Was sind Begriffe - was ist Begriffs-Realismus?

Hier geht es einerseits um die Erörterung logischer Grundstrukturen in der Philosophie und andererseits um Sprachanalyse als philosophische Methode, Theorien der Referenz und Bedeutung, Sprechakttheorien u.ä.
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Jörn Budesheim
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Di 5. Nov 2019, 18:55

Nehmen wir ein anderes Beispiel. John McDowell, sicher einer der einflussreichsten zeitgenössischen Philosophen, ist wie viele andere Philosophen übrigens auch, der Ansicht, dass auch unsere sinnliche Wahrnehmung begrifflich strukturiert ist. Nach meiner Interpretation heißt das, dass ein kühler Windhauch oder eine Grün-Wahrnehmung begrifflich sind, weil wir dabei etwas als etwas erleben. Entscheidend ist hierbei die "als Struktur". Und einen Windhauch erleben, ist sicherlich nichts aus der Distanz.

Ich sehe auch nicht ein, warum deiktische Begriffe aus dieser Ordnung herausgenommen werden sollten. Denn auch diese Begriffe haben ja einen Allgemeinheitsgrad.

Wenn ich einen Tisch sehe, dann ist er mir immer nur von einer bestimmten Seite aus gegeben. Wenn ich ihn hingegen denke, denkend wahrnehme, erfasse ich ihn als Ganzen. Das scheint mir der wichtiger Unterschied zu sein. Hierbei handelt es sich natürlich nicht um zwei strikt getrennte Prozesse, sondern um ein Teamwork.

Wir können denkend an den Anfang des Universums rühren. Da kommen die Vorstellungen/Wahrnehmungen natürlich nicht mit, deswegen sprechen wir an dieser Stelle in Bildern, nämlich vom Urknall. Damit bin ich ja einverstanden, das heißt aber nicht dass Begriffe immer auf Distanz gehen, das wirkt auf mich wie eine übergeneralisierung.

Mangel an Wahrnehmung haben wir im übrigen nicht nur bei großen Distanzen, sondern z.b. auch bei Objekten, die gar nicht raumzeitlich sind, wie z.b. die Demokratie, auch hier müssen wir Metaphern und Bilder finden, um unser Denken lebendig zu halten. Aber Demokratie ist nichts, was in irgendeiner Form raumzeitlich auf Distanz ist, eben weil es gar kein raumzeitlicher Gegenstand ist.




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Jörn Budesheim
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Sa 9. Nov 2019, 07:11

Nehmen wir ein klassisches Beispiel: Abendstern und Morgenstern. Begriffe? Namen? Bilder? Mit Metaphern? Wie viel Mut zur Mutmaßung ist wirklich da? Oder zählt nur das gedruckte Wort?




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Stefanie
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Mo 11. Nov 2019, 19:55

Das Beispiel finde ich interessant.
Hier ist es doch alles, je nach Kontext und Zusammenhang. Andere Namen für die Venus, Begriff ähm für Stern?, Metapher, und, also die beiden Wörter stehen auch für Ost, West, Geschichte, Religion usw.



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Paradox
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So 12. Jan 2020, 18:53

Friederike hat geschrieben :
Di 20. Nov 2018, 12:30
"Wort" und "Begriff". Warum darf man sie nicht verwechseln?
Man darf durchaus. Außer man man ist Platonist oder steht in der Tradition Freges. Für Frege gehört der Begriff 'Begriff' nicht zur Sprache sondern zur Welt der 'Dinge'. Freges 'Begriff' ist das Seiende, worauf das Begriffswort zielt. Wenn man den Begriff 'Begriff' aber sprachlich versteht (mein 'Begriff' deckt sich also mit dem, was bei Frege 'Begriffswort' heißt), dann bezeichnet man mit Begriffen Eigenschaften, Klassen, Arten. Freges 'Begriff' entspricht weitgehend Platons 'Idee'. Meine Verwendung des Begriffs 'Begriff' steht in einer Reihe mit dem Namen. Der Name benennt einen Gegenstand, der Begriff bezeichnet dessen Eigenschaften und Zugehörigkeiten zu Klassen.



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Jörn Budesheim
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So 12. Jan 2020, 19:25

Zwei verschiedene Worte z.b. "Cat" und "Katze" können jedoch für denselben Begriff stehen. Schon von daher bietet es sich meines Erachtens an, Begriff und Wort unterschiedlich zu verstehen.

Ein Begriff zu haben, heißt meines Erachtens, etwas als etwas zu erfassen. Daher denke ich, dass Tiere, die keine Sprache sprechen, so wie wir, dennoch über Begriffe verfügen, auch wenn diese sich natürlich von den unsrigen unterscheiden dürften.




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Paradox
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So 12. Jan 2020, 19:53

Hier besteht kein inhaltlicher Dissens, nur benutze ich einige Begriffe anders als du. Man muss sich hier nicht einigen, aber jeder sollte wissen, wie der andere seine Begriffe gebraucht, damit es nicht zu Missverständnissen kommt. Du schreibst
Zwei verschiedene Worte z.b. "Cat" und "Katze" können jedoch für denselben Begriff stehen. Schon von daher bietet es sich meines Erachtens an, Begriff und Wort unterschiedlich zu verstehen.
Ich drücke mich lieber so aus:
Zwei verschiedene Begriffe z.b. "Tintenfisch" und "Lebewesen mit drei Herzen" können dieselbe Art bezeichnen. Schon von daher bietet es sich meines Erachtens an, 'Begriff' sprachlich zu verstehen.
Den nächsten Satz kann ich genau so unterschreiben, wie du ihn verfasst hast:
Ein Begriff zu haben, heißt meines Erachtens, etwas als etwas zu erfassen.
Der Rest passt dann wieder nicht in meine Redeweise.



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So 12. Jan 2020, 20:17

Paradox hat geschrieben :
So 12. Jan 2020, 19:53
Zwei verschiedene Begriffe z.b. "Tintenfisch" und "Lebewesen mit drei Herzen" können dieselbe Art bezeichnen. Schon von daher bietet es sich meines Erachtens an, 'Begriff' sprachlich zu verstehen.
Ich befürchte, das verstehe ich nicht :(




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So 12. Jan 2020, 21:28

Ich vermute, dass es nicht die zoologische Ungenauigkeit ist, die auf dein Unverständnis stößt. Falls doch: ersetze die drei Herzen durch 'ein Herz und zwei Kiemenherzen'.
Die Tintenfische ... besitzen zwei Nieren, ein Herz und zwei branchiale oder Kiemenherzen... https://de.wikipedia.org/wiki/Tintenfische)


Nun ist es ja nicht von vornherein ausgemacht, dass der Begriff 'Lebewesen mit drei Herzen' genau auf die Gattung der Tintenfische zutrifft und auf keine Tierart sonst. Wir haben also zwei unterschiedliche Begriffe, nämlich 'Lebewesen mit drei Herzen' und 'Tintenfisch' und beide Begriffe bezeichnen (zufälligerweise) dieselbe Tierart. Frege hat einen analogen Fall für die beiden Namen 'Morgenstern' und 'Abendstern', die dasselbe Ding bezeichnen, ausbuchstabiert. Hier geht es um zwei unterschiedliche Begriffe für dieselbe Tierart.

Der gegenständliche Gebrauch des Begriffs 'Begriff' in der Art Freges ist für mich ebenso befremdlich wie für dich -vermutlich- meine rein sprachliche Auffassung. Begriffe sind Wörter, Wörter kann man definieren. Mit Definitionen schärfen wir die Bedeutung unserer Begriffe. Die Dinge selbst, die Eigenschaften, Klassen, Arten kann man nicht definieren. Die Begriffe, die wir gebrauchen, um sie zu bezeichnen, sehr wohl. (Wobei mir auch bewusst ist, dass die wahrgenommenen Dinge, Eigenschaften, Klassen, Arten ihrerseits wieder durch unsere Begrifflichkeit mitbestimmt werden.)

Tiere, so würde ich mich ausdrücken, haben Empfindungen, Wahrnehmungen, Verhaltensmuster. Begriffe stehen ihnen nur soweit zur Verfügung, als sie eine Sprache sprechen. Diese Fähigkeit würde ich nicht allen Tieren in Bausch und Bogen absprechen. In dieser Beziehung halte ich es eher mit Wittgenstein, der die Frage gestellt hat, ob wir - falls Löwen sprechen könnten - deren Sprache überhaupt als Sprache erkennen könnten. Vom Verstehen der Sprache mal ganz abgesehen.



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Mo 13. Jan 2020, 05:54

Paradox hat geschrieben :
So 12. Jan 2020, 21:28
Ich vermute, dass es nicht die zoologische Ungenauigkeit ist, die auf dein Unverständnis stößt.
Genau, es geht mir nicht um zu Zoologie :) Ich verstehe nicht, warum daraus, dass wir von Abendstern und Morgenstern sprechen oder von Tintenfisch und Lebewesen mit 3 Herzen folgen sollte, dass Begriffe etwas sprachliches sind?

Außerdem hast du einen Zusammenhang hergestellt zwischen meinem Argument, dass wir verschiedene Wörter für ein und denselben Begriff haben, mir ist nicht klar worin er besteht?!

... Ah, langsam dämmert es mir.

Allerdings: Abendstern und Morgenstern sind nicht zwei verschiedene Wörter für denselben Begriff. Sondern sie sind zwei verschiedene Arten und Weisen des Gegebenseins der Venus. Die beiden Begriffe Abendstern und Morgenstern haben nach Frege verschiedene Bedeutungen, bzw in seiner eigenen Terminologie verschiedenen Sinn, aber dieselbe Bedeutung (Venus).

Mein Beispiel ist ganz anders geartet. Ich unterscheide im vorliegenden Fall zwischen drei Elementen: 1. der natürlichen Art Katze, 2. dem Begriff Katze und 3. unseren Worten dafür. Für den Begriff Katze gibt es in jeder Sprache ein anderes Wort. Und das spricht meines Erachtens dafür, dass wir zwischen Begriff und Wort unterscheiden müssen.

Das ist analog dem Folgenden: "die Katze sitzt auf der Matte." Dieser Satz hat einen bestimmten Gehalt. Diesen Gehalt können wir auf verschiedene Arten und Weisen ausdrücken, z.b. "le chat est assis sur le tapis". Wir können diesen Gehalt auf viele verschiedene Arten und Weisen ausdrücken, was meines Erachtens dafür spricht, dass wir zwischen diesen Ausdrücken und dem Gehalt unterscheiden müssen.




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Mo 13. Jan 2020, 06:02

Paradox hat geschrieben :
So 12. Jan 2020, 21:28
Begriffe stehen ihnen nur soweit zur Verfügung, als sie eine Sprache sprechen.
Was ist die Begründung dafür?

Du warst einverstanden damit, dass einen Begriff haben heißt, etwas als etwas zu sehen. Warum sollte die Katze die Maus nicht als etwas, z.b. als Beute sehen? vielleicht natürlich auch als etwas, wofür wir keinen Begriff haben oder auch haben können.




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Mo 13. Jan 2020, 06:34

Nach Ansicht des amerikanischen Philosophen John McDowell sind z.b. auch unsere Wahrnehmung begrifflich strukturiert. Diese Ansicht teile ich. Ich kann z.b. einen Windhauch als Windhauch und als kühl erleben.




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Mo 13. Jan 2020, 07:16

Paradox hat geschrieben :
So 12. Jan 2020, 21:28
Der gegenständliche Gebrauch des Begriffs 'Begriff' in der Art Freges ist für mich ebenso befremdlich wie für dich -vermutlich- meine rein sprachliche Auffassung.
Ich bin leider kein Fregekenner und daher natürlich auch kein "Fregianer", deswegen kann ich zu Freges Gebrauch des Begriffs "Begriff" nicht sehr viel beitragen. Ich habe allerdings ein wenig Lektüre dazu, könnte das also irgendwann auch nachholen :)




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Paradox
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Mo 13. Jan 2020, 09:13

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Jan 2020, 06:34
Nach Ansicht des amerikanischen Philosophen John McDowell sind z.b. auch unsere Wahrnehmung begrifflich strukturiert.
Dem kann ich so zustimmen. Aber ich vermute, dass meine Interpretation dieses Satzes sich merklich von deiner unterscheidet. Wie interpretiere ich diese Aussage? Unser Verständnis von Wirklichkeit, unser Wahrnehmen und Empfinden ist bis in die feinsten Verästelungen von Sprache durchdrungen, sodass es oft nicht möglich und vermutlich auch nicht sinnvoll ist, zwischen 'bloßen Worten' und der gemeinten 'Wirklichkeit' zu unterscheiden. Wenn es das Wort, den Begriff 'Windhauch' nicht gäbe - was wäre die 'nackte Wahrnehmung', ohne diese begriffliche (= in Worte gefasste) Zuschreibung? Kann ich einen Windhauch als Windhauch wahrnehmen, wenn dieses Wort in meiner Sprache gar nicht vorkommt? Was nehme ich tatsächlich wahr, wenn mir das Wort für eine begriffliche Einordnung fehlt? (In einem anderen Thread wurde Wittgensteins Reflexion über Sinn und Unsinn von Privatsprachen erörtert. Das spielt hier mit rein, führt aber vielleicht zu weit).

Warum erfinden Physiker (überhaupt Wissenschaftler) ständig neue Worte um neue Erfahrungen (Messergebnisse) zu bezeichnen? Da ist eine Sache, die benannt werden will. Es fehlt dafür zunächst das Wort (der Begriff). Also erfindet man eines. Ist das Wort einmal vorhanden, steht es in einem sprachlichen Kontext. Man kann es mit anderen Worten umschreiben, definieren und so verdeutlichen, was mit dem Begriff gemeint sei. Ob 'Quark' nun ein Wort ist oder ein Elementarteilchen...

Vielleicht nochmal anders. In der Logik unterscheidet man zwischen der Erwähnung und dem Gebraucht eines Zeichens. Spricht man über das Zeichen, ist es selbst der Gegenstand. Das Zeichen wird erwähnt. Spricht man über die Sache, ist jene der Gegenstand. Das Zeichen wird gebraucht. Der Nutzen von Namen und Begriffen liegt in ihrem Gebrauch. Beides, Zeichen und Bezeichnetes, sind innig verschmolzen. Betreibt man formale Logik, kommt man aber um eine Unterscheidung nicht herum. Während der Physiker die Zeichen gebraucht, um Sachen zu bezeichnen, betrachtet der Logiker die Zeichen selbst: wie sie miteinander korrekt verknüpft werden können, wie einzelne Wörter strukturiert werden müssen, um ganze Sätze zu ergeben, wie Sätze miteinander verknüpft werden müssen, um gültige Schlüsse ziehen zu können etc. etc.



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Mo 13. Jan 2020, 09:46

Paradox hat geschrieben :
Mo 13. Jan 2020, 09:13
Unser Verständnis von Wirklichkeit, unser Wahrnehmen und Empfinden ist bis in die feinsten Verästelungen von Sprache durchdrungen ...
Das glaube ich auch.

Aber das spricht nicht dagegen, dass unsere Wahrnehmungen ihrerseits begrifflich sind. Das Gefühl der Kühle fühlt sich ja nicht nur irgendwie an, es hat auch einen intentionalen Aspekt, es handelt von etwas: Das da - den Windhauch - (gemeint ist der Windhauch selbst) erlebe ich so und so (nämlich als kühl). Und dieses Gefühl ist im Grunde wie ein (erlebter) Begriff. Etwas wird als kühl erlebt und anderes kann ich ebenso als kühl erleben, zum Beispiel das Wasser im Eimer. Das Empfinden ist strukturiert wie ein Urteil. Es hat einen Gegenstand (den Windhauch, das Wasser im Eimer) und schreibt diesen etwas "ist kühl" zu - also X ist f.

Ich sehe jetzt nicht, warum Wesen, die keine Sprache wie wir sprechen, ihre Umgebung nicht in der nämlichen begrifflichen Weise erfahren sollten.




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Mo 13. Jan 2020, 10:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Jan 2020, 09:46
Ich sehe jetzt nicht, warum Wesen, die keine Sprache wie wir sprechen, ihre Umgebung nicht in der nämlichen begrifflichen Weise erfahren sollten.
Wie könnte man das herausfinden? Wenn diese Wesen unsere Sprache nicht sprechen, können wir das auf diesem Weg nicht klären. Was bleibt? Man kann vielleicht bestimmte Verhaltensmuster vergleichen. Ich sehe, dass die Katze wasserscheu ist. Aber hat sie einen Begriff von 'Wasser', von 'Nässe', von 'mag ich' und 'mag ich nicht'? Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht weiß, ob Katzen ihre eigene Katzensprache haben. Ich tendiere hier aber zu einem Nein.
Das Empfinden ist strukturiert wie ein Urteil.
Ist ein Urteil in deiner Redeweise ein sprachliches Gebilde? In meiner Redeweise ja. Das Urteil (sprachlich) beschreibt eine Sachverhalt (sachlich). Das Urteil besteht (zumeist) aus Subjekt und Prädikat. Im einfachsten Fall ist das Subjekt ein Name, das Prädikat ein Begriff: "Hans ist Philosoph".

Sind Namen für dich Worte oder Dinge? Unterscheidest du zwischen dem Namen und dem Träger des Namens?
Zuletzt geändert von Paradox am Mo 13. Jan 2020, 11:44, insgesamt 1-mal geändert.



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Mo 13. Jan 2020, 11:21

Ein Urteil ist für mich, alles was diese Form hat: Xf.

Wir können X einen Nominator und f einen Prädikator nennen oder wie es uns beliebt, es ändert nichts an der Form. Das Urteil kann als Satz vorliegen, damit ich es hier posten kann: "Die Maus ist schwarz". Aber zugleich nehme ich es ja so wahr, das meine ich, wenn ich sage, dass die Wahrnehmung einen Gehalt hat. Wobei sich natürlich die vielen Wahrnehmungsmodi und unser Denken "durchdringen" und im Team arbeiten.

Wenn wir selbst solche begrifflich strukturierten Wahrnehmungen haben, können wir annehmen, dass viele der anderen Tiere dazu auch in der Lage sind, auch wenn sie sicher andere Begriffe haben als wir.




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Paradox
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Mo 13. Jan 2020, 12:23

Ich möchte nochmal auf diese Unterscheidung zurückkommen:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Jan 2020, 05:54
Ich unterscheide im vorliegenden Fall zwischen drei Elementen: 1. der natürlichen Art Katze, 2. dem Begriff Katze und 3. unseren Worten dafür. Für den Begriff Katze gibt es in jeder Sprache ein anderes Wort. Und das spricht meines Erachtens dafür, dass wir zwischen Begriff und Wort unterscheiden müssen.
Die Unterscheidung ist so, wie du sie triffst, weit verbreitet. Ich schließe mich dem nicht an. In meinen Schema fehlt das Mittelstück, bei dir 'Begriff' genannt. Wie könnte man diesen Begriff 'Begriff' schärfer fassen, damit mir seine Berechtigung neben der Sache auf der einen und der Sprache auf der anderen Seite einleuchtet? Nach meinem Empfinden ist das, was du 'Begriff' nennst, ein nebulöses Wabern zwischen Sache und Sprache, eine Art Gespenst, das weder in unserem Denken noch in der Wirklichkeit beheimatet ist.

Vielleicht liege ich ja komplett falsch, denn neben Platon, und Frege hast du auch Karl Popper mit seinen drei Welten und viele andere auf deiner Seite. Ich dagegen ziehe vor, die Begriffe 'Sprache' und 'Wirklichkeit' weit genug zu fassen, sodass kein Gespensterreich dazwischen platziert werden muss.



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Jörn Budesheim
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Paradox hat geschrieben :
Mo 13. Jan 2020, 12:23
Wie könnte man diesen Begriff 'Begriff' schärfer fassen, damit mir seine Berechtigung neben der Sache auf der einen und der Sprache auf der anderen Seite einleuchtet?
Die Argumente liegen ja eigentlich schon auf dem Tisch:
  • Bei "Katze", "cat", "chat" und "gato" handelt es sich nicht um vier verschiedene Begriffe, sondern um vier Wörter für ein und denselben Begriff. Was wäre die Alternative?
  • Unsere Wahrnehmungen sind nicht sprachlich, aber begrifflich. Das zeigt, dass Sprache und Begriffe nicht dasselbe sind.
  • Wahrnehmungen erlauben uns "etwas als etwas" zu sehen
  • Wahrnehmungen erlauben uns die Gleichsetzung des Verschiedenen, was ein typischer Job für Begriffe ist.
  • Außerdem haben Wahrnehmungen eine Urteilsstruktur.
  • Ähnlich dürfte es bei den anderen Tieren sein.
  • Das heißt, die Idee nötigt uns nicht zu einer Art Speziesismus, sondern trägt der Tatsache Rechnung, dass wir die wir auch biologische Wesen sind und der derselben Evolution entstammen.
Mir ist nicht klar, warum Begriffe etwas "gespensterhaftes" haben sollten und Wörter nicht. Ich weiß auch nicht, worin das gespensterhafte liegt?




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Alethos
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Mo 13. Jan 2020, 13:17

Paradox hat geschrieben :
Mo 13. Jan 2020, 12:23
Ich möchte nochmal auf diese Unterscheidung zurückkommen:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Jan 2020, 05:54
Ich unterscheide im vorliegenden Fall zwischen drei Elementen: 1. der natürlichen Art Katze, 2. dem Begriff Katze und 3. unseren Worten dafür. Für den Begriff Katze gibt es in jeder Sprache ein anderes Wort. Und das spricht meines Erachtens dafür, dass wir zwischen Begriff und Wort unterscheiden müssen.
Die Unterscheidung ist so, wie du sie triffst, weit verbreitet. Ich schließe mich dem nicht an. In meinen Schema fehlt das Mittelstück, bei dir 'Begriff' genannt. Wie könnte man diesen Begriff 'Begriff' schärfer fassen, damit mir seine Berechtigung neben der Sache auf der einen und der Sprache auf der anderen Seite einleuchtet?
Vielleicht lässt sich der 'Begriff' als Gegebensein von logischen Strukturen denken, in die die Sache eingeordnet ist. Die Katze als 'Begriff' ist dann die Form des Gegebenseins der Katze in der Sinnstruktur von Ober- und Unterbegriffen. Diese ontologische Struktur ist aber nichts apriori Sprachliches, handelt es sich doch um eine denk- und sprachunabhängige Wirklichkeit. Es ist ja nicht so, dass wir die Katze unter den Begriff des Vierpföters brächten, denn durch die vier Pfoten befindet sie sich sinngemäss unter diesem Begriff durch sich selbst. Dass wir Wörter wie 'vier' und 'Pfoten' verwenden, hat zunächst mit unserer Übersetzungsleistung zu tun, dank der wir die Wirklichkeit, wie sie ist, ausdrücken. Es hat aber keinen konstitutiven Charakter für die Wirklichkeit der Ordnung der Dinge selbst, ob wir sie mit 'quatres pattes' oder mit 'vier Pfoten' wiedergeben.

Ein Wort ist für mich daher eher ein Repräsentant eines wirklich gegebenen Gegenstandes, der sich erst durch seinen Begriff denken lässt.



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Alle lächeln in derselben Sprache.

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Mo 13. Jan 2020, 13:50

Vielleicht passt dieser Ausschnitt aus dem Startbeitrag ganz gut in den bisherigen Verlauf der Diksussion.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 30. Jun 2018, 19:52
In der aktuellen Information-Philosophie (2|2018) wird ein Buch von Andreas Kemmerling [...] vorgestellt. [...] Im Anschluss an die Buchvorstellung wird Kemmerling interviewt. Kemmerling bezeichnet sich selbst als Realist in Bezug auf Begriffe.

Was versteht er darunter? Um das zu erläutern, klärt er zunächst, wie er selbst den Begriff “Begriff” versteht. Er bezeichnet damit nicht etwas “Psychisches” zum Beispiel eine mentale Repräsentation. Er sagt: “Ich meine damit etwas, das keine Repräsentation ist, wohl aber der Inhalt einer Repräsentation sein kann. Begriffe in diesem zweiten Sinn sind Bestandteile wahrheitsfähiger Inhalte, sogenannte Propositionen. Und gewöhnlich sind sie etwas [...] das von mehren Subjekten erfasst wird oder zumindest erfasst werden kann.”

[...]




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