Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist
- Jörn Budesheim
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Wittgenstein hatte mit seinem Tractatus einen nicht gerade bescheidenen Anspruch: Er war überzeugt, dass die meisten philosophischen Fragen und Probleme im Grunde unsinnig und keine echten Probleme sind. Seiner Ansicht nach beruhen sie allein darauf, dass wir die Logik unserer Sprache nicht verstehen, wie jene, ob das Schöne „mehr oder weniger identisch“ sei mit dem Guten, und ähnliches ... während er für sich selbst reklamierte, die philosophische Probleme im Wesentlichen gelöst zu haben! Wittgenstein 2 attestierte allerdings dem frühen Wittgenstein "schwere Irrtümer".
„Ich bin also der Meinung, die [philosophischen] Probleme im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben. Und wenn ich mich hierin nicht irre, so besteht der Wert dieser Arbeit zweitens darin, dass sie zeigt, wie wenig damit getan ist, dass diese Probleme gelöst sind.“ (Wittgenstein)
„Ich bin also der Meinung, die [philosophischen] Probleme im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben. Und wenn ich mich hierin nicht irre, so besteht der Wert dieser Arbeit zweitens darin, dass sie zeigt, wie wenig damit getan ist, dass diese Probleme gelöst sind.“ (Wittgenstein)
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Ich finde diese Zusammenfassung des Tractatus in einfachen, nachvollziehbaren Worten nicht schlecht: https://www.getabstract.com/de/zusammen ... hicus/4050
Ich schätze, es gibt keine einheitliche Deutung des Tractatus. Ich kann mich an eine Vorlesung erinnern, wo der Prof, ein ausgewiesener Wittgenstein Experte, der mehrere Bücher über ihn veröffentlicht hat, eine Liste von Prädikaten vorgelesen hat, die dem Tractatus zugeschrieben wurden ... Die Liste war nicht nur schier endlos lang, sondern die Einschätzungen widersprachen sich oftmals fundamental :)
Ich schätze, es gibt keine einheitliche Deutung des Tractatus. Ich kann mich an eine Vorlesung erinnern, wo der Prof, ein ausgewiesener Wittgenstein Experte, der mehrere Bücher über ihn veröffentlicht hat, eine Liste von Prädikaten vorgelesen hat, die dem Tractatus zugeschrieben wurden ... Die Liste war nicht nur schier endlos lang, sondern die Einschätzungen widersprachen sich oftmals fundamental :)
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Da bringt Grundmann aber einiges durcheinander.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Fr 3. Jan 2025, 07:53Mit dem Tractatus leitete Wittgenstein die „linguistische Wende“ in der Philosophie ein, hier ein Zitat von Grundmann zum linguistic turn:
Daß die Sprache durch Realismus von Fehlern gereinigt, auf Logik reduziert werden muß (der frühe Wittgenstein), ist so ziemlich das Gegenteil des späten, daß die in gesellschaftlicher Kommunikation konstituierte Sprache die Grundlage des Denkens ist (linguistic turn).
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Dass der frühe und der späte Wittgenstein verschieden sind, ist unbenommen, aber der Tractatus selbst ist bereits ein Meilenstein des sogenannten Linguistic turn.
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Dann kläre mich bitte auf, was an meinem Satz falsch ist. Das sollte doch nicht so schwierig sein. Aber einfach "falsch" schreiben, ist eine Anmaßung. Ich habe mich hier in vielen Kommentaren mit Wittgenstein auseinandergesetzt. Das hättest Du kommentieren können. Der Satz, der Dich aufregt, faßt das in gewisser Weise zusammen. Hast Du verstanden, was ich gesagt habe?
Man kann Argumente nicht mit anerkannten Fachleuten korrigieren, denn erstens stehen solche Textbestände nicht im Kontext einer konkreten Diskussion, man müßte zumindest erläutern, in welchem Sinn sie anwendbar sind. Und zweitens widersprechen sich die anerkannten Fachleute selbst fundamental. Zu jedem Deiner Fachmänner kann ich Fachmänner finden, die das Gegenteil sagen. So stehen sich nur Autoritätsbeweise gegenüber. Findest Du das eine angemessene Form der Diskussion?
Man kann Argumente nicht mit anerkannten Fachleuten korrigieren, denn erstens stehen solche Textbestände nicht im Kontext einer konkreten Diskussion, man müßte zumindest erläutern, in welchem Sinn sie anwendbar sind. Und zweitens widersprechen sich die anerkannten Fachleute selbst fundamental. Zu jedem Deiner Fachmänner kann ich Fachmänner finden, die das Gegenteil sagen. So stehen sich nur Autoritätsbeweise gegenüber. Findest Du das eine angemessene Form der Diskussion?
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Man kann vielleicht sagen, dass Wittgenstein eine Wende von der sogenannten Idealsprache zur Normalsprache vollzogen hat, oder wie auch immer man es nennen möchte. Aber das ist mit dem Fachausdruck linguistic turn nicht gemeint. Wittgenstein gehört zwar zu den wichtigen Figuren dieser sogenannten Wende, aber der Ausdruck bezieht sich auf die Wende ganz allgemein, zu der auch andere Autor:innen zählen, und nicht speziell auf Wittgensteins eigene Wende.
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Ich finde, es ist eine angemessene Form der Diskussion, die Dinge die man behauptet, zum Beispiel mit Quellen zu belegen.
Grundmann erwähnt Humboldt und Hamann nur nebenbei; aber es sollte ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die analytische Hinwendung zur Sprache und Sprachkritik in der Philosophie nicht erst mit Wittgenstein oder Frege begann:Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Fr 3. Jan 2025, 07:53Mit dem Tractatus leitete Wittgenstein die „linguistische Wende“ in der Philosophie ein, hier ein Zitat von Grundmann zum linguistic turn:
Thomas Grundmann: "In der philosophischen Tradition hat die Sprache lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Sie wurde vor allem als ein Medium des gedanklichen Ausdrucks und der Kommunikation verstanden. Das hat sich, abgesehen von einigen Vordenkern wie Humboldt oder Hamann, erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts radikal verändert.
Philosophen wie Frege und Russell waren nunmehr der Überzeugung, dass nur durch eine Analyse der Sprache Phänomene wie Bedeutung, Denken und die Repräsentation der Welt überhaupt angemessen verstanden und geklärt werden können. Damit wurde die Sprachanalyse plötzlich zu einer fundamentalen Methode der Philosophie. Die logische Analyse von Sätzen und die Begriffsanalyse rückten ins Zentrum.
Der linguistic turn setzt mit dem frühen Wittgenstein ein
Der linguistic turn (dieser technische Begriff stammt vermutlich von Gustav Bergmann) im eigentlichen Sinne setzt meines Erachtens aber erst mit dem frühen Wittgenstein ein…."
Thomas Grundmann (* 7. Oktober 1960 in Kiel) ist ein deutscher Philosoph und Professor für Philosophie an der Universität zu Köln.
"This book investigates a tradition in philosophy that has been greatly neglected in Germany and has remained virtually unknown in the English speaking world. It draws attention to a mode of philosophizing that considers Sprachkritik, critique of language, as its central task. Because this mode of philosophizing accompanied the mainstream of German philosophy in the eighteenth and nineteenth centuries as a subterranean stream, it never gained the attention it deserved. Although its proponents loudly proclaimed it to be the revolution in philosophy, the accepted opinion is that after Kant's famous Copernican revolution, the next philosophical revolutions were accomplished by Marx and Nietzsche, before logical positivists in the twentieth century again proclaimed The Revolution in Philosophy. This study is a response to a desideratum in the history of ideas that calls for the chronicling of this mode of philosophizing in order to fill an existing gap in the historiography of modern philosophy. In pursuit of this task, virtually unknown and hitherto untranslated material is presented in order to provide necessary textual documentation.
The theories that are the subject matter of this book will be of natural interest to students of eighteenth and nineteenth-century German thought, as well as to those who have a background in continental European philosophy. They should equally interest readers in the British-American tradition of analytic philosophy. In the theories treated in this study, the latter group will find presented a way of philosophizing that shows a remarkable closeness to certain features in twentieth-century analytic philosophy,
especially to the work of Wittgenstein.
When language-critical thought in eighteenth and nineteenth-century German philosophy is mentioned here, what is meant is a type of thought that emphasized linguistic analysis, or language critique, as it was then more often called. Language critique was the fundamental task that philosophy had to carry out in order to justify itself and found any theory of knowledge. The term "language-critical," certainly not a household word in English, is used throughout this book because it is the best translation of sprachkritisch, a word for which there is no direct English equivalent. At times, the phrase "linguistic analysis" has been used because this translation properly describes the method employed by philosophers who considered themselves to be sprachkritisch. Even the term "analytic" is justified on some occasions and has thus been used; but the adjective "language-critical" is generally most faithful in expressing the intentions of the authors discussed below.
The origin of this type of philosophizing can be traced to the antimetaphysical attitude of the British empiricists and to Kant's transcendental investigation into the conditions of the possibility of cognition, philosophy, and science. However, language-critical philosophers found fault with Kant's critical philosophy in as much as it did not consider the transcendental role of language for cognition. Their theories emphasize the interdependence of language and thought and are, therefore metacritical, in distinction from Kant's critical philosophy. The philosophers discussed in this book assigned negative, as well as positive functions to language-critical thought. With their outspoken hostility towards metaphysics and speculative philosophy, they asserted that many philosophical problems were pseudo-problems, which could be dissolved by merely unmasking the linguistic confusion from which such problems arise. The critique of language as linguistic analysis thus had the negative and destructive function of being a tool for the elimination of metaphysics. According to these opponents, metaphysics consisted of meaningless utterances, because its sentences could neither logically nor scientifically be shown to be either true or false. This destructive function of the critique of language also had the liberating and therapeutic effect of bringing peace of mind to the philosopher; he is no longer tormented by what he now recognizes to be pseudo-problems. The closeness of this mode of philosophizing to Wittgenstein's Tractatus, to the manifesto of the Vienna Circle, Wissenschaftliche Weltauffassung: Der Wiener Kreis and to the analytic therapists is obvious and will be pointed out throughout this study."
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"Dieses Buch untersucht eine Tradition der Philosophie, die in Deutschland stark vernachlässigt und in der englischsprachigen Welt praktisch unbekannt geblieben ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit auf eine Art des Philosophierens, die Sprachkritik als ihre zentrale Aufgabe betrachtet. Da diese Art des Philosophierens den Mainstream der deutschen Philosophie im 18. und 19. Jahrhundert als unterirdische Strömung begleitete, erhielt sie nie die Aufmerksamkeit, die sie verdient hätte. Obwohl seine Befürworter es lautstark als die Revolution der Philosophie ausriefen, ist die gängige Meinung, dass nach Kants berühmter kopernikanischer Revolution die nächsten philosophischen Revolutionen von Marx und Nietzsche vollbracht wurden, bevor die logischen Positivisten im 20. Jahrhundert erneut die Revolution der Philosophie ausriefen. Diese Studie ist eine Antwort auf ein Desiderat in der Geschichte der Ideen, das die Chronik dieser Art des Philosophierens erfordert, um eine bestehende Lücke in der Geschichtsschreibung der modernen Philosophie zu schließen. Im Rahmen dieser Aufgabe wird praktisch unbekanntes und bislang nicht übersetztes Material präsentiert, um die notwendige Textdokumentation bereitzustellen.
Die Theorien, die Gegenstand dieses Buches sind, werden von natürlichem Interesse für Studenten des deutschen Denkens des 18. und 19. Jahrhunderts sowie für diejenigen sein, die über einen Hintergrund in kontinentaleuropäischer Philosophie verfügen. Sie sollten Leser in der britisch-amerikanischen Tradition der analytischen Philosophie gleichermaßen interessieren. In den in dieser Studie behandelten Theorien wird der letztgenannten Gruppe eine Art des Philosophierens präsentiert, die eine bemerkenswerte Nähe zu bestimmten Merkmalen der analytischen Philosophie des 20. Jahrhunderts, insbesondere zu den Arbeiten Wittgensteins, aufweist.
Wenn hier sprachkritisches Denken in der deutschen Philosophie des 18. und 19. Jahrhunderts erwähnt wird, ist damit eine Art des Denkens gemeint, die die sprachliche Analyse oder Sprachkritik, wie sie damals häufiger genannt wurde, betonte. Sprachkritik war die grundlegende Aufgabe, die die Philosophie erfüllen musste, um sich selbst zu rechtfertigen und jede Theorie des Wissens zu begründen. Der Ausdruck „language-critical“, der im Englischen sicherlich kein geläufiges Wort ist, wird in diesem Buch durchgehend verwendet, da er die beste Übersetzung von „sprachkritisch“ ist, einem Wort, für das es kein direktes englisches Äquivalent gibt. Manchmal wurde der Ausdruck „sprachliche Analyse“ verwendet, da diese Übersetzung die Methode der Philosophen, die sich selbst als sprachkritisch betrachteten, am besten beschreibt. Sogar der Begriff „analytisch“ ist in manchen Fällen gerechtfertigt und wurde deshalb auch verwendet; aber das Adjektiv „sprachkritisch“ drückt die Absichten der unten besprochenen Autoren im Allgemeinen am besten aus. Der Ursprung dieser Art des Philosophierens kann auf die antimetaphysische Haltung der britischen Empiristen und auf Kants transzendentale Untersuchung der Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis, Philosophie und Wissenschaft zurückgeführt werden. Sprachkritische Philosophen bemängelten jedoch Kants kritische Philosophie insofern, als sie die transzendentale Rolle der Sprache für die Erkenntnis nicht berücksichtigte. Ihre Theorien betonen die gegenseitige Abhängigkeit von Sprache und Denken und sind daher im Gegensatz zu Kants kritischer Philosophie metakritisch. Die in diesem Buch besprochenen Philosophen wiesen dem sprachkritischen Denken sowohl negative als auch positive Funktionen zu. Mit ihrer ausgesprochenen Feindseligkeit gegenüber der Metaphysik und der spekulativen Philosophie behaupteten sie, dass viele philosophische Probleme Pseudoprobleme seien, die gelöst werden könnten, indem man lediglich die sprachliche Verwirrung entlarvt, aus der solche Probleme entstehen. Die Kritik der Sprache als linguistische Analyse hatte somit die negative und destruktive Funktion, ein Werkzeug zur Beseitigung der Metaphysik zu sein. Nach Ansicht dieser Gegner bestand die Metaphysik aus bedeutungslosen Äußerungen, da weder logisch noch wissenschaftlich bewiesen werden konnte, dass ihre Sätze wahr oder falsch seien. Diese destruktive Funktion der Sprachkritik hatte auch die befreiende und therapeutische Wirkung, dem Philosophen Seelenfrieden zu bringen; er wird nicht länger von dem gequält, was er nun als Pseudoprobleme erkennt. Die Nähe dieser Art des Philosophierens zu Wittgensteins Tractatus, zum Manifest des Wiener Kreises, Wissenschaftliche Weltauffassung: Der Wiener Kreis, und zu den analytischen Therapeuten ist offensichtlich und wird im Laufe dieser Studie immer wieder aufgezeigt."
[Übersetzt von Google Translate]
(Cloeren, Hermann J. Language and Thought: German Approaches to Analytic Philosophy in the 18th and 19th Centuries. Berlin: De Gruyter, 1988. pp. 1-2)
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
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Ja, man kann auch schon früher von einer Wende zur Sprache sprechen. Das ist kein Problem. Der Ausdruck "linguistic turn" bezieht sich auf zwar in der Regel auf die spezifischen Entwicklungen im 20. Jahrhundert, aber er steht in einer längeren Tradition der philosophischen Auseinandersetzung mit Sprache, keine Frage.
Problematisch ist jedoch, Wittgensteins Wende von der idealen zur normalen Sprache, womit er auch die "Ordinary Language Philosophy" maßgeblich beeinflusst hat, mit dem linguistic turn im Allgemeinen zu verwechseln.
Ist der linguistic turn eigentlich Geschichte?
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… für mich stellt sich vielmehr die Frage , wurde linguistic turn jemals nachweislich angewandt. So das von daher und ich denke mal, das ist der eigentliche Knackpunkt, überhaupt zur Geschichte werden konnte.
Wenn man sich dieser Methode , warum auch immer, enthält , ist linguistic turn nicht das Papier wert auf dem es steht.
Deshalb mein Fazit
linguistic turn war zur Todgeburt verdammt.
Zumal Missverständnisse in der Logik unserer Sprache, das Salz in der Suppe, mehr noch die, Quintessenz so mancher Diskussion ist. So zumindest mein Eindruck. Wie nicht zuletzt an den von mir hier gewählten und natürlich ignorierten Beispielen allzu deutlich wird.
.. und zwar angewandt in der Art, das man philosophische Probleme in ein Sprach-problem transformiert oder zumindest in Abhängigkeit von Sprachproblemen behandelt.spektrum.de hat geschrieben :
Linguistic turn
(dt. linguistische oder sprachliche Wende). Bereits in den 1950er Jahren wurde der Ausdruck l. t. von Gustav Bergmann für eine philosophische Methode verwandt, die von den Begründern der analytischen Philosophie wie Frege, Russell, Moore und Wittgenstein ihren Ausgang genommen hat. Diese Methode lässt sich so charakterisieren, dass philosophische Aussagen über die Welt mittels einer geeigneten Sprache vorgenommen werden sollen. Jedes philosophische Problem – z.B. das traditionelle Problem der Existenz Gottes – wird dabei in ein Sprach-problem transformiert oder zumindest in Abhängigkeit von Sprachproblemen behandelt. Die Sprache wird unter dieser Voraussetzung zum Hauptgegenstand der philosophischen Untersuchung
Wenn man sich dieser Methode , warum auch immer, enthält , ist linguistic turn nicht das Papier wert auf dem es steht.
- "Das Buch behandelt die philosophischen Probleme und zeigt – wie ich glaube – dass die Fragestellung dieser Probleme auf dem Missverständnis der Logik unserer Sprache beruht."
Ludwig Wittgenstein .. Logisch-philosophische Abhandlung
- "Wenn diese Arbeit einen Wert hat, so besteht er in Zweierlei. Erstens darin, dass in ihr Gedanken ausgedrückt sind, und dieser Wert wird umso grösser sein, je besser die Gedanken ausgedrückt sind. Je mehr der Nagel auf den Kopf getroffen ist. – Hier bin ich mir bewusst, weit hinter dem Möglichen zurückgeblieben zu sein. Einfach darum, weil meine Kraft zur Bewältigung der Aufgabe zu gering ist. – Mögen andere kommen und es besser machen.
Dagegen scheint mir die Wahrheit der hier mitgeteilten Gedanken unantastbar und definitiv. Ich bin also der Meinung, die Probleme im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben. Und wenn ich mich hierin nicht irre, so besteht nun der Wert dieser Arbeit zweitens darin, dass sie zeigt, wie wenig damit getan ist, dass diese Probleme gelöst sind.
Ludwig Wittgenstein .. Logisch-philosophische Abhandlung
Deshalb mein Fazit
linguistic turn war zur Todgeburt verdammt.
Zumal Missverständnisse in der Logik unserer Sprache, das Salz in der Suppe, mehr noch die, Quintessenz so mancher Diskussion ist. So zumindest mein Eindruck. Wie nicht zuletzt an den von mir hier gewählten und natürlich ignorierten Beispielen allzu deutlich wird.
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Was für ein Satz bitteschön ?Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Fr 3. Jan 2025, 11:02Dann kläre mich bitte auf, was an meinem Satz falsch ist. Das sollte doch nicht so schwierig sein. Aber einfach "falsch" schreiben, ist eine Anmaßung.
Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Do 2. Jan 2025, 11:50... Aber dem späteren Wittgenstein ist dann doch aufgefallen, daß man die Sprache zu sehr durch die logischen Formen einschränkt, und er hat dann ein pragmatischeres Konzept vertreten, den linguistic turn mitvollzogen.
Für den Fall, das dieser Satz damit gemeint sein sollte ...
... demnach wäre der Satz falsch und da war ja auch noch der Beitrag 86850 ... wohlgemerkt zuvor ! .. von mir, in dem es hieß ...Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Fr 3. Jan 2025, 07:53Mit dem Tractatus leitete Wittgenstein die „linguistische Wende“ in der Philosophie ein, hier ein Zitat von Grundmann zum linguistic turn:
Thomas Grundmann: "In der philosophischen Tradition hat die Sprache lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Sie wurde vor allem als ein Medium des gedanklichen Ausdrucks und der Kommunikation verstanden. Das hat sich, abgesehen von einigen Vordenkern wie Humboldt oder Hamann, erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts radikal verändert.
Philosophen wie Frege und Russell waren nunmehr der Überzeugung, dass nur durch eine Analyse der Sprache Phänomene wie Bedeutung, Denken und die Repräsentation der Welt überhaupt angemessen verstanden und geklärt werden können. Damit wurde die Sprachanalyse plötzlich zu einer fundamentalen Methode der Philosophie. Die logische Analyse von Sätzen und die Begriffsanalyse rückten ins Zentrum.
Der linguistic turn setzt mit dem frühen Wittgenstein ein
.. dazu vielleicht ergänzend ...Timberlake hat geschrieben : ↑Fr 3. Jan 2025, 04:40spektrum.de hat geschrieben :
Linguistic turn
(dt. linguistische oder sprachliche Wende). Bereits in den 1950er Jahren wurde der Ausdruck l. t. von Gustav Bergmann für eine philosophische Methode verwandt, die von den Begründern der analytischen Philosophie wie Frege, Russell, Moore und Wittgenstein ihren Ausgang genommen hat. Diese Methode lässt sich so charakterisieren, dass philosophische Aussagen über die Welt mittels einer geeigneten Sprache vorgenommen werden sollen. Jedes philosophische Problem – z.B. das traditionelle Problem der Existenz Gottes – wird dabei in ein Sprach-problem transformiert oder zumindest in Abhängigkeit von Sprachproblemen behandelt. Die Sprache wird unter dieser Voraussetzung zum Hauptgegenstand der philosophischen Untersuchung
Wenn es da heißt , die Sprache wird unter dieser Voraussetzung zum Hauptgegenstand der philosophischen Untersuchung, so würde ich schon sagen , dass das auf den I-Punkt den frühen Wittgenstein beschreibt. Zumindest wenn man seine Logisch-philosophische Abhandlung dazu zählt. Wie ich übrigens auch einmal davon ausgehe, das diese philosophische Methode, diese linguistische oder sprachliche Wende , nicht zuletzt in dieser Abhandlung und somit, wie ich annehme , bei den frühen Wittgenstein ihren Ausgang genommen hat.
- Das Buch will also dem Denken eine Grenze ziehen, oder vielmehr – nicht dem Denken, sondern dem Ausdruck der Gedanken: Denn um dem Denken eine Grenze zu ziehen, müssten wir beide Seiten dieser Grenze denken können (wir müssten also denken können, was sich nicht denken lässt).
Die Grenze wird also nur in der Sprache gezogen werden können und was jenseits der Grenze liegt, wird einfach Unsinn sein.
Ludwig Wittgenstein Logisch-philosophische Abhandlung
Einer Abhandlung in der es im Vorwort heißt , dass die Grenze des Denkens also nur in der Sprache gezogen werden kann. Dem zu folge es , zur dessen Grenzerfassung, m.E. nur folgerichtig ist , philosophische Probleme in ein Sprach-problem zu transformieren oder zumindest in Abhängigkeit von Sprachproblemen zu behandeln.
.. und nun mehr immer noch der Meinung , dass der Satz nicht falsch war. Wenn ja ...Timberlake hat geschrieben : ↑Fr 3. Jan 2025, 19:34
Wenn man sich dieser Methode , warum auch immer, enthält , ist linguistic turn nicht das Papier wert auf dem es steht.
Weil Wittgensteins Buch eben solche Probleme unter dem Aspekt der Logik unserer Sprache behandelt, so gilt das dann natürlich auch für dieses Buch. Ein Buch, das mit diesem Zitat vermutlich überhaupt erst den Startschuß für das geliefert hat, was wir heute als Linguistic turn bezeichnen.
- "Das Buch behandelt die philosophischen Probleme und zeigt – wie ich glaube – dass die Fragestellung dieser Probleme auf dem Missverständnis der Logik unserer Sprache beruht."
Ludwig Wittgenstein .. Logisch-philosophische Abhandlung
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Fr 3. Jan 2025, 12:27
Ich finde, es ist eine angemessene Form der Diskussion, die Dinge die man behauptet, zum Beispiel mit Quellen zu belegen.
.. wäre es wohl nun mehr an dir dergleichen zum Beispiel mit Quellen zu belegen.
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Hier meine Replik auf Jörns Zitierung von Grundmann, dessen Zurückhaltung zu Timberlakes Frage führte.
Da unser Streit so fundamental ist, greife ich mal auf die Erklärung des linguistic turn von wikipedia zurück, nicht als letzte Autorität, aber als Anhaltspunkt für ein übliches Verständnis:
"Der Begriff des linguistic turn bezeichnet damit eine Reihe sehr unterschiedlicher Entwicklungen im abendländischen Denken des 20. Jahrhunderts, denen allen gemeinsam eine grundsätzliche Skepsis gegenüber der Vorstellung zugrunde liegt, Sprache sei ein „transparentes Medium“, um die Wirklichkeit zu erfassen bzw. zu vermitteln. An die Stelle dieser Sichtweise tritt stattdessen die Auffassung, Sprache sei eine „unhintergehbare Bedingung des Denkens“. Demnach ist „alle menschliche Erkenntnis durch Sprache strukturiert“; die Realität jenseits von Sprache wird als „nicht existent“ oder aber „zumindest unerreichbar“ angesehen. Die Reflexion des Denkens, vor allem die Philosophie, wird damit zur Sprachkritik; eine Reflexion sprachlicher Formen – auch in der Literatur – kann so gesehen nur unter den Bedingungen des reflektierten Gegenstandes, eben der Sprache, erfolgen."
Der erste Satz wird vom frühen Wittgenstein geteilt, aber wenn man nur das zum Kriterium macht, beginnt der "lt" sehr viel früher, wie auch Consul schreibt, es wäre also Unsinn, zu sagen "Mit dem Tractatus leitete Wittgenstein die „linguistische Wende“ in der Philosophie ein". An die Stelle der Sprache tritt allerdings bei W. die logische Sprache, schon der Begriff Idealsprache trifft es nicht gut. Die logische Sprache ist die Sprache, in der man nach W. sinnvoll über die Welt reden kann, diese Sprache strukturiert aber nicht die Welt, sondern sie bildet die Strukturiertheit der Welt ab. Das Ziel W.s ist nicht, zu verstehen, wie Sprache das Denken strukturiert, sondern wie die Logik die Sprache reinigt, daß sie die Wirklichkeit abbilden kann. Formuliert man logisch, kann man die Wirklichkeit befragen und feststellen, was der Fall ist, so kommt man zu dem vielzitierten Kernsatz 4.024. Zu meinen, der tractatus enthielte die Aussage "Demnach ist „alle menschliche Erkenntnis durch Sprache strukturiert“; die Realität jenseits von Sprache wird als „nicht existent“ oder aber „zumindest unerreichbar“ angesehen." ist Unsinn, die logische Sprache reicht bis an die Realität, mißt sie.
Das alles könnte man im tractatus nachlesen. In den Sätzen 1, insbesondere 1.12 und 1.13, 2.012, 2.0123, 2.032, 2.1, insbesondere 2.171, mit 3 wechselt W. auf die Abbildebene, hier insbesondere: 3.001 ist eine unumkehrbare Aussage, die dem lt widerspricht. So kann man dem tractatus folgen, nirgendwo dreht sich die Perspektive um.
Also an Jörn: Gib mir eine andere Interpretation dieser Sätze und ich überlege mir nochmal mein Argument.
Da unser Streit so fundamental ist, greife ich mal auf die Erklärung des linguistic turn von wikipedia zurück, nicht als letzte Autorität, aber als Anhaltspunkt für ein übliches Verständnis:
"Der Begriff des linguistic turn bezeichnet damit eine Reihe sehr unterschiedlicher Entwicklungen im abendländischen Denken des 20. Jahrhunderts, denen allen gemeinsam eine grundsätzliche Skepsis gegenüber der Vorstellung zugrunde liegt, Sprache sei ein „transparentes Medium“, um die Wirklichkeit zu erfassen bzw. zu vermitteln. An die Stelle dieser Sichtweise tritt stattdessen die Auffassung, Sprache sei eine „unhintergehbare Bedingung des Denkens“. Demnach ist „alle menschliche Erkenntnis durch Sprache strukturiert“; die Realität jenseits von Sprache wird als „nicht existent“ oder aber „zumindest unerreichbar“ angesehen. Die Reflexion des Denkens, vor allem die Philosophie, wird damit zur Sprachkritik; eine Reflexion sprachlicher Formen – auch in der Literatur – kann so gesehen nur unter den Bedingungen des reflektierten Gegenstandes, eben der Sprache, erfolgen."
Der erste Satz wird vom frühen Wittgenstein geteilt, aber wenn man nur das zum Kriterium macht, beginnt der "lt" sehr viel früher, wie auch Consul schreibt, es wäre also Unsinn, zu sagen "Mit dem Tractatus leitete Wittgenstein die „linguistische Wende“ in der Philosophie ein". An die Stelle der Sprache tritt allerdings bei W. die logische Sprache, schon der Begriff Idealsprache trifft es nicht gut. Die logische Sprache ist die Sprache, in der man nach W. sinnvoll über die Welt reden kann, diese Sprache strukturiert aber nicht die Welt, sondern sie bildet die Strukturiertheit der Welt ab. Das Ziel W.s ist nicht, zu verstehen, wie Sprache das Denken strukturiert, sondern wie die Logik die Sprache reinigt, daß sie die Wirklichkeit abbilden kann. Formuliert man logisch, kann man die Wirklichkeit befragen und feststellen, was der Fall ist, so kommt man zu dem vielzitierten Kernsatz 4.024. Zu meinen, der tractatus enthielte die Aussage "Demnach ist „alle menschliche Erkenntnis durch Sprache strukturiert“; die Realität jenseits von Sprache wird als „nicht existent“ oder aber „zumindest unerreichbar“ angesehen." ist Unsinn, die logische Sprache reicht bis an die Realität, mißt sie.
Das alles könnte man im tractatus nachlesen. In den Sätzen 1, insbesondere 1.12 und 1.13, 2.012, 2.0123, 2.032, 2.1, insbesondere 2.171, mit 3 wechselt W. auf die Abbildebene, hier insbesondere: 3.001 ist eine unumkehrbare Aussage, die dem lt widerspricht. So kann man dem tractatus folgen, nirgendwo dreht sich die Perspektive um.
Also an Jörn: Gib mir eine andere Interpretation dieser Sätze und ich überlege mir nochmal mein Argument.
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Zunächst erstmal das Zitat von Wolfgang, um das ist mir geht. Ich wende mich dagegen, dass hier suggeriert wird, erst der späte Wittgenstein wäre ein Teil der linguistischen Wende.
Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Do 2. Jan 2025, 11:50Aber dem späteren Wittgenstein ist dann doch aufgefallen, daß man die Sprache zu sehr durch die logischen Formen einschränkt, und er hat dann ein pragmatischeres Konzept vertreten, den linguistic turn mitvollzogen.
Ich habe kein Problem damit, wenn man – wie Consul – sagt, der linguistic turn habe vor Wittgenstein begonnen oder habe historische Vorläufer, wie immer man es nennen will. Ich habe aber ein Problem damit, wenn – wie bei Wolfgang – behauptet wird, Wittgenstein habe den linguistic turn erst mit seiner Wende zur "normalen Sprache" vollzogen. Das halte ich für falsch.
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Fr 3. Jan 2025, 10:54Dass der frühe und der späte Wittgenstein verschieden sind, ist unbenommen, aber der Tractatus selbst ist bereits ein Meilenstein des sogenannten Linguistic turn.
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Fr 3. Jan 2025, 18:24... man kann auch schon früher von einer Wende zur Sprache sprechen. Das ist kein Problem. Der Ausdruck "linguistic turn" bezieht sich auf zwar in der Regel auf die spezifischen Entwicklungen im 20. Jahrhundert, aber er steht in einer längeren Tradition der philosophischen Auseinandersetzung mit Sprache, keine Frage.
Problematisch ist jedoch, Wittgensteins Wende von der idealen zur normalen Sprache, womit er auch die "Ordinary Language Philosophy" maßgeblich beeinflusst hat, mit dem linguistic turn im Allgemeinen zu verwechseln.
Ich habe die Reclam-Version des tractatus mit Kommentaren. Auch Kienzler ist offensichtlich wie Grundmann der Ansicht, dass die linguistische Wende mit dem tractatus eingeleitet wird. Aber wie gesagt, der Punkt ist mir schnuppe. (Bzw ich denke, das Consol mit seinem Einwand vermutlich recht hat.) Wichtig ist mir nur, dass damit zugleich gesagt ist, dass Wittgenstein diese Wende nicht erst mit seiner Hinwendung zur Normalsprache vollzieht.Ludwig Wittgenstein Logisch-Philosophische Abhandlung. Tractatus Logico-Philosophicus, Herausgegeben von Wolfgang Kienzler, Reclam hat geschrieben : Warum Wittgensteins Abhandlung (oder »Tractatus«) eines der bedeutendsten philosophischen Werke überhaupt ist. [...]
1. Die Wende zur Sprache: Das Buch vollzieht erstmals die Wende zur Sprache (engl. Linguistic turn). Alles ernsthafte Philosophieren hat sich zuerst einmal mit der Sprache, in der die (angeblichen) philosophischen Probleme formuliert sind, kritisch auseinanderzusetzen. Nicht die Frage nach den Erkenntniskräften oder nach der Subjektivität, sondern die Frage nach dem sprachlichen Ausdruck (und dessen logischer Form) ist für die Philosophie grundlegend. Damit wird die Philosophie systematisch auf eine ganz neue Grundlage gestellt. Das Buch eröffnet auf diese Weise einen neuen Abschnitt in der Geschichte der Philosophie.
[...]
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Man kann den lt mit der Hinwendung auf die Sprache als Bedingung der Möglichkeit des Denkens, also der Sprachformen als eine Art synthetisches apriori des Denkens im Sinne von Kant, der Konstitution eines Sprachraums, beginnen lassen. In diesem Sinne vertritt schon der frühe Wirrgenstein den lt, dann kann man allerdings sogar Hegel zu einem frühen Vertreter des lt erklären,was mir reichlich absonderlich vorkommt. Jedenfalls ist dann W. nicht der Begründer des lt. Oder man kann unter dem lt die Hinwendung zur Sprache im Sinn von "die Sprache verstehen heißt, verstehen, wie die Sprache gebraucht wird" verstehen. In diesem Sinn verstehe ich die Hinwendung der analytischen Philosophie zur pragmatischen und empirischen Sprachforschung. Diese Position vertritt der frühe W. gerade nicht, im Gegenteil kritisiert er den falschen Gebrauch der Sprache, deren Unlogizität. Dagegen vollzieht erst der späte W. seinen lt. Diese komplizierte Lage wurde von mir anhand des wikipedia-Artikels diskutiert.
Jörn hält es nicht für notwendig, darauf einzugehen. Stattdessen bringt er Aussagen von Philosophen zur Einordnung von W. in den lt. Es mag sein, daß entgegen meiner Feststellung, daß das widersprüchlich ist, die meisten Philosophen der Aussage "W. war der Begründer des lt" zustimmen, das ist aber kein Beweis, oder ein Autoritätsbeweis im Sinne des lt, so wird "Begründer eben gebraucht". Ich habe hier gehofft, man tauscht Argumente aus, statt Weltbilder zu verteidigen.
Jörn hält es nicht für notwendig, darauf einzugehen. Stattdessen bringt er Aussagen von Philosophen zur Einordnung von W. in den lt. Es mag sein, daß entgegen meiner Feststellung, daß das widersprüchlich ist, die meisten Philosophen der Aussage "W. war der Begründer des lt" zustimmen, das ist aber kein Beweis, oder ein Autoritätsbeweis im Sinne des lt, so wird "Begründer eben gebraucht". Ich habe hier gehofft, man tauscht Argumente aus, statt Weltbilder zu verteidigen.
- Jörn Budesheim
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Das ist vollkommen richtig.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Sa 4. Jan 2025, 11:21Jörn hält es nicht für notwendig, darauf einzugehen
Es würde nämlich zu nichts führen. Du verwechselt oben offenbar zum Beispiel den linguistic turn mit der Ordinary Language Philosophy. Das heißt, ich müsste dafür weitere Quellen herbei suchen, um das zeigen, aber das lohnt die Mühe nicht. Mit reicht, wenn hier festgehalten ist, dass der Tractatus üblicherweise und mit guten Gründen dem linguistic turn zugerechnet wird. Das notiere ich für die Leute, die hier mitlesen. Du selbst kannst glauben, was du willst.
Nuebenbei: Der Bezug auf die Expertise von ausgewiesenen Experten mit sprechenden Zitaten ist kein Autoritätsargument (im negativen Sinne), sondern sachgerechtes Argumentieren.
- Jörn Budesheim
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Kienzler versucht in dem Reclam Heft eine Zusammenfassung des Tractatus.
Eine kürzeste [und natürlich auch nicht vollständige] Zusammenfassung [des Tractatus] könnte etwa so lauten:
Die Welt ist alles, was der Fall ist, nämlich die Gesamtheit der Tatsachen (1). Was der Fall ist, ist das Bestehen von Sachverhalten, die selbst Konfigurationen von einfachen Gegenständen sind (2). Von Tatsachen können wir logische Bilder machen, indem wir ihre Struktur modellhaft nachbilden (2.1). Diese logischen Bilder kann man Gedanken nennen (3), die in sinnvollen Sätzen ausgedrückt werden (4). Einfache sinnvolle Sätze, die Elementarsätze, können nach ihren Wahrheitsbedingungen zu logisch komplexen Sätzen kombiniert werden (4.3). Auf diese Weise können die Formen aller komplexen Sätze auf die Elementarsätze zurückgeführt werden (5). Dies kann man als die allgemeine Form des Satzes ansprechen, die gleichzeitig die allgemeine Form aller Beschreibung und somit die allgemeine Form der Welt ist (6). Neben den sinnvollen Sätzen gibt es die logische Form dieser Sätze, die selbst nicht ausgesagt, sondern nur gezeigt werden kann (4.12); immerhin kann man durch Operationen die relativen Verhältnisse der logischen Formen von Sätzen zueinander ausdrücken (5.2). Es gibt neben den gewöhnlichen sinnvollen Sätzen noch logische Sätze, die tautologisch sind (6.1), mathematische Gleichungen, die durch Umformungen nach Ersetzbarkeitsregeln gewonnen werden (6.2), Naturgesetze, die bloße Formen der Naturbetrachtung darstellen (6.3), Sätze der Ethik, die nicht sinnvoll sein können, da sie keine Tatsachen ausdrücken (6.4), sowie Sätze der Philosophie, deren Aufgabe darin besteht, die Logik unserer Sprache klar darzulegen. Nach den Maßstäben für sinnvolle Sätze sind die Formulierungen der Philosophie unsinnig (6.5). Am Ende muss man dann über das, wovon man nicht sprechen kann, schweigen (7).
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Kienzler faßt den Text korrekt, wenn auch nicht vollständig, denn der Text ist selbst schon nahezu redundanzfrei und daher kaum zusammenfaßbarer, zusammen. Das ist die Position des logischen Positivismus. Wie Du die mit dem linguistic turn vereinbaren kannst, ist mir ein Rätsel.
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PS.
Über jede neue Aussage von Dir muß ich mich sehr wundern. Die ordinary language philosophy ist im Unterschied zum logischen Positivismus ein legitimes Kind des lt. Und sie ist die Position des späten Wittgenstein. Hat der DMn den lt aufgekündigt?
Über jede neue Aussage von Dir muß ich mich sehr wundern. Die ordinary language philosophy ist im Unterschied zum logischen Positivismus ein legitimes Kind des lt. Und sie ist die Position des späten Wittgenstein. Hat der DMn den lt aufgekündigt?
- Jörn Budesheim
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Das stimmt wohl, dennoch scheinst du beides zu verwechseln, so wie wenn jemand Apfel und Frucht verwechselt.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Sa 4. Jan 2025, 13:16ordinary language philosophy ist [...] ein legitimes Kind des [linguistic turn]
"Ordinary Language philosophy, sometimes referred to as ‘Oxford’ philosophy, is a kind of ‘linguistic’ philosophy. Linguistic philosophy may be characterized as the view that a focus on language is key to both the content and method proper to the discipline of philosophy as a whole (and so is distinct from the Philosophy of Language). Linguistic philosophy includes both Ordinary Language philosophy and Logical Positivism, developed by the philosophers of the Vienna Circle (for more detail see Analytic Philosophy section 3). These two schools are inextricably linked historically and theoretically, and one of the keys to understanding Ordinary Language philosophy is, indeed, understanding the relationship it bears to Logical Positivism. Although Ordinary Language philosophy and Logical Positivism share the conviction that philosophical problems are ‘linguistic’ problems, and therefore that the method proper to philosophy is ‘linguistic analysis’, they differ vastly as to what such analysis amounts to, and what the aims of carrying it out are.
Ordinary Language philosophy is generally associated with the (later) views of Ludwig Wittgenstein, and with the work done by the philosophers of Oxford University between approximately 1945-1970. The origins of Ordinary Language philosophy reach back, however, much earlier than 1945 to work done at Cambridge University, usually marked as beginning in 1929 with the return of Wittgenstein, after some time away, to the Cambridge faculty. It is often noted that G. E. Moore was a great influence on the early development of Ordinary Language philosophy (though not an Ordinary Language philosopher himself), insofar as he initiated a focus on and interest in ‘commonsense’ views about reality. Major figures of Ordinary Language philosophy include (in the early phases) John Wisdom, Norman Malcolm, Alice Ambrose, Morris Lazerowitz, and (in the later phase) Gilbert Ryle, J. L. Austin and P. F. Strawson, among others. However, it is important to note that the Ordinary Language philosophical view was not developed as a unified theory, nor was it an organized program, as such. Indeed, the figures we now know as ‘Ordinary Language’ philosophers did not refer to themselves as such – it was originally a term of derision, used by its detractors. Ordinary Language philosophy is (besides an historical movement) foremost a methodology – one which is committed to the close and careful study of the uses of the expressions of language, especially the philosophically problematic ones. A commitment to this methodology as that which is proper to, and most fruitful for, the discipline of philosophy, is what unifies an assortment of otherwise diverse and independent views."
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"Die Alltagssprachenphilosophie, manchmal auch als „Oxford-Philosophie“ bezeichnet, ist eine Art „linguistische“ Philosophie. Linguistische Philosophie kann als die Ansicht charakterisiert werden, dass die Konzentration auf die Sprache sowohl für den Inhalt als auch für die Methode der gesamten Philosophie entscheidend ist (und sich daher von der Sprachphilosophie unterscheidet). Die linguistische Philosophie umfasst sowohl die Alltagssprachenphilosophie als auch den logischen Positivismus, der von den Philosophen des Wiener Kreises entwickelt wurde (für weitere Einzelheiten siehe Analytische Philosophie, Abschnitt 3). Diese beiden Schulen sind historisch und theoretisch untrennbar miteinander verbunden, und ein Schlüssel zum Verständnis der Alltagssprachenphilosophie ist tatsächlich das Verständnis ihrer Beziehung zum logischen Positivismus. Obwohl die Alltagssprachenphilosophie und der logische Positivismus die Überzeugung teilen, dass philosophische Probleme „linguistische“ Probleme sind und daher die der Philosophie eigene Methode die „linguistische Analyse“ ist, unterscheiden sie sich erheblich darin, was eine solche Analyse ausmacht und was die Ziele ihrer Durchführung sind.
Die Philosophie der Alltagssprache wird im Allgemeinen mit den (späteren) Ansichten von Ludwig Wittgenstein und mit der Arbeit der Philosophen der Universität Oxford zwischen etwa 1945 und 1970 in Verbindung gebracht. Die Ursprünge der Philosophie der Alltagssprache reichen jedoch viel weiter zurück als 1945, nämlich auf die Arbeit an der Universität Cambridge. Der Beginn wird im Allgemeinen auf das Jahr 1929 datiert, als Wittgenstein nach einiger Zeit an die Fakultät von Cambridge zurückkehrte. Es wird oft erwähnt, dass G. E. Moore großen Einfluss auf die frühe Entwicklung der Philosophie der Alltagssprache hatte (obwohl er selbst kein Philosoph der Alltagssprache war), indem er den Fokus auf „gesunde“ Ansichten über die Realität legte und das Interesse daran weckte. Zu den wichtigsten Persönlichkeiten der Philosophie der Alltagssprache zählen (in den frühen Phasen) John Wisdom, Norman Malcolm, Alice Ambrose, Morris Lazerowitz und (in der späteren Phase) Gilbert Ryle, J. L. Austin und P. F. Strawson, um nur einige zu nennen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die philosophische Sichtweise der Alltagssprache weder als einheitliche Theorie entwickelt wurde, noch als organisiertes Programm im eigentlichen Sinn. Tatsächlich bezeichneten sich die Persönlichkeiten, die wir heute als Philosophen der Alltagssprache kennen, nicht selbst als solche – ursprünglich war es ein spöttischer Begriff, der von ihren Kritikern verwendet wurde. Die Philosophie der Alltagssprache ist (neben einer historischen Bewegung) in erster Linie eine Methodologie – eine, die sich dem genauen und sorgfältigen Studium der Verwendung von Sprachausdrücken verschrieben hat, insbesondere der philosophisch problematischen. Das Bekenntnis zu dieser Methodologie als dem, was der Disziplin der Philosophie angemessen und am fruchtbarsten ist, vereint eine Reihe ansonsten unterschiedlicher und unabhängiger Ansichten."
[Übersetzt von Google Translate]
Ordinary Language Philosophy: https://iep.utm.edu/ord-lang/
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding