Was sind Begriffe - was ist Begriffs-Realismus?

Hier geht es einerseits um die Erörterung logischer Grundstrukturen in der Philosophie und andererseits um Sprachanalyse als philosophische Methode, Theorien der Referenz und Bedeutung, Sprechakttheorien u.ä.
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Paradox
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Fr 17. Jan 2020, 14:21

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 17. Jan 2020, 12:20
Wir sind also einig, dass es einen Unterschied gibt zwischen Lügen und Nicht-Lügen (oder was auch immer).
Ja. Da sind wir uns einig.
Wieso ist man (k)ein Universalien-Realist, wenn man das anerkennt?
Das kann ich nicht beantworten. Allein schon deswegen nicht, weil du den Buchstaben 'k' in Klammern gesetzt hast.
Nach meinem Verständnis ist Kemmerling Begriffsrealist in diesem Sinne.
In diesem Sinne? Also nur im dem Sinne, dass er zwischen Lügen und Nicht-Lügen unterscheidet, oder im dem Sinne dass man:
wahres und falsches über Begriffe (nämlich bei ihm über den Begriff "Glauben") sagen
kann? Wenn Letzteres nicht mehr bedeuten soll, als dass man die Verwendung von Wörtern (wie z.B. das Wort 'Glauben') beschreiben kann, und dass es gute und schlechte Beschreibungen gibt, dann sind wir uns auch in diesem Punkt einig.
Damit ist die Frage, ob er ansonsten Universalien-Realist ist, zunächst erst einmal offen.
Auch einverstanden.
Weil es sonst bedeuten würde, dass der Nominalist den Unterschied zwischen Lügen und Nicht-Lügen (oder was auch immer) nicht machen könnte. Oder?
Den letzten Satz verstehe ich nicht. Warum soll der Nominalist den Unterschied nicht machen können?


Unser Problem ist im Moment gerade folgendes, wenn ich mich nicht irre. Du sagst etwas sehr Tiefsinniges und ich antworte darauf etwas sehr Oberflächliches. Aber nicht, weil ich dich damit ärgern will, sondern weil mir der Tiefsinn in diesem Zusammenhang nicht einleuchtet.



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Jörn Budesheim
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Fr 17. Jan 2020, 19:24

Tiefe ist eigentlich nicht unbedingt mehr Hauptprogramm. Die Dinge, die ich in den letzten paar Beiträgen zu sagen versucht habe, kamen mir eigentlich ziemlich einfach vor. Dennoch ist offensichtlich kein einziges Argument davon verständlich geworden.

Vielleicht versuche ich morgen noch mal, es anders ausdrücken.




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Jörn Budesheim
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Sa 18. Jan 2020, 07:25

Paradox hat geschrieben :
Do 16. Jan 2020, 20:35
Kemmerling:
Für einen ‚Begriffsrealisten‘ ist also, trotz ihres engen Zusammenhangs, zu trennen zwischen der sprachlichen Bedeutung des Wortes „glauben“ und dem Begriff, den das Wort ausdrückt. Meines Erachtens gibt es – zumindest bei Grundbegriffen des menschlichen Denkens – oft so etwas wie einen begrifflichen Überschuß gegenüber dem, was sich im semantisch kompetenten Umgang mit dem betreffenden Wort manifestiert.
Wittgenstein:
Man sagt: Es kommt nicht aufs Wort an, sondern auf seine Bedeutung; und denkt dabei an die Bedeutung, wie an eine Sache von der Art des Worts, wenn auch vom Wort verschieden. Hier ist das Wort, hier die Bedeutung. Das Geld und die Kuh, die man dafür kaufen kann. (Anderseits aber: das Geld, und sein Nutzen.)
Ein letztes Mal: mir ist unbegreiflich, wie man Kemmerlings Verlautbarungen interpretieren könnte, ohne Wittgensteins Replik direkt darauf beziehen zu müssen. Schöner kann man die Kuh doch gar nicht ausformulieren, als Kemmerling es hier macht. (Nun gebe ich aber Ruhe und reite auf diesem Punkt nicht weiter herum.)
Ich fange noch mal an dieser Stelle an:

Du zitierst Wittgenstein mit den folgenden Worten: [man] "denkt dabei an die Bedeutung, wie an eine Sache von der Art des Worts, wenn auch vom Wort verschieden. Hier ist das Wort, hier die Bedeutung." Kemmerling unterscheidet zwar zwischen Wort und Bedeutung, weist aber ebenso darauf hin, dass zwischen ihnen ein enger Zusammenhang besteht. Er sagt also explizit nicht: hier ist das Wort und hier ist die Bedeutung von, sondern er sagt, sie hängen eng zusammen.

Unterscheiden, heißt nicht trennen. Ein Beispiel aus einem anderen Zusammenhang: wenn ich zwischen meinem Gesicht und meinem Gesichtsausdruck unterscheide, dann habe ich sie nicht getrennt, sondern nur zwei Aspekte unterschieden, denn ich kann das eine gar nicht ohne das andere haben. Ich sage schließlich nicht, hier ist das Gesicht und hier ist der Gesichtsausdruck.

Zweitens kritisiert Wittgenstein, dass manche das Wort Bedeutung verwenden, so als sei es eine Sache wie die Kuh. Aber daraus, dass man meint, etwas Wahres über X sagen zu können, folgt nicht, dass man meint, X sei eine Sache wie eine Kuh. Wenn ich meine, dass 5 größer ist als 3, meine und sage ich damit nicht, 5 und 3 seien Dinge sowie eine Kuh. Dass man etwas Wahres über etwas sagen kann, impliziert nicht, dass man es mit einem Ding nach Art der Kuh zu tun hat.

Mit anderen Worten: ich finde nicht, dass die Wittgensteinsche Kritik überhaupt auf das Zitat von Kemmerling passt.




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Jörn Budesheim
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Sa 18. Jan 2020, 07:47

Die Verwendung der Wörter zu beschreiben, hilft nicht viel. Donald Trump und seine Freunde verwenden das Wort Tatsache so, dass es (in ihren Augen) problemlos möglich ist, von alternativen Tatsachen zu sprechen. Es soll wahr sein, dass bei der Amtseinführung von Trump weniger Menschen zugegen waren als bei der Amtseinführung seines Vorgängers? Sie präsentieren eine alternative Tatsache: es waren mehr Menschen da.




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Jörn Budesheim
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Sa 18. Jan 2020, 08:07

Paradox hat geschrieben :
Do 16. Jan 2020, 16:55
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 16. Jan 2020, 16:29
Der Ausdruck "Proposition" ist in meinen Augen harmlos.
Wenn er harmlos wäre, gäbe es keinen Anlass, von einem Begriffs-Realismus zu sprechen. Er tarnt sich als harmlos. Das mag sein.
Nimm es mal mit Humor:

"Herr Doktor, ich glaube ich habe eine schlimme Krankheit, ich habe gestern einen Allgemeinbegriff verwendet."

"Machen Sie sich keine Sorgen, das macht doch jeder und es ist auch keine Krankheit, das ist ganz harmlos."

"Ja, aber ich habe versucht, einen Sachverhalt auszudrücken und von einer Proposition gesprochen, ist das nicht bereits eine schlimmere Form von Platonismus?"

"Auch hier müssen Sie sich keine Sorgen machen, das ist ganz harmlos, sie sind weder krank noch verrückt, sie philosophieren nur, das kommt in den besten Familien vor." 😁




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Paradox
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Sa 18. Jan 2020, 10:27

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Jan 2020, 08:07
... sie sind weder krank noch verrückt, sie philosophieren nur ... 😁
herrlich :lol:



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Jörn Budesheim
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Sa 18. Jan 2020, 10:35

Paradox hat geschrieben :
Sa 18. Jan 2020, 10:27
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Jan 2020, 08:07
... sie sind weder krank noch verrückt, sie philosophieren nur ... 😁
herrlich :lol:
Ich bin hier einmal davon ausgegangen, das du es als Wittgenstein Zitat bzw der Wittgenstein Paraphrase erkennst. im Original geht es glaube ich darum, dass zwei Männer im Garten sitzen und sich darüber unterhalten, dass ein Baum dort hinten existiert...




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Jörn Budesheim
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Sa 18. Jan 2020, 10:44

Ich habe es der Einfachheit halber mal rausgesucht.
Wittgenstein hat geschrieben : Ich sitze mit einem Philosophen im Garten; er sagt zu wiederholten Malen „Ich weiß, dass das ein Baum ist“, wobei er auf den Baum in unsrer Nähe zeigt. Ein Dritter kommt daher und hört das, und ich sage zu ihm: „Dieser Mensch ist nicht verrückt: Wir philosophieren nur.“




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Alethos
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Sa 18. Jan 2020, 11:53

Wenn man Deskriptionen für einen Begriff sucht, und man das Gefühl hat, diese erfassten ihn nicht genau oder umfassend, dann hat man mindestens zwei Optionen: Man erkennt die Objektivität des Begriffs an und bekennt sich zum Begriffsrealismus. Oder man sucht nach weiteren Beschreibungen, aus denen sich klarere Begriffe des gesuchten Begriffs ergeben.

Während man im ersten Fall dem Begriff zugesteht, der Inhalt von wahren Ansichten zu sein, weist man ihm im zweiten Fall die Rolle zu, das Produkt von Ansichten zu sein, die ihn als wahr auszeichnen. In beiden Fällen aber gelangt man an einen Punkt, wo man Grundbegriffe verwenden muss, die sich nicht ableiten lassen durch andere Begriffe. Hier spätestens wird aber klar, dass nicht die Sprache selbst grundlegend ist für den Begriff, sondern dass letzterer selbsttragend ist und sie sich auf ihm bewegt. Denn wäre die Sprache das für den Begriff Grundlegende, wäre es unmöglich, dass es in ihr zu Übertragungen käme, wie es etwa in Metaphern geschieht. Dann wäre nämlich das Gesprochene das unmittelbar Gemeinte, dann könnten wir aber von so vielerlei Dingen nicht sprechen, als wären sie etwas anderes: Das Leben bspw. eine Seefahrt auf unruhiger See oder die Wahrheit ein Buch mit sieben Siegeln.

Der Begriffsrealismus hat gegenüber dem Nominalismus den grossen Vorteil, dass er diesem Umstand, dass Wortbedeutungen stellvertretend für das Gemeinte verwendet werden können, Rechnung trägt. Denn er gesteht der Bedeutung zu, durch sich selbst zu bestehen und im anderen, alternativ verwendeten Wort weiter bestehen zu können. Sie könnte es nicht, hängte die Bedeutung an einer Sprachpraxis oder an einer an Wörtern fixierten Art und Weise ihres Zustandekommens.

Was daran gefährlich sein soll, dass ein Begriff etwas durch sich selbst bedeuten soll, und dass er auch etwas bedeute, wenn niemand ihn bedenkt, das erschliesst sich nicht. Denn es ist doch auch nicht bedenklich, wenn ein Baum dort steht und niemand ihn sieht?



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Jörn Budesheim
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Sa 18. Jan 2020, 12:13

Ich bleibe skeptisch gegenüber der Behauptung, dass Begriffs Realismus (so wie Kemmerling ihn oben beschreibt) und Universalien-Realismus in eins fallen, aber ich mag mich täuschen.




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Alethos
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Sa 18. Jan 2020, 13:17

Ich weiss ehrlich gesagt gar nicht, was eine Universalie genau ist. Ich kenne den Universalienstreit und ich kenne den Gegenbegriff Partikularie. Aber was ist das, das Runde? Das, was allem Runden zukommt, oder? Ja, das ist real und es ist real vorkommend an allem, das rund ist. Sofern alles, was rund ist, Rundheit hat, muss die Rundheit vorkommen können als Rundheit und zwar losgelöst vom einzelnen Runden. Denn es ist ja nicht wegen des Runden dieses Runden, dass es Rundheit gibt, sondern das Runde ist rund, weil es von der Rundheit jene Eigenschaft übernimmt, die sie rund machen. Existierte aber die Gebogenheit einer Linie um einen Mittelpunkt nicht, so gäbe es einfach keinen runden Gegenstand, der sich so biegen könnte. Eine Universalie ist nur denkbar so, dass sie sich individuiert in einem Gegenstand, sei es auch nur in der Idee eines erdachten Gegenstandes.

Ich habe aber keine Ahnung...



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Paradox
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Sa 18. Jan 2020, 14:38

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Jan 2020, 07:25
Wenn ich meine, dass 5 größer ist als 3, meine und sage ich damit nicht, 5 und 3 seien Dinge sowie eine Kuh.
Nun kenne ich Kemmerling nicht gut genug, um ihm dergleichen in die Schuhe schieben zu können, bin aber doch davon überzeugt, dass das leicht möglich sein würde, wenn ich seine Bücher läse (was mir aber nicht im Entferntesten in den Sinn kommt).

Von Frege, der sich selbst ja auch als Begriffsrealisten betrachtet, habe ich fast alles gelesen. Und für Frege sind nicht nur Zahlen Gegenstände wie Kühe und Enten, sondern eben auch die von ihm erfundenen 'Wahrheitswerte'. Wenn ich sage: "Die Kuh steht im Stall", dann ist die Bedeutung dieses Satzes sein Wahrheitswert, und dieser Wahrheitswert ist genauso ein Gegenstand wie die Kuh selbst und der Stall. Frege unterscheiden dann zwar noch zwischen raumzeitlichen und anderen Gegenständen, aber diese Unterscheidung ist für ihn nicht wesentlich.



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Paradox
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Sa 18. Jan 2020, 14:44

Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Jan 2020, 13:17
Denn es ist ja nicht wegen des Runden dieses Runden, dass es Rundheit gibt, sondern das Runde ist rund, weil es von der Rundheit jene Eigenschaft übernimmt, die sie rund machen.
Im Ernst?
Wie muss ich mir dieses 'Übernehmen' genauer vorstellen? Da drüben steht also die Rundheit, und nun kommt was Eckiges um die Ecke, das auch gerne rund wäre. Und die Rundheit sagt zu ihr: da, nimm!, und übergibt ihm einen Teil von seinem Runden, sodass das vormals Eckige nun rund ist und sich freut?



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Jörn Budesheim
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Sa 18. Jan 2020, 15:02

Wenn man sich fragt, ob es Eigenschaften wirklich gibt, dann hängt natürlich vieles, wenn nicht sogar alles, davon ab, was man sich unter dem Begriff Existenz ausmalt.

Dazu zwei interessante Argumentationen. die eine habe ich bei Derek Parfit gefunden. Die andere kenne ich von Markus Gabriel. Beide fordern und auf, dass wir uns vorstellen, dass das gesamte Universum nicht mehr existiert.

Parfit meint, selbst wenn das gesamte Universum verschwinden würde, wäre immerhin dennoch wahr, dass 7 + 5 = 12 ist.

Gabriel meint, selbst wenn das gesamte Universum verschwinden würde, wäre immerhin wahr, dass es kein Universum gibt.

Parfit folgert daraus, dass man sich mit der Wahrheit, dass 7 + 5 = 12 ist, nicht darauf festlegt, dass es Zahlen gibt.

Gabriel hingegen folgert, dass es niemals nichts geben kann, denn immerhin würden dann noch manche Tatsachen existieren.

Hier hängt natürlich alles daran, was man unter "existieren" versteht. Parfit versteht darunter, so vermute ich, im materiellen Universum vorkommen. Gabriel hingegen hat einen ganz anderen Existenz Begriff, für ihn existiert etwas, wenn es in einem Bereich (genauer genommen einem Sinnfeld) vorkommt.




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Sa 18. Jan 2020, 15:21

Wenn Parfit Recht hat (was ich erst einmal offen lassen will) dann kann man über Abstraktes wahres sagen, ohne dessen Existenz (in welchem Sinne auch immer) zu unterstellen. ich kann dann sagen, dass die fünf größer ist als die vier, ohne zu unterstellen, dass die vier und die fünf existieren. In diesem Sinne kann man dann vielleicht auch etwas über den Begriff "das Glauben" sagen, ohne unterstellen zu müssen, dass Begriffe existieren.

In welchem Sinne könnte man so eine Auffassung dann dennoch Realismus nennen? Realismus impliziert, was auch immer man sonst meinen mag, dass man sich irren kann. Das würde bedeuten, dass man über den Begriff "das Glauben" Thesen aufstellen könnte (z.b., dass glauben heißt, immer falsch zu liegen), die wahr oder falsch sein können, ohne damit zugleich zu behaupten, dass der Begriff existiert.




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Sa 18. Jan 2020, 15:56

Paradox hat geschrieben :
Sa 18. Jan 2020, 14:38
Und für Frege sind [...] Zahlen Gegenstände wie Kühe und Enten
Das ist jedoch eine mehrdeutige Formulierung. Es gibt eine harmlose Interpretation, der ich zustimmen würde. Und eine absurde Interpretation. (Andere Interpretationen sind natürlich auch noch möglich.) Die absurde Interpretationen besagt, dass Zahlen Dinge sind, raumzeitliche Dinge, so wie Kühe und Enten. Die wohlwollende und harmlose Interpretation lautet anders. Was sind Gegenstände? Dinge können zwar Gegenstände sein, aber nicht alle Gegenstände sind Dinge. Über Gegenstände können wir uns wahrheitsfähige Gedanken machen. Gegenstand eines Gedankens (oder natürlich auch der Rede) kann vieles (mehr weniger alles) sein: ein Theaterstück, eine Zahlenkombination, eine Schachpartie, eine Kuh, die Politik, eine Mondfinsternis, das Spätwerk Picassos... So betrachtet sind dann natürlich auch Zahlen Gegenstände.




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Paradox
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Sa 18. Jan 2020, 16:15

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Jan 2020, 15:02
Wenn man sich fragt, ob es Eigenschaften wirklich gibt, dann hängt natürlich vieles, wenn nicht sogar alles, davon ab, was man sich unter dem Begriff Existenz ausmalt.

Dazu zwei interessante Argumentationen. die eine habe ich bei Derek Parfit gefunden. Die andere kenne ich von Markus Gabriel. Beide fordern und auf, dass wir uns vorstellen, dass das gesamte Universum nicht mehr existiert.
Ein anderes Gedankenexperiment. Stell dir vor, dass so etwas wie 'Existenz' nicht existiert.
Existiert dann Nichtexistenz? Und bleibt der Satz 'Nichtexistenz existiert' auch dann wahr, wenn wirklich rein gar nichts existiert?
In welchem Sinne könnte man so eine Auffassung dann dennoch Realismus nennen?

Ergänzung:
Wir nähern uns nun in Riesenschritten dem Thema, das im Thread "Was wirklich ist, ist möglich" schon am Laufen ist, nämlich der Frage, in wie weit unsere Logik geeignet ist, die 'Wirklichkeit' halbwegs konsistent abzubilden und ob es nicht Grenzbereiche der Erfahrung von Wirklichkeit gibt, wo die Unangemessenheit der Logik offensichtlich wird. Wo es und dann ergeht wie den beiden Rittern Derek Parfit und Markus Gabriel bei ihrem heldenhaften Kampf gegen die Windmühlen des Nichtseienden.
Zuletzt geändert von Paradox am Sa 18. Jan 2020, 16:46, insgesamt 1-mal geändert.



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Paradox hat geschrieben :
Sa 18. Jan 2020, 16:15
Ein anderes Gedankenexperiment.
Ist das, was ich weiter oben sagen wollte, also nicht deutlich geworden?




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Sa 18. Jan 2020, 16:46

Paradox hat geschrieben :
Sa 18. Jan 2020, 16:15
Wo es und dann ergeht wie den beiden Rittern Derek Parfit und Markus Gabriel bei ihrem heldenhaften Kampf gegen die Windmühlen des Nichtseienden.
Wie lautet hier dein Argument?




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Sa 18. Jan 2020, 16:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Jan 2020, 15:02
Beide fordern und auf, dass wir uns vorstellen, dass das gesamte Universum nicht mehr existiert.
Das ist das Argument.
Die Nichtexistenz des Universums impliziert - nebenbei - natürlich auch die Nichtexistenz der beiden traurigen Ritter. Wie soll sich jetzt ein nichtexistierender Ritter ein nichtexistierendes Universum vorstellen?



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