Sie und er, statt die und der

Hier geht es einerseits um die Erörterung logischer Grundstrukturen in der Philosophie und andererseits um Sprachanalyse als philosophische Methode, Theorien der Referenz und Bedeutung, Sprechakttheorien u.ä.
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Quk
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Mi 7. Feb 2024, 16:16

Liebe Mitmenschen,

ab heute werde ich im umgangssprachlichen Alltag -- schriftlich und mündlich -- einen anderen Sprachstil anwenden. Genauer gesagt geht es nur um zwei Wörter. Nicht viel. Aber mit Wirkung.

Marta: "Hallo. Wo ist Berta?"
Trude: "Die ist im Büro."

Erna: "Guten Tag, liebes Publikum. Wo ist die Ministerin?"
Karla: "Sie ist im Büro."

Mitmenschen, seht Ihr den Unterschied?

Ich sehe nicht ein, warum man im engeren Kreis ein eher respektloses "die" oder "der" sagt, während man bei "normalen" Respektssituationen "sie" oder "er" sagt. Meine Freunde und Bekannten verdienen doch den gleichen Respekt wie meine Unbekannten und Beamten.

Mir wird dieser Unterschied immer bewusst, wenn jemand mit ausländischem Akzent spricht, also wenn jemand in der deutschen Sprache nicht zuhause, sondern Gast ist. Ein Nichtmuttersprachler hört irgendwann Trude sagen: "Die ist im Büro", dann folgert er daraus, man könne statt "sie" immer "die" sagen. Schließlich hört er Erna vor Publikum fragen: "Wo ist die Ministerin?" -- und so anwortet der Nichtmuttersprachler: "Die ist im Büro." Aber so spricht man vor Publikum nicht von einer Ministerin, oder? Die Ministerin ist eine "sie", keine "die".

In solchen Situationen, wenn jemand mit ausländischem Akzent spricht, fällt mir das auf. Sonst fällt mir das nicht auf. Ich bin betriebsblind geworden.

Jetzt kann ich doch nicht fordern, dass Nichtmuttersprachler ein Gefühl für diesen feinen Respekts-Unterschied bekommen sollen.

Nein, das brauchen sie nicht. Sie können es so machen wie ich: Ich werde ab sofort immer "sie" und "er" sagen statt "die" und "der". Auch wenn es schriftsprachlich gestelzt klingen mag. Ist Gewohnheitssache, denke ich. Mal sehen, wie es wirken wird ...

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.

In der nächsten Folge befasse ich mich mit der Frage, ob Tiere ein Maul oder einen Mund haben. Englische Tiere haben jedenfalls immer ein mouth, nie ein moul.

In der übernächsten Folge befasse ich mich mit der Frage, ob Tiere fressen oder essen. Englische Tiere tun jedenfalls immer eaten, nie freaten.




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Jörn Budesheim
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Mi 7. Feb 2024, 19:33

Und was sagst du dann statt "die aus der Personalabteilung"?




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Stefanie
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Mi 7. Feb 2024, 19:49

Ich weiß nicht, was Quk sagt, ich sage die Kollegin/der Kollege aus der Personalabteilung. Oder nenne den Namen.
Ich versuche, dieses die bzw. der schon länger zu vermeiden.



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Jörn Budesheim
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Mi 7. Feb 2024, 19:53

Ich sage das auch nicht ;)




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Stefanie
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Mi 7. Feb 2024, 20:02

Klappt nur nicht immer.



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Quk
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Mi 7. Feb 2024, 20:13

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 7. Feb 2024, 19:33
Und was sagst du dann statt "die aus der Personalabteilung"?
Ich vollende wörtlich, was mit "die" beginnt: Die Dame, die Kollegin, die Schöne, die Hexe, die Chefin ...

Das mache ich aber schon lange. Nicht erst seit heute.

Mir fällt gerade ein, dass ich schon als Kind von meinen Eltern ermahnt wurde, wenn ich Sätze sagte wie: "Kommt der heute auch?" als Reaktion auf Hinweise wie: "Onkel Fritz hat angerufen." Meine Eltern fragten mich dann rhetorisch: "Wer der? Hat der auch einen Namen?" -- Ich hatte den sprachlichen Aufwand damals nicht ganz kapiert.

Dieses respektvermindernde "der, die" fällt bei einem sprechenden Kind halt eher auf als bei einem sprechenden Erwachsenen, sofern er keinen ausländischen Akzent hat. Da fällts dann auch auf. Mir jedenfalls.

Im Deutschunterricht für Ausländer lernt man dieses "der, die" nicht, vermute ich. Ich denke, Ausländer hören es im Alltag, verstehen aber deren exakten Einsatz nicht.




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