Denken

Hier geht es einerseits um die Erörterung logischer Grundstrukturen in der Philosophie und andererseits um Sprachanalyse als philosophische Methode, Theorien der Referenz und Bedeutung, Sprechakttheorien u.ä.
Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23527
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 20. Okt 2018, 13:08

In den verschiedensten Zusammenhängen denken wir hier im Forum über das Denken nach. Welche Aspekte des "Denkens" und der Äußerung von Gedanken sollte man begrifflich/analytisch unterscheiden? Hier einmal ein paar ad hoc Vorschläge:
  • Der/die Denkende, also das Wesen, das denkt.
  • Der Akt des Denkens, also der Denkvorgang.
  • Der Gegenstand des Gedankens.
  • Der Inhalt des Gedankens.
  • Das "wie es ist" des Aktes.
  • Die "Realisierung" des Aktes.
  • Das Erfassen eines Gedankens.
  • Der Ausdruck des Gedankens (als Bild, Wort, Ton, Tanz ...)
  • ...




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7310
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Sa 27. Okt 2018, 21:25

Irgendwie ist denken über das Denken eine harte Nuss.
Ich war erst bei Arendt (bei wem auch sonst), und habe etwas Heidegger gelesen, aber wenn ich das richtig verstehe, geht es uns und das begriffliche und das analytische, und nicht inhaltlich darum, was ist denken, oder?

Die Unterscheidungen und Abgrenzungen zwischen den einzelnen genannten Punkten finde ich schwierig.

Der Gegenstand des Denkens ist das, auf was sich der Gedanke bezieht? Der Inhalt des Gedankens dann das, was ich über den Gegenstand denke?
Kann man das, wenn Frau und Mann denken, so einfach trennen?

Als ich nach einen Bild für die Facebook Seite suchte, wurde unter dem Stichwort Denken in der Regel grübelnde Menschen und die berühmte Glühbirne gezeigt. Im Grunde ging es bei den Bildern immer darum, dass ein Problem behandelt wird, und ein Problem, eine Aufgabe gelöst wird. Das ist doch ziemlich einseitig.
Denken ist doch nicht nur die Lösung eines Problems.
Man denkt doch nahezu immer, und es sind nicht immer Probleme. Oder?



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23527
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 28. Okt 2018, 06:01

Stefanie hat geschrieben :
Sa 27. Okt 2018, 21:25
Kann man das, wenn Frau und Mann denken, so einfach trennen?
Zunächst nur kurz dieses:

Bild




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23527
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 28. Okt 2018, 07:06

Stefanie hat geschrieben :
Sa 27. Okt 2018, 21:25
... aber wenn ich das richtig verstehe, geht es uns um das begriffliche und das analytische, und nicht inhaltlich darum, was ist denken, oder?
Hmmm... Kannst du kurz erläutern, was du damit meinst?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23527
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 28. Okt 2018, 09:11

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 20. Okt 2018, 13:08
Welche Aspekte des "Denkens" und der Äußerung von Gedanken sollte man begrifflich/analytisch unterscheiden?
Damit meine ich z.b. folgendes: Auch Gedanken haben sowohl ein sogenanntes "wie es ist" als auch eine intentionale Dimension. Beides tritt aber nicht in irgendeiner Form "getrennt" auf, lässt sich jedoch begrifflich analytisch unterscheiden. Das gehört meines Erachtens auch zu inhaltlichen Bestimmungen, dessen was Denken ist.




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7310
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

So 28. Okt 2018, 17:30

Vielleicht können wir uns auf "auseinanderklamüsern" einigen?

In dem Moment wo ich jetzt das hier tippe, passiert folgendes bzw. ist passiert.
Der Gedanke, die Idee, was ich schreiben will, wurde entwickelt.
Ich überlege, wie ich meinen Gedanken in Worte fasse. Das passiert auch wenn ich schon tippe. Das wie ich die Gedanken erfasse und kundtue, wird geändert.
Ich denke über die Grammatik und die Rechtschreibung nach.
Überlege, wo sind bestimmte Zeichen auf der Tastatur.
Gleichzeitig erfasse ich das, was gerade aus dem Fernseher zu hören ist.
Gleichzeitig treten auch so einige Gefühle auf, wie leichter Ärger, weil bestimmte Wörter nicht erkannt werden, wegen der Tippfehler, leichte Zweifel über das was ich schreibe, und ob es das Thema trifft, und Körperempfinden sind auch mit dabei.

Ist das nicht alles Denken? Erstmal ein einheitlicher Vorgang. Mir schwant aber, dass es wohl anders ist, wenn ich über die oben genannte Aufzählung nachdenke.
Das ist dann analytisch, dies auseinaderzuklamüsern?

Aber ist es auch, darüber nachzudenken, was denken für den Menschen bedeutet, z.b. als Umgang mit sich selbst? Das meinte ich mit inhaltlich, worum es jetzt wohl nicht geht, und um nicht gleich das Thema falsch anzugehen, fragte ich.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 29. Okt 2018, 12:18

Stefanie hat geschrieben :
So 28. Okt 2018, 17:30
Aber ist es auch, darüber nachzudenken, was denken für den Menschen bedeutet, z.b. als Umgang mit sich selbst?
Den Punkt finde ich interessant. Ich verstehe es so, daß "Denken" die menschliche Tätigkeit ist, mit der alle anderen Tätigkeiten bedacht werden (können). Wir können jeden Gedanken, den wir haben, nochmals mit einem anderen Gedanken bedenken (endlos so fort), wir können unsere Wünsche, unser Wollen, unsere Gefühle bedenken, unsere bereits ausgeführten Aktivitäten überdenken. Das heißt, mit dem Denken können wir die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft unseres Lebens erfassen.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23527
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 29. Okt 2018, 18:21

Stefanie hat geschrieben :
So 28. Okt 2018, 17:30
analytisch
*seufz* (um dich mal zu zitieren)

Wir können den Begriff auch einfach streichen: "In den verschiedensten Zusammenhängen denken wir hier im Forum über das Denken nach. Welche Aspekte des "Denkens" und der Äußerung von Gedanken sollte man unterscheiden?"




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7310
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Do 1. Nov 2018, 21:04

Friederike hat geschrieben :
Mo 29. Okt 2018, 12:18
Stefanie hat geschrieben :
So 28. Okt 2018, 17:30
Aber ist es auch, darüber nachzudenken, was denken für den Menschen bedeutet, z.b. als Umgang mit sich selbst?
Den Punkt finde ich interessant. Ich verstehe es so, daß "Denken" die menschliche Tätigkeit ist, mit der alle anderen Tätigkeiten bedacht werden (können). Wir können jeden Gedanken, den wir haben, nochmals mit einem anderen Gedanken bedenken (endlos so fort), wir können unsere Wünsche, unser Wollen, unsere Gefühle bedenken, unsere bereits ausgeführten Aktivitäten überdenken. Das heißt, mit dem Denken können wir die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft unseres Lebens erfassen.
Ich finde, dies geht zum Teil in die Richtung, was für Hannah Arendt Denken ist.

Für Arendt ist Denken eine geistige Tätigkeit, wie das Wollen und das Urteilen.
Die Reflektion von Erlebten, die Aufbereitung des Erlebten, ist eine Art des Denkens.
Für sie gibt es im menschlichen Leben und Alltagslebens nichts, was nicht Gegenstand des Denkens werden könnte.
Nach Arendt ist Denken der Umgang mit sich selbst. Allerdings ist dafür der Umgang mit Anderen notwendig. Anders formuliert: Denken geht als Umgang mit sich selbst aus dem Umgang mit Anderen hervor.

Hinsichtlich des Gegenstand des Denkens schreibt sie konkreter: "Was ist der Gegenstand unseres Denkens? Die Erfahrung! Nichts anderes!"
Der Anstoß zum Denken kommt für sie aus der Außenwelt, aus der Erfahrungswelt. Sie ist der Überzeugung, dass es keinen Denkvorgang gibt, der ohne persönliche Erfahrung möglich ist. Alles denken ist Nachdenken, über das Erlebte und Erfahrende insbesondere im Umgang mit Anderen. Deutlicher wird es noch was sie meint, wenn man Nach-Denken schreibt.

Soweit sehr kurz zu Arendt.

Es gibt ein kurzes Ton Video von Heidegger zum Thema Denken. "Was heißt denken." Gibt es auch in einer langen Form. Er ist nicht gerade ein leidenschaftlicher Redner, um es mal zu formulieren.



Soweit ich das richtig verstanden habe, ist für ihn der Weg des Denkens wichtiger, als das was inhaltlich gedacht wird.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Fr 2. Nov 2018, 11:56

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 20. Okt 2018, 13:08
  • Die "Realisierung" des Aktes.
  • Das Erfassen eines Gedankens.

Wie ich von Stefanies Beitrag darauf komme, das weiß ich nicht. D.h. mir fehlt die gedankliche Verbindung. Was verstehst Du unter der "Realisierung des Aktes"? Die Bewußtmachung/die Vergegenwärtigung, daß man denkt? Und das "Erfassen eines Gedankens"? Die sprachliche Formulierung? Also nur inwendig gemeint, :lol: nicht den äußeren Ausdruck (das ist ja ein eigenständiger Punkt in Deiner Liste).




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23527
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 3. Nov 2018, 07:02

Ziel der Aufzählung oben war, die Vielfalt dessen, was Denken/Gedanken/Denker sind anzudeuten. Zugleich geht es dabei auch um die Vielfalt der sprachlichen Facetten.

Die "Realisierung" des Aktes.

Akt: Der Akt des Denkens - damit meine ich den realen Vorgang des Denkens, Nachdenkens, im Grunde das, was ich in diesem Moment tue. Aber das ist nicht "bedingungslos" zu haben.

Realisierung: Dieser Aktion wird "irgendwie" körperlich realisiert. Wie genau das bisher wissenschaftlich erforscht ist, weiß ich nicht im Detail. Ziemlich sicher gehören zu diesem Aspekt der Körper und insbesondere das Gehirn und unsere soziale Umgebung. Einige Hirnforscher, die ich gelesen habe, machen geltend, dass die Forschung auf diesem Gebiet deutlich weniger weit gediehen ist, als gemeinhin angenommen wird.

Das Erfassen eines Gedankens

Gedanke und Akt des Denkens unterscheide ich. Nach meinem Kenntnisstand bezieht sich einiges von dem, was ich da oben aufführe auf Freges Vorschläge, ähnliches soll es auch bei Husserl geben, das wäre zu untersuchen. Im Unterschied zum Akt ist der Gedanke eine objektive Struktur, sie ist dasjenige, was wir erfassen, wenn wir wahre Gedanken denken. Ein wahrer Gedanke ist eine Tatsache. Er drückt sie nicht aus, er ist sie. Der Akt ist etwas "Inneres", "psychologisches". Die Realisation hängt vermutlich an Gehirn und Körper. Der Gedanke hingegen ist etwas öffentliches, etwas objektives. Er wird erfasst.

Akt und Gedanke zu unterscheiden, ist zum Beispiel wichtig, wenn man über den Irrweg des Psychologismus nachdenken will. Untersucht man in empirischer Form Denkakte, dann könnte man zu dem empirischen Ergebnis kommen, dass 7+5 in 99% der Fälle 12 ist. Das Ereignis 12 träfe dann nicht einfach zu, sondern bloß mit einer hohen Wahrscheinlichkeit, weil eben viele Menschen so denken, wie eine empirische Forschung vielleicht zeigen könnte.

Als Beispiel dieses Zitat des Mathematikers Scholze:

"Ich [Peter Scholze] denke tatsächlich, dass die Zahlen unabhängig von uns sind. In welchem Sinne sie „existieren“ ist vielleicht schwer zu sagen, sicherlich nicht als konkrete Objekte [also Dinge] unserer Welt. Ich fühle mich aber wie ein Physiker, der die zugrundeliegenden Gesetze der Zahlen erforscht. So wie der Physiker die Welt ergründet, versuche ich einfach, die ganzen Zahlen zu erforschen. [...] Die Zahlen sind Teil von unserer Welt."

Die Wahrheit über die Zahlen ist die objektive Struktur, dasjenige, was Scholze mit einem wahren Gedanken erfasst. Der Akt des Denkens entspricht dem Grübeln und Puzzeln in seiner Studierende zum Beispiel. Die Realisation des Denkens ist an den biologischen Körper gebunden und dürfte im Wesentlichen vom Gehirn, das in einen Körper (in seiner [sozialen] Umwelt) eingebettet ist, geleistet werden.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Sa 3. Nov 2018, 08:12

O, das ist deutlich komplexer als von mir angenommen. Es stehen ja richtig ausgefeilte Konzepte hinter den Schlagwörtern.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23527
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 3. Nov 2018, 10:01

Der Gegenstand des Gedankens.
Nehmen wir ein einfaches Beispiel. Der Baum in unserem Garten trägt keine Blätter mehr. In diesem Beispiel ist der Baum der Gegenstand des Gedankens ...

Der Inhalt des Gedankens...
ist das, was über diesen Baum ausgesagt würde, dass er nämlich keine Blätter mehr trägt.

Das "wie es ist" des Aktes ...
ist in dem fraglichen Fall, das "Feeling"/die "Qualia", welche phänomenal an die erste Person gebunden ist. Hier das "leise, innere Aussprechen", was in diesem Fall den Akt des Denkens "begleitet".

Der Ausdruck des Gedankens
ist zum Beispiel das, was ihr jetzt vor euch sehr - also der Text, der hier zu lesen ist.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23527
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 3. Nov 2018, 10:39

Stefanie, Arendt zitierend hat geschrieben : "Was ist der Gegenstand unseres Denkens? Die Erfahrung! Nichts anderes!"
Der Mathematiker denkt über Zahlen nach. Gehören Zahlen zu unseren Erfahrungen? Wir können auch über den Tod nachdenken, wir können ihn aber nicht erfahren haben. Wenn wir ausschließlich über Erfahrungen nachdenken - denken wir dann nie über die Dinge unserer Umgebung nach?




scilla
Beiträge: 71
Registriert: Mi 11. Apr 2018, 19:22

Sa 3. Nov 2018, 16:46

das Denken ordnet die Gedanken, die man hat

woher die zu ordnenden Gedanken kommen, weiss ich nicht
ich weiss nur, daß der Gedankenquell bei mir in jungen Jahren stärker gesprudelt hat, als er es heute tut

(man sieht es auch im Fernsehen bei den Moderatoren,
die mit zunehmendem Alter ihre Schlagfertigkeit einbüßen)

daß eine Ordnung Sinn macht, ergibt sich aus der Notwendigkeit, seine Umwelt und sich selbst zu erfassen
demente Menschen bekommen das nicht mehr richtig auf die Reihe und würden ohne fremde Hilfe sterben




Henk
Beiträge: 58
Registriert: So 21. Okt 2018, 17:04

Sa 3. Nov 2018, 18:15

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 3. Nov 2018, 10:39
Stefanie, Arendt zitierend hat geschrieben : "Was ist der Gegenstand unseres Denkens? Die Erfahrung! Nichts anderes!"
Der Mathematiker denkt über Zahlen nach. Gehören Zahlen zu unseren Erfahrungen? Wir können auch über den Tod nachdenken, wir können ihn aber nicht erfahren haben. Wenn wir ausschließlich über Erfahrungen nachdenken - denken wir dann nie über die Dinge unserer Umgebung nach?
Über den eigenen Tod nachzudenken, bedeutet einerseits, dass man sich in den Bereich der Theorie begibt , obwohl man weiß, dass man auf jeden Fall sterben wird.
Praxis bezogener wird das Nachdenken über den Tod, wenn man auf der Basis seiner Erfahrungen mit dem Tod eines nahestehenden Menschen über diesen Tod nachdenkt.

Wichtig erscheint mir, dass Denken immer (?) etwas Vorläufiges, nicht Abgeschlossenes hat.




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7310
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

So 4. Nov 2018, 17:18

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 3. Nov 2018, 10:39
Stefanie, Arendt zitierend hat geschrieben : "Was ist der Gegenstand unseres Denkens? Die Erfahrung! Nichts anderes!"
Der Mathematiker denkt über Zahlen nach. Gehören Zahlen zu unseren Erfahrungen? Wir können auch über den Tod nachdenken, wir können ihn aber nicht erfahren haben. Wenn wir ausschließlich über Erfahrungen nachdenken - denken wir dann nie über die Dinge unserer Umgebung nach?
Auch mit Zahlen hat so ein jeder und jede so seine Erfahrungen.

Es gab eine amerikanische Serie mit dem Titel "Numbers". In dieser Serie ist der Hauptakteur ein mathematische Genie und Professor. Er hilft dem FBI mittels mathematischer Theorien und Berechnungen bei der Lösung von Fällen. Er denkt viel über das Verhältnis von Zahlen nach, und wendet Mathematik auf den Verlauf und Ablauf von Ereignissen an. Die Lösungen aber vor allem den Weg zur Lösung findet er in der Beobachtung von menschlichen Verhaltensweise und gemachten Erfahrungen, seine eigenen und den von anderen.
Jeder missglückte Versuch einer mathematische Theorie ist eine gemachte Erfahrung.

Als Apple sein erstes Smartphone herausbrachte, wurde die intuitive Bedienung hervorgehoben. Das könnte und kann doch nur funktionieren, wenn man vorher bestimmte Erfahrungen gemacht wurden. Bei der Bedienung eines Smartphones denken wir ja wohl.

Sicherlich hat Arendt einen völlig anderen Ansatz als Frege. Dein Beitrag ist mir im Moment noch zu hoch.
Nach meinem Verständnis denkt der Mensch über alles nach. Nahezu permanent. Was dabei herauskommt, ist eine andere Frage.


Nochmal Arendt:
Die meisten Worte beziehen sich auf Objekte, und Worte, die sich auf Begriffe (wie Gerechtigkeit, Mut etc.), stehen in erster Linie nicht im Zusammenhang mit Ideen in meinem Kopf, sondern mit Erfahrungen, die ich in der Welt der Erscheinungen hatte.

Ehe man fragen stellt wie: Glück, was ist Gerechtigkeit, was ist Erkenntnis usw, muss man glückliche und unglückliche Menschen gesehen haben, gerechte und ungerechte Taten, erkenntnisdrang und seine Erfüllung oder sein Scheitern..



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23527
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 4. Nov 2018, 18:00

Stefanie, Arendt zitierend hat geschrieben : "Was ist der Gegenstand unseres Denkens? Die Erfahrung! Nichts anderes!"
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 3. Nov 2018, 10:39
Gehören Zahlen zu unseren Erfahrungen?
Stefanie hat geschrieben :
So 4. Nov 2018, 17:18
Auch mit Zahlen hat so ein jeder und jede so seine Erfahrungen.
Die Erfahrungen, die wir mit Gegenständen machen, sind ja nicht die Gegenstände, oder?
Stefanie hat geschrieben :
So 4. Nov 2018, 17:18
Ehe man fragen stellt wie: Glück, was ist Gerechtigkeit, was ist Erkenntnis usw, muss man glückliche und unglückliche Menschen gesehen haben, gerechte und ungerechte Taten, erkenntnisdrang und seine Erfüllung oder sein Scheitern.
Mir ist nicht wirklich klar, was Arendt mit Erfahrungen meint. Aber den letzten Satz aus dem Zitat finde ich sehr gut. Aber dann denkt man nicht über Erfahrungen nach, sondern über glückliche und unglückliche Menschen, gerechte und ungerechte Taten, Erkenntnisdrang und seine Erfüllung oder sein Scheitern. Oder?




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7310
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

So 4. Nov 2018, 18:46

Aber auch die Erfahrungen mit unglücklichen, glücklichen Menschen...usw.
Das Zusammentreffen mit anderen Menschen ist im Grunde immer eine Geschichte. Diese Geschichte, die dabei gemachten Erfahrungen und die Erinnerungen daran werden aufbereitet, verarbeitet, reflektiert. Denken eben.


Mir dagegen ist etwas schleierhaft, wieso in dem Beispiel mit dem Baum nur der Baum Gegenstand des Gedankens sein soll, und nicht auch die Blätter.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7310
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

So 4. Nov 2018, 18:55

Ein anderes Beispiel. Komplexe Bewegungsabläufe. Ich soll einen sportlichen Bewegungsablauf nachmachen. Vorlage ist ein Video. Erfassen des Videos, dann rechtes Bein heben, linken Arm nach oben strecken. Usw. Was ist denn in dieser Situation der Gegenstand des Denkens? 1. Gedanke, 2. Gedanke, oder nicht vielmehr ein einziger Gedanke?
Die gesamte Situation ist doch denken.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Antworten