#Philosophisches Kopfkino > Was ist Glück?

Philosophische Gedankenexperimente in Form von Videos.
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Jörn Budesheim
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Di 6. Feb 2018, 05:44

Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 5. Feb 2018, 11:59
Glück hat eine eingenartige Komponente, eigenartig deshalb, weil sie ziemlich dem entgegenläuft, was wir meinen gelernt zu haben.
Glück bedeutet für uns oft etwas zu haben und dies dann nach Möglichkeit festzuhalten. Dabei muss man oft von etwas loslassen, wenn man glücklich sein will und der vielleicht direkteste Weg zum Glück ist der, zu schauen, was man für anderen tun kann.
Ich finde die Analogie mit der Blume nicht falsch. Gestern z.b. habe ich den ganzen Tag sehr konzentriert an etwas gearbeitet. Und am Abend "hatte" ich etwas, nämlich ein recht ansehnliches Ergebnis. Ich scheue mich zwar etwas, diesen einen Tag glücklich zu nennen. Aber Dinge zu tun, die dem entsprechen, was man gerne macht und was man kann und die auch für andere von Bedeutung sind, ist sicherlich ein wichtiger Aspekt des Glücks. Ein spezielles Glücksgefühl spielt dabei sicherlich nicht immer eine Rolle, auch wenn ich nicht leugnen will, dass es so etwas natürlich gibt.




Tosa Inu
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Di 6. Feb 2018, 08:08

Ich habe mal gehört, Kants Defintion von Glück sei gewesen, nach einem harten Arbeitstag rechtschaffen müde zu sein.
Ist vielleicht etwas evangelisch, geht aber auch in die Richtung.

Ich glaube dabei sind zwei Komponeneten aktiv. Etwas tun zu dürfen, was man gerne tut (was weitgehend mit einer Abwesenheit von eigenen Widerständen einhergeht) und dabei ggf. zu versinken was in ein Flow führen kann. Ein Bekannter von mir sagte, das er das erlebt, wenn er Holz mit Schleifpapier bearbeitet, davon könne er gar nicht genug kriegen.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Di 6. Feb 2018, 19:17

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 6. Feb 2018, 08:08
was weitgehend mit einer Abwesenheit von eigenen Widerständen einhergeht
Ich meine, wenn man den sog. inneren Schweinehund überwindet, also der Anwesenheit von eigenen Widerständen trotz und "den Arsch hoch kriegt" ist man am Ende vielleicht noch glücklicher :-) In Abwandlung von Carl Valentin würde ich meinen: Glück ist schön, macht aber (oft) viel Arbeit.




Tosa Inu
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 6. Feb 2018, 19:17
In Abwandlung von Carl Valentin würde ich meinen: Glück ist schön, macht aber (oft) viel Arbeit.
Ja, wobei, um noch mal einen Ausschnitt zu zitieren:
psyheu hat geschrieben : Auf der anderen Seite ist das verdiente Glück natürlich irgendwann auch kein Glück mehr, sondern mehr oder weniger das, was man als gerechten Lohn empfindet. Wer intensiv für eine Prüfung lernt, wird weniger das Gefühl haben, riesiges Glück gehabt zu haben, er war ja an sich sehr gut vorbereitet.

Quelle und weiterlesen
Glück zu haben, sollte also irgendwie noch eine Verbindung zum 'Glück gehabt' haben behalten.

Oder: Das Glück in 'Glück gehabt' und 'Glücklichsein', ist ein etwas anderes.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Tosa Inu hat geschrieben :
Di 6. Feb 2018, 19:40
Oder: Das Glück in 'Glück gehabt' und 'Glücklichsein', ist ein etwas anderes.
Ja auf jeden Fall. Ich habe mal einen Bericht über Selbsthilfegruppen von Lotto-Millionären im Fernsehen gesehen. Für etliche von denen beginnt nach dem Glück des Gewinns eine Phase des Unglücks, weil sie mit dem Glück des Gewinns nicht glücklich werden.




Tosa Inu
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In der Tat, in Amiland gibt es sogar eine Gruppe für depressive Milliardäre.
Und tatsächlich, ist der größere Lottogewinn meistens sogar ein Tor zum Unglück.
Jeder denkt natürlich, bei ihm wäre das anders (ich auch), doch scheint so zu sein, dass die Menschen, die ihr Leben nach dem Lottogewinn nicht ändern, diejenigen sind, die am besten mit der Situation klarkommen. Die brauchen allerdings den Lottogewinn am wenigsten. :?



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Da es sehr förderlich für die Gesundheit ist, habe ich beschlossen, glücklich zu sein.

(Voltaire)




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Jochen Hörisch hat geschrieben : »Lücke« ist das nächstverwandte Wort zu »Glück«. Das gilt auch für das Englische: »luck« und »lag« gehören zusammen. Das Verb »glücken« verweist wie das verwandte »gelingen« (und wie das engl. Verb »to lock« bzw. das Substantiv »locker«) auf ein Verschließen, Ausfüllen und Erfüllen von »Lücken«.




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Alexandra Reinwarth hat geschrieben : Wer gerade Glück empfindet, dessen Herz schlägt schneller – etwa drei bis fünf Mal pro Minute. Die verbesserte Durchblutung lässt die Temperatur der Haut ein wenig steigen, sie wird feuchter und ihre elektrische Leitfähigkeit (der Hautwiderstand) sinkt. Die Muskeln der Gliedmaßen entspannen sich und die Hormone im Körper verändern sich. Das alles passiert, ohne dass der Glückliche darauf Einfluss nimmt. Während sich der Augenbrauenmuskel entspannt, legen Jochbein- und Augenringmuskel an Spannung zu: Es entsteht ein Lächeln. Glück kann erst eintreten, wenn das Gehirn übermittelt bekommt, dass sich diese körperlichen Anzeichen eingestellt haben. Die Reaktionen des Körpers sind wie ein vorauseilender Schatten vor dem Gefühl. Verantwortlich für die körperlichen Veränderungen und das Eintreten des Glücksgefühls ist das unwillkürliche Nervensystem, das die lebenswichtigen Vorgänge in unserem Körper regelt, auf die wir keinen direkten Einfluss haben: die Durchblutung, die Steuerung unserer Organe und das Aufstellen der Härchen auf unserem Arm, wenn uns jemand eine rührende Geschichte erzählt. Deswegen ist es so schwierig, Glück vorzuspielen oder einfach zu beschließen, ab sofort glücklich zu sein.
Aber Glück heißt ja nicht,ein Leben lang zu lächeln, oder? ;)




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Alexandra Reinwarth hat geschrieben :
Das Easterlin-Paradox

Der amerikanische Ökonom Richard Easterlin wertete im Jahr 1973 Umfragen aus, die von 1946 bis 1970 durchgeführt worden waren und sich mit dem Zusammenhang zwischen dem Einkommen der Befragten und deren subjektiver Lebenszufriedenheit beschäftigten. Bei der Untersuchung der in den USA ermittelten Angaben fiel ihm auf, dass sich trotz des stark gestiegenen materiellen Wohlstands keine Zunahme der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit eingestellt hatte. Dieses Ergebnis deckt sich mit jüngeren Erhebungen und belegt eine mehr als 60 Jahre andauernde Stagnation der Zufriedenheit der US-amerikanischen Bevölkerung. Da die Umfragen auch in 18 weiteren Ländern durchgeführt worden waren, war ein internationaler Vergleich möglich. Das Ergebnis dieser Auswertung stellt die Forschung bis heute vor ein Rätsel: Zwar war innerhalb eines jeden Landes ein deutlicher Zusammenhang zwischen Einkommen und Lebenszufriedenheit feststellbar, im internationalen Vergleich aber existierte ein solcher Zusammenhang nicht. Die Bewohner reicher Länder waren also nicht oder nur in geringem Ausmaß zufriedener mit ihrem Leben als die Einwohner armer Länder – solange die Grundbedürfnisse nach Essen, Trinken, einem Dach über dem Kopf und einem gewaltfreien Leben gesichert waren. So ergaben die Studien beispielsweise, dass sich die Uruguayer glücklicher fühlen als die fünfmal reicheren Luxemburger. Easterlin konnte seine Theorie im Jahr 2010 untermauern, indem er Studien auswertete, die über 22 Jahre in 37 Ländern das Verhältnis von Zufriedenheit und Einkommen erfasst hatten. Besonders eindrucksvoll waren die für Chile, China und Südkorea gewonnenen Ergebnisse: Obwohl sich in diesen Ländern das Pro-Kopf-Einkommen in nicht einmal 20 Jahren verdoppelt hatte, war keine entsprechende Zunahme der Lebenszufriedenheit zu verzeichnen – diese hatte im Gegenteil sogar leicht abgenommen. Easterlin stellte aufgrund seiner Untersuchungen die Ausrichtung der Politik auf Wirtschaftswachstum infrage.




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