#filosofix > Das Schiff des Theseus

Philosophische Gedankenexperimente in Form von Videos.
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Alethos
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Mi 24. Jan 2018, 21:01

Die Idee mit der Zellerneuerung kam mir auch. Wenn wir uns erneuern, tauschen wir uns selbst gegen eine neue Version (hoffentlich eine bessere) von uns ein. Wem aber übergeben wir die alte Version? Und was ist mit den neuen Selbstversionen? Sind sie nur genetisch angelegt oder können wir auch anstreben, jemand anderes, vielleicht sogar jemand besseres, zu werden? Ich denke, auch der Wille zur Veränderung zählt als Projektion einer besseren Selbstvariante in der Zukunft zum Ichsein.

Beim Ich 2.0 und beim Ich 3.0 etc. schwingt aber immer etwas Gleichbleibendes mit: das Ich der Version x! Offensichtlich ist das Ich eine relativ robuste, persistente Sache, die so manches mitmachen kann, sogar die eigene Absicht, sich in dieser Form abzuschaffen, um in verbesserter Form wiederzukommen. Das Ich verliert seine Integrität in der Regel nicht. Es geht nicht kaputt durch Veränderung, durch Erfahrungen, durch Wachstum und Erneuerung. Es scheint konstant ein Ich zu bleiben, wenn es auch je ein anderes Ich sein mag.

Das Schiff von Theseus wäre also auch dann noch das Schiff von Theseus, wenn keine Orginalteile mehr an ihm vorkämen, denn das Schiff ist ja nicht der Ursprung seiner Teile, sondern die Summe seiner Teile in der Ganzheit dieser Einheit. Es war doch gar nie etwas anderes und wird auch nie etwas anderes sein können, als was es war, und es war nie etwas anderes als die Bedeutung: 'Schiff von Theseus'. Die Erneuerung, ob beim materiellen Ding oder beim Ich, verändert die Identität (gleiches Ding) nicht.
Auch wenn ich also mich ständig verändere, bin ich mir selbst zwar nie identisch, im Sinne von mir selbst gleich, aber doch je die Ganzheit meiner selbst in der Einheit meiner selbst.

Machen wir ein anderes Experiment: Denken wir einmal nicht die Erneuerung des Schiffs, sondern eine exakte Kopie von ihm. Nehmen wir an, wir könnten das Schiff in einem atomaren Replikator duplizieren. Es wären absolut zwei identische Exemplare. Handelt es sich um je zweimal es selbst? Nein, würde man doch meinen, denn es ist nicht mehr numerisch identisch. Aber dann heisst das, dass Identiät nicht mit Gleichheit zu tun hat, sondern mit Einmaligkeit.

Umgemünzt auf das Ich: Es wäre nicht möglich, mich (meine Gedanken und Erfahrungen und meinen Körper) im Replikator zu vervielfachen und zu behaupten, es gäbe mich mehrmals. Auch wenn eine exakte Kopie von jemandem bestünde, denke ich nicht, dass dies die jeweilige Einzigartigkeit der Seienden betreffen könnte. Identität und Einzigartigkeit scheinen enger verknüpft zu sein als Identität und Gleichheit. Täuscht das?



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Jörn Budesheim
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Do 25. Jan 2018, 12:44

Ich hab den Text jetzt wiederholt gelesen und mir schwirrt der Kopf :-) Was ist deine ungefähre Stoßrichtung dabei?




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Alethos
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Do 25. Jan 2018, 13:24

Ohje, meine wirren Gedanken wieder :)

Identität hängt nicht so sehr mit Gleichheit zusammen, sondern eher mit Einzigartigkeit. Wenn wir sagen: 'Das Schiff von Theseus wurde zwar in seinen Einzelteilen ersetzt' kann es nicht mehr das Gleiche sein, aber es ist immer noch dasselbe. Und so kann ich nicht mehr der Gleiche sein wie vorhin, bin aber immer noch derselbe.

Die Vorstellung, Identität müsse mit Identifikation zusammenhängen, Identifikation aber mit dem Abgleich von A und B, so dass B auf gleiche Merkmale von A hin untersucht wird, scheint falsch zu sein. Ich bin nicht ich, weil ich den Abgleichtest bestehe, sondern weil ich so bin wie ich bin, wobei ich auch anders werden kann und immer noch bin, wer ich bin, auch wenn ich nicht mehr bin, was ich war.

Wahrscheinlich ist die jetzt alles klar :mrgreen:



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