Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist

Hier geht es einerseits um die Erörterung logischer Grundstrukturen in der Philosophie und andererseits um Sprachanalyse als philosophische Methode, Theorien der Referenz und Bedeutung, Sprechakttheorien u.ä.
Timberlake
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Mo 30. Dez 2024, 21:03

Quk hat geschrieben :
Mo 30. Dez 2024, 17:47

"Die Erde ist eine Scheibe". Ich verstehe diesen Satz, obwohl er unwahr ist. Der Satz sagt mir aber nicht, was der Fall ist. (Sie ist keine Scheibe, das ist der Fall.)
... um dazu auf ...
. zurückzukommen, ich denke, du verstehst deshalb den Satz, weil er logisch ist. Logisch bei allem, wo es heißt: "a ist b" Wie übrigens auch, um dazu auf Frege zurückzukommen, bei a=b. Vor dem Hintergrund dieser Logik ist es völlig irrelevant, ob "a ist b" bzw. "a=b" wahr oder falsch bzw. tatsächlich der Fall ist. Zumindest gehe ich doch einmal davon aus, dass Wittgenstein sich diesbezüglich genau so verstanden wissen will, wenn er sagt ...


Ist doch die Möglichkeit des Sachsverhalt "Die Erde ist eine Scheibe" im Ding "a ist b" bereits präjudiziert. Das Ding und somit die Logik würde als solches, ob wahr oder falsch , stets vor dem Sachsverhalt stehen. Nur vor diesem Hintergrund wäre tatsächlich ALLE! Möglichkeiten ihre Tatsachen.




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Quk
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Mo 30. Dez 2024, 23:56

Ein Ausschlusskriterium zu folgern ist ein logischer Schritt, und ein Einschlusskriterium zu folgern ist ebenfalls ein logischer Schritt.

"Die Erde ist eine Scheibe." -- Der Satz ist unwahr.

Jetzt weiß ich, dass die Erde keine Scheibe ist. Die Scheibe kann ich also ausschließen. Logisch.

Jetzt weiß ich aber nicht, was die Erde tatsächlich ist. Birne? Würfel? Es liegt kein Einschlusskriterium vor. Logisch.

Ist doch beides logisch. Wo ist das Problem?

Mein Eindruck, dass Wittgenstein das Verstehen fokusiert, fußt auf der Tatsache, dass das Zitat mit den Worten "Satz verstehen" beginnt. Am Anfang (oder am Schluss) steht üblicherweise das zu betonende. Aber wie gesagt, ich kann mich irren. Ich muss zugeben, ich kenne den ganzen Kontext nicht. Und ich verstehe nicht, warum in dieser Diskussion verschiedene Positionen verteidigt werden, wo doch alle miteinander kompatibel sind. -- Ich setze mich jetzt wieder auf die Zuschauerbank.




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Quk
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Di 31. Dez 2024, 00:06

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
So 29. Dez 2024, 11:21
Man muß nicht wissen, ob ein empirischer/naturwissenschaftlicher Satz wahr ist, um ihn zu verstehen. Auf logisch-mathematische Sätze trifft er nicht zu, da sie apriori wahr sind. Dafür muß man nicht wissen, was der Fall ist.
Das kann ich nachvollziehen.

Den Satz des Pythagoras verstehen, heißt, wissen was der Fall ist. Den Zusatz "wenn er wahr ist" kann man weglassen, weil dies ein mathematischer Satz ist und somit grundsätzlich wahr ist.




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Jörn Budesheim
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Quk hat geschrieben :
Mo 30. Dez 2024, 23:56
... ich kenne den ganzen Kontext nicht
Der Kontext ist stark vereinfacht Folgender. Die Zitate sind aus dem tractatus.

"Die Welt ist alles, was der Fall ist." (Wittgenstein)

"Die meisten Sätze und Fragen, welche über philosophische Dinge geschrieben worden sind, sind nicht falsch, sondern unsinnig. Wir können daher Fragen dieser Art überhaupt nicht beantworten, sondern nur ihre Unsinnigkeit feststellen. Die meisten Fragen und Sätze der Philosophen beruhen darauf, dass wir unsere Sprachlogik nicht verstehen." (Wittgenstein)


Wittgenstein glaubt hingegen, gemäß seiner sog. "Abbildtheorie der Wahrheit", dass sinnvolle* Sätze "Bilder" der Wirklichkeit sind, die mögliche Sachverhalte darstellen. Ein Satz ist dann wahr, wenn der dargestellte Sachverhalt besteht. Verstehen heißt, die Umstände, oder vielleicht genauer gesagt: die Bedingungen, zu kennen, unter denen ein Satz wahr ist. Wittgenstein wollte damit Pi mal Daumen zeigen, dass Bedeutung an die Möglichkeit gebunden ist, Tatsachen abzubilden, und damit zugleich die Grenzen der Sprache und der Philosophie aufzeigen. („Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“)

"Man könnte den ganzen Sinn des Buches etwa in die Worte fassen: Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann [z.b über Ethik, Ästhetik, Metaphysik und das Mystische], darüber muß man schweigen." (Wittgenstein)

* Wittgenstein unterscheidet im tractatus wiederum vereinfacht gesagt, zwischen sinnvollen Sätzen, die sagen, was der Fall ist, und sinnlosen Sätzen, wie Tautologien und Kontradiktionen, denn diese Sätze sagen nichts über die Welt aus und unsinnigen Sätzen, wie zum Beispiel metaphysischen, ethischen und ästhetischen Sätzen. Was nicht einfach bedeutet, das Wittgenstein den Wert dieser Bereiche leugnet. Hier müsste man etwas über seine Unterscheidung von "sagen und zeigen" sagen. Manches von Bedeutung "zeigt sich" zwar, aber man kann streng genommen nichts darüber sagen, es ist gewissermaßen außerhalb der Grenzen dessen, was sich "sinnvoll" sagen lässt. Ich habe sogar mal einen Text gelesen, in dem argumentiert wurde, dass Wittgenstein im Grunde ein Mystiker war! Über all das gibt es natürlich meterweise Literatur, so dass es unmöglich in ein paar Zeilen erschöpfend dargestellt werden kann. Ich bin auch kein Wittgenstein-Kenner, habe aber während des Kunststudiums und danach gelegentlich/regelmäßig Vorlesungen von einem Prof. gehört, der ein ausgewiesener Wittgenstein Experte war.

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Ohne Anspruch auf eine korrekte Wittgenstein Exegese kann man den Satz jedoch auch einfach so verstehen: er ist die Antwort auf die Frage, was es eigentlich heißt, einen Satz zu verstehen. Streng genommen ist die Antwort sicher nicht erschöpfend, weil sie nur auf einfache Aussagesätze fokussiert, während unsere Sprache tatsächlich viel reichhaltiger ist; aber als Fingerzeig ist es sehr wertvoll. Die Idee der Wahrheitsbedingungen ist, nach allem was ich weiß, in der modernen Sprachphilosophie weiterhin (z.b. als sogenannte wahrheitskonditionale Bedeutungstheorie) relevant, auch wenn sie nicht mehr im gleichen engen Sinne wie beim frühen Wittgenstein interpretiert wird. Der "späte Wittgenstein" hat auch vieles, was er im tractatus geschrieben hat, selbst revidiert.

Wittgenstein glaubte also im Grunde nicht, dass es wirkliche philosophische Probleme gibt, sondern, wie er sich später auch einmal ausgedrückt hat: Verhexungen der Sprache.

Dazu gibt es eine schöne Geschichte, ob sie sich wirklich so zugetragen hat, ist umstritten: anders als Wittgenstein war Popper sehr wohl der Ansicht, dass es echte philosophische Probleme gab. Im Oktober 1946 stritten sich Karl Popper und Ludwig Wittgenstein im Moral Science Club in Cambridge über diese Frage. Es soll ein hitziges Wortgefecht gewesen sein, Wittgenstein hatte dabei einen Schürhaken vom Kamin in der Hand, mit dem er unentwegt gestikuliert haben soll. Als er Popper nach einem Beispiel für ein philosophisches Problem und einen moralischen Satz fragte, antwortete dieser schlagfertig: "Man soll Gäste nicht mit dem Feuerhaken bedrohen", und worauf Wittgenstein angeblich entnervt den Raum verließ. Ich habe mal eine lange Biografie von Wittgenstein gelesen, es war ganz sicher eine faszinierende, aber oft auch zwiespältige Persönlichkeit, manchmal fragwürdig.




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Quk
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Di 31. Dez 2024, 10:17

Danke für die Zusammenfassung.

Die berühmte Schürhaken-Anekdote kenne ich :-) Russell war dort auch anwesend.




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Jörn Budesheim
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Ich glaube, aus dem Zusammenhang stammt auch Russells legendäres: "Wittgenstein, you are the problem!"




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Consul
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Di 31. Dez 2024, 17:43

Wittgensteins Diktum gilt zumindest nicht für Fragesätze und Aufforderungssätze; denn diese verstehen wir, obwohl sie keinen Wahrheitswert haben.



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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Di 31. Dez 2024, 18:04

Aus der Sicht der kompositionalen Semantik als einer intensionalen Semantik würde ich sagen:

Einen Satz verstehen, heißt wissen, was die einzelnen Wörter oder Wortgruppen bedeuten, aus denen er zusammengesetzt ist, und wie sie grammatisch zusammenhängen.

Wittgensteins Diktum ist dagegen Ausdruck einer extensionalen Semantik, die unter der Bedeutung eines Aussagesatzes dessen Wahrheitsbedingungen versteht.

Frege versteht unter der Bedeutung eines Aussagesatzes etwas anderes, nämlich einen Wahrheitswert (als abstrakten Gegenstand): das Wahre bzw. das Falsche. Entsprechend ist nach Frege ein Aussagesatz genau dann wahr, wenn er das Wahre bezeichnet; und er ist genau dann falsch, wenn er das Falsche bezeichnet. Aussagesätze sind laut Frege Eigennamen des Wahren oder des Falschen.



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Quk hat geschrieben :
Mo 30. Dez 2024, 23:56
Ein Ausschlusskriterium zu folgern ist ein logischer Schritt, und ein Einschlusskriterium zu folgern ist ebenfalls ein logischer Schritt.
... richtig , das alles sind logische Schritte

Logische Schritte, die in einem Sachverhalt vorkommen können und wo die Möglichkeiten der Sachverhalte in den logischen Schritten bereits präjudiziert sein müssen.

Quk hat geschrieben :
Mo 30. Dez 2024, 23:56

"Die Erde ist eine Scheibe." -- Der Satz ist unwahr.

Jetzt weiß ich, dass die Erde keine Scheibe ist. Die Scheibe kann ich also ausschließen. Logisch.

Jetzt weiß ich aber nicht, was die Erde tatsächlich ist. Birne? Würfel? Es liegt kein Einschlusskriterium vor. Logisch.

Ist doch beides logisch. Wo ist das Problem?
So kommt der logische Schritt eines Ausschlusskriteriums und damit dessen, was nicht wahr ist, im Sachverhalt "Die Erde ist eine Scheibe" vor. Wohin gehend der logische Schritt eines Einschlusskriteriums und damit dessen, was wahr ist, im Sachverhalt "Die Erde ist keine Scheibe" vorkommt. Die Möglichkeiten dieser beiden Sachverhalte sind als solches jeweils in deren logischen Schritten präjudiziert.

Somit nach Wittgenstein Sachverhalte und logische Schritte eine Einheit bilden. Zumindest gehe ich einmal davon aus. Wie von mir hier, auf Grundlage eines Zitats, an Hand von zwei Beispiele, wie ich finde, exemplarisch vorgeführt.


Dazu nur mal zum Vergleich ..
Consul hat geschrieben :
Di 31. Dez 2024, 18:04

Einen Satz verstehen, heißt wissen, was die einzelnen Wörter oder Wortgruppen bedeuten, aus denen er zusammengesetzt ist, und wie sie grammatisch zusammenhängen.

Wittgensteins Diktum ist dagegen Ausdruck einer extensionalen Semantik, die unter der Bedeutung eines Aussagesatzes dessen Wahrheitsbedingungen versteht.

Da fehlt beides.

  • 2.151 Die Form der Abbildung ist die Möglichkeit, dass sich die Dinge so zu einander verhalten, wie die Elemente des Bildes.
    2.1511 Das Bild ist so mit der Wirklichkeit verknüpft; es reicht bis zu ihr.
    2.1512 Es ist wie ein Massstab an die Wirklichkeit angelegt.
    2.15121 Nur die äussersten Punkte der Teilstriche berühren den zu messenden Gegenstand.
    Ludwig Wittgenstein ... Logisch-philosophische Abhandlung

Ich kann mir jedenfalls , auf Grund solcher Elemente wie "extensionalen Semantik" , wie der ganzen Konstruktion der einzelnen Elemente überhaupt , kein "Bild" von Wittgensteins Diktum machen. Somit es mir unmöglich ist , dessen Bild mit der Wirklichkeit zu verknüpfen. Gleichwohl dieses Diktum durchaus, wie ein Massstab an die Wirklichkeit angelegt sei kann. Beispielsweise für diejenigen, die dafür ausgebildet wurden, die äussersten Punkte der Teilstriche dieses Gegestandes auf diese Weise zu berühren.

Wie gesagt , meine Weise ist die des Zitierens , des Arbeiten mit Beispielen und ich ergänze des Vermeidens solcher Begriffe, wie die einer "extensionalen Semantik". Weil für das Verwenden solcher Begriffe tatsächlich nicht ausgebildet , übrigens einer meiner leichtesten Übungen.

Wo wir schon mal dabei sind, also den leichtesten Übungen.

Ich wünsche allen hier ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr :)




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Jörn Budesheim
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Consul hat geschrieben :
Di 31. Dez 2024, 17:43
Wittgensteins Diktum gilt zumindest nicht für Fragesätze und Aufforderungssätze; denn diese verstehen wir, obwohl sie keinen Wahrheitswert haben.
Um den Fragesatz „Regnet es?“ zu verstehen, müssen wir auch den Aussagesatz „Es regnet“ verstehen. Ähnlich verhält es sich mit „Mach die Tür zu!“: Wir verstehen die Aufforderung, weil wir wissen, was der Fall ist, wenn die Tür geschlossen ist. So gesehen kommt Wittgensteins Diktum durch die Hintertüre ins Spiel. Auch wenn sie für sich allein genommen natürlich nicht hinreicht. Statt von Wahrheitsbedingungen könnten wir bei der Aufforderung von „Erfüllungsbedingungen“ o.ä. – also dem beabsichtigten Zustand – sprechen.
Consul hat geschrieben :
Di 31. Dez 2024, 18:04
Einen Satz verstehen, heißt wissen, was die einzelnen Wörter oder Wortgruppen bedeuten, aus denen er zusammengesetzt ist, und wie sie grammatisch zusammenhängen.
Hier haben wir ein paar Wörter und ein paar grammatische Regeln:

Grib, Flum, Zirp, Krax, Plopp, Wiesel, Quirl, Schnurz, Flims, Knorz

Grammatische Regeln:

1. Wörter müssen im Satz nach ihrer Buchstabenanzahl aufsteigend angeordnet sein.
2. Nach einem Wort mit einem Vokal am Ende muss ein Wort mit einem Konsonanten am Anfang folgen (und umgekehrt).

Beispiele für „Sätze“:

1. Grib Krax Flims (Erfüllt die Längenregel: Grib (4), Krax (5), Flims (5). Da Krax und Flims gleich lang sind, ist die Reihenfolge innerhalb dieser beiden irrelevant für diese Regel.)
2. Plopp Schnurz (Erfüllt die Längenregel: Plopp (5), Schnurz (7))
3. Zirp Knorz (Erfüllt die Längenregel: Zirp (5), Knorz (5). Erfüllt zufällig auch die Vokal-Konsonant-Regel: Zirp endet auf Vokal, Knorz beginnt mit Konsonant.)
4. Flum Wiesel (Erfüllt die Längenregel: Flum (4), Wiesel (6). Erfüllt auch die Vokal-Konsonant-Regel: Flum endet auf Konsonant, Wiesel beginnt mit Vokal.)

Diese Sätze erfüllen zwar deine Bedingungen, sind aber dennoch nicht verständlich. My Guess: Es fehlt ein Bezug zur Wirklichkeit.




Wolfgang Endemann
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Mi 1. Jan 2025, 11:49

Consul hat geschrieben :
Di 31. Dez 2024, 18:04
Aus der Sicht der kompositionalen Semantik als einer intensionalen Semantik würde ich sagen:

Einen Satz verstehen, heißt wissen, was die einzelnen Wörter oder Wortgruppen bedeuten, aus denen er zusammengesetzt ist, und wie sie grammatisch zusammenhängen.

Das würde, etwas modifiziert, auch Wittgenstein sagen, das gehört auch für ihn zum Verstehen dazu: "Einen Satz verstehen, heißt wissen, was die einzelnen Wörter oder Wortgruppen bedeuten, aus denen er grammatisch zusammengesetzt ist, und wie sie strukturell zusammenhängen." Das ist nämlich die Bedingung, daß man entscheiden kann, ob sie ein Bild der Realität liefern und so ausdrücken, was der Fall ist, oder eben der Realität widersprechen, und daher eine Möglichkeit sind, die nicht von der Realität bestätigt wird. Der Satz muß in sich logisch sein, die Abbildung muß bijektiv sein, dann heißt Verstehen, daß die inverse Abbildung vom Begriff auf einen tatsächlichen Sachverhalt oder einen nicht vorliegenden Sachverhalt führt, dann ist dementsprechend der Begriff wahr oder falsch.
"Wittgensteins Diktum ist dagegen Ausdruck einer extensionalen Semantik,"
Das kann man so sagen, allerdings ohne "dagegen". Aber: "die unter der Bedeutung eines Aussagesatzes dessen Wahrheitsbedingungen versteht" ist unpräzise oder falsch. Tatsächlich ist Wittgensteins Wahrheitsbegriff nicht auf Mathematik und Logik anwendbar, weil er Antiplatoniker ist, Mathematik und Logik keine Realien sind, nicht gefunden werden, sondern erfunden werden.

Ich kann also in die Formel (nennen wir sie WW, Wittgensteins Wahrheit) "Einen Satz verstehen heißt, ..." nicht einsetzen: "Einen mathematischen Satz verstehen heißt, ...". Natürlich hat auch Wittgenstein darauf eine Antwort. Ich sagte ja schon, es gibt für ihn das Reich der Wirklichkeit und das Reich der Möglichkeit. Logik und Mathematik liefern die Sprache dessen, was sinnvoll sagbar ist. Das ist der Möglichkeitsraum des Sprechens. Was dann zutrifft, ist eine Frage der Empirie. Das kann man mengentheoretisch beschreiben: Es gibt die Menge aller grammatisch bildbaren Sprachausdrücke, es gibt die zwei komplementären Mengen der sinnvollen und der sinnlosen Sprachausdrücke, das sind die mathematisch-logisch konsistenten und die mathematisch-logisch inkonsistenten (Möglichkeits- und Unmöglichkeitsraum), und dann gibt es die zwei komplementären Unterräume des Möglichkeitsraums, den Wirklichkeitsraum und den Raum des nur möglichen, aber nicht realisierten. WW ist also der Wahrheitsbegriff für die Wirklichkeit. Aber selbstverständlich hat Wittgenstein auch eine Formel für den mathematischen Wahrheitsbegriff.

Jörn bringt hier manchmal die naiv-realistische Formel "p ist wahr, (genau dann,) wenn p". In meinen Augen ist diese Formel eher verwirrend als klärend, das habe ich schon aaO erläutert. Da ist WW viel besser, aber eben nicht auf Logik und Mathematik anwendbar. Stattdessen sagt Wittgenstein (sinngemäß): "Mathematisch wahr ist eine Aussage, wenn sie in einem konsistenten Kalkül beweisbar ist". Mathematik ist die Erfindung von konsistenten Denksystemen, das ist der Möglichkeitsraum. Für Platoniker sind solche Systeme real, für strenge Platoniker sind nur sie real.

Ich sagte ja schon, Gödel, der Platoniker war, brachte diese Sicht ins Wanken, sie haben sich folgerichtig unversöhnlich gestritten. Ich möchte hier nur anmerken, daß man mE nur mit einer dialektischen Position den Streit schlichten kann.

Frege ist richtig beschrieben, das zu kommentieren spare ich mir, da hier ot.




Timberlake
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Mi 1. Jan 2025, 20:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 1. Jan 2025, 06:50

Hier haben wir ein paar Wörter und ein paar grammatische Regeln:

Grib, Flum, Zirp, Krax, Plopp, Wiesel, Quirl, Schnurz, Flims, Knorz

Grammatische Regeln:

1. Wörter müssen im Satz nach ihrer Buchstabenanzahl aufsteigend angeordnet sein.
2. Nach einem Wort mit einem Vokal am Ende muss ein Wort mit einem Konsonanten am Anfang folgen (und umgekehrt).

Beispiele für „Sätze“:

1. Grib Krax Flims (Erfüllt die Längenregel: Grib (4), Krax (5), Flims (5). Da Krax und Flims gleich lang sind, ist die Reihenfolge innerhalb dieser beiden irrelevant für diese Regel.)
2. Plopp Schnurz (Erfüllt die Längenregel: Plopp (5), Schnurz (7))
3. Zirp Knorz (Erfüllt die Längenregel: Zirp (5), Knorz (5). Erfüllt zufällig auch die Vokal-Konsonant-Regel: Zirp endet auf Vokal, Knorz beginnt mit Konsonant.)
4. Flum Wiesel (Erfüllt die Längenregel: Flum (4), Wiesel (6). Erfüllt auch die Vokal-Konsonant-Regel: Flum endet auf Konsonant, Wiesel beginnt mit Vokal.)

Diese Sätze erfüllen zwar deine Bedingungen, sind aber dennoch nicht verständlich. My Guess: Es fehlt ein Bezug zur Wirklichkeit.
Dabei und zwar wie logische Regeln dennoch zu unverständlichen Sachverhalten führen musste ich, ob Zufall oder nicht, an folgendes Experiment denken ...
spiegel.de hat geschrieben :
Außerdem haben sie ihre eigene Sprache entwickelt, die wir nicht mehr verstehen.


Dafür entwickelten sie ein Experiment:
  • Zwei Computerprogramme sollten virtuelle Gegenstände untereinander aufteilen: zwei Bücher, einen Hut und drei Bälle.
  • Die Forscher legten die Anzahl extra so fest, dass es keine faire Lösung gibt.
  • Sie wollten sehen, wie die Maschinen miteinander verhandeln.
  • Das Ziel: eine möglichst menschenähnliche, aber effizientere Entscheidungsfindung.
  • Als Verhandlungssprache legten die Forscher Englisch fest.
Heraus kamen Sätze wie diese:

Bob: "I can can I I everything else." Alice: "Balls have zero to me to me to me to me to me to me to me to me to."


Sie erschaffen also eine Art geheimen Code, den nur sie verstehen?

Maschinen lernen einfach, die gleichen Botschaften effizienter zu übermitteln – egal welche Sprache sie dazu verwenden sollen. Es ist, als würde ich sagen: "Der Himmel ist blau, es regnet nicht, die Sonne scheint, am Himmel sind kleine Wolken." Das sagt ungefähr das gleiche aus wie: "Es ist strahlendes Wetter", aber der erste Satz ist länger.

Dazu muss man sagen, dass die menschliche Sprache aus Sicht der Mathematik nicht besonders logisch ist – und es daher auch sehr schwierig ist, sie Maschinen beizubringen.


Um dazu auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen , bin ich übrigens gerade am überlegen . ob das Ding der Logik , weil ungefähr das gleiche , auch in den Sachverhalten "Der Himmel ist blau, es regnet nicht, die Sonne scheint, am Himmel sind kleine Wolken." vorkommt. Weil aus Sicht der Mathematik nicht besonders logisch , eine Logik , die offenbar von Computerprogrammen nicht verstand .. upps . .. ich korrigiere , nicht verarbeitet werden kann.
  • 2.151 Die Form der Abbildung ist die Möglichkeit, dass sich die Dinge so zu einander verhalten, wie die Elemente des Bildes.
    2.1511 Das Bild ist so mit der Wirklichkeit verknüpft; es reicht bis zu ihr.
    2.1512 Es ist wie ein Massstab an die Wirklichkeit angelegt.
    2.15121 Nur die äussersten Punkte der Teilstriche berühren den zu messenden Gegenstand.
    Ludwig Wittgenstein ... Logisch-philosophische Abhandlung

So das schlussendlich , wenn es denn auf eine solche Logik ankommt, um sich ein "Bild" von der Wirklichkeit zu machen , nur Kauderwelsch herauskommt. Wohlgemerkt einer Wirklichkeit , wo "Der Himmel ist blau, es regnet nicht, die Sonne scheint, am Himmel sind kleine Wolken." das gleiche aussagen wie: "Es ist strahlendes Wetter". Nur ist das ein "menschlicher" Massstab, der an eine "menschliche " Wirklichkeit angelegt ist. So das sich Dinge so zu einander verhalten, wie die Elemente eines "menschlichen" Bildes.
Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Mi 1. Jan 2025, 11:49
Logik und Mathematik liefern die Sprache dessen, was sinnvoll sagbar ist. Das ist der Möglichkeitsraum des Sprechens.
Wir reden hier also deshalb von einem "menschlichen" Möglichkeitsraum des Sprechens. Der aus Sicht der Mathematik deshalb eben nicht besonders logisch ist.




Timberlake
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Do 2. Jan 2025, 01:56

spiegel.de hat geschrieben :
Es ist, als würde ich sagen: "Der Himmel ist blau, es regnet nicht, die Sonne scheint, am Himmel sind kleine Wolken." Das sagt ungefähr das gleiche aus wie: "Es ist strahlendes Wetter", aber der erste Satz ist länger.

Dazu unter Bezugnahme auf Wittgenstein vielleicht ergänzend ...

  • 3.323 In der Umgangssprache kommt es ungemein häufig vor, dass dasselbe Wort auf verschiedene Art und Weise bezeichnet – also verschiedenen Symbolen angehört –, oder, dass zwei Wörter, die auf verschiedene Art und Weise bezeichnen, äusserlich in der gleichen Weise im Satze angewandt werden.
    So erscheint das Wort „ist“ als Kopula, als Gleichheitszeichen und als Ausdruck der Existenz; „existieren“ als intransitives Zeitwort wie „gehen“; „identisch“ als Eigenschaftswort; wir reden von Etwas, aber auch davon, dass etwas geschieht.

    Ludwig Wittgenstein ... Logisch-philosophische Abhandlung
Wenn "ist" , wie hier beschrieben , auf verschiedene Art und Weise erscheint – also verschiedenen Symbolen angehört – , warum dann nicht auch ein Satz , wie "Es ist strahlendes Wetter". Nur das sich hier dessen Verschiedenheit an Sätzen wie "Der Himmel ist blau" , "Die Sonne scheint" ,Am Himmel sind keine Wolken .. fest machen lässt.


Zumal nach Ansicht von Wittgenstein, so die fundamentalsten Verwechslungen in der Philosophie entstehen. Um das gleich an diesem Beispiel fest zu machen.


So "philosophiert" der Eine über den Sachverhalt eines blauen Himmels, der Andere über den Sachverhalt einer Sonne, die scheint und selbstverständlich darf dann auch ein Philosoph nicht fehlen , der sich dem Sachverhalt eines wolkenlosen Himmels widmet. Das all diese Sachverhalte bereits im Ding "strahlendes Wetter" präjudiziert sind, fällt dann schon mal gerne unter den Tisch. Zumal es da noch den Sachverhalt " Es regnet nicht" gibt. Kann es doch auch bei "strahlenden Wetter" regnen. Sicherlich gab es da Wolken. Nur hat da eben dennoch zugleich , am blauen Himmel , die Sonne gescheint.




Wolfgang Endemann
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Do 2. Jan 2025, 11:50

Hier möchte ich etwas klarstellen.
1. teile ich nicht die Ansicht des frühen Wittgenstein, der die Möglichkeiten, durch Logik das Sprechen zu verbessern, zu optimistisch eingeschätzt und die Logik dabei überschätzt hat; allerdings verstehe ich, was er sagt. Und 2. ist W. selbst nicht dabei stehengeblieben.

"Der Himmel ist (x)" ist ein korrekt gebildeter Satz, wenn das Prädikat x eine Farbe ist, es könnten aber auch viele andere Prädikate dem Himmel zugeordnet werden, zB bewölkt, luftleer, und man könnte sehr viel wissenschaftlichere Prädikate einsetzen. Man könnte auch "zähflüssig" sagen. Manche Prädikate sind erfüllt, können empirisch festgestellt werden, manche sind nur manchmal zutreffend, manche sind immer falsch, wie das letzte. Aber alle sind in einer logischen Sprache verfaßt. Und die Logik muß uns alle Möglichkeiten beschreiben lassen. Selbstverständlich ist in wissenschaftlicher Hinsicht "der Himmel" ein sehr schwammiger, unklarer Begriff, im umgangssprachlichen Sprechen ist meist kontextuell festgelegt, was er genau bedeuten soll, und dann ist es nicht schlimm, sondern im Gegenteil praktisch, sich die Mühe größerer Präzision zu sparen.

Der Satz "Der Himmel bewegt sich (proportional zu seiner Masse)" ist mit und ohne Klammer ein unsinniger Satz, der nicht gesagt werden können sollte. Auf diese Weise meint Wittgenstein, das Sprechen auf sinnvolles Sprechen einschränken und dies zur Norm erheben zu können. Der Satz "der Himmel ist blau" ist manchmal und die Aussage "der Himmel ist blau, wenn die Sonne scheint" ist unabhängig von den Wetterverhältnissen wahr, wie man nicht nur feststellen, sondern logisch eindeutig zeigen kann (wenn die Sonne scheint, muß ein Teil des Himmels von 'Wolken frei sein, und an den Stellen muß er blau erscheinen). Aber dem späteren Wittgenstein ist dann doch aufgefallen, daß man die Sprache zu sehr durch die logischen Formen einschränkt, und er hat dann ein pragmatischeres Konzept vertreten, den linguistic turn mitvollzogen.




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Do 2. Jan 2025, 17:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 1. Jan 2025, 06:50
Consul hat geschrieben :
Di 31. Dez 2024, 18:04
Einen Satz verstehen, heißt wissen, was die einzelnen Wörter oder Wortgruppen bedeuten, aus denen er zusammengesetzt ist, und wie sie grammatisch zusammenhängen.
Hier haben wir ein paar Wörter und ein paar grammatische Regeln:

Grib, Flum, Zirp, Krax, Plopp, Wiesel, Quirl, Schnurz, Flims, Knorz

Grammatische Regeln:

1. Wörter müssen im Satz nach ihrer Buchstabenanzahl aufsteigend angeordnet sein.
2. Nach einem Wort mit einem Vokal am Ende muss ein Wort mit einem Konsonanten am Anfang folgen (und umgekehrt).

Beispiele für „Sätze“:

1. Grib Krax Flims (Erfüllt die Längenregel: Grib (4), Krax (5), Flims (5). Da Krax und Flims gleich lang sind, ist die Reihenfolge innerhalb dieser beiden irrelevant für diese Regel.)
2. Plopp Schnurz (Erfüllt die Längenregel: Plopp (5), Schnurz (7))
3. Zirp Knorz (Erfüllt die Längenregel: Zirp (5), Knorz (5). Erfüllt zufällig auch die Vokal-Konsonant-Regel: Zirp endet auf Vokal, Knorz beginnt mit Konsonant.)
4. Flum Wiesel (Erfüllt die Längenregel: Flum (4), Wiesel (6). Erfüllt auch die Vokal-Konsonant-Regel: Flum endet auf Konsonant, Wiesel beginnt mit Vokal.)

Diese Sätze erfüllen zwar deine Bedingungen, sind aber dennoch nicht verständlich. My Guess: Es fehlt ein Bezug zur Wirklichkeit.
Nein, es fehlt eine Angabe der Wortbedeutungen. Wenn ich nicht weiß, was die Wörter "Grib" usw. bedeuten (im nichtfregeschen Sinn von "bedeuten"), dann verstehe ich auch keine Sätze, die daraus gebildet sind. Außerdem: Wenn diese Wörter alle Hauptwörter sind, dann handelt es sich bei 1-4 gar nicht um Aussagesätze. (Gibt es natürliche Sprachen, deren syntaktische Regeln nur aus Hauptwörtern bestehende Aussagesätze zulassen?)



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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Do 2. Jan 2025, 19:00

"Ein Wort verstehen, heißt wissen, was es bedeutet." (kein Zitat)

Einwand: Im Englischen bedeutet z.B. "vixen" "female fox"; und man kann dies wissen, ohne ein Wort Englisch zu verstehen. Folglich reicht das Wissen, was "vixen" im Englischen bedeutet, nicht aus, um dieses Wort zu verstehen. Jemand, der kein englisches Wort versteht (also auch weder "vixen" noch "female fox"), versteht es erst dann, wenn es in ein Wort oder eine Wortgruppe einer anderen Sprache übersetzt wird, die er/sie bereits versteht, z.B. "vixen" = "weiblicher Fuchs/Füchsin".



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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Do 2. Jan 2025, 20:19

Consul hat geschrieben :
Do 2. Jan 2025, 17:50
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 1. Jan 2025, 06:50
Consul hat geschrieben :
Di 31. Dez 2024, 18:04
Einen Satz verstehen, heißt wissen, was die einzelnen Wörter oder Wortgruppen bedeuten, aus denen er zusammengesetzt ist, und wie sie grammatisch zusammenhängen.
Hier haben wir ein paar Wörter und ein paar grammatische Regeln:

Grib, Flum, Zirp, Krax, Plopp, Wiesel, Quirl, Schnurz, Flims, Knorz

Grammatische Regeln:
...
Diese Sätze erfüllen zwar deine Bedingungen, sind aber dennoch nicht verständlich. My Guess: Es fehlt ein Bezug zur Wirklichkeit.
Nein, es fehlt eine Angabe der Wortbedeutungen. Wenn ich nicht weiß, was die Wörter "Grib" usw. bedeuten (im nichtfregeschen Sinn von "bedeuten"), dann verstehe ich auch keine Sätze, die daraus gebildet sind.
Ganz meiner Meinung , wurde sich doch ausschließlich auf die grammatischen Regeln bezogen . So das nur dessen Bedingungen erfüllt wurden . Die Bedingung "was die einzelnen Wörter oder Wortgruppen bedeuten" wurde allerdings nicht erfüllt.
Exitieren doch keinerlei Sätze in dem Namen wie Grib, Flum, Zirp, Krax, Plopp, Wiesel, Quirl, Schnurz, Flims, Knorz eine Bedeutung haben könnte. So das ich einmal davon ausgehe , dass der Zweck der ganzen Veranstaltung darin bestand , uns daran zu verdeutlichen, dass das Einhalten von grammatischen Zusammenhängen alleine , Sätze nicht verständlich machen.




Timberlake
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Do 2. Jan 2025, 20:55

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Do 2. Jan 2025, 11:50
Hier möchte ich etwas klarstellen.
1. teile ich nicht die Ansicht des frühen Wittgenstein, der die Möglichkeiten, durch Logik das Sprechen zu verbessern, zu optimistisch eingeschätzt und die Logik dabei überschätzt hat; allerdings verstehe ich, was er sagt. Und 2. ist W. selbst nicht dabei stehengeblieben.

"Der Himmel ist (x)" ist ein korrekt gebildeter Satz, wenn das Prädikat x eine Farbe ist, es könnten aber auch viele andere Prädikate dem Himmel zugeordnet werden, zB bewölkt, luftleer, und man könnte sehr viel wissenschaftlichere Prädikate einsetzen. Man könnte auch "zähflüssig" sagen. Manche Prädikate sind erfüllt, können empirisch festgestellt werden, manche sind nur manchmal zutreffend, manche sind immer falsch, wie das letzte.
Unter Bezugnahme auf ...




.. ich übersetze ..
  • "Wenn ich den Himmel kenne , so kenne ich auch sämtliche Möglichkeiten seines Vorkommens in Sachverhalten.
    (Jede solche Möglichkeit muss in der Natur des Himmels liegen. Sie liegt z.B. bewölkt, luftleer in und zähflüssig außerhalb dessen Natur )


Dazu nur mal zum Vergleich ..
hat geschrieben :
Markus Gabriel: "Real ist, was real ist"
Einhörner gibt es wirklich, sagt Markus Gabriel. Der Philosoph will, dass Denken mehr Spaß macht. Aber das mit den Einhörnern meint er ernst

Gabriel: Wir denken oft, dass es eine einzige Wirklichkeit gibt. Wir sagen: "In Wirklichkeit gibt es keine Feen, Hexen oder Einhörner." Wenn wir aber über Einhörner nachdenken oder Geschichten von ihnen erzählen, existieren sie zumindest in unseren Gedanken. Der Neue Realismus fragt: Warum sollte eine Existenz in Gedanken weniger real sein als eine Existenz im physikalisch ausgedehnten Universum? Ich denke: Real ist, was real ist. Also Gedanken, Wünsche, Ideen, Träume ...
"Wir sagen : "In der Wirklichkeit gibt es keinen zähflüssigen Himmel" . Wenn wir aber darüber nachdenken, existiert so ein Himmel zumindest in unseren Gedanken. Der Neue Realismus fragt: Warum sollte eine Existenz in Gedanken weniger real sein als eine Existenz im physikalisch ausgedehnten Universum? Ich denke: Real ist, was real ist. Also Gedanken, Wünsche, Ideen, Träume ..."





Timberlake
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Fr 3. Jan 2025, 04:40

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Do 2. Jan 2025, 11:50
... Aber dem späteren Wittgenstein ist dann doch aufgefallen, daß man die Sprache zu sehr durch die logischen Formen einschränkt, und er hat dann ein pragmatischeres Konzept vertreten, den linguistic turn mitvollzogen.
Wie es so meine Art ist, wenn ich auf solche mir unbekannten "Punkte" wie linguistic turn in einem "Pfeil" stoße und die deshalb für mich keinen Sinn haben, habe ich mir mal im Folgenden , dessen Sachlage beschreiben lassen.

spektrum.de hat geschrieben :
Linguistic turn

(dt. linguistische oder sprachliche Wende). Bereits in den 1950er Jahren wurde der Ausdruck l. t. von Gustav Bergmann für eine philosophische Methode verwandt, die von den Begründern der analytischen Philosophie wie Frege, Russell, Moore und Wittgenstein ihren Ausgang genommen hat. Diese Methode lässt sich so charakterisieren, dass philosophische Aussagen über die Welt mittels einer geeigneten Sprache vorgenommen werden sollen. Jedes philosophische Problem – z.B. das traditionelle Problem der Existenz Gottes – wird dabei in ein Sprach-problem transformiert oder zumindest in Abhängigkeit von Sprachproblemen behandelt. Die Sprache wird unter dieser Voraussetzung zum Hauptgegenstand der philosophischen Untersuchung

Wenn es da heißt , die Sprache wird unter dieser Voraussetzung zum Hauptgegenstand der philosophischen Untersuchung, so würde ich schon sagen , dass das auf den I-Punkt den frühen Wittgenstein beschreibt. Zumindest wenn man seine Logisch-philosophische Abhandlung dazu zählt. Wie ich übrigens auch einmal davon ausgehe, das diese philosophische Methode, diese linguistische oder sprachliche Wende , nicht zuletzt in dieser Abhandlung und somit, wie ich annehme , bei den frühen Wittgenstein ihren Ausgang genommen hat.

  • Das Buch will also dem Denken eine Grenze ziehen, oder vielmehr – nicht dem Denken, sondern dem Ausdruck der Gedanken: Denn um dem Denken eine Grenze zu ziehen, müssten wir beide Seiten dieser Grenze denken können (wir müssten also denken können, was sich nicht denken lässt).
    Die Grenze wird also nur in der Sprache gezogen werden können und was jenseits der Grenze liegt, wird einfach Unsinn sein.
    Ludwig Wittgenstein Logisch-philosophische Abhandlung

Einer Abhandlung in der es im Vorwort heißt , dass die Grenze des Denkens also nur in der Sprache gezogen werden kann. Dem zu folge es zur dessen Grenzerfassung m.E. nur folgerichtig ist , philosophische Probleme in ein Sprach-problem zu transformieren oder zumindest in Abhängigkeit von Sprachproblemen zu behandeln.
hat geschrieben :
Markus Gabriel: "Real ist, was real ist"
Einhörner gibt es wirklich, sagt Markus Gabriel. Der Philosoph will, dass Denken mehr Spaß macht. Aber das mit den Einhörnern meint er ernst

Gabriel: Wir denken oft, dass es eine einzige Wirklichkeit gibt. Wir sagen: "In Wirklichkeit gibt es keine Feen, Hexen oder Einhörner." Wenn wir aber über Einhörner nachdenken oder Geschichten von ihnen erzählen, existieren sie zumindest in unseren Gedanken. Der Neue Realismus fragt: Warum sollte eine Existenz in Gedanken weniger real sein als eine Existenz im physikalisch ausgedehnten Universum? Ich denke: Real ist, was real ist. Also Gedanken, Wünsche, Ideen, Träume ...

Um darauf zurück zu kommen , etwas , was in Anbetracht dessen, übrigens bei diesem "Neuen Realismus" höchst überfällig ist, finde ich.

Auch dem Thema "Künstliche Intelligenz" würde eine solche Behandlung als Sprachproblem sicherlich gut tun.
Nauplios hat geschrieben :
Mi 10. Aug 2022, 00:50

Die Debatte hier im Forum hat sich in der Regel an dem Begriff Intelligenz entzündet, auch daran, ob und wieweit Maschinen "lernen" können und um welche Form des Lernens es sich dabei handeln könnte.




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Jörn Budesheim
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Fr 3. Jan 2025, 07:53

Mit dem Tractatus leitete Wittgenstein die „linguistische Wende“ in der Philosophie ein, hier ein Zitat von Grundmann zum linguistic turn:

Thomas Grundmann: "In der philosophischen Tradition hat die Sprache lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Sie wurde vor allem als ein Medium des gedanklichen Ausdrucks und der Kommunikation verstanden. Das hat sich, abgesehen von einigen Vordenkern wie Humboldt oder Hamann, erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts radikal verändert.

Philosophen wie Frege und Russell waren nunmehr der Überzeugung, dass nur durch eine Analyse der Sprache Phänomene wie Bedeutung, Denken und die Repräsentation der Welt überhaupt angemessen verstanden und geklärt werden können. Damit wurde die Sprachanalyse plötzlich zu einer fundamentalen Methode der Philosophie. Die logische Analyse von Sätzen und die Begriffsanalyse rückten ins Zentrum.

Der linguistic turn setzt mit dem frühen Wittgenstein ein

Der linguistic turn (dieser technische Begriff stammt vermutlich von Gustav Bergmann) im eigentlichen Sinne setzt meines Erachtens aber erst mit dem frühen Wittgenstein ein, und zwar mit seiner These, dass sprachliche Zeichen die primären Träger von Bedeutung sind. Daraus ergibt sich ein radikal neues Bild der Beziehung zwischen Sprache und Geist: Der Geist ist demnach sprachlich verfasst oder, etwas vorsichtiger formuliert, sprachabhängig. Ein Denken vor oder sogar unabhängig von der Sprache ist folglich unmöglich.

Und wenn Pragmatisten wie der späte Wittgenstein mit seinem AntiPrivatsprachenargument außerdem annehmen, dass Sprachen immer von sozialen Gemeinschaften gesprochene natürliche Sprachen sind, dann ergibt sich daraus auch die sozio-kulturelle Natur des Geistes.

Eine weitere Verschärfung des linguistic turns stellte der linguistische Idealismus dar. Demnach ist die sprachunabhängige Welt vollkommen strukturlos. Die Sprache mit ihrer logisch-propositionalen Struktur bringt erst die Form der Tatsachen und eine Struktur in diese Welt hinein. Diese These wurde vom späten Wittgenstein, Nelson Goodman, Richard Rorty, Ernst Tugendhat und den Transzendentalpragmatikern um Karl-Otto Apel vertreten, aber sie war nicht auf die analytische Philosophie beschränkt, sondern wurde auch vom späten Heidegger, Gadamer sowie den französischen Strukturalisten und Poststrukturalisten propagiert.

Der linguistic turn war also ganz offensichtlich nicht nur eine Entwicklung innerhalb der analytischen Philosophie, sondern ging weit über diese hinaus. Teilweise konzentrierte sich die Philosophie seit dem linguistic turn auch auf eine rein kritisch-negative These, dass nämlich philosophische Probleme primär oder sogar ausschließlich auf sprachlichen Verwirrungen beruhen und deshalb gar keine echten, sondern Scheinprobleme seien (vgl. Carnap, Wittgenstein)."


Thomas Grundmann (* 7. Oktober 1960 in Kiel) ist ein deutscher Philosoph und Professor für Philosophie an der Universität zu Köln.




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