Dass es nun so sehr um das Leid geht, das sollte uns eigentlich nicht noch zusätzlich leid tun. Das führte sonst zu einer Verdoppelung des Leides, die schnell einmal in einer Art
perpertuum lamemtabile ausarten könnte.
Was mich nach wie vor interessieren würde, ist zu verstehen, worin genau der Zusammenhang zwischen einer aporetischen Situation und dem Leiden besteht. Wie und warum kommt das Leiden überhaupt zustande, wenn wir auf unsere Fragen keine letztbegründeten Antworten finden? Um die eigene Endlichkeit ging es ja nur in Teilen, und das ist eigentlich auch keine aporetische Situation: Denn die Tatsache, dass wir sterben müssen, ist eine unumgängliche. Das ist entschiedene Sache. Zu einer Aporie wird dieser Umstand nur, wenn wir trotz dieser Tatsache am Leben festhalten wollen, wenn wir uns sozusagen gegen das Gesetz des Lebens stellen.
Dass wir es tun, dass wir uns auflehnen wollen gegen den Tod, das scheint mir zur Bedingung zu haben, dass wir am Leben festhalten wollen, weil es gut ist, weil es freudvoll ist. Das, dass das Leben freudvoll ist, sagt aber Schimmermatt gerade nicht, sondern im Gegenteil, dass es für ihn eine Grundsituation des Leidens darstellt. Wie glücklich ist aber der, der sterben kann, angesichts seines Leids? Die Stoiker lassen grüssen.
Mich interessiert deshalb vielmehr herauszufinden, wie dieses Leid im Leben angesichts des Lebens selbst entstehen kann.
Es sieht doch so aus, dass das Leben für den an der Aporie Leidenden eine verzweifelte Sache sein muss, aber es ist kein cartesischer Zweifel, der ihn umtreibt, da sich dieser Zweifel wenigstens aufgrund einiger weniger Gewissheiten in zuversichtliche Lage zu bringen vermag. Gerade deshalb, weil der Cartesianer <Ich> sagen kann, keimt in ihm die Hoffnung auf, dass wenigstens etwas gewiss ist, nämlich das Sein dieses Ichs. Das <Ich> ist ihm nicht Anlass dafür, das Leben als 'aporetische Existenz' zu empfinden, sondern als Grund für die unverrückbare Zuversicht, dass da Etwas sei, was durch sich selbst und denkend zur Wahrheit kommt.
Diese Art von Zweifel, die Schimmermatt beschreibt, kennt eine solche Zuversicht nicht, aber nicht wegen des sicheren Todes am Ende des Lebens, das vielleicht auch, vielmehr scheint die Verzweiflung im Gefühl Raum zu finden, dass wir auch zu Lebzeiten zu keiner Gewissheit finden, die fröhlich stimmen könnte.
Der eigene Verfall, die kaputten Knie, die schlaffer werdende Haut, die nachlassenden Vermögen: Sie werden alle als Fürsprecher der Ansicht gedeutet, dass jede Wahrheit und jede Gewissheit einstürzen muss. Wahrheit, die deshalb keine sein kann, weil die Fundamente, die wir unserem Fürwahrhalten geben, selbst dem Untergang geweiht sind. Alles Gewusste muss nach dieser (fatalistischen) Auffassung untergehen, weil es durch das Bessergewusste ersetzt wird. Und Letztgewusstes ist apriori auch wieder dem Wandel ausgesetzt. Ganz hegelianisch, eigentlich.
Aber für Schimmermatt erzählt dieses Stirb und Werde nicht von der Schönheit der Notwendigkeit zur Veränderung, sondern es erzählt nur vom Untergang des Gewesenen, von der Trauer über das Verlorene, von der Müdigkeit für das Neue.
Und das ist es, was ich nicht verstehe: Denn schon als Kind lernen wir doch, dass jedes Darum durch ein weiteres Warum herausgefordert wird - unaufhörlich. Und das stimmt uns in der Regel doch eigentlich munter, wenn die Eltern, langsam genervt, zugeben müssen, dass auch sie nicht Konservatoren sein können von etwas, das fliesst.