Consul hat geschrieben : ↑ Di 31. Dez 2024, 18:04
Aus der Sicht der kompositionalen Semantik als einer intensionalen Semantik würde ich sagen:
Einen Satz verstehen, heißt wissen, was die einzelnen Wörter oder Wortgruppen bedeuten, aus denen er zusammengesetzt ist, und wie sie grammatisch zusammenhängen.
Das würde, etwas modifiziert, auch Wittgenstein sagen, das gehört auch für ihn zum Verstehen dazu: "Einen Satz verstehen, heißt wissen, was die einzelnen Wörter oder Wortgruppen bedeuten, aus denen er grammatisch zusammengesetzt ist, und wie sie strukturell zusammenhängen." Das ist nämlich die Bedingung, daß man entscheiden kann, ob sie ein Bild der Realität liefern und so ausdrücken, was der Fall ist, oder eben der Realität widersprechen, und daher eine Möglichkeit sind, die nicht von der Realität bestätigt wird. Der Satz muß in sich logisch sein, die Abbildung muß bijektiv sein, dann heißt Verstehen, daß die inverse Abbildung vom Begriff auf einen tatsächlichen Sachverhalt oder einen nicht vorliegenden Sachverhalt führt, dann ist dementsprechend der Begriff wahr oder falsch.
"Wittgensteins Diktum ist dagegen Ausdruck einer extensionalen Semantik,"
Das kann man so sagen, allerdings ohne "dagegen". Aber: "die unter der Bedeutung eines Aussagesatzes dessen
Wahrheitsbedingungen versteht" ist unpräzise oder falsch. Tatsächlich ist Wittgensteins Wahrheitsbegriff nicht auf Mathematik und Logik anwendbar, weil er Antiplatoniker ist, Mathematik und Logik keine Realien sind, nicht gefunden werden, sondern erfunden werden.
Ich kann also in die Formel (nennen wir sie WW, Wittgensteins Wahrheit) "Einen Satz verstehen heißt, ..." nicht einsetzen: "Einen mathematischen Satz verstehen heißt, ...". Natürlich hat auch Wittgenstein darauf eine Antwort. Ich sagte ja schon, es gibt für ihn das Reich der Wirklichkeit und das Reich der Möglichkeit. Logik und Mathematik liefern die Sprache dessen, was sinnvoll sagbar ist. Das ist der Möglichkeitsraum des Sprechens. Was dann zutrifft, ist eine Frage der Empirie. Das kann man mengentheoretisch beschreiben: Es gibt die Menge aller grammatisch bildbaren Sprachausdrücke, es gibt die zwei komplementären Mengen der sinnvollen und der sinnlosen Sprachausdrücke, das sind die mathematisch-logisch konsistenten und die mathematisch-logisch inkonsistenten (Möglichkeits- und Unmöglichkeitsraum), und dann gibt es die zwei komplementären Unterräume des Möglichkeitsraums, den Wirklichkeitsraum und den Raum des nur möglichen, aber nicht realisierten. WW ist also der Wahrheitsbegriff für die Wirklichkeit. Aber selbstverständlich hat Wittgenstein auch eine Formel für den mathematischen Wahrheitsbegriff.
Jörn bringt hier manchmal die naiv-realistische Formel "p ist wahr, (genau dann,) wenn p". In meinen Augen ist diese Formel eher verwirrend als klärend, das habe ich schon aaO erläutert. Da ist WW viel besser, aber eben nicht auf Logik und Mathematik anwendbar. Stattdessen sagt Wittgenstein (sinngemäß): "Mathematisch wahr ist eine Aussage, wenn sie in einem konsistenten Kalkül beweisbar ist". Mathematik ist die Erfindung von konsistenten Denksystemen, das ist der Möglichkeitsraum. Für Platoniker sind solche Systeme real, für strenge Platoniker sind nur sie real.
Ich sagte ja schon, Gödel, der Platoniker war, brachte diese Sicht ins Wanken, sie haben sich folgerichtig unversöhnlich gestritten. Ich möchte hier nur anmerken, daß man mE nur mit einer dialektischen Position den Streit schlichten kann.
Frege ist richtig beschrieben, das zu kommentieren spare ich mir, da hier ot.