Ich antworte hier, wenn ich darf, obwohl die Frage an Jörn ging. Es ist aber, wie du eindeutig feststellen wirst, meine eigenwillige Antwort
Das objektive Jetzt, logisch betrachtet, müsste eine Zeiteinheit sein, die das Vorherige von dem Künftige trennt. Nur durch das Jetzt wird das, was war, zum Gewesenen und das, was noch sein wird, wird denkbar durch sein noch nicht Sein im Jetzt.
Aber versuchen wir, diese Zeiteinheit zu messen, wie kurz dürfte sie sein? Sagen wir einmal, das Jetzt dauere 0.1 Millisekunden. Was geschieht alles in dieser Zeit von 0.1 Millisekunden? Klar, für eine Skifahrerin, die mit 0.1 Millisekunden Vorsprung als Erste über die Ziellinie fährt, ist das ein entscheidendes Intervall. Zwischen ihr und der Zweitplatzierten liegen diese 0.1 Zeiteinheiten. Also geschieht ja etwas in dieser Einheit, in dieser Zeiteinheit fährt die Zweitplatzierte der Erstplatzierten hinterher. Es liegt also in den 0.1 Sekunden schon ein wenig Vergangenheit, nämlich die vergangene Zeit zwischen der Siegerin und der Zweitplatzierten.
Wir stellen aber fest, dass auch in 0.0000...1 Millisekunden etwas geschehen kann. Es muss also auch in dieser kleinen Zeiteinheit die Zeit vergehen, es liegt in ihr also auch Vergangenheit Und so fort, auch in einer noch kleineren und noch so kleinen, unendlich kleinen Zeiteinheit vergeht die Zeit, also liegt in jedem noch so kleinen Jetzt Vergangenheit, nämlich die Vergangenheit der vergehenden Zeit.
Aber das Jetzt, sagen wir, sei ja nicht vergangen, sondern Jetzt Es gibt doch daher eine logische Unmöglichkeit, das Jetzt zu fassen. Es ist eine unendlich kleine Zeiteinheit, die sich also immer ins noch kleinere zurückziehen kann, ohne dass sie sich fassen liesse. Das Jetzt ist flüchtig.
Die Gegenwart hingegen scheint ganz robust fassbar, sie ist eng gekoppelt an das Selbstbewusstsein, sie ist quasi 'jetztlos' im obigen Sinn von Jetzt als Flüchtigkeit. Die Gegenwart ergibt sich aus der reflexiven Präsenz des Ichs im Hier und Jetzt resp. sind sie (Raum und Zeit) die Bedingungen der Erkenntnis überhaupt, mithin der Selbsterkenntnis des Ichs in Zeit.
Nun sagte aber Jörn, und ich meine zurecht, dass dieser Fakt der Bedingheit von Erkenntnis von Raum und Zeit nichts aussage über die Objektivität von Zeit, d.h. dass das Vorkommen von Ichen in der Gegenwart und im Raum dem Umstand, dass Raum und Zeit objektiv gegeben sind, weder etwas hinzutut noch abzieht.
Und deshalb sind wir so schlau als wie zuvor, wenn wir das feststellen, denn wir haben deshalb noch gar nichts darüber ausgesagt, was objektive Zeit ist oder sein könnte. Und du, Stefanie, hast wiederum recht, wenn du sagst, dass du die Zeit auf der Uhr zwar ablesen kannst, aber die Zeit dennoch nicht siehst. Ich meine, das liegt nicht an der Unsichtbarkeit der Zeit, sondern an der ontischen Unmöglichkeit des Jetzt. Wenn es nämlich kein Jetzt geben kann, dann kann es auch keine Zeit geben, denn wo fliesse sie durch, wenn nicht durch das unendlich kleine Türchen
Aber nun wird man, so höre ich Jörn schon poltern , einwenden können, dass wir aufgrund der Tatsache, dass es eine subjektive Gegenwart gibt, aber kein ontisches Jetzt, nicht in idealistischen Subjektivismus verfallen dürfen und behaupten, dass Zeit deshalb nur eine Illusion oder Konstruktion sei, denn offensichtlich gibt es und gab es schon Fortschritt und Entwicklung, als es das Bewusstsein noch nicht gab. Und, weil das so ist (und wir den Realisten recht geben müssen) , müssen wir doch anzugeben versuchen, was Zeit ist, wenn nicht Zeitempfindung und -messung.