Türchen Nr. 8 ist unsere Zeit

Jeden Tag ein Türchen mit einer (un)philosophischen Überraschung
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Stefanie
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Fr 8. Dez 2017, 07:27

Du liebe Zeit

Da habe ich einen gehört
Wie er seufzte: „Du liebe Zeit!“

Was heißt da „Du liebe Zeit“?
„Du unliebe Zeit“, muß es heißen

„Du ungeliebte Zeit!“
von dieser Unzeit, in der wir

leben müssen. Und doch
Sie ist unsere einzige Zeit

Unsere Lebenszeit
Und wenn wir das Leben lieben

können wir nicht ganz lieblos
gegen diese unsere Zeit sein

Wir müssen sie ja nicht genau so
lassen, wie sie uns traf

Erich Fried



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Friederike
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Fr 8. Dez 2017, 15:32

Die Schlußpointe gefällt mir ausgezeichnet. Bis dahin lese ich einigermaßen gelangweilt ... und dann auf einmal wird's unglaublich dynamisch. Nichts ist stetig, festgezurrt; die ganze Welt-Wirklichkeit steht mir frei sie zu verwandeln.




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Stefanie
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Fr 8. Dez 2017, 20:55

Erich Fried mag ich sehr, nicht nur seine Liebesgedichte. Etliche Leute rümpfen über ihn etwas die Nase. Zu seicht sei er, andere wiederum gefällt die politische Einstellung nicht und überhaupt, seine Liebesgedichte seien nicht lyrisch. So als ob Dichter immer nur verzweifelt über die Liebe zu schreiben haben.
Mir gefallen seine Wortspiele. Ich mag ihn einfach. Er gehörte zur Gruppe 47, das sagt doch schon alles.



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Stefanie
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Fr 8. Dez 2017, 22:00

Marcel Reich-Ranicki über Erich Fried.

http://m.faz.net/aktuell/feuilleton/bue ... 72929.html



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Friederike
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Sa 9. Dez 2017, 09:50

Stefanie hat geschrieben :
Fr 8. Dez 2017, 20:55
Erich Fried mag ich sehr, nicht nur seine Liebesgedichte. Etliche Leute rümpfen über ihn etwas die Nase. Zu seicht sei er, andere wiederum gefällt die politische Einstellung nicht und überhaupt, seine Liebesgedichte seien nicht lyrisch. So als ob Dichter immer nur verzweifelt über die Liebe zu schreiben haben. Mir gefallen seine Wortspiele. Ich mag ihn einfach. Er gehörte zur Gruppe 47, das sagt doch schon alles.
Mir ist Frieds Lyrik auch zu platt, zu durchsichtig die Moral und die Botschaft. Nur, in Anbetracht seiner Biographie und seiner politischen Haltung finde ich so ein Herummäkeln irgendwie kleingeistig und engstirnig. Obwohl das zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind, kommt es mir vor, als täte ich Fried unrecht, wenn ich seine Gedichte geringschätzig beurteile.




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Stefanie
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Sa 9. Dez 2017, 19:49

Ein Beispiel Claude Lanzmann.
Claude Lanzmann ist zu Recht berühmt geworden mit seinem Dokumentarfilm "Shoah".
Mir fiel dann seine Autobiographie "Der patagonische Hase" in die Hände. Ein sehr sehr umfangreiches Buch. Den Anfang, Kindheit, Jugend, die Zeit des Widerstandes in Frankreich, unglaublich lesenswert, sehr detailreich, sehr drastisch, zwischendurch habe ich mir Namen aufgeschrieben, um über die genannten Personen was nachzulesen. Das waren so viele Informationen, davon habe ich noch nicht einmal die Hälfte behalten. Die Beschreibungen zu den Dreharbeiten zu "Shoah" wieder sehr lesenswert. Alles dazwischen ist - wie sage ich es nur - ... ähm gewöhnungsbedürftig. Stellenweise unglaublich arrogant, ab seinen Aussagen zu Simone de Beauvoir hatte ich genug, und habe es nur noch durchgeblättert bis zu den Ausführungen zu Shoah. Ich sage es mal so, Herr Lanzmann ist mir durch einige Ausführungen zu seinen Liebesbeziehungen und auch politischen Ansichten persönlich nicht gerade sympathischer geworden.
Das ändert aber auch nichts, aber auch gar nichts an meiner Meinung zu "Shoah" und an der Achtung vor diesem Lebenswerk.



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