, denen diese Eigenschaft fehlt.




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Herr K.
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Fr 15. Sep 2017, 00:57

Hermeneuticus hat geschrieben :
Fr 15. Sep 2017, 00:09
Aber es ist doch ziemlich offensichtlich, dass "Existenz" kein klassifikatorisches Prädikat ist, durch das alle Dinge in zwei Mengen aufgeteilt werden, nämlich in diejenigen, denen das Prädikat zukommt, und diejenigen, denen es nicht zukommt. Die Menge der nicht-existierenden Seienden existiert nicht. Auch umgangssprachlich wäre es unsinnig, die Menge der nicht-existierenden Dinge zu bilden, zu der dann z.B. gehören: Einhörner, die Fünfhundert-Euro-Noten in meiner Brieftasche, der Ferrari in meiner Garage, das Brot in meiner Küche bis morgen früh, wenn ich vom Bäcker zurückkommen werde usw.
Ja, die Menge aller (d.h. aller sowohl existierenden als auch nicht-existierenden) Dinge zu bilden ist vermutlich unsinnig. Aber daraus folgt noch nicht, dass es auch unsinnig wäre, die Klasse aller existierenden Entitäten (oder, wenn wir Markus Gabriels Sinnfeldontologie zugrunde legen wollen: aller Sinnfelder) zu bilden.
Hermeneuticus hat geschrieben :
Fr 15. Sep 2017, 00:09
Das Gleiche gilt aber auch für die "höherstufige Eigenschaft, Eigenschaften zu haben". Auch mit dieser Eigenschaft lässt sich keine gehaltvolle Klassifikation vornehmen, da keine Dinge existieren, denen diese Eigenschaft fehlt.
Klar gibt es kein existierendes Ding, das nicht existiert, aber analog gibt es auch kein rotes Ding, das nicht rot ist und keinen Menschen namens "Peter", dessen Name nicht "Peter" ist. Daher sehe ich Deinen Punkt hier noch nicht. Denn ebenso wie es informativ und nicht tautologisch wäre, zu sagen, dass dieses Ding rot ist und dieser Mensch "Peter" heißt, wäre es informativ und nicht tautologisch, z.B. zu sagen, dass Bielefeld existiert oder dass König Artus niemals existierte.




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Sa 16. Sep 2017, 12:10

Herr K. hat geschrieben :
Fr 15. Sep 2017, 00:57
Hermeneuticus hat geschrieben :
Fr 15. Sep 2017, 00:09
Das Gleiche gilt aber auch für die "höherstufige Eigenschaft, Eigenschaften zu haben". Auch mit dieser Eigenschaft lässt sich keine gehaltvolle Klassifikation vornehmen, da keine Dinge existieren, denen diese Eigenschaft fehlt.
Klar gibt es kein existierendes Ding, das nicht existiert, aber analog gibt es auch kein rotes Ding, das nicht rot ist und keinen Menschen namens "Peter", dessen Name nicht "Peter" ist. Daher sehe ich Deinen Punkt hier noch nicht. Denn ebenso wie es informativ und nicht tautologisch wäre, zu sagen, dass dieses Ding rot ist und dieser Mensch "Peter" heißt, wäre es informativ und nicht tautologisch, z.B. zu sagen, dass Bielefeld existiert oder dass König Artus niemals existierte.
Welche Information wird denn damit genau übermittelt? Was ist das Kriterium für "Existenz"? Woran lassen sich nicht-existierende Dinge von existierenden unterscheiden?




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Sa 16. Sep 2017, 12:58

Herr K. hat geschrieben :
Fr 15. Sep 2017, 00:57
Klar gibt es kein existierendes Ding, das nicht existiert, aber analog gibt es auch kein rotes Ding, das nicht rot ist und keinen Menschen namens "Peter", dessen Name nicht "Peter" ist. Daher sehe ich Deinen Punkt hier noch nicht. Denn ebenso wie es informativ und nicht tautologisch wäre, zu sagen, dass dieses Ding rot ist und dieser Mensch "Peter" heißt, wäre es informativ und nicht tautologisch, z.B. zu sagen, dass Bielefeld existiert oder dass König Artus niemals existierte.
Überlegen wir doch einmal, in welchen Redekontexten gewöhnlich gesagt wird "Es gibt keine Einhörner" oder "König Artus hat niemals existiert"! Mir scheint nämlich, dass dabei implizit immer über Behauptungen gesprochen wird, die jemand bereits gemacht hat. D.h. es handelt sich um metasprachliche Aussagen, mit denen die Wahrheit bereits gemachter Aussagen bestritten oder bekräftigt wird.

Das ist ein wichtiger Unterschied zu Prädikaten objektsprachlicher Aussagen. Denn während durch objektsprachliche Äußerungen die Eigenschaften von Gegenständen bestimmt werden, geht es in metasprachlicher Rede um "Eigenschaften" von Gesagtem. Ich setze hier "Eigenschaften" in Anführungszeichen, um anzudeuten, dass Gesprochenes ein Gegenstand zweiter Stufe ist, also ein virtueller "Gegenstand". Das wird oft nicht beachtet. (Und mir scheint, dass weite Teile der sog. "Ontologie" überhaupt von der Nicht-Beachtung des Unterschieds zwischen Objekt- und Metasprache leben.)




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Alethos
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Sa 16. Sep 2017, 14:49

Hermeneuticus hat geschrieben :
Sa 16. Sep 2017, 12:58
Herr K. hat geschrieben :
Fr 15. Sep 2017, 00:57
Klar gibt es kein existierendes Ding, das nicht existiert, aber analog gibt es auch kein rotes Ding, das nicht rot ist und keinen Menschen namens "Peter", dessen Name nicht "Peter" ist. Daher sehe ich Deinen Punkt hier noch nicht. Denn ebenso wie es informativ und nicht tautologisch wäre, zu sagen, dass dieses Ding rot ist und dieser Mensch "Peter" heißt, wäre es informativ und nicht tautologisch, z.B. zu sagen, dass Bielefeld existiert oder dass König Artus niemals existierte.
Überlegen wir doch einmal, in welchen Redekontexten gewöhnlich gesagt wird "Es gibt keine Einhörner" oder "König Artus hat niemals existiert"! Mir scheint nämlich, dass dabei implizit immer über Behauptungen gesprochen wird, die jemand bereits gemacht hat. D.h. es handelt sich um metasprachliche Aussagen, mit denen die Wahrheit bereits gemachter Aussagen bestritten oder bekräftigt wird.

Das ist ein wichtiger Unterschied zu Prädikaten objektsprachlicher Aussagen. Denn während durch objektsprachliche Äußerungen die Eigenschaften von Gegenständen bestimmt werden, geht es in metasprachlicher Rede um "Eigenschaften" von Gesagtem. Ich setze hier "Eigenschaften" in Anführungszeichen, um anzudeuten, dass Gesprochenes ein Gegenstand zweiter Stufe ist, also ein virtueller "Gegenstand". Das wird oft nicht beachtet. (Und mir scheint, dass weite Teile der sog. "Ontologie" überhaupt von der Nicht-Beachtung des Unterschieds zwischen Objekt- und Metasprache leben.)
Ich sehe hier keine metasprachliche Ebene: 'Eine gekrümmte Gerade gibt es nicht.' Insofern es sich gewissermassen um eine Geometriesprache handelt, vielleicht, aber sonst handelt diese Aussage direkt vom Objekt und nicht von Gesagtem.

Überhaupt aber Existenz als Prädikate von Mengen und Teilmengen auszudrücken, wie das in anderen Beiträgen gemacht wurde, kommt für mein Empfinden an das Wesentliche zu wenig nahe heran. Nichts ist die Menge aller nichtvorkommenden Dinge, das ist irgendwie eine unbefriedigende sprachliche Verkürzung. Sowenig es informativ ist zu sagen, die Welt sei die Menge aller wahren und falschen Tatsachen.
Aber vielleicht lese ich da zuwenig hinein oder habe mich noch zuwenig in die moderne und postmoderne Logik eingelesen. Das kann sehr gut seyn. :)

Aber, ganz fremd in meinen Ohren klingt das: 'Die Rose hat Teil an der Menge des Roten', um zu sagen, die Rose sei rot. Das ist ja hochplatonisch.



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Hermeneuticus hat geschrieben :
Sa 16. Sep 2017, 12:10
a) Welche Information wird denn damit genau übermittelt? b) Was ist das Kriterium für "Existenz"? c) Woran lassen sich nicht-existierende Dinge von existierenden unterscheiden?
a) Die Information, dass es ein so-und-so beschaffenes Ding gibt bzw. nicht gibt.
b) Das weiß ich nicht.
c) Diese Frage ist mE so gestellt unsinnig, da es mE keine nicht-existierenden Dinge gibt, (da ich meine, dass "es gibt" hier synonym ist zu "existieren", man kann daher gleichbedeutend sagen: es existieren keine nicht-existierenden Dinge).

Hier gibt es übrigens ein ganzes Buch über das Thema "Existenz": Tobias Rosefeldt. Was es nicht gibt - Eine Untersuchung des Begriffes der Existenz




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Herr K.
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Hermeneuticus hat geschrieben :
Sa 16. Sep 2017, 12:58
Überlegen wir doch einmal, in welchen Redekontexten gewöhnlich gesagt wird "Es gibt keine Einhörner" oder "König Artus hat niemals existiert"! Mir scheint nämlich, dass dabei implizit immer über Behauptungen gesprochen wird, die jemand bereits gemacht hat. D.h. es handelt sich um metasprachliche Aussagen, mit denen die Wahrheit bereits gemachter Aussagen bestritten oder bekräftigt wird.
Zu sagen, dass eine Aussage wahr bzw. falsch sei, kann aber doch bei diesen beiden Beispielen keine metasprachliche Aussage sein, denn Einhörner und König Artus wären ja, falls es sie gäbe, Lebewesen und keine sprachlichen Entitäten. Den Wahrheitswert dieser beiden Aussagen kann man nicht dadurch ermitteln, dass man Sprache untersucht.
Hermeneuticus hat geschrieben :
Sa 16. Sep 2017, 12:58
Das ist ein wichtiger Unterschied zu Prädikaten objektsprachlicher Aussagen. Denn während durch objektsprachliche Äußerungen die Eigenschaften von Gegenständen bestimmt werden, geht es in metasprachlicher Rede um "Eigenschaften" von Gesagtem. Ich setze hier "Eigenschaften" in Anführungszeichen, um anzudeuten, dass Gesprochenes ein Gegenstand zweiter Stufe ist, also ein virtueller "Gegenstand". Das wird oft nicht beachtet. (Und mir scheint, dass weite Teile der sog. "Ontologie" überhaupt von der Nicht-Beachtung des Unterschieds zwischen Objekt- und Metasprache leben.)
Hm, ich denke, dass eine Aussage wie: "König Artus war ein König in Britannien" keine metasprachliche Aussage ist, im Gegensatz zu z.B. der Aussage: "der Sage nach war König Artus ein König in Britannien".




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Sa 16. Sep 2017, 18:59

Herr K. hat geschrieben :
Sa 16. Sep 2017, 15:12
Hermeneuticus hat geschrieben :
Sa 16. Sep 2017, 12:10
a) Welche Information wird denn damit genau übermittelt? b) Was ist das Kriterium für "Existenz"? c) Woran lassen sich nicht-existierende Dinge von existierenden unterscheiden?
a) Die Information, dass es ein so-und-so beschaffenes Ding gibt bzw. nicht gibt.
b) Das weiß ich nicht.
c) Diese Frage ist mE so gestellt unsinnig, da es mE keine nicht-existierenden Dinge gibt, (da ich meine, dass "es gibt" hier synonym ist zu "existieren", man kann daher gleichbedeutend sagen: es existieren keine nicht-existierenden Dinge).
Dann ist die Information also = 0




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Herr K. hat geschrieben :
Sa 16. Sep 2017, 15:46
Zu sagen, dass eine Aussage wahr bzw. falsch sei, kann aber doch bei diesen beiden Beispielen keine metasprachliche Aussage sein, denn Einhörner und König Artus wären ja, falls es sie gäbe, Lebewesen und keine sprachlichen Entitäten.
Von Einhörnern oder König Artus haben wir aber doch nur Kunde aus Märchen, Legenden und deren Illustrationen. Woher auch sonst? Durch eigene Erfahrung ja wohl nicht. Wenn also gesagt wird, es gebe keine Einhörner, werden damit die entsprechenden Aussagen aus den Märchen und Legenden bestritten und als "fiktional" charakterisiert.
Den Wahrheitswert dieser beiden Aussagen kann man nicht dadurch ermitteln, dass man Sprache untersucht.
Das ist aber kein Kriterium für das Nicht-Vorliegen von Metasprache. Sagt jemand: "Die Rose ist rot" und ein anderer: "Diese Behauptung ist falsch", dann wird der Wahrheitswert der metasprachlichen Bestreitung auch nicht durch sprachliche Untersuchungen ermittelt.




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So 17. Sep 2017, 15:06

Damit die Diskussion nicht wie eine bloße Wortklauberei erscheint, vielleicht ein paar Bemerkungen zum Problemhintergrund: Seit Platon und Aristoteles wurde gesehen, dass die Individualität der Dinge sich nicht begrifflich fassen lässt. Begriffe sind immer allgemein, sie heben also an den Gegenständen stets das heraus, was sie mit anderen Gegenständen gemeinsam haben. Auch Definitionen wie "Der Mensch ist ein ungefiederter Zweibeiner" oder "Der Mensch ist das Tier, das den Logos hat" erfassen etwas, von dem angenommen wird, es sei allen individuellen Gegenständen gemeinsam und darum das "Wesentliche". Die Bestimmung des Wesens ist dasjenige, nach dem mit "Was ist ein x?" gefragt wird. Problematisch bleibt, wie mit dem Rest zu verfahren sei, also mit all dem, durch das Individuen von ihrer Wesens- oder Art-Bestimmung abweichen. Soll man es - wie Platon - wegen seiner Unerkennbarkeit als "unwesentlich" behandeln, als nicht im eigentlichen Sinne seiend? Oder muss man anerkennen, dass jedes Ding auf seine ganz individuelle, bestimmte Weise "ist", der gegenüber unsere allgemeinen Begriffe stumpf bleiben? Jedenfalls wurde das Wort "existieren" in die philosophische Diskussion eingeführt, um damit dasjenige Sein der Dinge zu bezeichnen, das von ihrem Was-Sein, also ihrer allgemeinen Wesensbestimmung, nicht abgedeckt wird. Und damit war zugleich klar, dass "Existenz" zwar gebraucht wird wie jeder andere Allgemeinbegriff, aber seiner Bedeutung nach keiner sein konnte. "Sein" im Sinne der individuellen Existenz meint etwas, das diesseits oder jenseits der Allgemeinbegriffe rangiert.

Kant gehört zu den Philosophen, die die nicht-begriffliche Natur der Existenz ("Dasein") akzentuiert haben. Sein Diktum "Dasein ist kein reales Prädikat" - d.h. "Dasein" ist keine sachhaltige Bestimmung, keine "Eigenschaft", die begrifflich erfasst oder zugewiesen werden kann - ist vor diesem Hintergrund zu verstehen. Sein kritischer Schüler Hegel kam zu einem anderen Ergebnis. Er hielt Existenz für begrifflich explizierbar; allerdings hatte er auch ein Verständnis von "Begriff", das vom traditionellen Verständnis des Allgemeinbegriffs abwich und die "abstrakte" Allgemeinheit nur als ein "Moment" des Begrifflichen ansah. Er teilte also durchaus Kants Ansicht, dass sich Dasein nicht allgemein bestimmen lasse, mithin keine "Eigenschaft" im üblichen Sinne sei.

Festzuhalten bleibt: Wenn "Existenz" als Allgemeinbegriff, d.h. als ein klassifikatorischer Begriff aufgefasst wird, muss auch zugegeben werden, dass damit die je eigene Seinsweise der Individuen gerade nicht erfasst wird. Denn die "Eigenschaft zu sein" kommt allem und jedem zu, das nicht Nichts ist, d.h. es ist überflüssig, nichtssagend, tautologisch, von einem Ding zu sagen, es existiere. Wenn man also der individuellen Seinsweise jedes Dings etwas Gutes tun will, d.h. wenn man sie philosophisch würdigen möchte, dann muss man die sprachkritische Wendung gegen das "abstrakte" Allgemeine in irgendeiner Weise mitvollziehen und nach anderen Mitteln und Wegen suchen, der individuellen Existenz sprachlich-theoretisch gerecht zu werden. Denn um nichts anderes ginge es ja, als um eine im Medium der Sprache ausgearbeitete Theorie, aus der das Individuelle nicht als vernachlässigenswerte Größe, als "quantité négligeable" herausfiele.




Segler
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So 17. Sep 2017, 21:03

Hermeneuticus hat geschrieben :
So 17. Sep 2017, 15:06


Festzuhalten bleibt: Wenn "Existenz" als Allgemeinbegriff, d.h. als ein klassifikatorischer Begriff aufgefasst wird, muss auch zugegeben werden, dass damit die je eigene Seinsweise der Individuen gerade nicht erfasst wird. Denn die "Eigenschaft zu sein" kommt allem und jedem zu, das nicht Nichts ist, d.h. es ist überflüssig, nichtssagend, tautologisch, von einem Ding zu sagen, es existiere.
Wie unterscheidet man dann das Seiende vom Nichtseienden, ohne überflüssig, nichtssagend oder tautologisch zu werden?




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Mo 18. Sep 2017, 08:12

Ich bin versucht zu sagen: Gar nicht, weil es da keinen Unterschied gibt. :-) Denn "Seiendes" und "Nichtseiendes" sind nichts weiter als Substantivierungen des Verbs "sein" und seiner Negation, und das macht sie noch lange nicht zu sinnvollen Bezeichnungen für Mengen von Gegenständen.

Wenn ich dieser Versuchung widerstehe, sage ich: Über "Nicht-Seiendes" lassen sich keine wahren affirmativen Aussagen machen.




Segler
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Registriert: Mi 26. Jul 2017, 20:34

Mo 18. Sep 2017, 09:45

Hermeneuticus hat geschrieben :
Mo 18. Sep 2017, 08:12


Wenn ich dieser Versuchung widerstehe, sage ich: Über "Nicht-Seiendes" lassen sich keine wahren affirmativen Aussagen machen.
Bestreitest Du, dass der Satz "Einhörner existieren nicht." eine wahre affirmative Aussage ist?

Als Bezeichnung einer Menge taugt "nichtseiend" nicht. Da bin ich bei dir. Aber auch über Nichtseidendes kann man mindestens eine wahre Aussage machen, nämlich dass es nicht existiert. Die Mengentheorie ist nicht vollständig. Gödel winkt uns zu.




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