Pflichtlektüre

Raum für Besprechung von Romanen, Gedichten und Geschichten
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Stefanie
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Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Do 21. Dez 2017, 21:41

Komplizierte Gedankengänge gehen gerade nicht, aber über Bücher plaudern, ähm schreiben, geht immer.

Pflichtlektüre, also deutschsprachige Literatur, die ich in der Schule gelesen hatte. Nicht vollständig.
Goethe:
Faust und "Die Leiden des jungen Werther".
Ich sage es mal so... die Begeisterung hielt und hält sich in Grenzen.

Brecht:
"Der gute Mensch von Suezan" und "Die Gewehre der Frau Carrar. " Das hatte Spaß gemacht. Genau wie Dürrenmatt, "Der Besuch der alten Dame."

Heinrich Mann"
"Der Untertan" mit einen guten Lehrer hätte es Spaß gemacht, aber so wurde es ein Desaster.

Günter Grass: "Katz und Maus" der selbe Lehrer, wieder ein genervter Kurs. Abgesehen vom Lehrer, mir hat Grass leider nicht gefallen.

Kafka: "Die Verwandlung"
Wieder der besagte Lehrer, wieder ein genervter und demotivierter Kurs. Das Bild, das uns von Kafka vermittelt wurde, war das Bild eine psychisch kranken Menschen. Aber bei Kafka muss ich Abbitte leisten. Nach dem ich u.a. safranski "Wie viel Wahrheit verträgt der Mensch" viel später gelesen hatte, muss ich sagen, Kafka ist doch gut.

Der gesamte Kurs hatte während der Lektüre von Kafka geschlossen eine Doppelstunde blau gemacht, wir sind einfach nicht hingegangen. Ein Streik sozusagen. Der Deutschlehrer hatte dazu nie etwas gesagt. Unser Oberstufenkoordinator hatte uns aber eine kleine Standpauke gehalten. Er hatte aber Verständnis für uns, es gab keine Konsequenzen. Der Unterricht wurde danach tatsächlich etwas besser.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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iselilja
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Do 21. Dez 2017, 22:05

Wenn ich so an meine Schulzeit und an meine Literaturlehrerin zurückdenke, dann wünschte ich mir, dass ich sie ernster genommen hätte. Ich glaube vieles von dem, was ich damals hätte lernen können, wenn ich nicht so eine Abneigung gegen sie gehabt hätte, hätte mir so manche Situation im Leben erspart. Hinzu kam, dass wenn ich tatsächlich mal ein Buch fand, welches mich interessierte, ich meist nicht lange darin lesen konnte, weil mir beim Lesen schlecht wurde. Keine Ahnung woran das lag.

Von der Pflichtlektüre ist demzufolge auch nicht sehr viel hängen geblieben. Aber einige Werke habe ich später wieder heraus gekramt wie bspw. Lessings Nathan der Weise oder Nolls Die Abenteuer des Werner Holt. Aber wer weiß.. vielleicht sollte man einige Literatur auch einfach nicht zu früh im Leben lesen. :-)




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Jörn Budesheim
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Fr 22. Dez 2017, 05:10

Stefanie hat geschrieben :
Do 21. Dez 2017, 21:41
"Die Verwandlung"
Das habe ich vor sehr sehr langer Zeit mal gelesen. Könnte man auch als philosophisches Gedankenexperiment verstehen. Wer sind wir? Unser Körper, unsere Erinnerungen oder unsere Beziehungen?




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Stefanie
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Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Fr 22. Dez 2017, 10:29

Interessanterweise war der besagte Deutschlehrer auch Philosophielehrer an meiner Schule. Als feststand, wer einen möglichen Philosophiekurs geben wird, nämlich er, hat dann keiner mehr Philosophie gewählt.

Ich habe noch einen Text vergessen, dass einzige Gedicht, was ich je in der Schule auswendig lernen musste. Irgendwann zwischen der 7 und 9 Klasse:

Fontane:
John Maynard!
"Wer ist John Maynard?"
"John Maynard war unser Steuermann,
aushielt er, bis er das Ufer gewann,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron',
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard."

Die "Schwalbe" fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
von Detroit fliegt sie nach Buffalo -
die Herzen aber sind frei und froh,
und die Passagiere mit Kindern und Fraun
im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
und plaudernd an John Maynard heran
tritt alles: "Wie weit noch, Steuermann?"
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
"Noch dreißig Minuten ... Halbe Stund."

Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei -
da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
"Feuer!" war es, was da klang,
ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

Und die Passagiere, bunt gemengt,
am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
am Steuer aber lagert sich´s dicht,
und ein Jammern wird laut: "Wo sind wir? wo?"
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. -

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
der Kapitän nach dem Steuer späht,
er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
aber durchs Sprachrohr fragt er an:
"Noch da, John Maynard?"
"Ja,Herr. Ich bin."

"Auf den Strand! In die Brandung!"
"Ich halte drauf hin."
Und das Schiffsvolk jubelt: "Halt aus! Hallo!"
Und noch zehn Minuten bis Buffalo. - -

"Noch da, John Maynard?" Und Antwort schallt's
mit ersterbender Stimme: "Ja, Herr, ich halt's!"
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
jagt er die "Schwalbe" mitten hinein.
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: der Strand von Buffalo!

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. Nur einer fehlt!

Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n
himmelan aus Kirchen und Kapell'n,
ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
und kein Aug' im Zuge, das tränenleer.

Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
mit Blumen schließen sie das Grab,
und mit goldner Schrift in den Marmorstein
schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:

"Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
hielt er das Steuer fest in der Hand,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard."


Als ich das gerade gelesen habe, fragte ich mich, ob unser damaliger Deutschlehrer noch klar bei Verstand war. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, dass ich das mal auswendig gelernt habe. Das ist unglaublich lang.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Jörn Budesheim
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Sa 23. Dez 2017, 07:26

Das hier kann ich immer noch auswendig, aber ich glaube nicht dass wir es in der Schule gelernt haben :)


Als ich nachher von dir ging


Als ich nachher von dir ging

An dem großen Heute

Sah ich, als ich sehn anfing

Lauter lustige Leute.



Und seit jener Abendstund

Weißt schon, die ich meine

Hab ich einen schönern Mund

Und geschicktere Beine.



Grüner ist, seit ich so fühl

Baum und Strauch und Wiese

Und das Wasser schöner kühl

Wenn ich’s auf mich gieße.

(Bert Brecht)




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