"Was wirklich ist, ist möglich"

Hier geht es einerseits um die Erörterung logischer Grundstrukturen in der Philosophie und andererseits um Sprachanalyse als philosophische Methode, Theorien der Referenz und Bedeutung, Sprechakttheorien u.ä.
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Jörn Budesheim
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So 7. Jun 2020, 11:34

Eine Anknüpfung an den Thread Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans. Dort untersucht der deutsche Philosoph Hans Blumenberg den Wirklichkeitsbegriff in seiner historischen Entwicklung, etwas vereinfacht gesagt.

Der Begriff Wirklichkeit zählt neben den Begriffen Notwendigkeit, Möglichkeit und Kontingenz jedoch auch zu den Modal-Kategorien. Das hat mich an diesen Faden erinnert, der den Begriff Wirklichkeit schließlich bereits im Titel trägt. "Was wirklich ist, ist möglich." (Hegel)

Ich habe gestern überlegt, ob man die Begriffe am Beispiel einer Schachstellung ausbuchstabieren kann.

Bild

Ich habe eben gerade online eine Partie gespielt und das war die Stellung nach dem ersten Zug von Weiß. Das war also die wirkliche Stellung, nach dem Weiß seinen Zug ausgeführt hat. Die Stellung war möglich, weil sie den Regeln entsprach. Die Stellung war kontingent, weil viele andere Stellungen auch möglich gewesen wären. Jetzt ist notwendigerweise Schwarz am Zug, da die Regeln nur diese Möglichkeit erlauben.

Ich hoffe, dass es richtig und einigermaßen nachvollziehbar. Ein wichtiger Aspekt, der nicht übersehen werden sollte, ist hier, dass die Begriffe offenbar nicht voraussetzungslos sind. Im vorliegenden Fall setzen sie die Realität des Schachspiels mit seinen Regeln voraus. Dass Schwarz am Zug ist, ist daher nicht schlechterdings notwendig, sondern nur für den Fall, dass die Schachregeln in Geltung sind.

Wie kann jedoch etwas, was nicht notwendig notwendig ist, notwendig sein?




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Jörn Budesheim
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So 14. Jun 2020, 07:39

Was sagt eigentlich das philosophische Wörterbuch zu dem Begriff Wirklichkeit?

Wirklichkeit, Abl. von wirken, mhd. würken (altgerm. Wort zu ›Werk‹) zuerst bei Meister Eckhart für actualitas (↑Aktualität), bez. im allg. den Inbegriff dessen, was wirkt bzw. wirksam geworden, ins ↑Dasein getreten, zur ↑Existenz gekommen (↑energeia) und als ein Wirksames oder Gewirktes greifbar bzw. erkennbar ist (↑Erfahrung). Vgl. ↑Realität. Im speziell metaphysisch- ontologischen Sinne ist Wirkli hier der Inbegriff des Seienden, in einer anderen Hinsicht des Wesentlichen (↑Idee, ↑an sich) im Gegensatz zum Erscheinenden, Unwesentlichen, nur Empirischen, Zufälligen (↑Schein) und auch im Gegensatz zum Nicht- bzw. Nochnicht- Wirklichen (↑Möglichkeit); im naturwissenschaftlichen Sinne der Inbegriff dessen, was wir auf Grund äußerer oder innerer ↑Wahrnehmung nach deren kritischer Läuterung von subjektiven Zutaten und auf Grund von Schlüssen aus der Wahrnehmung (z. B. aus registrierbaren Daten über nicht sinnlich Wahrnehmbares, aber Meß-bares) als objektiv seiend anerkennen.




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Friederike
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Fr 3. Jul 2020, 13:29

Ich zitiere aus "Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans":
Blumenberg hat geschrieben : Eine dritte Form des Wirklichkeitsbegriffes läßt sich bestimmen als Realisierung eines in sich einstimmigen Kontextes. Dieser Wirklichkeitsbegriff unterscheidet sich von den vorhergehenden durch seinen Zeitbezug: Wirklichkeit als Evidenz weist sich je im gegenwärtigen Augenblick und seiner Gegebenheit aus, garantierte Wirklichkeit durch den Rückbezug auf die in der Einheit der Erschaffung der Welt und der Vernunft verbürgte Vermittlung, also auf einen immer schon vergangenen Grund dessen, was die Scholastik ‚veritas ontologica‘ genannt hatte; dieser dritte Wirklichkeitsbegriff nimmt Realität als Resultat einer Realisierung, als sukzessiv sich konstituierende Verläßlichkeit, als niemals endgültig und absolut zugestandene Konsistenz, die immer noch auf jede Zukunft angewiesen ist, in der Elemente auftreten können, die die bisherige Konsistenz zersprengen und das bis dahin als wirklich Anerkannte in die Irrealität verweisen könnten. Auch die abgeschlossene Lebenszeit eines Subjektes erlaubt erst zu sagen, seine Wirklichkeit sei ungebrochen gewesen, aber auch dieses und jenes seien seine Illusionen, Imaginationen, Selbsttäuschungen, „seine“ Wirklichkeit gewesen. Die Verbindung des Possessivpronomens mit dem Ausdruck Wirklichkeit ist für diesen Begriff charakteristisch. Der alle einzelnen Subjekte übergreifende und umgreifende Horizont der Zeit setzt das einzelne Subjekt mit „seiner“ Wirklichkeit entweder ins Unrecht oder gibt ihm die Noch-Zulässigkeit einer perspektivischen Position, eines topologisch zuordnungsfähigen Aspektes von Realität. Wirklichkeit als sich konstituierender Kontext ist ein der immer idealen Gesamtheit der Subjekte zugeordneter Grenzbegriff, ein Bestätigungswert der in der lntersubjektivität sich vollziehenden Erfahrung und Weltbildung. Es ist unschwer zu sehen, daß dieser Wirklichkeitsbegriff eine gleichsam ‚epische‘ Struktur hat, daß er notwendig auf das nie vollendbare und nie in allen seinen Aspekten erschöpfte Ganze einer Welt bezogen ist, deren partielle Erfahrbarkeit niemals andere Erfahrungskontexte und damit andere Welten auszuschließen erlaubt.
So wie ich es verstehe, könnte man diesen Wirklichkeitsbegriff kurz so formulieren: Das, was ver-wirklicht ist?

Weitere Behauptung und Frage: Dies entspricht unserem gegenwärtigen Verständnis von Wirklichkeit?

"Wirklichkeit" gehört mE zu den absoluten Metaphern, ebenso wie Mensch, Gott, Sein, Wahrheit, Welt (unter Bezug auf den Beitrag von Dir, @Nauplios in "Allgemeiner Austausch zu Blumenberg"*). Ist es korrekt, von einem Wort, das absolute Metapher ist, als "Begriff" zu sprechen? Es kommt mir widersinnig vor.

Den von mir kursiv gesetzten Satz verstehe ich so, daß zur Wirklichkeit eines Subjektes/einer Person auch das von ihr jeweils für möglich Angesehene/Gehaltene gehört? Was bedeuten würde, der Titel des Threads könnte fortgesetzt werden mit "was für möglich gehalten wird, ist wirklich"? Es ist das gedanklich Ver-wirklichte.


*"Absolute Metaphern sind sie auch, weil sich nicht fragen läßt, ob sie 'richtig' oder 'angemessen' sind. Diese Metaphern konstituieren den weder in der Anschauung noch begrifflich zugänglichen Gegenstand, indem von ihm durch sie gesprochen wird." (S. 219)[Zitat aus dem Heidegger Handbuch, Anm. von F.] -




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Friederike
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Fr 3. Jul 2020, 17:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 7. Jun 2020, 11:34
[...] Der Begriff Wirklichkeit zählt neben den Begriffen Notwendigkeit, Möglichkeit und Kontingenz jedoch auch zu den Modal-Kategorien. Das hat mich an diesen Faden erinnert, der den Begriff Wirklichkeit schließlich bereits im Titel trägt. "Was wirklich ist, ist möglich." (Hegel)

[...] Ein wichtiger Aspekt, der nicht übersehen werden sollte, ist hier, dass die Begriffe offenbar nicht voraussetzungslos sind. Im vorliegenden Fall setzen sie die Realität des Schachspiels mit seinen Regeln voraus. Dass Schwarz am Zug ist, ist daher nicht schlechterdings notwendig, sondern nur für den Fall, dass die Schachregeln in Geltung sind.
Wenn ich Dich richtig verstehe, dann meinst Du, "Wirklichkeit" setze "Realität" voraus? Das finde ich insofern interessant als Blumenberg, falls ich die zitierte Passage richtig verstehe (falls, falls, falls :lol: ) die Begriffe nicht unterscheidet:

"dieser dritte Wirklichkeitsbegriff nimmt Realität als Resultat einer Realisierung" -




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Nauplios
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Fr 3. Jul 2020, 19:45

Friederike hat geschrieben :
Fr 3. Jul 2020, 13:29

"Wirklichkeit" gehört mE zu den absoluten Metaphern, ebenso wie Mensch, Gott, Sein, Wahrheit, Welt (unter Bezug auf den Beitrag von Dir, @Nauplios in "Allgemeiner Austausch zu Blumenberg"*). Ist es korrekt, von einem Wort, das absolute Metapher ist, als "Begriff" zu sprechen? Es kommt mir widersinnig vor.

*"Absolute Metaphern sind sie auch, weil sich nicht fragen läßt, ob sie 'richtig' oder 'angemessen' sind. Diese Metaphern konstituieren den weder in der Anschauung noch begrifflich zugänglichen Gegenstand, indem von ihm durch sie gesprochen wird." (S. 219)[Zitat aus dem Heidegger Handbuch, Anm. von F.] -
Ich greife mal zurück auf den Audio-Beitrag "Der Geist ist sich selbst voraus. Die Metaphernlehre des Philosophen Hans Blumenberg" von Michael Reitz. Der Text dieses Radiofeatures von 2012 kann hier nachgelesen werden:

https://www.deutschlandfunk.de/der-geis ... _id=216424

Darin heißt es:

"Diese in der Sprachwissenschaft so benannten notwendigen Metaphern sind es, die Hans Blumenberg besonders interessieren. Er nennt sie allerdings absolute Metaphern. Sie bilden die Grundbestände der philosophischen Sprache, kreieren eine Terminologie jenseits nachprüfbarer Definitionsgewalt, die aber gleichwohl das Denken wirkmächtig strukturiert."

Blumenberg schreibt in den Paradigmen :


"Metaphorik kann auch dort im Spiele sein, wo ausschließlich terminologische Aussagen auftreten, die aber ohne Hinblick auf eine Leitvorstellung in ihrer umschließenden Sinneinheit gar nicht verstanden werden können. Nicht nur die Sprache denkt uns vor und steht uns bei unserer Weltsicht gleichsam im Rücken; noch zwingender sind wir durch Bildervorrat und Bilderwahl bestimmt."

Dies scheint mir eine entscheidende Passage für die von Dir aufgeworfene Frage nach der "Korrektheit" der Bezeichnung Wirklichkeitsbegriff für die absolute Metapher "Wirklichkeit" (sofern denn zutrifft, das Wirklichkeit eine absolute Metapher ist, was ich jetzt mal voraussetze) zu sein, Friederike. Es geht um das, was Blumenberg in den Paradigmen "Hintergrundmetaphorik" nennt. - Diese Hintergrundmetaphorik ist auch da "am Werk", wo gar keine Metapher zu erkennen ist. Heidegger beispielsweise schreibt, "daß im Lichte des Seins das Seiende als das Seiende, das es ist erscheine. Ob es und wie es erscheint, ob und wie der Gott und die Götter die Geschichte und die Natur in die Lichtung des Seins hereinkommen, an- und abwesen, entscheidet nicht der Mensch." (GA 9; S. 330f) - Licht, erscheinen, Lichtung, hereinkommen, Ankunft ... Heidegger umschreibt mit einer uneigentlichen Redeweise, vornehmlich mit einer Metaphorik des Lichts das Sein. Diese Metaphorik tritt in den Hintergrund, wenn er an anderen Stellen zwar ohne "Licht" und "Lichtung" vom Sein spricht, gleichwohl aber diese Bilder, diese Metaphern den "Begriff" des Seins leiten und orientieren. Die "umschließende Sinneinheit", von der Blumenberg spricht ist die des Lichts, der Lichtung, des Erhellens, wo vorher Dunkelheit war ... diese Licht-Metaphorik ist "auch dort im Spiel, wo ausschließlich terminologische Aussagen auftreten".

Ähnliches gilt für den Wirklichkeitsbegriff, der eine "'epische' Struktur" hat. Wirklichkeit hat etwas episch Weitläufiges an sich, das sich zu einem KonText verdichtet, zu einem in sich stimmigen Zusammenhang. Andere "ErfahrungskonTexte von Anderen sind möglich. Wirklichkeit ist "ein sich konstituierender Kontext". Das ist, wenn man das so sagen darf, eine Hintergrundmetaphorik, die bei dem "dritten Wirklichkeitsbegriff", der sich bestimmen läßt als "Realisierung eines in sich einstimmigen Kontextes", am Werk ist.

So sind denn die Begriffe Sein und Wirklichkeit von einer Hintergrundmetaphorik umgeben. Diese Hintergrundmetaphorik bildet mit dem Begriff jene "umschließende Sinneinheit", von der oben die Rede war. "Sein", "Wirklichkeit", "Welt", "Geschichte" ... sind dann absolute Metaphern, weil diese Begriffe an metaphorische "Leitvorstellungen" gebunden sind. -
Zuletzt geändert von Nauplios am Fr 3. Jul 2020, 20:06, insgesamt 1-mal geändert.




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Jörn Budesheim
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Fr 3. Jul 2020, 19:55

eine Terminologie jenseits nachprüfbarer Definitionsgewait
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Nauplios
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Fr 3. Jul 2020, 20:00

Aus dem obigen Radiofeature:

"Der Rekurs auf Vernunft, Wahrheit oder Begründung hat sich nach seiner [Blumenbergs] Auslegung in unserem Zeitalter als unwirksam erwiesen: Zuviel ist geschehen, als dass man es in einer metaphernlosen Sprache ausdrücken könnte. Hans Blumenberg geht es dabei nicht um eine Verdammung der Ratio, sondern er betont, dass Philosophie und menschliches Denken ohne die Hinzunahme von Bildern und Metaphern wesentlich unvollständig bleiben müssen."




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Alethos
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Fr 3. Jul 2020, 20:05

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 3. Jul 2020, 19:55
eine Terminologie jenseits nachprüfbarer Definitionsgewait
Das ist Marketing. Und auf die Dauer ermüdend.
Warum meinst du ermüdend und warum Marketing?



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Fr 3. Jul 2020, 20:55

Immer dieselben Werbesprüche, das nervt, finde ich.




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Fr 3. Jul 2020, 21:06

Dich stört, dass behauptet wird, es gebe keine überprüfbare Definitionsgewalt und damit werde der Metaphorologie zuviel Raum gewährt zuungunsten eines realistischen Wirklichkeitskonzepts? Ich denke, Gegenpositionen sind durchaus willkommen.



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Alethos hat geschrieben :
Fr 3. Jul 2020, 21:06
Dich stört, dass behauptet wird, es gebe keine überprüfbare Definitionsgewalt ...
Mich stört, dass es mittlerweile zum hundertsten Mal oder tausendsten Mal behauptet wurde ...




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Sa 4. Jul 2020, 05:36

Blumenberg hat geschrieben : Ich muß vielleicht zunächst sagen, was ich meine, wenn ich vom Begriff der Wirklichkeit spreche. Ich gebrauche diesen Ausdruck mit der Absicht, deutlich werden zu lassen, daß mein Thema nicht ontologisch im gegenwärtigen philosophischen Gebrauchssinn des Wortes ist. Ich spreche nicht vom Sein, nicht vom Seienden als dem Seienden, und ich spreche nicht von der veritas ontologica der Tradition, deren Begriff begründen will, weshalb Seiendes für uns Erkennbarkeit besitzt. Ich spreche auch nicht von dem elementaren Faktum des philosophischen Staunens, daß überhaupt etwas und nicht viel mehr nichts ist. Der Begriff der Wirklichkeit, wie ich ihn gebrauchen möchte, hat nicht so sehr einen theoretischen als vielmehr einen pragmatischen Sinn. Er meint jenen Charakter von Verbindlichkeit, der den Menschen in seinem Verhalten bestimmt. Er meint jene Art der Vorgegebenheit, auf die und mit der der Mensch rechnet, auf die er sich verläßt und auf die er sich beruft. [...] Das Wirkliche ist das, worauf man sich beruft.




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Friederike
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So 5. Jul 2020, 13:57

Nauplios hat geschrieben :
Fr 3. Jul 2020, 19:45
[...] Ähnliches gilt für den Wirklichkeitsbegriff, der eine "'epische' Struktur" hat. Wirklichkeit hat etwas episch Weitläufiges an sich, das sich zu einem KonText verdichtet, zu einem in sich stimmigen Zusammenhang. Andere "ErfahrungskonTexte von Anderen sind möglich. Wirklichkeit ist "ein sich konstituierender Kontext". Das ist, wenn man das so sagen darf, eine Hintergrundmetaphorik, die bei dem "dritten Wirklichkeitsbegriff", der sich bestimmen läßt als "Realisierung eines in sich einstimmigen Kontextes", am Werk ist.
Erstens möchte ich mich entschuldigen, daß ich den Beitrag von Dir @Nauplios, dem ich das Zitat entnommen habe, noch nicht zur Kenntnis genommen hatte, als ich mich wegen der "Seins"-Metapher (bei Heidegger) verwunderte. Du hattest hier, was ich jetzt nicht zitiere, ja bereits zur Licht-Metaphorik geschrieben. Zweitens will ich in diesem Thread eigentlich auch gar nicht über Blumenberg sprechen und tue es nun aber doch, weil ich mich nicht schon wieder anderswohin verziehen will.

Mir war nur aufgefallen, daß Blumenberg in dem Aufsatz "Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans" seinen dritten Wirklichkeitsbegriff ohne Nennung von Namen präsentiert hat, was mir erschwert hat herauszufinden, wie er überhaupt auf diesen 3. Wirklichkeitsbegriff (dessen Herkunft er wohl in der Neuzeit verortet) kommt. Blumenberg selber sagt an keiner Stelle, "Wirklichkeit" sei eine absolute Metapher. Ich hingegen denke mir, das Wort sei sehr gut geeignet, es als absolute Metapher zu verstehen. Deine obige Erklärung überzeugt mich nicht, aber das ist nicht der maßgebliche Punkt. Ich meine nun verstanden zu haben, daß man sich selber auf die Suche machen muß, wenn man beispielsweise von "Wirklichkeit" meint, der Begriff sei eine absolute Metapher. Dann muß man selber in Texten nach der Hintergrundmetaphorik dieses Wortes Ausschau halten. Und ich glaube, da bedarf es insbesondere zweier Fähigkeiten: Inspiration und Phantasie.




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