Was sind Begriffe - was ist Begriffs-Realismus?

Hier geht es einerseits um die Erörterung logischer Grundstrukturen in der Philosophie und andererseits um Sprachanalyse als philosophische Methode, Theorien der Referenz und Bedeutung, Sprechakttheorien u.ä.
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Jörn Budesheim
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Sa 30. Jun 2018, 19:52

In der aktuellen Information-Philosophie (2|2018) wird ein Buch von Andreas Kemmerling mit dem Titel “Glauben - Essay über einen Begriff” ausführlich vorgestellt. Dabei geht es nicht um “den Glauben” (im religiösen Sinn), sondern um “das Glauben” im Sinne von “für wahr halten”. Im Anschluss an die Buchvorstellung wird Kemmerling interviewt. Kemmerling bezeichnet sich selbst als Realist in Bezug auf Begriffe.

Was versteht er darunter? Um das zu erläutern, klärt er zunächst, wie er selbst den Begriff “Begriff” versteht. Er bezeichnet damit nicht etwas “Psychisches” zum Beispiel eine mentale Repräsentation. Er sagt: “Ich meine damit etwas, das keine Repräsentation ist, wohl aber der Inhalt einer Repräsentation sein kann. Begriffe in diesem zweiten Sinn sind Bestandteile wahrheitsfähiger Inhalte, sogenannte Propositionen. Und gewöhnlich sind sie etwas [...] das von mehren Subjekten erfasst wird oder zumindest erfasst werden kann.”

Kemmerling unterscheidet zwischen einer psychologischen und einer logischen Wortverwendung des Begriffs “Begriff”. Beide sind in der Philosophie anzutreffen. Ihm ging es bei der Analyse des Begriffs “Glauben” jedoch allein um die logische Verwendung - also, wie er sagt: “um Komponenten des Inhalts dessen, was wir denken, nicht um das psychische Material, mit dem wir denken.”

Kemmerling macht geltend, dass es etliche Grundbegriffe gibt. Begriffe, ohne die wir - wie Davidson sagt - gar keine Begriffe hätten: Grundbegriffe sind “nicht durch explizite Definitionen auf grundlegendere Begriffe zurückführbar. Wodurch sind sie bestimmt? Die beste Antwort, die ich kenne, besagt: durch die Verbindungen, in denen sie zu anderen Begriffen, insbesondere zu anderen Grundbegriffen, stehen.”

Nach Kemmerling werden diese Verbindungen mit Hilfe von Aussagen charakterisiert, bei denen es sich um begriffliche Wahrheiten handelt. Man sagt: die Grundbegriffe seien in dieser Weise “impliziert definiert”. Wenn auch manche dieser Wahrheiten trivial sein mögen, handelt es sich bei der Analyse dieser Grundbegriffe - in meinen Worten gesagt: um ein Forschungsprogramm. Das bedeutet, dass sich das, was sich über die fraglichen Begriff sagen und herausfinden, also erforschen lässt, nicht darin erschöpft, was wir derzeit von ihnen wissen. Zwar kennen wir (kompetente Begriffsverwender) diese Begriffe leidlich gut. Dennoch haben wir - selbst die, die lange über diese Begriffe nachgedacht haben - oft nur unvollständige Kenntnisse von ihren implizieren Definitionen.

Das heißt, es ist möglich, dass es begriffliche Wahrheiten über die fraglichen Grundbegriffe gibt, die wir nicht kennen, möglicherweise sogar niemals kennen werden. Kimmerling stellt sich damit gegen die Position (der er früher selbst “zuneigte”) die glaubt, an einem Begriff könne nicht mehr dran sein als das, was sich in der kompetenten Verwendung, wenn man so will im Sprechen, zeigt. Wer diese Art des Begriffs-Realismus vertritt, wird sich bei der genauen Betrachtung eines der diversen Grundbegriffe niemals mit einer deskriptiven Sprachanalyse begnügen, denn die fraglichen Begriffe führen in dieser Sichtweise eine Art Eigenleben über den Gebrauch hinaus. (Mir gefiele der Begriff “Eigenlogik” statt “Eigenleben” etwas besser, aber das mag Geschmackssache sein.)

Ungefähr eine Handvoll Beispiele für solche Grundbegriffe führt Kemmerling an: Wahrheit, Existenz, Zeit, gut, ich und natürlich Glauben, wovon sein Buch handelt.




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Jörn Budesheim
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Sa 16. Mär 2019, 06:15

Ein Ausschnitt des Interviews findet man jetzt auch online:

http://www.information-philosophie.de/? ... &y=4&c=132




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Jörn Budesheim
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Sa 16. Mär 2019, 06:23

Hier noch mal ein Ausschnitt >

Um zu erklären, was ich mit diesem Terminus meine, muß ich zunächst einmal sagen, wie ich das Wort „Begriff“ verwende. Und zwar nicht, um damit etwas Psychisches zu bezeichnen, wie z. B. eine mentale Repräsentation. Ich meine damit etwas, das keine Repräsentation ist, wohl aber der Inhalt von Repräsentationen sein kann. Begriffe in diesem zweiten Sinn sind Bestandteile wahrheitswertfähiger Inhalte, sogenannter Propositionen. Und gewöhnlich sind sie etwas Intersubjektives: etwas, das von mehreren Subjekten erfaßt wird oder zumindest erfaßt werden kann.

Den könnte man nachgehen. Was sind also Begriffe?




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Jörn Budesheim
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Sa 16. Mär 2019, 06:30

In diesem Zitat geht Markus Gabriel dem Begriff "Begriff" nach.
Markus Gabriel, in der "Sinn des Denkens" hat geschrieben : Wie ich noch erklären werde, können wir Gedanken nicht produzieren, sondern nur rezipieren. Gedanken fallen uns ein. Wir können lediglich die Empfänger sein, also unser Denken auf die richtige Wellenlänge einstellen. Der US-amerikanische Philosoph Mark Johnston (*1954) spricht demzufolge davon, dass wir im Denken keine »Präsenzproduzenten (producers of presence)« sind, sondern »Probesonden (samplers of presence)«. Also empfangen wir Daten, steuern diesen Vorgang aber nicht dadurch, dass wir die Daten vorher bearbeiten. Das Denken setzt Wegmarken, an denen es sich orientiert. Eine Wegmarke zur Orientierung durch den Kölner Hauptbahnhof ist der Begriff des Passanten, eine andere der Begriff des Gleises. Ein Begriff erfüllt die Funktion des Gleichsetzens von Ungleichem, was der britische Philosoph Hilary Lawson (*1954) insgesamt als Denken bestimmt. Die Idee geht nicht auf Lawson zurück, sondern bestimmt die Philosophiegeschichte von Platon bis Theodor Wiesengrund Adorno (1903–1969), der sie 1966 in seinem Buch Negative Dialektik einer gründlichen Kritik unterzogen hat. Die Idee, dass Denken = Verzerren ist, ist die Quelle unzähliger Denkfehler, die hier demaskiert werden. Um zu verstehen, was eigentlich auf dem Spiel steht, möchte ich diesen Gedanken einmal illustrieren. Gleis 1 und Gleis 9 des Kölner Hauptbahnhofs sind im Einzelnen ziemlich verschieden. Die Treppenstufen sind nicht in gleichem Maß beschmutzt, andere Zuglinien halten dort, und die Schienen sind physikalisch gesehen auch nicht identisch, da sie unterschiedlich abgenutzt sind. Außerdem befindet sich Gleis 1 an einer anderen Stelle als Gleis 9. Das heißt philosophisch ausgedrückt, dass Gleis 1 und Gleis 9 sich dadurch voneinander unterscheiden, dass sie im Einzelnen verschiedene Eigenschaften haben. Eine Eigenschaft ist etwas, wodurch sich etwas von etwas anderem unterscheidet, mit dem man es ansonsten verwechseln könnte. Obwohl Gleis 1 und Gleis 9 aufgrund ihrer verschiedenen Eigenschaften nicht identisch sind, sind sie vergleichbar. Ihre Vergleichbarkeit wird durch die Funktion hergestellt, die sie übernehmen. Sowohl an Gleis 1 als auch an Gleis 9 halten Züge. Der Fahrplan gibt Auskunft darüber, wann genau welcher Zug wohin abfährt – oder zumindest, wie dies vorgesehen ist. Gleis 1 und Gleis 9 sind demnach zwar nicht identisch, aber in einigen Hinsichten ähnlich. Diese Ähnlichkeiten von Gleis 1 und Gleis 9 sind im Begriff des Gleises zusammengefasst. Ein Begriff übernimmt häufig die Funktion des Gleichsetzens des Ungleichen. Deswegen sind Begriffe ziemlich nützlich. Ohne sie könnten wir uns nicht orientieren. Sie sind die Wegmarken, dank derer wir überhaupt etwas erkennen können. Denken ist dasjenige Medium, in dem wir uns auf unserer Reise durchs Unendliche orientieren. Es gibt die Richtung vor, in der wir nach Gegenständen und Ereignissen Ausschau halten, die für bestimmte Zwecke wichtig sind, etwa für den Zweck, seinen Zug zu erreichen oder auf dem Weg durch den Hauptbahnhof eine Apfelschorle zu kaufen. Natürlich kann man sich im Hauptbahnhof auch ganz anders orientieren, zum Beispiel, wenn man dort Drogen verkaufen möchte oder auf der anderen Seite des Gesetzes als Polizist versucht, die Drogendealer zu identifizieren. Auch Spionagearbeit am Kölner Hauptbahnhof kommt sicherlich vor und wird nur von den allerwenigsten bemerkt. Denn um Spionagearbeit zu erkennen, braucht man Begriffe, die Spione und Geheimdienste, wie ihr Name schon sagt, lieber geheim halten wollen.




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Friederike
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Sa 23. Mär 2019, 09:29

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 16. Mär 2019, 06:30
In diesem Zitat geht Markus Gabriel dem Begriff "Begriff" nach.
Markus Gabriel, in der "Sinn des Denkens" hat geschrieben : Wie ich noch erklären werde, können wir Gedanken nicht produzieren, sondern nur rezipieren. Gedanken fallen uns ein. Wir können lediglich die Empfänger sein, also unser Denken auf die richtige Wellenlänge einstellen. Der US-amerikanische Philosoph Mark Johnston (*1954) spricht demzufolge davon, dass wir im Denken keine »Präsenzproduzenten (producers of presence)« sind, sondern »Probesonden (samplers of presence)«. Also empfangen wir Daten, steuern diesen Vorgang aber nicht dadurch, dass wir die Daten vorher bearbeiten. Das Denken setzt Wegmarken, an denen es sich orientiert. Eine Wegmarke zur Orientierung durch den Kölner Hauptbahnhof ist der Begriff des Passanten, eine andere der Begriff des Gleises. Ein Begriff erfüllt die Funktion des Gleichsetzens von Ungleichem, was der britische Philosoph Hilary Lawson (*1954) insgesamt als Denken bestimmt. Die Idee geht nicht auf Lawson zurück, sondern bestimmt die Philosophiegeschichte von Platon bis Theodor Wiesengrund Adorno (1903–1969), der sie 1966 in seinem Buch Negative Dialektik einer gründlichen Kritik unterzogen hat. Die Idee, dass Denken = Verzerren ist, ist die Quelle unzähliger Denkfehler, die hier demaskiert werden. Um zu verstehen, was eigentlich auf dem Spiel steht, möchte ich diesen Gedanken einmal illustrieren. Gleis 1 und Gleis 9 des Kölner Hauptbahnhofs sind im Einzelnen ziemlich verschieden. Die Treppenstufen sind nicht in gleichem Maß beschmutzt, andere Zuglinien halten dort, und die Schienen sind physikalisch gesehen auch nicht identisch, da sie unterschiedlich abgenutzt sind. Außerdem befindet sich Gleis 1 an einer anderen Stelle als Gleis 9. Das heißt philosophisch ausgedrückt, dass Gleis 1 und Gleis 9 sich dadurch voneinander unterscheiden, dass sie im Einzelnen verschiedene Eigenschaften haben. Eine Eigenschaft ist etwas, wodurch sich etwas von etwas anderem unterscheidet, mit dem man es ansonsten verwechseln könnte. Obwohl Gleis 1 und Gleis 9 aufgrund ihrer verschiedenen Eigenschaften nicht identisch sind, sind sie vergleichbar. Ihre Vergleichbarkeit wird durch die Funktion hergestellt, die sie übernehmen. Sowohl an Gleis 1 als auch an Gleis 9 halten Züge. Der Fahrplan gibt Auskunft darüber, wann genau welcher Zug wohin abfährt – oder zumindest, wie dies vorgesehen ist. Gleis 1 und Gleis 9 sind demnach zwar nicht identisch, aber in einigen Hinsichten ähnlich. Diese Ähnlichkeiten von Gleis 1 und Gleis 9 sind im Begriff des Gleises zusammengefasst. Ein Begriff übernimmt häufig die Funktion des Gleichsetzens des Ungleichen. Deswegen sind Begriffe ziemlich nützlich. Ohne sie könnten wir uns nicht orientieren. Sie sind die Wegmarken, dank derer wir überhaupt etwas erkennen können. Denken ist dasjenige Medium, in dem wir uns auf unserer Reise durchs Unendliche orientieren. Es gibt die Richtung vor, in der wir nach Gegenständen und Ereignissen Ausschau halten, die für bestimmte Zwecke wichtig sind, etwa für den Zweck, seinen Zug zu erreichen oder auf dem Weg durch den Hauptbahnhof eine Apfelschorle zu kaufen. Natürlich kann man sich im Hauptbahnhof auch ganz anders orientieren, zum Beispiel, wenn man dort Drogen verkaufen möchte oder auf der anderen Seite des Gesetzes als Polizist versucht, die Drogendealer zu identifizieren. Auch Spionagearbeit am Kölner Hauptbahnhof kommt sicherlich vor und wird nur von den allerwenigsten bemerkt. Denn um Spionagearbeit zu erkennen, braucht man Begriffe, die Spione und Geheimdienste, wie ihr Name schon sagt, lieber geheim halten wollen.
Ich verstehe nicht, was auf dem Spiel stehen soll (deswegen unterstreiche ich den Satz im Zitat). Die Funktion des Gleichsetzens des Ungleichen, das kommt mir plausibel vor und ... zweiter Punkt, würde doch aber nicht Adornos Kritik entgegenstehen, der gemeint hat, eine Begriff würde die "Sache" niemals ganz erfassen. Gabriels Beispiel zeigt doch, daß sich Gleis 1 und Gleis 9 in verschiedenen Hinsichten unterscheiden und deswegen der Begriff "Gleis" die Sache "Gleis 1" nicht vollständig erfaßt.




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Jörn Budesheim
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Sa 23. Mär 2019, 13:25

Gabriel sagt es in dem Absatz, den du zitierst, selbst: wir brauchen Begriffe, um uns in der Unendlichkeit - in den vielen Wirklichkeiten, in denen wir leben - zu orientieren. Es steht also ziemlich viel auf dem Spiel.

Gabriel kritisiert die Auffassung, dass Denken stets eine Form des Verzerrens ist. Welchen Grund gibt es deiner Ansicht nach, an dieser Auffassung festzuhalten? (Falls du das möchtest.) Ich finde die Argumentation von Gabriel plausibel, was fehlt dir daran? Was möchtest du aussetzen?




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Friederike
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Sa 23. Mär 2019, 18:59

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2019, 13:25
Gabriel sagt es in dem Absatz, den du zitierst, selbst: wir brauchen Begriffe, um uns in der Unendlichkeit - in den vielen Wirklichkeiten, in denen wir leben - zu orientieren. Es steht also ziemlich viel auf dem Spiel.
Ah ja, ich hatte schlicht nicht verstanden, was er meint. Das heißt, falls wir falsche Begriffe haben oder sie nicht richtig verstehen, dann erfassen wir die Wirklichkeit(en) möglicherweise nicht angemessen? Also, wenn wir nicht wissen, was der Begriff "Gleis" beispielsweise meint? So?
Jörn hat geschrieben : Gabriel kritisiert die Auffassung, dass Denken stets eine Form des Verzerrens ist. Welchen Grund gibt es deiner Ansicht nach, an dieser Auffassung festzuhalten? (Falls du das möchtest.) Ich finde die Argumentation von Gabriel plausibel, was fehlt dir daran? Was möchtest du aussetzen?
Um Himmels willen @Jörn, bevor ich irgendetwas kritisiere, muß ichs doch erstmal kapiert haben, damit ich weiß, ob und warum ich Einwände habe. Warum ist Denken eine Form des Verzerrens, also die Auffassung, gegen die Gabriel argumentiert? Deswegen hatte ich Adorno erwähnt, weil ich Gabriel so verstanden habe, daß Adorno ebenfalls zu den Vertretern dieser von Gabriel monierten Auffassung gehören soll. Und ja, das stimmt schon, mir leuchtet es ein, das hatte ich ja auch geschrieben, daß der Begriff eine Sache nie vollständig erfaßt. Insofern weiß ich nicht oder verstehe nicht, warum Gabriel meint, diese Ansicht sei falsch. Falls Gabriel mit dem "verzerrenden Denken" nicht überhaupt etwas ganz anderes meint als ich es jetzt im Kopf habe (d.h. wie Adorno es ausdrückt).

Ich hoffe, ich schreibe einigermaßen verständlich. :roll:




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Jörn Budesheim
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Sa 23. Mär 2019, 21:59

Friederike hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2019, 09:29
Gabriels Beispiel zeigt doch, daß sich Gleis 1 und Gleis 9 in verschiedenen Hinsichten unterscheiden und deswegen der Begriff "Gleis" die Sache "Gleis 1" nicht vollständig erfaßt.
Das klingt für mich so, als hättest du hier Stellung bezogen.




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So 24. Mär 2019, 08:21

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2019, 21:59
Friederike hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2019, 09:29
Gabriels Beispiel zeigt doch, daß sich Gleis 1 und Gleis 9 in verschiedenen Hinsichten unterscheiden und deswegen der Begriff "Gleis" die Sache "Gleis 1" nicht vollständig erfaßt.
Das klingt für mich so, als hättest du hier Stellung bezogen.
Ja. Der Begriff "Gleis" -als Beispiel- zeigt, daß der Begriff die Sache, d.h. das konkrete Einzelding, nämlich das Gleis 1 oder das Gleis 9 nicht erfaßt. Man erkennt es daran, daß Gleis 1 und Gleis 9 unterschiedliche Eigenschaften haben können, die sie nicht haben könnten, wenn der Begriff "Gleis" die einzelne Sache vollständig erfassen würde. Die Gleise sind nicht identisch, obwohl sie beide "Gleis" heißen. Das führt Gabriel ja aus.

Ich halte Adornos Ansicht (haben wir das nicht auch in der Vorlesung zu Hegel gehört?) also für zutreffend. Ein Begriff erfaßt grundsätzlich, von seiner Definition her, den einzelnen konkreten Gegenstand nicht vollständig. Man könnte in einer anderen Formulierung auch sagen, das Denken -in Begriffen- verzerre die Realität.

Und nun verstehe ich nicht, warum Gabriel meint, der Begriff erfasse das konkrete Einzelding -entgegen der Meinung Adornos z.B.- doch vollständig. Falls er das meint. Sein Gleisbeispiel zeigt doch das genaue Gegenteil.




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Friederike
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So 24. Mär 2019, 09:42

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 16. Mär 2019, 06:30
In diesem Zitat geht Markus Gabriel dem Begriff "Begriff" nach.
Markus Gabriel, in der "Sinn des Denkens" hat geschrieben : Wie ich noch erklären werde, können wir Gedanken nicht produzieren, sondern nur rezipieren. Gedanken fallen uns ein. Wir können lediglich die Empfänger sein, also unser Denken auf die richtige Wellenlänge einstellen. Der US-amerikanische Philosoph Mark Johnston (*1954) spricht demzufolge davon, dass wir im Denken keine »Präsenzproduzenten (producers of presence)« sind, sondern »Probesonden (samplers of presence)«. Also empfangen wir Daten, steuern diesen Vorgang aber nicht dadurch, dass wir die Daten vorher bearbeiten. Das Denken setzt Wegmarken, an denen es sich orientiert. Eine Wegmarke zur Orientierung durch den Kölner Hauptbahnhof ist der Begriff des Passanten, eine andere der Begriff des Gleises. Ein Begriff erfüllt die Funktion des Gleichsetzens von Ungleichem, was der britische Philosoph Hilary Lawson (*1954) insgesamt als Denken bestimmt. Die Idee geht nicht auf Lawson zurück, sondern bestimmt die Philosophiegeschichte von Platon bis Theodor Wiesengrund Adorno (1903–1969), der sie 1966 in seinem Buch Negative Dialektik einer gründlichen Kritik unterzogen hat. Die Idee, dass Denken = Verzerren ist, ist die Quelle unzähliger Denkfehler, die hier demaskiert werden. Um zu verstehen, was eigentlich auf dem Spiel steht, möchte ich diesen Gedanken einmal illustrieren. Gleis 1 und Gleis 9 des Kölner Hauptbahnhofs sind im Einzelnen ziemlich verschieden. Die Treppenstufen sind nicht in gleichem Maß beschmutzt, andere Zuglinien halten dort, und die Schienen sind physikalisch gesehen auch nicht identisch, da sie unterschiedlich abgenutzt sind. Außerdem befindet sich Gleis 1 an einer anderen Stelle als Gleis 9. Das heißt philosophisch ausgedrückt, dass Gleis 1 und Gleis 9 sich dadurch voneinander unterscheiden, dass sie im Einzelnen verschiedene Eigenschaften haben. Eine Eigenschaft ist etwas, wodurch sich etwas von etwas anderem unterscheidet, mit dem man es ansonsten verwechseln könnte. Obwohl Gleis 1 und Gleis 9 aufgrund ihrer verschiedenen Eigenschaften nicht identisch sind, sind sie vergleichbar. Ihre Vergleichbarkeit wird durch die Funktion hergestellt, die sie übernehmen. Sowohl an Gleis 1 als auch an Gleis 9 halten Züge. Der Fahrplan gibt Auskunft darüber, wann genau welcher Zug wohin abfährt – oder zumindest, wie dies vorgesehen ist. Gleis 1 und Gleis 9 sind demnach zwar nicht identisch, aber in einigen Hinsichten ähnlich. Diese Ähnlichkeiten von Gleis 1 und Gleis 9 sind im Begriff des Gleises zusammengefasst. Ein Begriff übernimmt häufig die Funktion des Gleichsetzens des Ungleichen. Deswegen sind Begriffe ziemlich nützlich. Ohne sie könnten wir uns nicht orientieren. Sie sind die Wegmarken, dank derer wir überhaupt etwas erkennen können. Denken ist dasjenige Medium, in dem wir uns auf unserer Reise durchs Unendliche orientieren. Es gibt die Richtung vor, in der wir nach Gegenständen und Ereignissen Ausschau halten, die für bestimmte Zwecke wichtig sind, etwa für den Zweck, seinen Zug zu erreichen oder auf dem Weg durch den Hauptbahnhof eine Apfelschorle zu kaufen. Natürlich kann man sich im Hauptbahnhof auch ganz anders orientieren, zum Beispiel, wenn man dort Drogen verkaufen möchte oder auf der anderen Seite des Gesetzes als Polizist versucht, die Drogendealer zu identifizieren. Auch Spionagearbeit am Kölner Hauptbahnhof kommt sicherlich vor und wird nur von den allerwenigsten bemerkt. Denn um Spionagearbeit zu erkennen, braucht man Begriffe, die Spione und Geheimdienste, wie ihr Name schon sagt, lieber geheim halten wollen.
Was ist jetzt "neu" an dem, was Gabriel sagt? Ich blicke in dem Text nicht durch, "was wer gegen was" gesagt haben soll und was Gabriel meint. Daß wir uns am Denken und mittels des Denkens orientieren, das ist gewiß nicht neu. Naja, und daß wir gelegentlich unsere Überzeugungen und Begriffe korrigieren müssen, weil wir merken, erfahren, daß sie der Wirklichkeit nicht entsprechen, das kommt eben vor. Womit ich sagen will, daß ich die Formulierung, "was auf dem Spiel steht" ein bißchen hochgehängt finde.

Gar nicht einverstanden bin ich mit dem "Empfangen von Gedanken", einer Idee, der Gabriel zustimmt.

Im Augenblick maße ich mir gerade an, über Gabriels Auffassung mit einem Wisch hinwegzufahren. Aber Ihr könnt mich natürlich korrigieren.




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Friederike
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So 24. Mär 2019, 10:45

Ich kopiere hierher in voller Länge den Artikel, den @TsukiHana unter "Kulturbegriff" zitiert hatte, weil er mich darauf bringt zu fragen, wie man Gabriels "Begriffsrealismus" auf den Begriff "Kultur", wie er im Folgenden problematisiert wird, anwenden könnte? Was bedeutet das Wort "Realismus" hinter dem Wort "Begriff"?
Max Fuchs hat geschrieben :
Begrifflichkeiten

„Das Wort ‚Kultur‘ ist wohl eines der komplexesten in unserer Sprache“ – so beginnt Terry Eagleton (2001:7) seine Einführung in die Kulturtheorie. Was für das Englische gilt, gilt erst recht für die deutsche Sprache: Der Kulturbegriff ist in aller Munde. In den Wissenschaften gibt es fast überall einen „cultural turn“ (Bachmann-­Medick 2006). Die aktuelle Konjunktur des Kulturbegriffs weist darauf hin, dass mit ihm etwas erfasst wird, was bisherige Konzepte und Begriffe offenbar übersehen haben. Seine vielseitige Verwendung in vielfältigen Praxis-­ und Wissenschaftskontexten lässt zudem erwarten, dass man es mit einer Pluralität unterschiedli­cher Definitionen zu tun hat. Eine Vielfalt von Kulturen – was auch immer darunter verstanden wird – entspricht einer Vielfalt der Kulturbegriffe und ­-theorien. Es kann sich aber auch um Paradigmenwechsel in den Wissenschaften handeln, die ihre Ursache in der Untauglichkeit bislang verwendeter Konzepte haben oder auch bloß Moden sind (Fuchs 2008b).

„Kultur“ ist jedenfalls ein Pluralitätsbegriff, ein Begriff, der Relevanz in Theorie und Praxis hat, ein Begriff, an dem sich bestimmte Professionen festmachen. Er hat mit Entwicklung zu tun. Seine Vielfältigkeit und seine Dynamik weisen zudem darauf hin, dass man nicht sicher über seinen Gegenstandsbereich sein kann. Dirk Baeckers (2000:33) Vorschlag, „Kultur“ aus all den genannten Gründen als Suchbegriff zu verstehen, macht deshalb Sinn. Auf welche Problemlagen reagiert man also bei der Verwendung des Kulturbegriffs? Wie kommt seine Attrak­tivität zustande? Welche Problemlage verdeckt aber auch möglicherweise der Kulturbegriff?

Als erste Orientierung sollen zwei Kulturbegriffe wiedergegeben werden. „Kulturphilo­sophie“, so Ralf Konersmann (2003:26), „ist die verstehende Auseinandersetzung mit der endlichen, von Menschen gemachten Welt – und das ist die Kultur.“ Es geht darum, dass der Mensch handelnd in die Welt eingreift, um diese zu seiner Welt zu machen und auch sich selbst in diesem Prozess gestaltet. Damit wird die Beschäftigung mit der Kultur (als Menschenwerk) zur komplementären Ergänzung von Anthropologie (als Lehre vom Menschen selbst): Kultur­theorie und Anthropologie sind zwei Seiten derselben Medaille. Die tätige Auseinandersetzung mit der Welt, dieser Prozess der Selbst-­ und Weltgestaltung will verstanden werden – auch dies ist offenbar eine Mitgift der Anthropogenese: der Bedarf an Deutung. „Kultur“ kann sich daher sowohl auf Dinge und Prozesse, aber auch auf Geistiges beziehen. Der Kulturbegriff stellt eine Brücke zwischen Basis und Überbau dar (vgl. Eagleton 2001)...
Quelle: Kulturbegriffe, Kultur der Moderne, kultureller Wandel von Max Fuchs
https://www.kubi-online.de/artikel/kult ... ler-wandel




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Jörn Budesheim
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So 24. Mär 2019, 10:50

Friederike hat geschrieben :
So 24. Mär 2019, 10:45
Gabriels "Begriffsrealismus"
Andreas Kemmerling!

Um diesem Autoren geht es hier. Gabriel habe ich nur gebracht, weil er sein Verständnis von Begriff erläutert. über BegriffsRealismus spricht Gabriel an der fraglichen Stelle überhaupt nicht, soweit ich sehe.




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Friederike
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So 24. Mär 2019, 12:01

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Mär 2019, 10:50
Friederike hat geschrieben :
So 24. Mär 2019, 10:45
Gabriels "Begriffsrealismus"
Andreas Kemmerling!
Um diesem Autoren geht es hier. Gabriel habe ich nur gebracht, weil er sein Verständnis von Begriff erläutert. über BegriffsRealismus spricht Gabriel an der fraglichen Stelle überhaupt nicht, soweit ich sehe.
Ich bin an der Stelle, an der Du Gabriel zitiert hattest, reingesprungen, ohne den Eingangsbeitrag gelesen zu haben.




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Jörn Budesheim
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So 24. Mär 2019, 13:33

Friederike hat geschrieben :
So 24. Mär 2019, 08:21
Der Begriff "Gleis" -als Beispiel- zeigt, daß der Begriff die Sache, d.h. das konkrete Einzelding, nämlich das Gleis 1 oder das Gleis 9 nicht erfaßt. Man erkennt es daran, daß Gleis 1 und Gleis 9 unterschiedliche Eigenschaften haben können, die sie nicht haben könnten, wenn der Begriff "Gleis" die einzelne Sache vollständig erfassen würde. Die Gleise sind nicht identisch, obwohl sie beide "Gleis" heißen. Das führt Gabriel ja aus.
Gabriel hat geschrieben : Obwohl Gleis 1 und Gleis 9 aufgrund ihrer verschiedenen Eigenschaften nicht identisch sind, sind sie vergleichbar. Ihre Vergleichbarkeit wird durch die Funktion hergestellt, die sie übernehmen. Sowohl an Gleis 1 als auch an Gleis 9 halten Züge. Der Fahrplan gibt Auskunft darüber, wann genau welcher Zug wohin abfährt ...
Zu sagen: "das hier ist ein Gleis, nämlich gleich Gleis 1" und zu sagen "das hier ist ebenfalls ein Gleis, nämlich Gleis 9" heißt nicht, zu behaupten, dass diese beiden Dinge identisch sind. Es bedeutet lediglich zu sagen, dass beides zurecht unter dem Begriff Gleis fällt.




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Jörn Budesheim
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So 24. Mär 2019, 13:56

Friederike hat geschrieben :
So 24. Mär 2019, 08:21
Ein Begriff erfaßt grundsätzlich, von seiner Definition her, den einzelnen konkreten Gegenstand nicht vollständig. Man könnte in einer anderen Formulierung auch sagen, das Denken -in Begriffen- verzerre die Realität.
Könnte man, allerdings fehlt ein Argument dafür.

Warum sollte der Umstand, dass das, was wir Gleis 9 nennen, eine bestimmte Funktion erfüllen kann und daher zurecht Gleis 9 genannt werden kann, die Realität verzerren?

Wie kommt man auf so eine Idee, also die Idee, dass es sich dabei um eine Verzerrung handelt? Eine von mehreren Möglichkeiten ist, dass man einen metaphysischen Realismus vertritt. Das ist die Idee, dass es eine einzige wahre Beschreibung der Welt gibt. Nun sind dort, wo wir das Gleis 9 ausmachen, noch viele verschiedene andere Beschreibungen möglich. (Genau genommen unendlich viele, weswegen Gabriel ja auch davon spricht, dass wir uns mit Begriffen durch die Unendlichkeit navigieren.) Und diejenigen Beschreibungen, die nicht mit der einzigen wahren Beschreibung übereinstimmen, könnte man, je nach Gusto, Verzerrungen nennen. Nun ist allerdings die Idee, dass es nur eine einzige wahre Beschreibung der Welt gibt, den meisten Philosophen ohnehin suspekt, und soweit ich mich richtig entsinne, war es gerade Hilary Putnam, über den wir an einer anderen Stelle auch schon gesprochen haben, derjenige dazu einige einschlägige Argumente geliefert hat.

Falls ich Gabriel richtig verstehe, sind über das Stück Realität, welches wir Gleis 9 nennen, viele verschiedene andere Aussagen ebenso wahr. Jedoch gibt es keinen Masterbereich, keinen Schiedsrichterbereich, der festlegt, welche der verschiedenen Aussagen die "wirklich wahre" Aussage ist, so dass es sich bei den anderen eben um Verzerrungen handelt. Es ist gleichermaßen wahr, dass dort das Gleis 9 ist, dass es dort ein kleines verstecktes Biotop gibt, dass die Elemente dauert eine gewisse chemische Struktur haben, und so weiter und so fort ... Keine dieser wahren Aussagen verzerrt die Realität, weil es dort einfach keine Haupt-Realität gibt, sondern, wie oben schon gesagt, eine Unendlichkeit, durch die wie uns mit vielen verschiedenen angemessenen Begriff navigieren können ...




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Friederike
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So 24. Mär 2019, 14:20

Inhaltlich gehe ich in dieser Antwort nicht auf Deine Argumente ein @Jörn. Ich möchte nur klarstellen, -falls es unklar blieb- daß ich mir den Ausdruck "Verzerrung der Realität durch das Denken" nicht zu eigen mache oder gemacht habe. Meine Vermutung war lediglich, daß Gabriel mit diesem Ausdruck das meint, was Adorno als das vom "Begriff Ausgeschlossene" oder das "Nicht-Erfaßte" an einer Sache umschreibt.




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So 24. Mär 2019, 14:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Mär 2019, 13:33
Friederike hat geschrieben :
So 24. Mär 2019, 08:21
Der Begriff "Gleis" -als Beispiel- zeigt, daß der Begriff die Sache, d.h. das konkrete Einzelding, nämlich das Gleis 1 oder das Gleis 9 nicht erfaßt. Man erkennt es daran, daß Gleis 1 und Gleis 9 unterschiedliche Eigenschaften haben können, die sie nicht haben könnten, wenn der Begriff "Gleis" die einzelne Sache vollständig erfassen würde. Die Gleise sind nicht identisch, obwohl sie beide "Gleis" heißen. Das führt Gabriel ja aus.
Gabriel hat geschrieben : Obwohl Gleis 1 und Gleis 9 aufgrund ihrer verschiedenen Eigenschaften nicht identisch sind, sind sie vergleichbar. Ihre Vergleichbarkeit wird durch die Funktion hergestellt, die sie übernehmen. Sowohl an Gleis 1 als auch an Gleis 9 halten Züge. Der Fahrplan gibt Auskunft darüber, wann genau welcher Zug wohin abfährt ...
Zu sagen: "das hier ist ein Gleis, nämlich gleich Gleis 1" und zu sagen "das hier ist ebenfalls ein Gleis, nämlich Gleis 9" heißt nicht, zu behaupten, dass diese beiden Dinge identisch sind. Es bedeutet lediglich zu sagen, dass beides zurecht unter dem Begriff Gleis fällt.
Ich nehme an, daß ist jetzt wieder eine der Stellen, bei denen ich länger brauche, um Deine Antwort zu verstehen. Spontan würde ich sagen, dasselbe wie Du habe ich auch geschrieben. Ein Begriff setzt Verschiedenes gleich.




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So 24. Mär 2019, 14:42

Ich frage Dich jetzt ausdrücklich, @Jörn, zur Klärung: Die Auffassung, Begriffe verzerrten die Realität, gegen die Gabriel sich wendet, das ist nicht die Auffassung, von der Gabriel meint, Adorno verträte sie??? Nachdem ich den Textauszug nochmals gelesen habe, denke ich nun, Gabriel geht mit Adorno konform. Was im Ergebnis heißen würde, daß mein Herumreiten auf der Aussage von Adorno, ein Begriff würde eine Sache nie vollständig erfassen, an Gabriel vorbeiläuft, weil Gabriel genau diese Meinung auch vertritt. Verstehst Du Gabriel auch so?




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Jörn Budesheim
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So 24. Mär 2019, 15:09

Gabriel ist der Ansicht, dass Idee, dass Denken = Verzerren ist, die Quelle unzähliger Denkfehler ist.

Außerdem sagt er, dass Adorno die Idee, Denken sei das Gleichsetzen von Ungleichem in seinem Buch Negative Dialektik einer gründlichen Kritik unterzogen hat. Was das Ergebnis dieser Kritik ist, stellt er nicht dar. Da wir es hier nicht mit einem Thread über Adorno zu tun haben, ist das auch nicht von großem Belang, meine ich.




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Friederike
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So 24. Mär 2019, 15:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Mär 2019, 15:09
Da wir es hier nicht mit einem Thread über Adorno zu tun haben, ist das auch nicht von großem Belang, meine ich.
Ist es ein Thread über Gabriel? 8-) Echt, jetzt bin ich beleidigt. Es ist ein Thread über "Begriffsrealismus", offenbar ein Ausdruck, der von Kemmerling stammt, jedenfalls nicht von Gabriel. So viel habe ich heute ja nun mitbekommen. Im weiteren Sinne ist es ein Thread über das Verständnis davon, was "Begriff" meinen kann. Wenn einer sich mit der Funktion von Begriffen befaßt hat, dann ist es Adorno. Du bringst Kemmerling, später Gabriel, und ich Adorno.




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