Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Do 7. Feb 2019, 06:17
Stefanie hat geschrieben : ↑ Mi 6. Feb 2019, 23:15
Streng genommen war es keine Zensur
Auch der Kulturrat sprach übrigens von Zensur und warnt davor.
Die Stellungnahme des Kulturrats wollte ich auch posten, danke Jörn!
Sie spiegelt vollumfänglich meine Meinung.
Die darin auch erwähnte Ausstellung in der Zentralmensa der UNI Göttingen ist eines der Beispiele, die ich gestern anführen wollte. Zufällig war ich bei der Eröffnung dieser - letztlich missglückten - Veranstaltung selbst vor Ort, da ich mit einigen der Künstler befreundet bin. Eine absolut harmlose Cartoon-Ausstellung, bei der ich niemals auch nur auf die Idee gekommen wäre, dass sie keine 3 Tage später solche Wellen schlagen würde. Der Sexismus-Vorwurf traf ausgerechnet die Arbeiten einer Frau aus diesem Künstler-Kollektiv, der Antisemitismus-Vorwurf das Ausstellungs-Plakat. Nun, das Plakat war - gelinde ausgedrückt - etwas missglückt. Jedoch darin gleich Antisemitismus ausmachen zu wollen, war derart überzogen, dass man schon den Verdacht hegen konnte, es ging den Protagonisten einzig darum, um jeden Preis einen Skandal zu provozieren. Das ist ja dann auch gelungen. Das eher unbedeutende Göttinger Tageblatt berichtete fleißig und steigerte wohl damit etwas die Auflage.
Sicherlich kann man mir eine gewisse Befangenheit unterstellen, da ich alle Künstler/innen kenne und mit einigen von ihnen befreundet bin.
Von der Tatsache meiner persönlichen Verbindungen mal ganz abgesehen, kann ich immer noch kritisch und unbefangen die Werke betrachten. Was ich auch tat. Und wie so oft bei Ausstellungen, fand ich dabei Sachen, die mir gefallen haben und auch solche, die mich weniger angesprochen haben. Unter den anwesenden Künstlern und Veranstaltern konnte ich nicht einen Sexisten und/oder Antisemiten ausmachen!
Was Satire kann und darf, ist ja ein weites Thema. Die Kritiker bewiesen jedoch dabei nur absolute Humorlosigkeit. Es ging ihnen ausschließlich um Macht.
Der Ort der Ausstellung konnte dazu nicht ungastlicher und unpersönlicher sein. Die Werke an den Wänden waren eine absolute Bereicherung in der Sterilität der Zentralmensa! Man hätte diese Debatte anders führen können, doch es gab im Prinzip KEINE!
Als ich dann einige Tage später ein Foto in der Presse sah, auf dem nur noch die leeren Rahmen die kahlen Wände "zierten", hatte ich den Eindruck, dass es eine absolut passende Antwort auf die überzogenen Vorwürfe war. Fast zeitgleich loderte ja schon die unsägliche Auseinandersetzung um Gomringers avenidas-Gedicht vor sich hin und die "#MeeToo"-Debatte flutete nahezu alle Medien und erhitzte die Gemüter.
Eigentlich war ich immer der Meinung, dass der AStA sich hauptsächlich um die Belange der Studenten kümmern sollte, statt Satire und Poesie zu zensieren!
Doch in einer UNI, die Wände als Werbefläche verkauft (kein Scherz!!!) und im Foyer sogar einen Bank-Automaten gestattet, wundert mich nichts mehr. "Freiheit der Wissenschaft, der Forschung und der Lehre" an Universitäten? Guter Witz!
O tempora, o mores!
Man sollte Literaten und Künstler wohl ausdrücklich davor warnen, so sie ihre Werke im Kontext von Hochschulen und Universitäten präsentieren wollen. Selbst ein gewonnener Poetik Preises hat keinen Aussagewert mehr, wenn sich nach Jahren plötzlich Kritiker/innen finden, die in poetischen Zeilen Spuren von Sexismus ausmachen... hm.
Vielleicht veranlasst die Übermalung von avenidas ja einige Menschen dazu, jetzt weitere Gedichte von Eugen Gomringer zu lesen? Ich würde es ihm (und mir) wünschen. Für mich sind - sowohl das Gedicht, wie auch die Cartoons der Nicht-Ausstellung - absolut harmlos. Sexismus und Antisemitismus verurteile ich schärfstens. Will man eine halbwegs sinnvolle Debatte darüber führen, muss man sie eher im Alltag ansetzen, denn beispielsweise ist Werbung oft derart sexistisch, dass sich mir (als Frau) der Magen umdreht. Doch offenbar stört sich niemand (mehr) daran und selbst die strengsten Feministinnen haben inzwischen das sprichwörtliche Handtuch geworfen.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass ich jetzt stolze Besitzerin eines der Werke der Nicht-Ausstellung bin, da es mir (vom Künstler persönlich) zum Geschenk gemacht wurde. Hach!
Das Bild der
leeren Rahmen an sterilen Mensa-Wänden hat sich jetzt als Symbol für den Rest meiner Tage in die Festplatte meiner Erinnerungen eingebrannt. Es ist die einzig mögliche Antwort auf so einen pseudoakademischen Unsinn.
Über avenidas wird man wohl kaum Betrachtungen der
konkreten Poesie anstellen können, ohne an den barbarischen Akt der Übermalung erinnert zu werden.
Schade.