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Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist
Verfasst: So 29. Dez 2024, 00:15
von Wolfgang Endemann
[Mod] Das ist eine Auskopplung aus dem Faden
"Was sind Begriffe?"
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Sa 28. Dez 2024, 18:23
Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist." (Wittgenstein)
Und ich möchte noch etwas zu der hier zitierten Aussage von Wittgenstein machen: "Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist." Dieser Satz macht nur Sinn, wenn man keine mathematischen oder logischen Sätze meint, er müßte richtig formuliert werden: "Einen empirische Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist." Er läßt sich nicht auf Frege beziehen, da Frege ja alle Sätze in eine mathematisch-logische Form bringen möchte. Er macht, wie ich schon sagte, nicht den Unterschied zwischen formalen und inhaltlichen Sätzen.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: So 29. Dez 2024, 00:26
von Consul
Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑ So 29. Dez 2024, 00:15
Und ich möchte noch etwas zu der hier zitierten Aussage von Wittgenstein machen: "Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist."
Das bedeutet nicht, dass man wissen muss,
ob ein Satz wahr ist, um ihn zu verstehen; denn man kann ihn auch ohne Kenntnis seines Wahrheitswertes verstehen.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: So 29. Dez 2024, 03:00
von Timberlake
Um auch dieser Stelle meine Präferenz für Beispiele zu belegen!
Nehmen wir beispielsweise den Satz: Nichts ist schneller als die Lichtgeschwindigkeit
Wenn es bei Wittgenstein heißt: "Einen Satz verstehen, heißt, wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist."
… und wir davon ausgehen, dass dieser Satz wahr ist, dann verstehen wir diesen Satz, wenn wir wissen, dass genau das der Fall ist. Wenn wir nicht wissen, dass "Nichts schneller ist, als die Lichtgeschwindigkeit" der Fall ist und es gab sicherlich eine Zeit, wo genau das zutraf, dann verstehen wir den Satz nicht, obgleich er wahr ist. Wahr wurde er allerdings erst, als man durch eine Messung feststellte, dass das der Fall war. Somit ich einmal denke, dass Wittgenstein uns damit sagen wollte, dass zum Verstehen eines Satzes das Wissen, was der Fall ist, buchstäblich vor der Wahrheit steht. Wie übrigens dergleichen auch vor den Begriffen stehen sollte. Um dazu auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen. Hat sich doch erst mit einer Messung, das nichts schneller ist , der Begriff der Lichtgeschwindigkeit auf diese Weise etabliert. Nach Frege eine Art des Gegebenseins der Lichtgeschwindigkeit.
- "Eine Verschiedenheit kann nur dadurch zustande kommen, daß der Unterschied des Zeichens einem Unterschiede in der Art des Gegebenseins des Bezeichneten entspricht"
Gottlob Frege ..Über Sinn und Bedeutung
Beispielsweise im Unterschied in der Art des Gegebenseins einer Geschwindigkeitsangabe in Meter pro Sekunde. Nach einer Messung von 299 792 458 Meter pro Sekunde, wussten wir, dass das der Fall für die Lichtgeschwindigkeit war. Das Merkwürdige war allerdings , sie blieb gleich. Ganz egal, ob man sich auf das Licht zu oder weg bewegt. Obgleich das der Fall und somit der Satz wahr war, konnte das niemand verstehen. Widersprach doch das .. aufgemerkt @ Wolfgang Endemann! ... der mathematischen Logik. Indem er diese mathematische Logik auch auf den Raum und die Zeit anwandte , die somit nicht mehr absolut, sondern "relativ" war, gelang das Verstehen , dieser merkwürdigen "Art des Gegebenseins" , der Lichtgeschwindigkeit , erst Einstein.
Wir hätten es als hier somit drei unterschiedliche Arten des Gegebenseins dessen zu tun , was der Bezeichnung der Lichtgeschwindigkeit entspricht.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: So 29. Dez 2024, 11:21
von Wolfgang Endemann
Consul hat geschrieben : ↑ So 29. Dez 2024, 00:26
Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑ So 29. Dez 2024, 00:15
Und ich möchte noch etwas zu der hier zitierten Aussage von Wittgenstein machen: "Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist."
Das bedeutet nicht, dass man wissen muss,
ob ein Satz wahr ist, um ihn zu verstehen; denn man kann ihn auch ohne Kenntnis seines Wahrheitswertes verstehen.
Nein, ich habe ja den Satz so korrigiert, daß er richtig ist. Auch Deinen Satz würde ich so korrigieren: Man muß nicht wissen, ob ein empirischer/naturwissenschaftlicher Satz wahr ist, um ihn zu verstehen. Auf logisch-mathematische Sätze trifft er nicht zu, da sie apriori wahr sind. Dafür muß man nicht wissen, was der Fall ist.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: So 29. Dez 2024, 11:25
von Wolfgang Endemann
Timberlake hat geschrieben : ↑ So 29. Dez 2024, 03:00
Um auch dieser Stelle meine Präferenz für Beispiele zu belegen!
Sehr gutes Beispiel. Es zeigt, daß/wie der Wittgensteinsche Satz (Satz 4.924) genau die naturwissenschaftlichen Begriffe trifft. Und für den frühen Wittgenstein ist alle Wissenschaft Naturwissenschaft oder esoterische Spekulation, ist die Logik das Spiegelbild der Welt. Daraus ergibt sich das Fregesche und das Hilbertsche Programm der wissenschaftlichen Erfassung der Welt; dessen, was der Fall ist.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: So 29. Dez 2024, 13:08
von Jörn Budesheim
- Wittgenstein: "Einen Satz verstehen heißt, wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist."
- Wolfgang: "Man muß nicht wissen, ob ein empirischer/naturwissenschaftlicher Satz wahr ist, um ihn zu verstehen."
Du verwechselst den Satz von Wittgenstein gerade mit dem Satz, von dem sich Wittgenstein abhebt. Wittgenstein sagt ja gerade
nicht, dass man wissen muss, ob ein Satz wahr ist, um ihn zu verstehen. Wittgenstein sagt ja sinngemäß, dass Verstehen heißt, zu wissen, was der Fall ist/wäre,
wenn der Satz wahr ist/wäre. Für mein Verständnis des Satzes "der Mond ist aus Käse", ist es irrelevant, ob der Mond wirklich aus Käse ist.
- Was Wittgenstein nicht sagt: "Um einen Satz zu verstehen, muss man wissen, ob er wahr ist." (Dies wäre vage so etwas wie eine "Verifikationstheorie" der Bedeutung.)
- Was Wittgenstein sagt: "Einen Satz verstehen heißt, wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist." (Es geht um das Wissen um die möglichen Sachverhalte, die den Satz wahr machen würden.)
Ergänzung
Wolfgang, da du a priori gültige Sätze aus dem Gültigkeitsbereich von Wittgensteins Satz ausschließen willst, muss ich vermuten, dass du ihn fälschlicherweise verifikationistisch interpretierst. Anders kann ich mir nicht erklären, warum logische oder mathematische Sätze nicht unter Wittgensteins Definition von „Verstehen“ fallen sollten. „Einen Satz verstehen, heißt, wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist“ – das gilt doch offensichtlich für „7 + 5 = 12“ genauso wie für „Der Mond ist aus Käse“.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: So 29. Dez 2024, 13:54
von Wolfgang Endemann
Ich verstehe nicht, warum Du systematisch mißverstehst, was ich sage.
Ich habe auf Consul geantwortet, meine Antwort auf Wittgenstein war eine andere. Consul hat zurecht darauf hingewiesen, daß in dem Satz von Wittgenstein nicht vorausgesetzt werden muß, daß ein Satz wahr ist. Ich hatte also Wittgenstein korrigiert und habe dann entsprechend Consul korrigiert.
Wenn Dir das eine oder das andere nicht gefällt, dann antworte darauf. Aber verwechsle nicht die Originalaussage mit der von Consul, und nicht meine freilich parallelen Korrekturen. Selbstverständlich kann man kritisieren, wie ich korrigiert habe. Aber bitte Argumente, nicht falsche Zuschreibungen.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: So 29. Dez 2024, 14:56
von Wolfgang Endemann
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ So 29. Dez 2024, 13:08
Du verwechselst den Satz von Wittgenstein gerade mit dem Satz, von dem sich Wittgenstein abhebt.
Nein. Ich verstehe ja, daß der Formalismus Dich nervt, aber der tractatus ist nun mal streng logisch verfaßt. "heißt" bedeutet also die logische Äquivalenz. Damit wird der Wittgensteinsche Satz zu:
"ich verstehe einen Satz" ↔ "ich weiß, was der Fall ist, wenn der Satz wahr ist". Ich formuliere die Implikation nach "ich weiß":
"ich verstehe einen Satz" genau dann, wenn "<der Satz ist wahr> → <ich weiß, was der Fall ist>". Die Implikation kann ich umkehren:
"ich verstehe einen Satz" ↔ "<ich weiß nicht, was der Fall ist> → <der Satz ist nicht wahr>"
Egal, welche der beiden Formulierungen Du bevorzugst, es gilt in jedem Falle, daß ein mathematischer, bewiesener Satz nicht davon abhängt, was der Fall ist. Also kann ich nach dieser Formulierung keinen mathematisch bewiesenen Satz verstehen. Das ist Unsinn, oder man schränkt ihn auf empirische Sätze, für die gilt, daß ich wissen kann, ob sie der Fall sind oder nicht, ein. Dann sagt Wittgensteins Satz 4.024 (das 4.924 ist ein Versehen, 9 und 0 liegen zu dicht beieinander) genau das aus, was er aussagen soll, daß empirisches Wissen davon abhängt, daß man weiß, was der Fall ist.
Diesem korrigierten Satz stimme ich zu, allerdings meint Wittgenstein genau den unkorrigierten Satz, und das entspricht seinem ursprünglichen Positivismus (dem des tractatus).
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: So 29. Dez 2024, 15:18
von Jörn Budesheim
Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑ So 29. Dez 2024, 14:56
Nein. Ich verstehe ja, daß der Formalismus Dich nervt
Ad personam Argumente sind nicht hilfreich.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: So 29. Dez 2024, 15:22
von Jörn Budesheim
Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Egal, welche der beiden Formulierungen Du bevorzugst, es gilt in jedem Falle, daß ein mathematischer, bewiesener Satz nicht davon abhängt, was der Fall ist.
Wolfgang, du scheinst „was der Fall ist“ auf empirische Tatsachen zu beschränken. Aber auch mathematische Sätze beschreiben Sachverhalte, nämlich notwendige Beziehungen. „7 + 5 = 12“ beschreibt einen Sachverhalt in der Mathematik. Daher gilt Wittgensteins Satz auch für mathematische Aussagen.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: So 29. Dez 2024, 15:42
von Wolfgang Endemann
Das würde jedem ernsthaften Sprechen den Boden entziehen. Wenn "was der Fall ist" nicht mehr unmittelbares Sein bedeutet, bedeutet es gar nichts mehr. Denn auch ein Unsinnssatz ist dann ja der Fall.
Und das entspricht in keinster Weise dem, was Wittgenstein zur Zeit des tractatus sagen wollte.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: So 29. Dez 2024, 20:30
von Timberlake
Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑ So 29. Dez 2024, 11:25
Timberlake hat geschrieben : ↑ So 29. Dez 2024, 03:00
Um auch dieser Stelle meine Präferenz für Beispiele zu belegen!
Sehr gutes Beispiel. Es zeigt, daß/wie der Wittgensteinsche Satz (Satz 4.924) genau die naturwissenschaftlichen Begriffe trifft. Und für den frühen Wittgenstein ist alle Wissenschaft Naturwissenschaft oder esoterische Spekulation, ist die Logik das Spiegelbild der Welt. Daraus ergibt sich das Fregesche und das Hilbertsche Programm der wissenschaftlichen Erfassung der Welt; dessen, was der Fall ist.
.. ich ergänze .. was der Fall ist , wenn Gödels Unvollständigkeitssätze nicht der Fall sind.
Wo hier schon mal daraus zitiert , dazu vielleicht passend ...
"…The meaning of a representation can be nothing but a representation. In fact, it is nothing but the representation itself conceived as stripped of irrelevant clothing. But this clothing never can be completely stripped off; it is only changed for something more diaphanous. So there is an infinite regression here."
–—————
Der Sinn einer Darstellung kann nichts anderes sein als eine Darstellung. Tatsächlich handelt es sich dabei um nichts anderes als um die Darstellung selbst, die ihrer irrelevanten Kleidung entledigt wird. Aber diese Kleidung kann man nie ganz ausziehen; es wird nur durch etwas Durchsichtigeres ersetzt. Hier liegt also eine unendliche Regression vor. … [Übersetzt von
Google Translate]
Charles Sanders Peirce:
http://www.commens.org/dictionary/term/sign
Könnte ich mir doch in etwa so vorstellen , was bei diesen beiden Programmen tatsächlich der Fall nach Gödel ist und zwar , dass man diese "Kleidung" , so wie hier beschrieben , nie wird ganz ausziehen können.
Um dazu auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen , so setze ich einmal für Darstellung ein ..
Der Sinn eines Begriffs kann nichts anderes sein als ein Begriff .Tatsächlich handelt es sich dabei um nichts anderes als um den Begriff selbst, der seiner irrelevanten Kleidung entledigt wird. Aber diese Kleidung kann man nie ganz ausziehen; es wird nur durch etwas Durchsichtigeres ersetzt. Hier liegt also eine unendliche Regression vor. …
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 02:45
von Timberlake
Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑ So 29. Dez 2024, 15:42
Das würde jedem ernsthaften Sprechen den Boden entziehen. Wenn "was der Fall ist" nicht mehr unmittelbares Sein bedeutet, bedeutet es gar nichts mehr. Denn auch ein Unsinnssatz ist dann ja der Fall.
Und das entspricht in keinster Weise dem, was Wittgenstein zur Zeit des tractatus sagen wollte.
Ganz meiner Meinung , heißt es doch bei Wittgenstein ..
Der besagte Satz : "der Mond ist aus Käse", auf den sich hier dazu bezogen wurde, ist ganz sicher kein Bild der Wirklichkeit
.. und ganz sicher auch kein Fall.
- 3.4 Der Satz bestimmt einen Ort im logischen Raum. Die Existenz dieses logischen Ortes ist durch die Existenz der Bestandteile allein verbürgt, durch die Existenz des sinnvollen Satzes.
3.41 Das Satzzeichen und die logischen Koordinaten: Das ist der logische Ort.
3.411 Der geometrische und der logische Ort stimmen darin überein, dass beide die Möglichkeit einer Existenz sind.
3.42 Obwohl der Satz nur einen Ort des logischen Raumes bestimmen darf, so muss doch durch ihn schon der ganze logische Raum gegeben sein.
Ludwig Wittgenstein ... Logisch-philosophische Abhandlung
Wenn es denn irrelevant ist , ob ein Satz wahr oder falsch ist , dann bestenfalls vor dem Hintergrund dessen, was Wittgenstein hier als logischen Raum bezeichnet. Gibt es doch an den "logischen Koordinaten" beim Satz "der Mond ist aus Käse" tatsächlich nichts zu bemängeln. Wohlgemerkt diese Koordinatens machen den Satz sinnvoll , aber deshalb lange noch nicht wahr. Das sind zwei Paar Stiefel.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 08:27
von Jörn Budesheim
Im Tractatus findet man: "Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist." In diesem Frühwerk von Wittgenstein finden sich jedoch "schwere Irrtümer", zumindest nach Ansicht von … Wittgenstein. Aber dieser Satz, egal wie man ihn im Detail auslegt, ist der Kern der sogenannten wahrheitskonditionalen Sprachphilosophien, die bis heute wirksam sind. Und aus diesem Grund - und weil der Satz perfekt formuliert ist - habe ich ihn in dem oben nachzulesenden Zusammenhang dieses Zitat platziert.
4.024 Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist. (Man kann ihn also verstehen, ohne zu wissen, ob er wahr ist.)
Erläuterung: Man kann ihn also auch verstehen, wenn er falsch ist. Oder technischer: Das Verstehen eines Satzes ist unabhängig von seinem tatsächlichen Wahrheitswert. Btw: die Wahrheit ist etwas, was uns miteinander verbinden kann.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 10:12
von Quk
Vielleicht liege ich falsch, aber ich lese Wittgensteins Äußerung in diesem Sinne:
Einen wahren Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist.
Einen unwahren Satz verstehen, heißt, nicht wissen was der Fall ist.
Ein Satz vermittelt mir entweder die Wahrheit oder die Unwahrheit. Welches der beiden er mir vermittelt, kann ich nicht wissen. Aber wenn ich einen wahren Satz verstehe, weiß ich etwas wahres. Und wenn ich einen unwahren Satz verstehe, weiß ich nicht etwas wahres. Ein unwahrer Satz vermittelt mir nicht, was der Fall ist.
"Die Erde ist eine Scheibe" -- Diesen Satz verstehe ich. Womöglich ist er aber nicht wahr. Wenn er unwahr ist, lerne ich aus ihm nicht, was der Fall ist.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 15:40
von Wolfgang Endemann
Quk hat geschrieben : ↑ Mo 30. Dez 2024, 10:12
Vielleicht liege ich falsch, aber ich lese Wittgensteins Äußerung in diesem Sinne:
Einen wahren Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist.
Einen unwahren Satz verstehen, heißt, nicht wissen was der Fall ist.
Das stimmt manchmal, aber nicht allgemein.
<Nicht "Einen wahren Satz verstehen"> ist nicht gleichbedeutend mit <"Einen unwahren Satz verstehen">, Du darfst die Negation nicht einfach nach Innen ziehen.
Wissen, was der Fall ist, heißt konkret auch wissen, was nicht der Fall ist. Also: "wissen, daß A" heißt "wissen, daß nicht ¬A", "nicht wissen, daß A" heißt "nicht wissen, ob A oder ¬A", also auch "nicht wissen, daß ¬A".
Dieser Widerspruch entsteht durch die Verwechslung, ob die Aussage oder die Behauptung, die mit der Aussage gemacht wird, verstanden wird, man könnte vom Unterschied von syntaktischem und semantischem Verstehen reden.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 15:49
von Wolfgang Endemann
Timberlake hat geschrieben : ↑ Mo 30. Dez 2024, 02:45
Ganz meiner Meinung , heißt es doch bei Wittgenstein ..
Dieser von Dir zitierte Satz 3.4 ist ganz entscheidend für die Diskussion des Satzes 4.024. Er zeigt nämlich, daß Wittgenstein durchaus die Problematik spürt, sie aber nicht benennen kann. Man muß, wenn man die Sprache als Bildbereich einer Abbildung der Realität begreift (tractatus, Punkt 2), der Sprache einen anderen Raum zuweisen als den Raum der Realität. Das ist der logische Raum, Denkraum. Sprachobjekte sind Objekte im logischen Raum, in dem sie nur in logischer Form existieren. Sinnvolles Sprechen ist Sprechen über reale Dinge, die auf die logischen Formen abgebildet sind. Welche Formen gelten, muß offen sein, ist eine Frage des Vergleichs der Logik in der Sprache mit der Tatsächlichkeit in der Welt. Gedanken sind Objekte im Denkraum, das ist der Möglichkeitsraum der Logik und Mathematik, der Möglichkeitsraum der sinnvollen Sätze. Hier hätte Wittgenstein einfügen können: der formalen, apriorischen Wahrheit. Die inhaltliche Wahrheit ergibt sich aus dem Vergleich des Wirklichen mit dem Möglichen. Dieser Vergleich stellt die Abbildungseigenschaft her, es ist die Fregesche
Bedeutung eines Satzes, die logischen Formen sind der
Sinn der sprachlichen, also nach Wittgenstein und Frege logischen Beziehungen in der Form der Bezeichnungen.
Der Haken an der Sache ist, daß es nach 2.225 kein apriori wahres Bild geben kann, das bedeutet, daß Wahrheit auf inhaltliche beschränkt wird, also auf empirische, weil nur bei ihr das Bild mit dem Urbild der Abbildung verglichen wird/werden kann, und damit als wahr oder nicht wahr festgestellt werden kann.
Wittgenstein glaubt aber, diese Klippe umschiffen zu können, indem er Faktizität und Tatsachen, Sachlagen trennt (siehe 3.142 und 3.144). Namen sind die Referenzen der sprachlichen Bilder, also die Bedeutungen im Fregeschen Sinn.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 17:47
von Quk
Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑ Mo 30. Dez 2024, 15:40
Quk hat geschrieben : ↑ Mo 30. Dez 2024, 10:12
Vielleicht liege ich falsch, aber ich lese Wittgensteins Äußerung in diesem Sinne:
Einen wahren Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist.
Einen unwahren Satz verstehen, heißt, nicht wissen was der Fall ist.
Das stimmt manchmal, aber nicht allgemein.
<Nicht "Einen wahren Satz verstehen"> ist nicht gleichbedeutend mit <"Einen unwahren Satz verstehen">, Du darfst die Negation nicht einfach nach Innen ziehen.
Das ist mir klar, Wolfgang. Aber welche der beiden möglichen Negationen hat Wittgenstein gemeint? Die Negation des Satzverstehens oder die Negation des Fallwissens? Mein Eindruck ist, er meinte letzteres.
"Die Erde ist eine Scheibe". Ich verstehe diesen Satz, obwohl er unwahr ist. Der Satz sagt mir aber nicht, was der Fall ist. (Sie ist keine Scheibe, das ist der Fall.)
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 19:52
von Wolfgang Endemann
Man kann ja viele Einwände haben gegen Wittgenstein. Aber er war Logiker, also meinte er: Einen Satz verstehen heißt wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist, und wissen, was nicht der Fall ist, wenn er nicht wahr ist. Oder kurz: Einen Satz verstehen heißt wissen, was der Fall ist genau dann, wenn er wahr ist.
Re: Was sind Begriffe?
Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 19:58
von Timberlake
Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑ Mo 30. Dez 2024, 15:49
Timberlake hat geschrieben : ↑ Mo 30. Dez 2024, 02:45
Ganz meiner Meinung , heißt es doch bei Wittgenstein ..
Dieser von Dir zitierte Satz 3.4 ist ganz entscheidend für die Diskussion des Satzes 4.024. Er zeigt nämlich, daß Wittgenstein durchaus die Problematik spürt, sie aber nicht benennen kann. Man muß, wenn man die Sprache als Bildbereich einer Abbildung der Realität begreift (tractatus, Punkt 2), der Sprache einen anderen Raum zuweisen als den Raum der Realität. Das ist der logische Raum, Denkraum. Sprachobjekte sind Objekte im logischen Raum, in dem sie nur in logischer Form existieren. Sinnvolles Sprechen ist Sprechen über reale Dinge, die auf die logischen Formen abgebildet sind. Welche Formen gelten, muß offen sein, ist eine Frage des Vergleichs der Logik in der Sprache mit der Tatsächlichkeit in der Welt. Gedanken sind Objekte im Denkraum, das ist der Möglichkeitsraum der Logik und Mathematik, der Möglichkeitsraum der sinnvollen Sätze. Hier hätte Wittgenstein einfügen können: der formalen, apriorischen Wahrheit. Die inhaltliche Wahrheit ergibt sich aus dem Vergleich des Wirklichen mit dem Möglichen. Dieser Vergleich stellt die Abbildungseigenschaft her, es ist die Fregesche
Bedeutung eines Satzes, die logischen Formen sind der
Sinn der sprachlichen, also nach Wittgenstein und Frege logischen Beziehungen in der Form der Bezeichnungen.
Der Haken an der Sache ist, daß es nach 2.225 kein apriori wahres Bild geben kann, das bedeutet, daß Wahrheit auf inhaltliche beschränkt wird, also auf empirische, weil nur bei ihr das Bild mit dem Urbild der Abbildung verglichen wird/werden kann, und damit als wahr oder nicht wahr festgestellt werden kann.
Wittgenstein glaubt aber, diese Klippe umschiffen zu können, indem er Faktizität und Tatsachen, Sachlagen trennt (siehe 3.142 und 3.144). Namen sind die Referenzen der sprachlichen Bilder, also die Bedeutungen im Fregeschen Sinn.
Bekanntermaßen habe ich ein Faibel für Beispiele
Quk hat geschrieben : ↑ Mo 30. Dez 2024, 17:47
"Die Erde ist eine Scheibe". Ich verstehe diesen Satz, obwohl er unwahr ist. Der Satz sagt mir aber nicht, was der Fall ist. (Sie ist keine Scheibe, das ist der Fall.)
Um an dieser Stelle dazu @Quk mit ins Boot zu holen. Wie wäre es denn, wenn du das an den Satz "Die Erde ist eine Scheibe" erklärst. Wenngleich ich jetzt dabei keinen Unterschied zum Satz: "Der Mond ist aus Käse" sehe. Anhand dessen ich im Beitrag 86772 meine Sichtweise dazu dargelegt habe. Eine Sichtweise, wonach der besagte Satz: "der Mond ist aus Käse", auf den sich hier dazu bezogen wurde, ganz sicher kein Bild der Wirklichkeit ist (vgl. 4.05, 4.06 Ludwig Wittgenstein … Logisch-philosophische Abhandlung). An dem aber zugleich gemäß den "logischen Koordinaten" tatsächlich nichts zu bemängeln gibt (vgl.3.4. 3.41,3.411, 3.42)
Das würde übrigens auch mit dem Satz: "Die Erde ist eine Scheibe" funktionieren,
wie überhaupt bei allen Sätzen, die nicht der Fall sind
Die nicht der Fall und somit nicht wahr sind. Somit das von mir dargestellte dem gerecht werden dürfte , was man allgeinhin
als Universalismus bezeichnet und zwar ..
eine Auffassung, die das Allgemeine (..bei allen Sätzen) dem Besonderen ( Satz "der Mond ist aus Käse", "Die Erde ist eine Scheibe" ) überordnet. Wenn man davon ausgeht , dass dieses Allgemeine als Gleiches übrig bleibt, könnte man allerdings auch sagen ..
bzw. wenn man am Allgemeinem die Logik festmacht ..
Die Logik (..bei allen Sätzen) handelt von jeder Möglichkeit und alle Möglichkeiten ( Satz "der Mond ist aus Käse", "Die Erde ist eine Scheibe" ... ) sind ihre Tatsachen