DIA-LOGOS

Wach. Er schaut auf sein Handy. 6.35 Uhr. Zeit aufzustehen. Im Wohnzimmer schaut er auf die Wohnzimmeruhr. (Aus schlechter Gewohnheit.) 13:01 Uhr. "Huch? Gestern stehen geblieben? Hab ich gar nicht gemerkt?" Er geht in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen. Die Uhr dort zeigt 23:07. "Sind alle Uhren verrückt geworden?" Er lächelt und schaut wieder auf sein Handy: 14:03 Uhr. "Verrückt. Ein Blick aus dem Küchenfenster zeigt, es ist hell, also muss es Tag sein. Er schaut auf die Straße, dichter Verkehr, aber er kann nicht erkennen, ob die Leute zur Arbeit fahren oder von der Arbeit kommen.

Er geht mit dem heißen Kaffee ins Wohnzimmer, dort ist es dunkel, der Blick aus dem Fenster geht in die tiefe Nacht. Niemand ist auf der Straße, kaum ein Auto fährt. Das Handy zeigt jetzt 3:57 Uhr. Er setzt sich und überlegt, was zu tun ist, der Kaffee ist eiskalt. Früher (ja, früher) gab es die telefonische Zeitansage, da konnte man anrufen, um die genaue Zeit zu erfahren: "Beim nächsten Ton ist es 7 Uhr, 56 Minuten und 50 Sekunden - Piep", flüstert er vor sich hin. Als Kind hat er dort gerne angerufen. Inzwischen ist es hell geworden, zumindest im Wohnzimmer ... Er geht - um sich zu vergewissern - durch die Wohnung, vier Zimmer, Küche, Bad, er wohnt jetzt allein hier. In jedem Zimmer hat er eine Uhr aufgestellt, jede zeigt eine andere Zeit an. Beim Blick aus den Fenstern ist es nicht anders, hier Dämmerung, dort Sonnenschein. Das Wohnzimmer ist schwarz.

Für meine Mum

Der Himmel ziert sich in fahlem Grau
wolkig, windig und ohne jeglich Blau.

Dein innigster Wunsch nach Normalität
Hat sich erfüllt und ward heut Realität.

Still und leise und ohne lauten Knall
durchbrachst du eines Morgens den Schall.

Wanderst nun durch andere Welten
in denen unsere Gesetze nicht mehr gelten.

Dein Leib eingebettet in der schönsten Tracht,
beginnst Du deine ewige Nacht.

Des Pfarrers Worte versprechen Seelenheil,
doch ändert es nichts am herablassenden Stahlseil.

Der Männer quietschend Tagesgeschäft vollzogen,
wirst du von mir weg in den Abgrund gezogen.

Eine weltlich gefärbt und durchtränkte Rose
werf ich auf das dich umschliessende ins Bodenlose.

Diese Erfahrung des vierten Elementes
erhöht sicherlich die spirituelle Frequenz.

Tod und Leben vereinen sich
durch nur einen Spatenstich.

Der Weltlichkeit bist du nun entwichen
Meine Erinnerungen aber sind nicht verblichen.

Eine weisse Rose so rein wie mein Gefühl
leg ich dir heute nieder, so dass sie bei dir find Asyl.

Ein berührendes Gedicht.

Ich wünsche Dir die Kraft, die nötig ist, um mit der Situation umzugehen. -

Vom Balkon

Gegenüber im Erdgeschoss
findet ein Autorennen statt

Runde um Runde
Darüber kreisen die Krähen

Nicht alles
ist mit allem verbunden

Erfahrung

Ein weißer Wunsch-Ballon
Schwebt vorbei
Und endet in der Birke
Ohne Knall

maritim

mit dem meer intim sein
beine untertauchen
brust untertauchen
finger am fels
salz im schluck
leibtaumeln im wellenkreis
stundenlanger sinus

nach hause
stundenlanges stehen

zu bett
beine untertauchen
brust untertauchen
ruhender leib
wippendes polster
meerwellen
im muskelfasergedächtnis

schön!

Danke. Das ist schon älter, von 2020.

Deinen weißen Wunsch-Ballon finde ich auch schön :-)

Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑

So 24. Sep 2023, 08:44

Erfahrung

Ein weißer Wunsch-Ballon
Schwebt vorbei
Und endet in der Birke
Ohne Knall

Wie schön, mal ein Wunsch bzw. Traum, der nicht platzt.

Die beiden letzten von mir sind einfach "Berichterstattungen". Ich könnte mir vorstellen, dass es sich bei deinem, Quk auch um einen "Bericht" handelt, oder?

Gewissermaßen ist es eine Berichterstattung, aber keine aktuelle. Die Aufgabe war (2020), ein Literatur-, Musik- oder Bild-Stück zu schaffen auf das Stichwort "maritim". Da dachte ich an meinen ersten Badetag and der Felsenküste Kroatiens im Sommer '76 :-)

Etwas ähnliches erfuhr ich an meinem ersten Tag im Schullandheim beim Skifahrenlernen, im Dezember '76. Als ich dann abends im Bett schlummerte, waren meine Beine immer noch am Skifahren ...

Ich glaube, der Effekt ist bekannt? :-)

Nein, so wohl nicht. Es rattert im Kopf, durchaus auch im Traum. Sowas wie Kopfkino.

Quk hat geschrieben : ↑

So 24. Sep 2023, 09:52

muskelfasergedächtnis

Schöne Wortfindung - dachte ich, aber den Begriff gibt es ja, wie eine Suche bei Google gezeigt hat :-)

Ich find nix auf Google:

https://www.google.com/search?client=fi ... 4chtnis%22

Huch? https://www.google.com/search?q=muskelf ... e&ie=UTF-8

Aber egal, finde ich. Schön ist es auf jeden Fall! Ich habe mir übrigens angewöhnt, Google zu benutzen, wenn ich Gedichte lese. Es gibt so viel, was ich nicht weiß :-)

"muskelfasergedächtnis" zusammengeschrieben.

Darauf findet Google nix und bringt stattdessen prompt und ungefragt Ergebnisse für "muskelfaser gedächtnis" (zwei Wörter).

Oben am Anfang fragt dann Google: Stattdessen suchen nach muskelfasergedächtnis?

Mein Link enthält "muskelfasergedächtnis" in Anführungszeichen.

Stimmt, ganz identisches findet man nicht!

Offen gesagt, ich dachte, das Wort "Muskelfasergedächtnis" gab es schon lange bevor ich es niederschrieb.
Ich wollte das gar nicht als meine Erfindung verkaufen :-)

Dass die Muskelfasern so eine Art Gedächtnis bilden, war Dir bekannt, oder?

Quk hat geschrieben : ↑

Mo 25. Sep 2023, 14:46

Dass die Muskelfasern so eine Art Gedächtnis bilden, war Dir bekannt, oder?

Nö :-)