Sprecher und Zuhörer

Hier geht es einerseits um die Erörterung logischer Grundstrukturen in der Philosophie und andererseits um Sprachanalyse als philosophische Methode, Theorien der Referenz und Bedeutung, Sprechakttheorien u.ä.
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Enno
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So 29. Apr 2018, 06:01

Alles nicht so einfach..

Hat noch jemand genug von den ganzen Dualismen? Gehirn - Geist, Körper - Seele, freier Wille - Determiniertheit, Gott - kein Gott, Leben - Tod.. Was soll das eigentlich alles und wer hat sich das ausgedacht? Da werden einfach Widersprüche konstruiert. Das ist so, als würde ich in eine laufende Diskussion gehen und sagen: "Liebe Freunde, ich teile euch jetzt in genau zwei Gruppen ein. Die Gruppe der Sprecher und die Gruppe der Zuhörer." Dann stelle ich meine Einteilung einem Freund vor, und der fragt mich, wie das denn funktioniert mit den Diskussionsergebnissen. Die sind doch was Neues. Wie kommen die zustande? Ich antworte, dass das wohl nur so funktionieren könne, dass die Ergebnisse der Diskussion von Anfang an schon irgendwie in den Sprechern drin sind. Anders kann es gar nicht sein. Wo sollen die sonst hergekommen sein? Das kann sich mein Freund überhaupt nicht vorstellen. Denn das würde ja bedeuten, dass in den Sprechern bereits jedes mögliche Diskussionsergebnis, also auch jedes zukünftige, vorhanden sein müsste. Da würde denen doch der Kopf platzen. Ich gebe zu, da hat er nicht ganz unrecht. Dann müssen die Ergebnisse also irgendwie entstanden sein, denn ihre Existenz lässt sich nicht bestreiten. Dann kann das nur so sein, dass die Sprecher eine ausreichende Anzahl verschiedener Wörter im Kopf haben, die dann, richtig kombiniert, ein sinnvolles Resultat ergeben. Mir ist noch nicht ganz klar, wie das mit dem Kombinieren genau funktioniert. Da ist wohl noch etwas Forschungsarbeit zu leisten. Ich brauche nur ein bisschen Zeit und Geld für einige wenige Untersuchungen. Aber ich bin mir sicher, das kriegt man schon raus. Mein Freund scheint immer noch nicht recht überzeugt. Mit solchen Sachen tut er sich immer etwas schwer. Gut, ist halt so. Ich bin da durchaus verständnisvoll. Bis zu einer gewissen Grenze. Und die war erreicht, als mein Freund meinte, ob es nicht vielleicht einen Geist der Sprache gäbe, der dafür sorgt, dass sich Worte richtig sortieren. An diesem Punkt war bei mir Schluss. Als ob ein immaterieller Sprachgeist die Wortbausteine umsortieren würde! Völlig irre! Na ja, ich hab mal eine Nacht drüber geschlafen. Dann habe ich versucht mir zu überlegen, wie das ganze Problem eigentlich entstanden war. Vielleicht war meine Einteilung in Sprecher und Zuhörer doch nicht so ganz richtig? Aber was wäre die Alternative? Es gibt doch nun mal nur Sprecher und Zuhörer. Da ist doch nichts anderes. Ich muss wohl irgendetwas übersehen haben..

Hier ein paar mögliche Antwortoptionen auf die Frage, wie neue Diskussionsergebnisse entstehen:
a) Sie sind bereits alle in den Köpfen vorhanden.
b) Sie setzen sich zufällig aus einem vorhandenen Wortschatz zusammen.
c) Sie emergieren aus dem vorhandenen Wortschatz.
d) Es bilden sich alle möglichen Kombinationen von Diskussionsergebnissen aus dem vorhandenen Wortschatz. Nur das stärkste Diskussionsergebnis überlebt.
e) Das macht der Sprachgeist.
f) Die Optionen a) bis e) sind kompletter Unsinn. Ich lasse es sein, denn ich habe Wichtigeres zu tun.




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Jörn Budesheim
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So 29. Apr 2018, 16:05

Enno hat geschrieben :
So 29. Apr 2018, 06:01
Da würde denen doch der Kopf platzen.
Alles was wir wissen, denken fühlen, steht in unüberschaubar vielen inferentiellen Beziehungen. Dazu ein Beispiel: Jeder von uns weiß, dass nur ein Bruchteil aller New Yorker schon einmal 17 Giraffen auf einmal auf einem Parkplatz gesehen hat. Kaum einer wird diesen Gedanken zuvor gedacht haben. Dieses Wissen ist nicht im Kopf und kein Gehirnscanner der Welt könnte es jemals zeigen, aber es ist da. Denn es ergibt sich aus dem inferentiellen Beziehungen unseres Wissens überhaupt. Wenn man diesen, zugegebenermaßen etwas seltsamen Gedanken erfasst hat, dann sind damit natürlich auch Gehirnaktivitäten verbunden, zuvor nimmt er jedoch keinerlei Platz weg, er ist ontologisch ziemlich leichtgewichtig :) etwas zum Platzen bringen, kann er also nicht.




Enno
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So 29. Apr 2018, 17:35

Klar, der Text ist bewusst übertrieben.

Kannst du das mit inferentiellen Beziehungen noch etwas erläutern. Ich habe nicht mehr als eine leise Ahnung davon. Daher noch diese seltsamen Fragen:

Wenn irgendwann einmal 23 Giraffen auf einem Parkplatz stehen werden, ist das Wissen davon auch schon irgendwo, und wenn nein, wie entsteht es?

Wenn ich Besitzer von 15 Giraffen bin und rein zufällig mit jemandem ins Gespräch komme, der 11 Giraffen besitzt, und wir über eine gemeinsame Giraffen-Aktion nachdenken, ist dann irgendwo schon das Wissen vorhanden, zu welcher Aktion wir uns am Ende des Gesprächs entschließen werden?

p.s.: Diese Diskussion ist genau das, was ich mir unter "Sprachphilosophie und Logik" vorstellen würde. :)




Enno
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So 29. Apr 2018, 23:10

Ok, vergiss meine Fragen. Habe mich ein bisschen zum Inferentialismus schlau gemacht. Jetzt verstehe ich, warum mein Beitrag bei der Sprachphilosophie gelandet ist. Das ist echt interessant, denn in diesem Sinne hatte ich meinen Beitrag gar nicht so sehr verstanden. Sicher, bei einer Diskussion geht es um Sprachhandlungen. Mir ging es mehr generell um interagierende Individuen, die zusammen Neues entstehen lassen. Zu diesem Zweck eine sprachliche Koordination zu verwenden, lag nahe. Jede andere Art von koordinierter Kommunikation hätte es aber auch getan, was natürlich im weiteren Sinne auch Sprachhandlungen sind.




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Jörn Budesheim
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Wir könnten den Text stattdessen auch in Handlungstheorie unter "kollektive Intentionalität" bringen.




Enno
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Di 1. Mai 2018, 21:15

Ist schon so in Ordnung.

Noch eine Frage:

Wenn du sagst, dass das Wissen nicht im Kopf ist, aber doch da ist, meinst du damit, dass die Möglichkeit eines speziellen Gedankens potentiell vorhanden ist? Bei irgendwem hatte ich mal den Begriff 'Möglichkeitsfeld' gelesen?

Das würde für mich Sinn machen. Dann könnte man sagen, durch Handlung (incl. Sprache) werden Möglichkeiten realisiert, und dadurch wird wiederum das Feld der Möglichkeiten verändert, was wieder neue Handlungen zuläßt usw., im Sinne einer fortlaufenden Entwicklung.




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Jörn Budesheim
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Sa 5. Mai 2018, 06:22

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Ich bin unschlüssig. "Möglichkeit" oder "Möglichkeitsfeld" ist sicher nicht falsch, aber vielleicht zu unspezifisch. Gedanken sind Sinngebilde und stehen in "logischen Beziehungen". Jeder Gedanken, den man äußert, erwägt, erfasst ist mit vielen anderen Gedanken verknüpft. Behaupte ich p, dann lege ich mich damit auf unüberschaubar viele weitere Behauptungen fest.




scilla
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Sa 5. Mai 2018, 20:03

als mein Freund meinte, ob es nicht vielleicht einen Geist der Sprache gäbe, der dafür sorgt, dass sich Worte richtig sortieren. An diesem Punkt war bei mir Schluss. Als ob ein immaterieller Sprachgeist die Wortbausteine umsortieren würde! Völlig irre!
im Vorbewussten gibt es Tabellen und in denen springt der Geist hin und her,
um die richtigen Wörter zu finden
Da werden einfach Widersprüche konstruiert.
aus vorbewusster Sicht
ist ein Dualismus nur dann gemeint,
wenn es um vorher/nachher oder um groß/klein geht

vorbewusst werden bspw.
komplex/einfach zu groß/klein
unendlich/endlich zu groß/klein
rein/unrein zu groß(klein
sozial/liberal zu vorher/nachher
Adam/Eva zu vorher/nachher
Einsicht/Absicht zu vorher/nachher
gepackt
Dann müssen die Ergebnisse also irgendwie entstanden sein
Du sprichst zwei Punkte an

einmal das Ergebnis einer Methode
einmal den Diskussionsgegenstand

vorbewusst
ist der Gegenstand eine Sichtweise von außen
und die Methode eine Sichtweise von innen
(das Wesen wäre auf lange Sicht
der Dualismus wäre auf kurze Sicht)

von innen und von außen
meint nicht esoterisch/exoterisch,
denn die Methode ist nicht esoterisch
und der Gesprächsgegenstand lässt sich nicht messen




scilla
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So 6. Mai 2018, 10:45

eine esoterische 'Methode' gibt es auch
diese trägt aber einen anderen Namen,
nämlich 'Ästhetik'

ästhetische Ideen waren also schon vorher da
und weil dem so ist,
brauchen Leute, welche diese Ideen teilen,
nicht darüber zu sprechen,
um sich verständigen zu können
(zwischen ihnen herrscht Konsens)

Konsens (vorher)/Kompromiss (nachher)
apriori (vorher)/aposteriori (nachher)




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