Meinung

Hier geht es einerseits um die Erörterung logischer Grundstrukturen in der Philosophie und andererseits um Sprachanalyse als philosophische Methode, Theorien der Referenz und Bedeutung, Sprechakttheorien u.ä.
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Jörn Budesheim
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Do 23. Jan 2025, 08:51

"Ich bin der Meinung, dass 7 + 5 = 12 ist." Ist das wirklich eine Meinung? Natürlich nicht. Aber warum? Nehmen wir ein anderes Beispiel. Der kleine Hans hat die Puppe seiner Schwester im Wohnzimmerschrank versteckt. Als sie ihn fragt, ob er die Puppe irgendwo gesehen hat, antwortet er: Ich bin der Meinung, die Puppe ist in der Küche. Ist das eine Meinung? Natürlich nicht. Und warum nicht? Wenn die Mutter ihn zur Rechenschaft zieht und Hans sich (das hat er irgendwo gehört) auf die Meinungsfreiheit bezieht, wie sollte sie ihm den Unterschied zwischen einer Lüge und einer Meinung erklären? 




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Dia_Logos
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Do 23. Jan 2025, 08:52

Kanzlei Plutte hat geschrieben : 1. Was ist eine Meinungsäußerung?
Eine Meinungsäußerung (alias Werturteil) ist gekennzeichnet durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.09.2015, Az. 1 BvR 3217/14). Im Gegensatz zu Tatsachenbehauptungen sind Meinungsäußerungen wegen des subjektiven Bezug des Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung nicht dem Beweis zugänglich, das heißt nicht überprüfbar im Sinne von wahr oder falsch.

https://www.ra-plutte.de/faq-zum-aeusse ... aeusserung
juracademy.de hat geschrieben : Umstritten ist, ob Tatsachenäußerungen in den sachlichen Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen. Teilweise wird vertreten, Tatsachenäußerungen seien keine Meinungsäußerungen, weil sie keine Wertung enthielten. Das Bundesverfassungsgericht differenziert dagegen: Die Äußerung einer Tatsache stellt im strengen Sinne keine Äußerung einer Meinung dar, weil ihr gerade das für eine Meinung charakteristische Element der Wertung fehlt.

[...]

Abgesehen von Tatsachenäußerungen, die Voraussetzung für die Meinungsbildung sind, stehen auch Fragen unter dem Schutz der Meinungsfreiheit. Die bewusste Behauptung unwahrer Tatsachen fällt demgegenüber nicht in den sachlichen Schutzbereich der Meinungsfreiheit, weil sie zur Meinungsbildung auf zutreffender Tatsachengrundlage nicht beitragen kann.

[...]

Hinweis: An die Wahrheitspflicht dürfen allerdings keine Anforderungen gestellt werden, die dazu führen, dass kaum jemand mehr bereit ist, von der Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen. Gefordert werden darf daher nur ein vertretbarer Aufwand, um die Richtigkeit der Tatsachenbehauptung zu überprüfen.

https://www.juracademy.de/grundrechte/m ... reich.html




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Dia_Logos
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Do 23. Jan 2025, 08:55

Wörterbuch der philosophischen Begriffe hat geschrieben : Meinung, mhd. meinunge >»Sinn«, Gedanke, Ansicht (gr. doxa, lat. opinio), das Fürwahrhalten von etwas, das nicht begründet oder bewiesen ist. Bei Plato der gegenüber dem Wissen (gr. episteme) mindere Grad an Nähe zur Wahrheit. Im Untersch. zu den philosophoi (den Weisheitsfreunden) kritisiert er die bloßen philo-doxoi (welche bloße Meinungsfreunde sind — vgl. auch Ideologie). Nach I. Kant (Kr7V, B 850) ist M. »ein mit Bewußtsein sowohl subjektiv als objektiv unzureichendes Fürwahrhalten. Ist das letztere nur subjektiv zureichend und wird zugleich für objektiv unzureichend gehalten, so heißt es Glauben. Endlich heißt das sowohl subjektiv als objektiv zureichende Fürwahrhalten das Wissen«. Nach G. W. Fr. Hegel ist M. »eine subjektive Vorstellung, ein beliebiger Gedanke, eine Einbildung, die ich so oder so, und ein anderer anders haben kann. Eine M. ist mein; sie ist nicht ein in sich allgemeiner, an und für sich seiender Gedanke. Die Philosophie aber ... ist objektive Wissenschaft der Wahrheit, Wissenschaft ihrer Notwendigkeit, begreifendes Erkennen, kein Meinen und Ausspinnen von M.en« (Vorles, über d, Gesch. d. Phil., Einl.). Vgl. T Intention, T öffentliche M.
Kant, KrV B 850 hat geschrieben : »Das Fürwahrhalten, oder die objektive Gültigkeit des Urteils, in Beziehung auf die Überzeugung (welche zugleich objektiv gilt), hat folgende Stufen: Meinen, Glauben und Wissen. Meinen ist ein mit Bewusstsein sowohl subjektiv als objektiv unzureichendes Fürwahrhalten. Ist das letztere nur subjektiv zureichend und wird zugleich für objektiv unzureichend gehalten, so heißt es Glauben. Endlich heißt das sowohl subjektiv als objektiv zureichende Fürwahrhalten das Wissen. Die subjektive Zulänglichkeit heißt Überzeugung (für mich selbst), die objektive Gewissheit (für jedermann).«
Vereinfacht/Schematisiert:
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spektrum.de hat geschrieben : Meinung
wird in der neuzeitlichen Philosophie zusammen mit dem Glauben und dem Wissen als ein Akt der Wahrheitsfindung bestimmt (zum antiken Begriff Doxa). Der M. oder dem Meinen werden die Eigenschaften des rein Subjektiven, Unbestimmten und Veränderlichen, sowie das Verhaftetsein an die sinnliche Wahrnehmung zugeschrieben. Damit ist die M. gegenüber dem Wissen ein defizienter Modus der Erkenntnistätigkeit. [...]

https://www.spektrum.de/lexikon/philoso ... inung/1288




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Dia_Logos
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Do 23. Jan 2025, 09:39

philomag.de hat geschrieben :
[...]

Einmal ganz naiv gefragt: Was unterscheidet Meinung denn von Wissen?

Christian Bermes: Die Frage ist natürlich alles andere als trivial, sie beschäftigt die Philosophie seit der Antike. Denken Sie nur an die Platonische Bestimmung von Wissen als wahre begründete Meinung. Wir können uns schnell darauf einigen, dass Wissensansprüche an Bedingungen geknüpft sind – etwa, um nur eine zu nennen, an die Bedingung, dass solche Ansprüche an objektiven Instanzen zu prüfen sind. Bedeutet dies aber, so die Frage, der ich nachgehe, dass im Unterschied zum Wissen Meinungen einfach bedingungslos als Meinungen verstanden dürfen? Ist es tatsächlich so, dass das Konzept der Meinung ohne Profil ist? Sind Meinungen nichts anderes als Fähnchen, die nach dem Wind flattern? Hier setzen meine Untersuchungen an.

In Ihrem Buch Meinungskrise und Meinungsbildung. Eine Philosophie der Doxa beschreiben Sie, dass wir heutzutage oft vorschnell zwischen „Meinungen“ und „objektiven Wissenschaften“ unterscheiden. Wie lässt sich dieser Unterschied philosophisch präziser fassen?

Christian Bermes: In meinem Buch stelle ich u.a. die Frage, ob wir nicht in verschiedenen Diskussionen einem Mythos erliegen, wenn es um Meinungen geht. Dies ist ein Teil dessen, was ich ausführlicher als Meinungskrise beschreibe. Der Mythos besteht u.a. darin, dass in der Einschätzung dessen, was Meinungen sein können, starke Voraussetzungen im Spiel sind, die leichthin unterstellt, aber kaum mehr diskutiert werden. Hierzu zählt etwa, dass man Meinungen mit einem Faktencheck zu begegnen habe, oder dass Meinungen nichts anderes als Vorlieben bzw. Präferenzen seien oder auch dass private Meinungen ‚subjektiver‘ seien als öffentliche Meinungen und beide unter verschiedene Bewertungsstandards fallen. Solche und weitere Annahmen werden in vielen Fällen als Selbstverständlichkeiten angesehen, kaum in Frage gestellt und eher kritiklos tradiert. Doch müsste man demgegenüber nicht sagen, dass Meinungen nicht einfach Fakten, sondern einem Wissen von Fakten gegenüberstehen – und welche Wissensformen lassen sich genau unterscheiden? Und wie steht es eigentlich mit der Demoskopie, die höchst künstliche Meinungsbilder inszeniert? Um welche Fakten handelt es sich hier genau? Und ist es tatsächlich so einfach, Meinungen schlicht als Vorlieben zu fassen und dabei jeden Sachgehalt auszublenden? Warum schließlich sollte man private Meinungen, was immer diese genau sein sollen, anders bewerten als öffentliche Meinungen? Und wo liegt hier genau die Differenz? Schon diese wenigen Nachfragen zeigen, dass die Vorannahmen eher eine Selbstverständlichkeit vorgaukeln. In einem solchen Setting geht man letztlich mit der Doxa um wie mit einem Sparringspartner, den man zuvor in eine wochenlange Diät geschickt hat, um sicher zu gehen, dass man gegen ihn auch gewinnt. Doch die Logik der Doxa ist im Unterschied zu dem eher einfachen Etikett der ‚bloßen Meinung‘ wesentlich komplexer, vielleicht sogar robuster und ideologieresistenter. Genau damit setze ich mich auseinander.

[...]

https://www.philomag.de/artikel/christi ... luniversum




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Jörn Budesheim
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Do 23. Jan 2025, 09:49

Ich weiß nicht, ob ich Kants Schema zustimme. Ich habe mir darüber noch keine richtige Meinung gebildet. Aber prima vista scheint mir das Schema nützlich zu sein. Meiner Meinung nach darf es aber nicht dazu verleiten, Meinungen als "bloß subjektiv" anzusehen, nur weil sie sich vom Wissen unterscheiden sind und als unsicher gelten.

Hier mal eine These: Wer Lügen oder Bullshit (im Sinne von H. Frankfurt) zu Meinungen nobiliert, der diskreditiert die Debattenkultur, die auf Meinungsvielfalt beruht.




Wolfgang Endemann
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Do 23. Jan 2025, 12:28

Dia_Logos hat geschrieben :
Do 23. Jan 2025, 08:55


Kants Ansatz vereinfacht/schematisiert:
Bild
Das Schema ist zu einfach.
Meine Meinung ist nicht Deine Deinung (= Deine Meinung) ist nicht seine Seinung (= seine Meinung). Meinung ist primär invividuelle Meinung, einem Subjekt zurechenbar, also subjektiv. Aber eine Meinung kann auch kollektiv sein, als Meinung eines Kollektivsubjekts, Meinungskollektivs. Ist die gesamte Menschheit das Kollektiv, ist es eine menschenspezifische Denkform, ist sie objektiv. Aber Meinungen werden nicht im luftleeren Raum der Abstraktion geboren, sondern entstehen im praktischen Kontext. Der Inhalt der Meinungen ist daher in der Regel nicht beliebig, sondern von den Bedingungen abhängig, unter denen er zustande kommt. Wie sehr unser Denken von der Weise unseres materiellen Seins abhängt, hat uns Marx gezeigt mit seinem in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangenen Begriff der "Ideologie", des notwendig falschen Bewußtseins. Es ist die richtige Abbildung einer falschen bzw nicht notwendigen, aber als nicht anders denkbaren Welt, deren Falschheit man nicht von Innen, erst von Außen erkennen kann. Etwas unspezifischer ist der allgemeinere Begriff der Ideologie, der nur besagt, daß ein Denkzusammenhang auf die Konsistenz einer Idee gegründet ist, womit man in kritischer Absicht sagen will, daß etwas rein logisch gedacht wird, aber nicht in einer korrespondierenden Realität verankert ist. Immerhin enthält auch dieser Begriff der Ideologie eine bedingte Objektivität, ist nicht rein willkürlich.

Meinungen können mow gute Bestätigungen erfahren und so fließend in das übergehen, was man Wissen nennt. Das sind dann objektivierte Meinungen. Absolutes Wissen, also eine völlig objektivierte Meinung, kann man nur in erfahrungsunabhängigen Sachverhalten haben, das gibt es nur im formalen Denken, in Logik und Mathematik. Das sind die notwendigen Denkformen, ohne die man nicht sinnvoll sprechen kann.
Aber selbstverständlich kann man der Objektivität so nahe kommen, daß man keine konkreten Zweifel mehr hat. So haben wir an der Gültigkeit der Newtonschen Mechanik in unserer Mesowelt keine begründbaren Zweifel, wissen aber um die Grenzen dieser Objektivität. Wenn uns ein Guru erzählt, daß er durch rein geistige Konzentration wochenlang ohne Nahrungsaufnahme leben kann oder eine Viertelstunde ohne Luft auskommt, erklären wir ihn zurecht für verrückt.
Wo wir den Umschlagspunkt von Meinung in Wissen ansetzen, ist jenseits wissenschaftlicher Forschung ziemlich subjektiv. Es gibt Skeptiker und Naive, die sich enorm in dem unterscheiden, was sie für objektiv wahr halten.

Das Schema meinen-glauben-wissen ist insofern korrekt, als Glauben einen Bereich bezeichnet, in dem man nicht wissen kann, glauben muß, aber der Glaube so stark, sicher ist, daß man ihn sogar für wahrer hält als das bloße Wissen. Allerdings gilt das nur für die Gläubigen, für die Ungläubigen ist der Glaube eine größere Torheit, Tollheit als eine spleenige Meinung, Andersgläubige geraten leicht in tödliche Auseinandersetzungen um den wahren Glauben. Ich möchte nicht verschweigen, daß es auch einen mit der Vernunft kompatiblen Glauben gibt, der Zweifel neben Gewißheit gelten läßt und der erklären kann, warum zumindest ein Leben als-ob der Glaube Wahrheit wäre sinnvoll ist.

Ansonsten ist das Schema hauptsächlich problematisch, weil es klar trennt, wo es nur fließende Übergänge gibt.




Wolfgang Endemann
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Do 23. Jan 2025, 12:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 23. Jan 2025, 09:49


Hier mal eine These: Wer Lügen oder Bullshit (im Sinne von H. Frankfurt) zu Meinungen nobiliert, der diskreditiert die Debattenkultur, die auf Meinungsvielfalt beruht.
Nein, das sollte man funktional beurteilen. Eine Debatte, die auf die Klärung von Sachverhalten, die Objektivierung von Meinungen, kurz auf Wahrheit aus ist, muß Lügen, Bullshit, aber auch die Meinungsvielfalt ausschalten, alles bloß subjektive. Meinungsvielfalt heißt a˄⌐a, Wahrheit im strengen, objektiven Sinn heißt ⌐(a˄⌐a). Nur wenn man einen Relativbegriff von Wahrheit hat, also im Unterschied zur absoluten Wahrheit eine subjektive Wahrheit, und damit eine Pluralität von Wahrheiten anerkennt, haben Meinungen ihren Sinn, dann haben Debatten die Funktion, diese Vielfalt jenseits der Diktatur der keinen Widerspruch duldenden Wahrheit sichbar werden zu lassen.

In dieser Debatte kommt das funktionale Sprechen zu seinem Recht. Um eine Meinung zur Geltung zu bringen, werden Argumente funktionalisiert, es wird manipuliert, die Sprache wird strategisch eingesetzt. Da kommen Lügen, Täuschungen, Nebelkerzen usw ins Spiel, ich rede gerne vom "mit der Wahrheit lügen" und umgekehrt von der "Lüge im Dienste der Wahrheit", dekonstruktiver Bullshit kann befreiend wirken, usw. Selbstverständlich gilt immer noch, daß man allgemein mit relativen Wahrheiten am weitesten kommt, aber auch paradoxe Interventionen haben ihren Platz in diesem Meinungsstreit. Besonders herausstellen möchte ich die Suggestivwirkung, die Verführungskraft von Schönheit. Und Humor, Scherz, Satire, Ironie, Rhetorik. Wollen wir auf "schöne Lügen" verzichten?




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Jörn Budesheim
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Do 23. Jan 2025, 12:49

Eine gängige Formulierung aus dem Alltag ist: "Darüber kann man geteilter/verschiedener Meinung sein." Das scheint mir ein wichtiger Punkt zu sein.




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Jörn Budesheim
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Wenn jemand an eine wortreiche Bekundung folgendes hängt: "Ist nur meine Meinung", dann kann man in der Regel ziemlich sicher sein, dass es gerade nicht die Meinung des Betreffenden ist, sondern irgendein Mem.




Timberlake
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Do 23. Jan 2025, 22:14

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Do 23. Jan 2025, 12:28
Aber Meinungen werden nicht im luftleeren Raum der Abstraktion geboren, sondern entstehen im praktischen Kontext. Der Inhalt der Meinungen ist daher in der Regel nicht beliebig, sondern von den Bedingungen abhängig, unter denen er zustande kommt.

  • "Ich darf mich niemals unterwinden, zu meinen, ohne wenigstens etwas zu wissen, vermittelst dessen das an sich bloß problematische Urteil eine Verknüpfung mit Wahrheit bekommt, die, ob sie gleich nicht vollständig, doch mehr als willkürliche Erdichtung ist."
    Immanuel Kant .. Kritik der reinen Vernunft

Einem Kontext, von dem Kant übrigens sagt, dass man dazu wenigstens etwas wissen muss. Von daher wäre nach Ansicht von Kant , der Inhalt der Meinungen in der Regel nicht beliebig,




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Consul
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Fr 24. Jan 2025, 04:03

Dia_Logos hat geschrieben :
Do 23. Jan 2025, 08:52
Kanzlei Plutte hat geschrieben : 1. Was ist eine Meinungsäußerung?
Eine Meinungsäußerung (alias Werturteil) ist gekennzeichnet durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.09.2015, Az. 1 BvR 3217/14). Im Gegensatz zu Tatsachenbehauptungen sind Meinungsäußerungen wegen des subjektiven Bezug des Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung nicht dem Beweis zugänglich, das heißt nicht überprüfbar im Sinne von wahr oder falsch.

https://www.ra-plutte.de/faq-zum-aeusse ... aeusserung
* Nicht alle Meinungen sind Werturteile. Wenn ich der Meinung bin, dass Trump einen schlechten Charakter hat, dann ist das ein Werturteil; aber es ist kein Werturteil, wenn ich der Meinung bin, dass Trump in New York geboren wurde. Diese Meinung ist außerdem objektiv überprüfbar.

* Nicht alle Meinungen sind bloße Meinungen, d.i. unbegründete/ungerechtfertigte/unbewiesene Fürwahrhaltungen. Eine Lehrmeinung als eine "innerhalb einer Wissenschaft allgemein anerkannte Meinung" (DUDEN) ist keine bloße Meinung.

* Ich meine, dass Meinen Wissen genauso wenig ausschließt wie Glauben. – "Was ich weiß, das glaube ich." (L. Wittgenstein, Über Gewissheit, §177) – Was ich weiß, das meine ich.

* Was genau ist eine "Tatsachenbehauptung"? Wenn man behauptet, dass p, dann stellt man p als Tatsache hin. In diesem Sinn sind alle Behauptungen Tatsachenbehauptungen. In einem anderen Sinn sind nicht alle Behauptungen Tatsachenbehauptungen, sondern nur solche, die einen Sachverhalt als Tatsache hinstellen, der wirklich eine Tatsache ist.

* Wer lügt, der stellt einen Sachverhalt als Tatsache hin, von dem er weiß, dass er keine Tatsache ist.



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Fr 24. Jan 2025, 04:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 23. Jan 2025, 08:51
"Ich bin der Meinung, dass 7 + 5 = 12 ist." Ist das wirklich eine Meinung? Natürlich nicht. Aber warum? Nehmen wir ein anderes Beispiel. Der kleine Hans hat die Puppe seiner Schwester im Wohnzimmerschrank versteckt. Als sie ihn fragt, ob er die Puppe irgendwo gesehen hat, antwortet er: Ich bin der Meinung, die Puppe ist in der Küche. Ist das eine Meinung? Natürlich nicht. Und warum nicht? Wenn die Mutter ihn zur Rechenschaft zieht und Hans sich (das hat er irgendwo gehört) auf die Meinungsfreiheit bezieht, wie sollte sie ihm den Unterschied zwischen einer Lüge und einer Meinung erklären? 
Wenn Hans sagt, er sei der Meinung, dass die Puppe in der Küche ist, dann ist das eine Lüge, weil er dies nicht wirklich meint—wissend, dass die Puppe nicht in der Küche ist.



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Jörn Budesheim
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Fr 24. Jan 2025, 08:02

Das Tunwort "meinen" und das Dingwort "Meinung" haben (nicht immer, aber oft) verschiedene Bedeutungsnuancen, denke ich. Hier eine kleine Sammlung: 
  • „Was meinst du mit dieser Aussage?“ 
  • „Ich meine, es ist ungefähr fünf.“ 
  • „Ich meine, dass Ehrlichkeit wichtig ist.“ 
  • „Mit dieser Kritik meinte er dich.“ 
  • „Er meint es gut mit dir.“ 
  • „Ich meine, wir sollten einen anderen Weg ausprobieren.“ 
  • ...
Nicht in all diesen Fällen ist mit "meinen" das gleiche wie mit Meinung gesagt. Wenn also beispielsweise Hans etwas sagt, was ich nicht verstehe, und ich ihn frage, was er meint, frage ich nicht nach seiner Meinung, sondern nach der Bedeutung dessen, was er gesagt hat. Wenn ich jemanden nach der Uhrzeit frage, und sie antwortet, ich meine, es ist 5 Uhr, dann ist das keine wirkliche Meinungsäußerung, also nicht das, was zum Beispiel bei Meinungsumfrage erforscht wird oder eine Meinung im Sinne des Gesetzes, sondern eine Schätzung oder dergleichen. Vereinfacht gesagt - ich will damit keine feste Definition vorschlagen, sondern nur eine erste Daumenregel für einige der obigen Fälle - die Bedeutung hängt schließlich stark vom Kontext ab, in dem das Wort verwendet wird: 
  • "Meinen" kann sich auf die Bedeutung/Intention einer Aussage beziehen (Was willst du damit sagen?),
  • "Meinen" kann eine Vermutung/Annahme ausdrücken (Ich glaube/vermute...).
  • ...
  • "Meinung" hingegen bezeichnet in der Regel (aber nicht immer) eher so etwas wie eine persönliche Überzeugung/Ansicht zu einem Thema. 




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Jörn Budesheim
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Fr 24. Jan 2025, 08:38

Consul hat geschrieben :
Fr 24. Jan 2025, 04:03
Wenn ich der Meinung bin, dass Trump einen schlechten Charakter hat, dann ist das ein Werturteil; aber es ist kein Werturteil, wenn ich der Meinung bin, dass Trump in New York geboren wurde. Diese Meinung ist außerdem objektiv überprüfbar.
Ich denke, wir haben es hier mit zwei verschiedenen Bedeutungen von "Meinung" zu tun. Ein vergleichbares Beispiel:
"Ich bin der Meinung, dass dieser Film langweilig ist." (Eher eine "subjektives" Werturteil)
"Ich bin der Meinung, dass dieser Film 120 Minuten dauert." (Objektiv überprüfbare Tatsache)


Im zweiten Fall ist eher so etwas wie eine Annahme/Vermutung gemeint. Zweimal dasselbe Wort, aber verschiedene Begriffe, auch wenn sie sich überschneiden, denn beide beinhalten so etwas, wie ein Fürwahrhalten, denke ich.




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Fr 24. Jan 2025, 08:38

Zur Gesamtheit der Bedeutungen von "meinen" und "Meinung", siehe:

https://www.dwds.de/wb/dwb/meinen#GM03435

https://www.dwds.de/wb/dwb/meinung



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Fr 24. Jan 2025, 08:42

Zur Zeit der Brüder Grimm wurde vielleicht mit dem Wort "Meinung" etwas anderes gemeint als heute. Auf welche Aspekte willst du hinaus?




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Fr 24. Jan 2025, 08:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 24. Jan 2025, 08:38
Ich denke, wir haben es hier mit zwei verschiedenen Bedeutungen von "Meinung" zu tun. Ein vergleichbares Beispiel:
"Ich bin der Meinung, dass dieser Film langweilig ist." (Eher eine "subjektives" Werturteil)
"Ich bin der Meinung, dass dieser Film 120 Minuten dauert." (Objektiv überprüfbare Tatsache)


Im zweiten Fall ist eher so etwas wie eine Annahme/Vermutung gemeint. Zweimal dasselbe Wort, aber verschiedene Begriffe, auch wenn sie sich überschneiden, denn beide beinhalten so etwas, wie ein Fürwahrhalten, denke ich.
Das Fürwahrhalten als solches ist eines, und dessen Grund oder Ursache ist etwas anderes. Wenn Kant sagt, "Meinen ist ein mit Bewusstsein sowohl subjektiv als objektiv unzureichendes Fürwahrhalten", dann baut er eine bestimmte Antwort auf die Frage des Begründetseins oder Gerechtfertigtseins des Fürwahrhaltens in die Definition von "meinen" ein. Laut Kants Definition kann Meinen niemals Wissen sein.



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Jörn Budesheim
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Consul hat geschrieben :
Fr 24. Jan 2025, 08:53
Laut Kants Definition kann Meinen niemals Wissen sein.
Das halte ich auch für eine Selbstverständlichkeit, ich kann nicht meinen, dass 7+5=12 ist.




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Fr 24. Jan 2025, 09:18

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 24. Jan 2025, 08:56
Consul hat geschrieben :
Fr 24. Jan 2025, 08:53
Laut Kants Definition kann Meinen niemals Wissen sein.
Das halte ich auch für eine Selbstverständlichkeit, ich kann nicht meinen, dass 7+5=12 ist.
Wenn "Wissen" als "gerechtfertigtes wahres Glauben" definiert wird, dann kann es genauso gut als "gerechtfertigtes wahres Meinen" definiert werden.



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Wolfgang Endemann
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Fr 24. Jan 2025, 10:22

Consul hat geschrieben :
Fr 24. Jan 2025, 09:18


Wenn "Wissen" als "gerechtfertigtes wahres Glauben" definiert wird, dann kann es genauso gut als "gerechtfertigtes wahres Meinen" definiert werden.
Richtig. Wenn Meinen Wissen sein kann, und Wissen Meinen, sind das keine sinnvollen Begriffe mehr. Oder man versteht sie dialektisch. Dann ist der Übergang fließend. Es gibt kein absolutes inhaltliches Wissen. Denn das müßte erfahrungsunabhängig sein. Es gibt allerdings ein erfahrungsunabhängiges Wissen: Logik und Mathematik. Ich kann absolut wissen, daß der Satz von Pythagoras richtig ist, wenn ich den Beweis verstanden habe. Wenn ich nur meine, daß er richtig ist, habe ich ihn noch nicht verstanden, weiß also nicht.
Andrerseits gibt es Erfahrungen, die so gut bestätigt sind, daß ich mit gutem Grund behaupten kann, ich weiß, es ist nicht bloß eine Meinung. ZB die Newtonsche Mechanik. Ich weiß sogar, daß sie nicht überall gilt. Empirisches (also inhaltliches) "Wissen, daß nicht" ist absolut möglich, aber nicht "Wissen, daß", das ist uns seit Popper klar.




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