Rhetorik, Sprache und Philosophie

Hier geht es einerseits um die Erörterung logischer Grundstrukturen in der Philosophie und andererseits um Sprachanalyse als philosophische Methode, Theorien der Referenz und Bedeutung, Sprechakttheorien u.ä.
Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Mi 29. Nov 2017, 20:05

Nauplios hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 17:18
"Kriechspur ... Gelände ... Schritte ... Kurs"

Vier Metaphern in drei Sätzen. Mehr Rhetorik geht kaum. Das gibt's natürlich auch bei den Großen und beliebt sind die Stilmittel der Rhetorik insbesondere dort, wo ihr Verruf ausgeprägt ist.
Aber sind denn einzelne Analogien bereits Metaphern, oder braucht es mehr als nur die übertragene Rede über etwas als etwas anderes? Friederike hat ja vom ‚Zugang zum Bildbereich‘ gesprochen, das gefällt mir. Ist aber das Verbildlichen eines Gedankens durch die Wiedergabe in Entsprechungen bereits Rhetorik? Ich vermute ja, aber ich bin nicht sicher, ob einzelne Wörter ausreichen, um diesen Zugang zum Bildbereich zu öffnen, gehört doch das panoramische Ganze, in welches die Analogie eingebettet ist, zum explizierenden Gehalt von Metaphern.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Nauplios

Mi 29. Nov 2017, 21:06

Analogien sind keine Metaphern, sind aber genauso Stilmittel der Rhetorik wie Metaphern, Allegorien, Katachresen, Metonymien u.a.

s. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Analogie_(Rhetorik)




Benutzeravatar
novon
Beiträge: 358
Registriert: Mo 7. Aug 2017, 01:01

Mi 29. Nov 2017, 22:14

Friederike hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 13:38
apropos Begriff + begreifen - "Begriff", übertragen aus dem sinnlich-haptischen Bereich in den geistigen Bereich. Fällt das auch unter Metapher?
Ja klar. Allerdings hat sich der Begriff (von Begriff) mittlerweile recht deutlich von der ursprünglich vorliegenden Metapher emanzipiert (ist allgemeiner zu denken). *g




Benutzeravatar
Philosophist
Beiträge: 136
Registriert: Sa 12. Aug 2017, 20:01

Do 30. Nov 2017, 09:29

Nauplios hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 21:06
Analogien sind keine Metaphern, sind aber genauso Stilmittel der Rhetorik wie Metaphern, Allegorien, Katachresen, Metonymien u.a.

s. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Analogie_(Rhetorik)
Und diese behandelt Quintillian beispielsweise in seinem Buch über die "Ausbildung des Redners" recht ausführlich. Eine recht empfehlenswerte Lektüre ;)



φιλοσοφος και σοφιστες

"(...) sondern weil die Philosophie wesentlich eine menschliche, d.h. endliche Möglichkeit ist, deshalb steckt in jedem Philosophen ein Sophist." (Heidegger ,Gesamtausgabe, Band 27, S.24)

Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Do 30. Nov 2017, 13:08

H/P hat geschrieben : Philosophie und Rhetorik in ihrem wechselseitigen Bedingungsverhältnis in den Blick zu nehmen und als eine kritisch-reflexive Praxis zu begreifen, heißt folglich zweierlei: einerseits die Verfahren einer objektiven , systematischen, neutralen und unparteilichen Analyse, Prüfung und Beurteilung genauestens durchzuführen und andererseits die nichtphilosophischen Kräfte der Zerstreuung - der Textualität , Medialität , Diskursivität usw. radikal zu entfalten. [...] (Hetzel/Posselt 2017, S.10)
Das klingt großartig. Versteht eine/r außer mir ebenfalls nicht, wie diese Unternehmung durchgeführt werden soll? Textgrundlage dürften philosophische Texte bilden, die auf rhetorische Elemente hin untersucht werden. Aber eine Entfaltung der zerstreuten Kräfte ... ???
Philosophist hat geschrieben : Was ist also von einem "rhetorisch reflektierten Philosophieren" zu halten? Wer könnte als Beispiel eines solchen Philosophierens aus der Philosophiegeschichte aufgefasst werden?
Blumenberg zweifellos -und Blumenberg wäre insofern darüberhinaus ein die These von H/P stützendes Beispiel, als er in philosophischen Kreisen nicht die Anerkennung gefunden hat, die er meines Erachtens verdient. Die Verbannung des Rhetorikers, der -u.a.- die Rhetorik thematisiert.

Pers. Anmerkung: Ich schreibe derzeit meistens auf meinem Laptop, das eine grauslich hakende Tastatur hat. Aus diesem Grunde fasse ich mich noch kürzer als für gewohnt.:lol:




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Do 30. Nov 2017, 17:14

@Philosophist, vielleicht könntest Du, wenn Du wolltest, Bild zu meiner obigen Frage einige Ansätze bzw. Themenfelder nennen?, die in dem Handbuch dargelegt werden - wie man sich das vorzustellen hat, daß die Textualität, die Medialität und die Diskursivität radikal entfaltet werden sollen.




Nauplios

Do 30. Nov 2017, 19:25

Nur ein kurzer Einspruch:

Blumenberg hat in philosophischen Kreisen nicht die Anerkennung gefunden, die er verdient??

Aber Friederike! :-)

Selbst das der Philosophie recht unverdächtige Kalenderblatt weist Blumenberg als einen der "bedeutendsten Philosophen der deutschen Nachkriegsgeschichte" aus.

http://www.kalenderblatt.de/index.php?w ... =1&lang=de




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Fr 1. Dez 2017, 10:42

Nauplios hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 19:25
Nur ein kurzer Einspruch: Blumenberg hat in philosophischen Kreisen nicht die Anerkennung gefunden, die er verdient??
Aber Friederike! :-)
Hm, Deine freundlich ermahnenden Worte bedenkend, wird mir klar, daß ich Blumenberg gerne kanonisiert sähe. Das ist der Maßstab, an dem ich gemessen habe. Diese höhere Weihe hat sein Werk nicht erfahren, oder? Widersprich' nicht. :lol:




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23542
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 1. Dez 2017, 10:49

Kanon, Kanon? Da war doch was :-)
Nauplios hat geschrieben :
So 26. Nov 2017, 19:19
...aus dem Kanon jener Philosophen und Philosophinnen, denen man im Allgemeinen den Status von Klassikern anerkennt. Die Wirkungsgeschichte solcher Texte in der Philosophie ist ein erster Indikator für den Stellenwert, den solche Texte haben. Wer einen solchen Text liest, begibt sich meist in eine Kathedrale aus Gedanken und ihren historischen Voraussetzungen, die ihren Besuchern ein gewisses Maß von An-dacht und Mit-dacht abnötigt. Wie bei einer Gruppenführung durch einen Dom wirken die unterschiedlichen Geschichten, verzweigte Winkel und Nischen, unterirdische Gänge, Geheimtüren, Platten, Altäre, Fenster, eine Krypta, eine Apsis, Statuen, Kanzel, Emporen, Geläut, Orgel, Skulpturen, Taufbecken, Tabernakel ... auf die Besucher. Der eine hält sich mehr hier, der andere mehr dort auf, einer mag eine Erleuchtung haben, ein anderer wiederum schläft ein. Der Ort, an dem die Leser sich befinden, spricht, flüstert bisweilen. Tausende Textbesucher haben sich vorher in den Kirchenbänken niedergelassen, haben um Textverständnis gebetet, sind vielleicht auch fluchend wieder gegangen und manch einer hat sich in dem harten Holz des Gestühls zu verewigen versucht. Die ganze Textkathedrale atmet - manchmal den Geist von Jahrhunderten, solchen die vergangen sind, solchen, die noch kommen. Auch in 2000 Jahren werden die Philosophen Platon lesen.
Dann warten wir einfach ab, wie es in 2000 Jahren mit der Blumenberg-Lektüre aussieht :-)




Nauplios

Fr 1. Dez 2017, 12:00

Blumenberg war sicher ein völlig bedeutungsloser Philosoph, über den wir hier in diesem erlauchten Kreis kein weiteres Wort verlieren müssen, zumal er von Rhetorik nichts verstanden hat. Und eine internationale Blumenberg-Konferenz in Hamburg im November 2008 hat es nie gegeben, ebensowenig eine Blumenberg-Tagung im Mai 2015 in Jerusalem. Ich will Euch nicht länger mit Bedeutungslosem behelligen.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Fr 1. Dez 2017, 12:24

Ihr kennt mich, ich ziehe mich verschämt zurück mit der Frage, :oops: wie ich nur zu meiner (Fehl-) Einschätzung habe kommen können ...




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23542
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 1. Dez 2017, 12:57

Wieso verschämt zurück ziehen? Ist doch schön zu wissen, dass Blumenberg für uns ein Philosophen von Format sein darf, obwohl wir noch nicht sagen können, ob er zu dem fraglichen Kanon gerechnet werden wird. Das gibt uns selbst und unserem eigenen Urteil schließlich eine gewisse Freiheit und Bedeutung.




Benutzeravatar
Philosophist
Beiträge: 136
Registriert: Sa 12. Aug 2017, 20:01

Sa 2. Dez 2017, 08:58

Friederike hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 13:08
Das klingt großartig. Versteht eine/r außer mir ebenfalls nicht, wie diese Unternehmung durchgeführt werden soll? Textgrundlage dürften philosophische Texte bilden, die auf rhetorische Elemente hin untersucht werden. Aber eine Entfaltung der zerstreuten Kräfte ... ???
Nun es ist nicht ganz einfach , was die "Entfaltung der zerstreuten Kräfte" anbetrifft... Vielleicht sollte man sich (zunächst) auf die rhetorische Elemente in philosophischen Texten konzentrieren (wie Metaphern und andere rhetorische Mittel). Diese sind durchaus ausfindig zu machen in philosophischen Texten, z.B. bei Platon.
Friederike hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 13:08

Blumenberg zweifellos -und Blumenberg wäre insofern darüberhinaus ein die These von H/P stützendes Beispiel, als er in philosophischen Kreisen nicht die Anerkennung gefunden hat, die er meines Erachtens verdient. Die Verbannung des Rhetorikers, der -u.a.- die Rhetorik thematisiert.

Natürlich kann man an Blumberg denken, was die Philosophie des 20. Jahrhunderts anbetrifft. Er war wie Nietzsche auch klassischer Philologe und hat sich daher auch mit der antiken Rhetorik befasst. Wenn man so will kann man sein Philosophieren wie das von Nietzsche als ein rhetorisches Philosophieren auffassen. Und ihm war sicherlich auch die rhetorische Verfasstheit seiner philosophischen Texte nicht unbekannt (auch Blumenberg wusste was Metaphern sind).

Ob Blumenberg in philosophischen Kreisen Beachtung gefunden hat oder nicht, das vermag ich weniger zu beurteilen. Auf jedenfall gehört er zu denjenigen der die Rhetorik im philosophischen Diskurs thematisiert hat im 20. Jahrhundert , neben Adorno und anderen.
Friederike hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 13:08
Pers. Anmerkung: Ich schreibe derzeit meistens auf meinem Laptop, das eine grauslich hakende Tastatur hat. Aus diesem Grunde fasse ich mich noch kürzer als für gewohnt[/size].:lol:
Was die letzte Anmerkung anbetrifft: das ist vollkommen okay!



φιλοσοφος και σοφιστες

"(...) sondern weil die Philosophie wesentlich eine menschliche, d.h. endliche Möglichkeit ist, deshalb steckt in jedem Philosophen ein Sophist." (Heidegger ,Gesamtausgabe, Band 27, S.24)

Benutzeravatar
Philosophist
Beiträge: 136
Registriert: Sa 12. Aug 2017, 20:01

Sa 2. Dez 2017, 09:16

Friederike hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 17:14
@Philosophist, vielleicht könntest Du, wenn Du wolltest, Bild zu meiner obigen Frage einige Ansätze bzw. Themenfelder nennen?, die in dem Handbuch dargelegt werden - wie man sich das vorzustellen hat, daß die Textualität, die Medialität und die Diskursivität radikal entfaltet werden sollen.
Ich werde es versuchen ;-)

Das ist ja -zur Erinnerung- das Ausgangszitat:

"Philosophie und Rhetorik in ihrem wechselseitigen Bedingungsverhältnis in den Blick zu nehmen und als eine kritisch-reflexive Praxis zu begreifen, heißt folglich zweierlei: einerseits die Verfahren einer objektiven , systematischen, neutralen und unparteilichen Analyse, Prüfung und Beurteilung genauestens durchzuführen und andererseits die nichtphilosophischen Kräfte der Zerstreuung - der Textualität , Medialität , Diskursivität usw. radikal zu entfalten. [...]" (Hetzel/Posselt 2017, S.10)

Ich möchte hierbei den Aspekt der Textualität aufgreifen. So heißt es im Handbuch auf Seite 10 und folgende:

"Texte sind das Medium, in dem und durch das sich das Philosophieren vollzieht und nicht einfach nur ein Mittel zu dessen Artikulation und Repräsentation. Zugleich steht kein philosophischer Texte für sich allein. Philosophische Theorien , Begriffe, und Konzeptionen sind eingeschrieben, in ein Geflecht intertextueller Bezüge: Philosophische Texte antworten auf andere Texte, nehmen diese auf , zitieren sie, schreiben sich in diese ein und provozieren weitere Texte. Das heißt auch , dass es eine klare Trennung zwischen Inhalt und Form philosophischer Texte, zwischen ihrem propositionalem Gehalt und der stilistischen Form , die sie annehmen, steng genommen nicht möglich ist. (...) Der Stil, die Wahl der Begriffe und der Einsatzpunkt des Sprechens bestimmen gleichermaßen das , was sich sagen lässt und das , was sich nicht sagen lässt, was der Text tut und vollzieht , die Effekte, die er erzielt, und die Wirkung, die er in den Leser/innen hervorruft (...) Philosophische Texte gehen folglich niemals in ihren Begriffen , ihrer argumentativen Struktur, ihren Bildern und Metaphern oder propositonalem Gehalt auf (...)" (S.11)

Gerade bei Nietzsches philosophischen Texten kann man nicht zwischen Inhalt und Form trennen, denn die dort verwendeten Metaphern haben ja auch entsprechenden rhetorischen Effekt auf den Leser.

Vielleicht kann ich damit zumindest teilweise auf deine Frage eingehen...ich habe mich (zunächst) einmal auf den Aspekt der Textualität konzentriert ;)



φιλοσοφος και σοφιστες

"(...) sondern weil die Philosophie wesentlich eine menschliche, d.h. endliche Möglichkeit ist, deshalb steckt in jedem Philosophen ein Sophist." (Heidegger ,Gesamtausgabe, Band 27, S.24)

Benutzeravatar
Philosophist
Beiträge: 136
Registriert: Sa 12. Aug 2017, 20:01

Sa 2. Dez 2017, 09:19

Friederike hat geschrieben :
Fr 1. Dez 2017, 10:42
Nauplios hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 19:25
Nur ein kurzer Einspruch: Blumenberg hat in philosophischen Kreisen nicht die Anerkennung gefunden, die er verdient??
Aber Friederike! :-)
Hm, Deine freundlich ermahnenden Worte bedenkend, wird mir klar, daß ich Blumenberg gerne kanonisiert sähe. Das ist der Maßstab, an dem ich gemessen habe. Diese höhere Weihe hat sein Werk nicht erfahren, oder? Widersprich' nicht. :lol:
Gibt es eigentlich mittlerweile einen philosophischen Kanon für das 20. Jahrhundert, der mittlerweile von den meisten akzeptiert wird? (Frage auch an die übrigen Mitglieder)

Oder ist dieser philosophische Kanon für das 20. Jahrhundert noch im Entstehen?



φιλοσοφος και σοφιστες

"(...) sondern weil die Philosophie wesentlich eine menschliche, d.h. endliche Möglichkeit ist, deshalb steckt in jedem Philosophen ein Sophist." (Heidegger ,Gesamtausgabe, Band 27, S.24)

Benutzeravatar
Philosophist
Beiträge: 136
Registriert: Sa 12. Aug 2017, 20:01

Sa 2. Dez 2017, 09:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 1. Dez 2017, 10:49
Kanon, Kanon? Da war doch was :-)
Nauplios hat geschrieben :
So 26. Nov 2017, 19:19
...aus dem Kanon jener Philosophen und Philosophinnen, denen man im Allgemeinen den Status von Klassikern anerkennt. Die Wirkungsgeschichte solcher Texte in der Philosophie ist ein erster Indikator für den Stellenwert, den solche Texte haben. Wer einen solchen Text liest, begibt sich meist in eine Kathedrale aus Gedanken und ihren historischen Voraussetzungen, die ihren Besuchern ein gewisses Maß von An-dacht und Mit-dacht abnötigt. Wie bei einer Gruppenführung durch einen Dom wirken die unterschiedlichen Geschichten, verzweigte Winkel und Nischen, unterirdische Gänge, Geheimtüren, Platten, Altäre, Fenster, eine Krypta, eine Apsis, Statuen, Kanzel, Emporen, Geläut, Orgel, Skulpturen, Taufbecken, Tabernakel ... auf die Besucher. Der eine hält sich mehr hier, der andere mehr dort auf, einer mag eine Erleuchtung haben, ein anderer wiederum schläft ein. Der Ort, an dem die Leser sich befinden, spricht, flüstert bisweilen. Tausende Textbesucher haben sich vorher in den Kirchenbänken niedergelassen, haben um Textverständnis gebetet, sind vielleicht auch fluchend wieder gegangen und manch einer hat sich in dem harten Holz des Gestühls zu verewigen versucht. Die ganze Textkathedrale atmet - manchmal den Geist von Jahrhunderten, solchen die vergangen sind, solchen, die noch kommen. Auch in 2000 Jahren werden die Philosophen Platon lesen.
Dann warten wir einfach ab, wie es in 2000 Jahren mit der Blumenberg-Lektüre aussieht :-)
Da wäre ich sicherlich auch gespannt 8-)



φιλοσοφος και σοφιστες

"(...) sondern weil die Philosophie wesentlich eine menschliche, d.h. endliche Möglichkeit ist, deshalb steckt in jedem Philosophen ein Sophist." (Heidegger ,Gesamtausgabe, Band 27, S.24)

Benutzeravatar
Philosophist
Beiträge: 136
Registriert: Sa 12. Aug 2017, 20:01

Sa 2. Dez 2017, 09:25

Nauplios hat geschrieben :
Fr 1. Dez 2017, 12:00
Blumenberg war sicher ein völlig bedeutungsloser Philosoph, über den wir hier in diesem erlauchten Kreis kein weiteres Wort verlieren müssen, zumal er von Rhetorik nichts verstanden hat. Und eine internationale Blumenberg-Konferenz in Hamburg im November 2008 hat es nie gegeben, ebensowenig eine Blumenberg-Tagung im Mai 2015 in Jerusalem. Ich will Euch nicht länger mit Bedeutungslosem behelligen.
Das Buch scheint mir jedenfalls ein interessanter Beitrag zur Blumenberg Rezeption zu sein, wo auch auf das Verhältnis von Blumenberg zur Rhetorik die Rede ist:

https://www.amazon.de/Prometheus-Antike ... %C3%B6ller

Ob dieser Band aus einer Konferenz oder Tagung hervorgegangen ist, kann ich jetzt jedenfalls nicht sagen.

Gerade der erste Aufsatz dort ist interessant.



φιλοσοφος και σοφιστες

"(...) sondern weil die Philosophie wesentlich eine menschliche, d.h. endliche Möglichkeit ist, deshalb steckt in jedem Philosophen ein Sophist." (Heidegger ,Gesamtausgabe, Band 27, S.24)

Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Sa 2. Dez 2017, 09:42

Nauplios hat geschrieben :
Fr 1. Dez 2017, 12:00
Blumenberg war sicher ein völlig bedeutungsloser Philosoph, über den wir hier in diesem erlauchten Kreis kein weiteres Wort verlieren müssen
Ich denke, das Gegenteil ist der Fall. Wir sollten Blumenberg einen Lesethread widmen, ganz ehrlich. Wenn es einen bedeutenden Metaphorologen seit Plato gegeben hat, dann Blumenberg.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Nauplios

Sa 2. Dez 2017, 10:56

Philosophist hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 08:58
(auch Blumenberg wusste was Metaphern sind).

Aber ist das nicht letztlich doch nur eine unbewiesene Behauptung? - Woher hätte er das wissen sollen? Blumenberg war ja bekanntermaßen wenig vertraut mit philosophischen Fragestellungen. "Klassischer Philologe" - hm, sind wir nicht letztlich alle klassische Philologen? Man darf ja nicht vergessen, daß Blumenberg keinen Zugang zu den Bildungsschätzen des Internets hatte! Philosophische Foren? Nie gehört. Gut, ein gewisses Talent zur Philosophie sollten wir ihm zugestehen. Aber reicht das? Bis ins Fernsehen hat er es ja nun nicht geschafft; das sollte uns zu denken geben. Überhaupt ist seine Vermarktung miserabel. Während ein Precht längst seine eigene Fernsehsendung hat, bleibt Blumenberg nach wie vor auf Tagungen und Konferenzen angewiesen. Leute, die ihn gekannt haben, berichten sogar, daß er seine Vorlesungen vorher auswendig lernen mußte. Freies Vortragen war seine Sache offensichtlich nicht. Eine kleine Hoffnung richtet sich noch auf den Nachlass. Vielleicht finden sich ja da noch ein paar witzige Sachen. Immerhin, man kann über Blumenberg ja sagen, was man will, aber schreiben kann der Bursche. Wenn er will. Wie oft hab' ich beim Lesen schon gedacht: gar nicht schlecht! - Nein wirklich, das muß man ihm lassen. Woher er das wohl hat? - Ich vermute Folgendes: Blumenberg hat ja in Altenberge gelebt. Das ist ein kleines Dörfchen, etwa 10 km vor den Toren von Münster. Und welcher berühmte Philosoph wohnt in Münster? Na? - Richtig! - Die Insider haben es sofort gewußt. Professor Joachim Stiller, ein ausgewiesener Kenner der Philosophie, Universalgelehrter, klassischer Philologe und glänzender Stilist, dessen Werke im Internet frei zugänglich sind. Hat jemand mal darüber geforscht, ob Blumenberg sich eventuell beim Zeit- und Ortsgenossen Stiller das eine und vielleicht sogar das andere abgeschaut hat? - Wie oft hat Professor Stiller von den Scharlatanen unter den Philosophen gesprochen! Und seien wir mal ehrlich: was wissen von der Philosophie Hans Blumenbergs eigentlich wirklich? - Nichts. - Eben.




Benutzeravatar
Philosophist
Beiträge: 136
Registriert: Sa 12. Aug 2017, 20:01

Sa 2. Dez 2017, 17:51

Nauplios hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 10:56
Philosophist hat geschrieben :
Sa 2. Dez 2017, 08:58
(auch Blumenberg wusste was Metaphern sind).

Aber ist das nicht letztlich doch nur eine unbewiesene Behauptung? - Woher hätte er das wissen sollen? Blumenberg war ja bekanntermaßen wenig vertraut mit philosophischen Fragestellungen. "Klassischer Philologe" - hm, sind wir nicht letztlich alle klassische Philologen? Man darf ja nicht vergessen, daß Blumenberg keinen Zugang zu den Bildungsschätzen des Internets hatte! Philosophische Foren? Nie gehört. Gut, ein gewisses Talent zur Philosophie sollten wir ihm zugestehen. Aber reicht das? Bis ins Fernsehen hat er es ja nun nicht geschafft; das sollte uns zu denken geben. Überhaupt ist seine Vermarktung miserabel. Während ein Precht längst seine eigene Fernsehsendung hat, bleibt Blumenberg nach wie vor auf Tagungen und Konferenzen angewiesen. Leute, die ihn gekannt haben, berichten sogar, daß er seine Vorlesungen vorher auswendig lernen mußte. Freies Vortragen war seine Sache offensichtlich nicht. Eine kleine Hoffnung richtet sich noch auf den Nachlass. Vielleicht finden sich ja da noch ein paar witzige Sachen. Immerhin, man kann über Blumenberg ja sagen, was man will, aber schreiben kann der Bursche. Wenn er will. Wie oft hab' ich beim Lesen schon gedacht: gar nicht schlecht! - Nein wirklich, das muß man ihm lassen. Woher er das wohl hat? - Ich vermute Folgendes: Blumenberg hat ja in Altenberge gelebt. Das ist ein kleines Dörfchen, etwa 10 km vor den Toren von Münster. Und welcher berühmte Philosoph wohnt in Münster? Na? - Richtig! - Die Insider haben es sofort gewußt. Professor Joachim Stiller, ein ausgewiesener Kenner der Philosophie, Universalgelehrter, klassischer Philologe und glänzender Stilist, dessen Werke im Internet frei zugänglich sind. Hat jemand mal darüber geforscht, ob Blumenberg sich eventuell beim Zeit- und Ortsgenossen Stiller das eine und vielleicht sogar das andere abgeschaut hat? - Wie oft hat Professor Stiller von den Scharlatanen unter den Philosophen gesprochen! Und seien wir mal ehrlich: was wissen von der Philosophie Hans Blumenbergs eigentlich wirklich? - Nichts. - Eben.

Naja, was die "Scharlatane unter den Philosophen" anbetrifft, davon hat auch Schopenhauer im 19. Jahrhundert bezüglich Hegel und Fichte gesprochen. Diese hat er dann auch gleich "Sophisten" gebrandmarkt , um sich als "wahren Philosophen " hervorzuheben. Dabei verkennt er meines Erachtens die philosophische Seite vom Philosophieprofessor Hegel gänzlich. Andererseits muss man fairerweise sagen, hat sich Hegel auch mit seinem philosophischen Zeitgenossen nicht sondernlich viel auseinandnergesetzt (obwohl Schopenhauers Hauptwerk "Die Welt als Wille und Vorstellung" 1818 erschien, wenn ich mich recht entsinne, und Hegel hat ja bis 1831 gelebt, bevor ihn den Pest hinwegraffte.). Naja das zum Thema "Scharlatan" im Bereich Philosophie erstmal. Das ein gewisser Stiller auch von heutigen "Scharlatanen" unter den Philosophen spricht, kann ja durchaus der Fall sein. Was die Abgrenzung wahrer Philosoph und Nicht -Philosoph bzw. Scharlatan anbetrifft, kann noch ergänzend hinzugefügt werden, dass für Heidegger Schopenhauer wiederum kein echter Philosoph war, sondern wie Kierkegaard nur ein "Schriftsteller". Man lese Heidegger dazu selbst. Nietzsche hingegen gilt ihm als Philosoph und Metaphysiker.

Zurück aber zu Blumenberg: Nun wenn jemand über die "Lesbarkeit der Welt" spricht oder eine "Metaphorologie" verfasst, könnte man zumindestens den Eindruck haben, dass jemand von Metaphern eine Ahnung hat. Dazu mal ein Klappentext aus einem seiner Bücher:

"Metaphorologie ist eine am sprachlichen Phänomen der Metapher orientierte Methode, die nicht allein auf eine Theorie metaphorischer Sprache abzielt, sondern auch die Praxis der Theoriebildung untersucht. Hans Blumenberg hat diese Methode zunächst für die begriffsgeschichtliche Analyse der Philosophiegeschichte und das in ihr mitbegriffene praktische Bewußtsein jeder Lebens- und Alltagswelt entworfen. "

"Metaphern haben Geschichte in einem radikaleren Sinn als Begriffe, denn der historische Wandel einer Metapher bringt die Metakinetik geschichtlicher Sinnhorizonte und Sichtweisen selbst zum Vorschein, innerhalb deren Begriffe ihre Modifikationen erfahren. Durch dieses Implikationsverhältnis bestimmt sich das Verhältnis der Metaphorologie zur Begriffsgeschichte als ein solches der Dienstbarkeit: die Metaphorologie sucht an die Substruktur des Denkens heranzukommen, an den Untergrund, die Nährlösung der systematischen Kristallisationen, aber sie will auch faßbar machen, mit welchem »Mut« sich der Geist in seinen Bildern selbst voraus ist und wie sich im Mut zur Vermutung seine Geschichte entwirft."

https://www.amazon.de/Paradigmen-Metaph ... phorologie

Das sind ja Bücher , die teils von Blumenberg selbst stammen, und seine "Metaphorologie" behandeln.

Wenn Blumenberg von der "Lesbarkeit der Welt" spricht in einem seiner Bücher, kannte er immerhin die Metapher vom "Buch der Natur" (die eine der bekanntesten Metaphern darstellt ) und diese Metapher hat auch Robert Curtius in seinem Buch über die Europäische Literatur (im Mittelalter) behandelt. Im "Buch der Natur" lesen, meint letztlich nichts anderes auch im Buch der Welt zu lesen.

https://www.amazon.de/Lesbarkeit-Welt-s ... lesbarkeit

So heißt es dazu bei wikipedia (wenn dieser Bezug erlaubt ist):

"Letztlich beruht dieses Bild auf der Grundannahme einer Lesbarkeit der Welt (Hans Blumenberg). Blumenberg gibt einen gelehrten und tiefgründigen, metaphern- und problemgeschichtlich weit ausgreifenden Überblick über die Geschichte entsprechender Konzepte und der einschlägigen „'Hintergrundmetaphern' (...) von Schrift, Brief und Buch“, mit denen ein „Anspruch auf Sinnhaltigkeit der Welt artikuliert“ werde"

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Buch_der_Natur

Also ich gehe davon schon aus, dass Blumenberg wusste was Metaphern sind und er konnte dies auch anhand einzelner Metaphern wie dem "Buch der Natur" näher behandeln.

Zum Aspekt des Klassischen Philologen und seinem späteren Beruf:

"Zurück in Lübeck wurde er zunächst zum Arbeitsdienst eingezogen und arbeitete danach bei der Drägerwerk AG in Lübeck. 1945 wurde er in Zerbst interniert, konnte jedoch auf Initiative Heinrich Drägers freikommen und sich bis Kriegsende bei der Familie von Ursula Heinck (* 1922[8]) verstecken, die er 1944 geheiratet hatte.[9] Nach 1945 setzte er sein Studium der Philosophie, Germanistik und Klassischen Philologie an der Universität Hamburg fort.[10] 1947 wurde Blumenberg mit seiner Dissertation Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie, die noch Anfang 1946 den Arbeitstitel "Die ontologische Leistung der mittelalterlichen Scholastik, im Hinblick auf Heideggers Destruktion der traditionellen Ontologie" trug,[11] an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel promoviert. Hier habilitierte er sich 1950 mit der Studie Die ontologische Distanz. Eine Untersuchung über die Krisis der Phänomenologie Husserls. Sein Lehrer während dieser Zeit war Ludwig Landgrebe.

1958 wurde Blumenberg in Hamburg außerordentlicher Professor für Philosophie und 1960 an der Justus-Liebig-Universität Gießen ordentlicher Professor für Philosophie. 1965 wechselte er als ordentlicher Professor für Philosophie an die Ruhr-Universität Bochum und im Jahr 1970 an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, wo er 1985 emeritiert wurde."

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Blumenberg

Es wird ja aus diesem Abschnitt deutlich, dass Blumenberg Klassische Philologie studiert hat. Aber es stellt sich ja die Frage, ob man um als "klassischer Philologe" zu gelten, dieses Fach auch studiert haben muss oder ob das davon unabhängig ist. Das gleiche auch in Bezug auf den Philosophen: Kann jemand auch "Philosoph" , wenn er das Fach nicht direkt studiert hat. Ich würde sagen ja. Das beste Beispiel ist ja Nietzsche dafür (der "nur" klassischer Philologe war, aber mit entsprechend "philosophischer Seite", wofür seine Zunft anscheinend kein Verständnis hatte , wenn man die Geschichte rund um die "Geburt der Tragödie" kennt). Nietzsche hat aber "immerhin" Klassische Philologie studiert. Ich hoffe der Vergleich Nietzsche -Blumenberg ist in der Hinsicht erlaubt. Bei Nietzsche würden wir ja sicherlich sagen, dass er philosophisches Talent hatte oder? Auch Blumenberg scheint mir persönlich dies zu haben, wenn ich mich an meine Lektüre -Eindrücke erinnere. Er hat also schon philosophische Texte verfasst, über die Qualität derselben kann man natürlich unterschiedlicher Meinung sein. Ich würde sagen , dass jemand sich natürlich auch von privater Seite mit antiker Literatur befassen kann, ohne selbst das Fach "Klassische Philologie" je studiert zu haben. Aber ein Studium in diesem Bereich kann sicherlich nicht schaden, was den Bezug zur antiken Literatur und der "professionellen" Auseinandersetzung mit derselben anbetrifft. Insofern scheint es naheliegender zu sein, dass man sagt , dass jemand nur dann als "klassischer Philologe" wirklich gelten kann, sofern er das Fach studiert hat. Aber was das anbetrifft, können halt unterschiedliche Auffassungen vorhanden sein. Ich lasse meine Position in der Hinsicht offen, und lege mich da nicht fest (momentan).

Was die "Vermarktung" von Blumenberg und seinem Nachlass anbetrifft, habe ich den Eindruck, dass die Bücher im Suhrkamp Verlag durchaus "gefragt" sind. Auf der Seite von Amazon scheint es jedenfalls ein gewisse "Nachfrage" vorhanden zu sein.

Ein Zusammenhang von Blumenberg und Stiller sehe ich nicht wirklich und scheint mir eher spekulativ zu sein (auch wenn beide aus Münster stammen) 8-)

Im Vergleich zu Heidegger war Blumenberg jedenfalls nicht im Fernsehen präsent, obwohl es diese Möglichkeit gegeben hätte. Woran das gelegen hat, darüber kann man natürlich spekulieren. Mit Precht würde ich ihm in dieser Hinsicht nicht vergleichen wollen...Wie weit er frei vortragen konnte oder nicht, kann ich jetzt nicht beurteilen. Seine philosophischen Schriften sind für mich aber recht lesenswert und ich kann ihm als Leser durchaus gut folgen.

PS: Man kann natürlich die ganze Diskussion hier über Blumenberg auch anhand seiner Schriften führen (also unter Bezug auf dieselben). Da spricht aus meiner Sicht absolut nichts dagegen.

Und das Blumenberg sicherlich die "Bildungsschätze des Internets" geschätzt hätte, scheint mir persönlich naheliegend. Das Internet ist wahrlich auch eine echte Fundgrube für manch interessante und (philosophisch) wissenswerte Sachen (auch über Blumenberg) ;) Also wikipedia und Co. sei Dank! :D

"Kurzes" Fazit: Ich betrachte den "Fall Blumenberg" ein bisschen anders als Nauplios... 8-)
Zuletzt geändert von Philosophist am Sa 2. Dez 2017, 18:13, insgesamt 2-mal geändert.



φιλοσοφος και σοφιστες

"(...) sondern weil die Philosophie wesentlich eine menschliche, d.h. endliche Möglichkeit ist, deshalb steckt in jedem Philosophen ein Sophist." (Heidegger ,Gesamtausgabe, Band 27, S.24)

Antworten