Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Do 3. Aug 2017, 08:27
Worüber denken Philosophen nach? Holm Tetens hat in seinem Buch "Philosophisches Argumentieren" die ewigen großen Fragen der Philosophie zusammen zu tragen: "Fast nichts in der Welt scheint vor den Philosophen sicher. Philosophen gerieren sich als Experten für alles. Trotzdem lassen sich einige fundamentale Fragen auflisten, die in der Geschichte der Philosophie ständig wieder kehren. Sie bilden das Herz der Philosophie: [...] In diesem Thread können wir darüber diskutieren, ob die Liste vollständig ist. Was fehlt, was gehört gar nicht hinein?
Mich provoziert die Formulierung der Themenstellung geradewegs zu der Entgegnung, ob es denn nicht auch ein wenig kleiner ginge. Was fehlt? Vielleicht die Bescheidenheit. Mir fällt spontan O. Marquards Satz, in Verbindung mit dem Werk Blumenbergs -glaube ich- von der "Entlastung vom Absoluten" ein, wo die Bescheidenheit ihren Niederschlag auch im Rückgriff auf literarische Gattungen wie dem Glossar, dem Essay oder der Anekdote gefunden hat. Philosophischerseits eher mit Geringschätzung betrachteter Formen des Schreibens. Oder aber Adornos "Minima Moralia", in denen er sich ausdrücklich einer der kleinen Formen des philosophischen Schreibens zuwendet, dem Aphorismus. Einer Ausdrucksform, der Hegel, folgt man Adorno, allenfalls noch den Status der "Konversation" zugebilligt hätte. Nicht also aufs "Große" angelegt, allein aufgrund der Form des gewählten philosophischen Schreibens. Der zeit-losen Ewigkeit sei die zeitliche Endlichkeit gegenübergestellt und den ewigen Fragen sowohl das Provisorium der Fragen als auch das der Antworten. Anstelle der großen Systeme eher die "Steinbrüche" (ein Ausdruck, den Du in letzter Zeit öfter benutzt hattest, deswegen die Anführungstriche).
Ernsthaft: Die Themen, die das Herzstück der Philosophie bilden, aufzulisten und ihnen nachzugehen, finde ich keinesfalls verkehrt, und ich widerspreche Tetens auch nicht, wenn er meint, die PhilosophInnen müßten nicht auf jeden Mode-Zug aufspringen (hier der "Experten"zug).
Trotzdem erinnern mich die "ewigen großen Fragen der Philosophie" zu sehr an die geranglisteten großen philosophischen Denker, die einer Zeit angehören, als man(n) an Ranglisten heutiger Colour noch gar nicht gedacht hat. Damals, ungefähr ab Mitte des 19. Jahrhunderts, der Beginn der epochenübergreifenden Historiographie?, hieß es wohl eher "Kanon" - und ja, vielleicht ist es die Kanonisierung, und sei nur die in Form von "Fragen", die mich stört. Außerdem natürlich, daß die Fragen von Menschen gestellt werden, und daß es die Fragen von Menschen sind und nicht die Fragen eines Begriffes. Mir scheint Tetens Herangehensweise also eine leicht antiquierte Art, Philosophie zu betreiben, obgleich mir die Zielsetzung, sich auf die Wurzeln und Fundamente des Faches zu besinnen, gefällt.