Zeitzeugnisse

Raum für Besprechung von Romanen, Gedichten und Geschichten
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Stefanie
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Mi 27. Mär 2019, 18:49

Erinnerungen, Biographien, Autobiographien...

Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben
Ich war und bin von dem Buch beeindruckt. Reich-Ranicki entpuppt sich als grossartiger Erzähler, eindringlich, bewegend und temperamentvoll geschrieben. Man sieht ihn förmlich vor sich beim lesen des Buches.

Inge Jens: Unvollständige Erinnerungen
Aus dem Klappentext: Eine wunderbare Lebenserzählung (Der Spiegel)
In der Tat, ein wunderbares Buch.

Lars Brandt: Andenken
Auch ein wunderbares Buch über den Sohn Lars Brandt und seinen Vater Willy Brandt. Ich nenne solche Bücher warm. Erinnerungen an den Vater, über sich selber, und dabei fein, poetisch geschrieben.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Stefanie
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Mi 27. Mär 2019, 19:19

Zeitzeugnisse und Erinnerungen von Holocaust Überlebenden gibt es Einige. Sie konnten und können berichten und erzählen.

Über die ermordeten Menschen können nur andere berichten, um die Erinnerung an sie wach zu halten.

Götz Aly: Eine von so vielen. Das kurze Leben der Marion Samuel 1931-1943
https://books.google.com/books/about/Ei ... xtAwAAQBAJ

Und das Buch, weswegen ich diese Rubrik eröffnet habe.

Martin Doerry: Mein verwundetes Herz. Das Leben der Lilli Jahn. 1900-1944
https://books.google.com/books/about/Me ... _w1l-XnOgC

Es ist nicht das erste Buch zu diesem Thema, was ich gelesen habe. Jedesmal brauche ich etliche Tage, um das Gelesene ja zu verarbeiten. So auch bei dem Buch von Götz Aly oder z.B. das von Imre Kertesz. Bei dem Buch von Doerry dachte ich, es wird anders, da ich die Geschichte schon kannte, da ich die Reportage über dieses Buch und über lilli Jahn zweimal im Fernsehen gesehen hatte. Ist nicht so.
Samstag gekauft, Sonntag angefangen zu lesen, Montag ausgelesen, Dienstag die Briefe von ihr nochmal gelesen. Aus dem Kopf ist es lange noch nicht.

Beide hier genannten Bücher schildern nicht das furchtbar Unfassbare, was in den Lagern geschah. Sie enden mit der Deportation.



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Stefanie
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Di 12. Apr 2022, 20:32

Die Verteidigung
von Fridolin Schley
Hanser Verlag

https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Verteidigung :
U.a. Norbert Frei, Süddeutsche Zeitung: Eine atmosphärisch dichte Erzählung, die einerseits eng an den gesicherten Fakten und Dokumenten bleibt, andererseits aber kräftig Gebrauch macht von der dem Literaten (…) jederzeit offenstehenden Möglichkeit, zu spekulieren und zu psychologisieren. Das Ergebnis ist beachtlich: Schleys Roman ist dort besonders stark, wo er dem zu Anfang des Prozesses 34jährigen Hauptverteidiger Hellmut Becker mit den Augen des 27jährigen Hilfsverteidigers Richard von Weizsäcker folgt. (…) Schleys Entscheidung, das Eröffnungsplädoyer der Verteidigung Hellmut Becker in den Mund zu legen (tatsächlich hielt es Warren Magee), beschreibt eine höhere Wahrheit.“

Dieser Roman gehört zu den Büchern, die ich mir Anfang des Jahres gekauft hatte. Auf das Buch aufmerksam geworden bin ich durch den Einband. Ich erkannte das Photo von dem jungen Richard von Weizsäcker in Robe, stehend, daneben sitzend sein Vater Ernst von Weizsäcker. Richard von Weizsäcker gehörte in dem Prozess gegen seinen Vater zum Verteidigerteam. Interessant, also gekauft.
Das Buch hat sehr gute Kritiken bekommen. Es ist auch gut geschrieben, die historischen Fakten sind gut eingebaut, die Frage nach Verantwortung Moral wird nicht aufdringlich präsentiert. Die Familie hat das Buch nicht autorisiert, es gibt dazu auch keine Stellungnahme.
Ich habe ein Problem mit dem Buch.
Richard von Weizsäcker hat wenig über die Rolle seines Vaters in der NS Zeit erzählt. Auch wenig über die Beziehung zu seinem Vater. Geprägt hat es ihn, ohne Frage. Wie der Tod seines Bruder.
Die Gedanken, die Gefühlswelt des jungen Richard von Weizsäcker, die im Buch beschrieben werden, sind literarische Fiktion. Das Verhältnis zu seinem Vater weitestgehend literarische Fiktion.
Richard von Weizsäcker ist aber eine historische Person. In diesen Fällen stört es mich einfach, wenn sich was ausgedacht wird. Über historische Personen sollte meiner Meinung nach bei den Fakten geblieben werden. Wenn es Lücken gibt, bleiben eben Lücken. Das stört mich an dem Buch. Die von mir oben zitierte Rezension kann ich nicht ganz teilen, höhere Wahrheit in dem man bestimmte Ereignisse weil es besser ins Konzept passt, abändert, also nicht wirklich.

Ein ähnliches Problem hatte ich mit zwei Büchern von Robert Seethaler "Der letzte Satz" über Gustav Mahler, und "Der Trafikant"', in dem Sigmund Freund eingebaut wurde. Ganz krass trieb es Per Olov Enquist in "Das Buch von Blanche und Marie", der größte Teil ist erfunden. Aber toll geschrieben.



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