#filosofix > Was ist Zeit?

Philosophische Gedankenexperimente in Form von Videos.
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Alethos
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Mi 28. Feb 2018, 21:32

Stefanie hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 19:49
Wieso ist die Gegenwart unfassbar?
Ich antworte hier, wenn ich darf, obwohl die Frage an Jörn ging. Es ist aber, wie du eindeutig feststellen wirst, meine eigenwillige Antwort :)

Das objektive Jetzt, logisch betrachtet, müsste eine Zeiteinheit sein, die das Vorherige von dem Künftige trennt. Nur durch das Jetzt wird das, was war, zum Gewesenen und das, was noch sein wird, wird denkbar durch sein noch nicht Sein im Jetzt.
Aber versuchen wir, diese Zeiteinheit zu messen, wie kurz dürfte sie sein? Sagen wir einmal, das Jetzt dauere 0.1 Millisekunden. Was geschieht alles in dieser Zeit von 0.1 Millisekunden? Klar, für eine Skifahrerin, die mit 0.1 Millisekunden Vorsprung als Erste über die Ziellinie fährt, ist das ein entscheidendes Intervall. Zwischen ihr und der Zweitplatzierten liegen diese 0.1 Zeiteinheiten. Also geschieht ja etwas in dieser Einheit, in dieser Zeiteinheit fährt die Zweitplatzierte der Erstplatzierten hinterher. Es liegt also in den 0.1 Sekunden schon ein wenig Vergangenheit, nämlich die vergangene Zeit zwischen der Siegerin und der Zweitplatzierten.

Wir stellen aber fest, dass auch in 0.0000...1 Millisekunden etwas geschehen kann. Es muss also auch in dieser kleinen Zeiteinheit die Zeit vergehen, es liegt in ihr also auch Vergangenheit Und so fort, auch in einer noch kleineren und noch so kleinen, unendlich kleinen Zeiteinheit vergeht die Zeit, also liegt in jedem noch so kleinen Jetzt Vergangenheit, nämlich die Vergangenheit der vergehenden Zeit.

Aber das Jetzt, sagen wir, sei ja nicht vergangen, sondern Jetzt :) Es gibt doch daher eine logische Unmöglichkeit, das Jetzt zu fassen. Es ist eine unendlich kleine Zeiteinheit, die sich also immer ins noch kleinere zurückziehen kann, ohne dass sie sich fassen liesse. Das Jetzt ist flüchtig.

Die Gegenwart hingegen scheint ganz robust fassbar, sie ist eng gekoppelt an das Selbstbewusstsein, sie ist quasi 'jetztlos' im obigen Sinn von Jetzt als Flüchtigkeit. Die Gegenwart ergibt sich aus der reflexiven Präsenz des Ichs im Hier und Jetzt resp. sind sie (Raum und Zeit) die Bedingungen der Erkenntnis überhaupt, mithin der Selbsterkenntnis des Ichs in Zeit.

Nun sagte aber Jörn, und ich meine zurecht, dass dieser Fakt der Bedingheit von Erkenntnis von Raum und Zeit nichts aussage über die Objektivität von Zeit, d.h. dass das Vorkommen von Ichen in der Gegenwart und im Raum dem Umstand, dass Raum und Zeit objektiv gegeben sind, weder etwas hinzutut noch abzieht.

Und deshalb sind wir so schlau als wie zuvor, wenn wir das feststellen, denn wir haben deshalb noch gar nichts darüber ausgesagt, was objektive Zeit ist oder sein könnte. Und du, Stefanie, hast wiederum recht, wenn du sagst, dass du die Zeit auf der Uhr zwar ablesen kannst, aber die Zeit dennoch nicht siehst. Ich meine, das liegt nicht an der Unsichtbarkeit der Zeit, sondern an der ontischen Unmöglichkeit des Jetzt. Wenn es nämlich kein Jetzt geben kann, dann kann es auch keine Zeit geben, denn wo fliesse sie durch, wenn nicht durch das unendlich kleine Türchen :)

Aber nun wird man, so höre ich Jörn schon poltern :), einwenden können, dass wir aufgrund der Tatsache, dass es eine subjektive Gegenwart gibt, aber kein ontisches Jetzt, nicht in idealistischen Subjektivismus verfallen dürfen und behaupten, dass Zeit deshalb nur eine Illusion oder Konstruktion sei, denn offensichtlich gibt es und gab es schon Fortschritt und Entwicklung, als es das Bewusstsein noch nicht gab. Und, weil das so ist (und wir den Realisten recht geben müssen) , müssen wir doch anzugeben versuchen, was Zeit ist, wenn nicht Zeitempfindung und -messung.



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novon
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Mi 28. Feb 2018, 22:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 06:08
es [gibt] so etwas wie Gegenwart erst, wenn es so etwas wie Iche gibt.
Rein aus Neugier: Wie würdest du "Iche" konkret eingrenzen?




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novon
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Mi 28. Feb 2018, 22:30

Stefanie hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 19:39
Ich sehe nicht den Raum an sich. Ich sehe, das, was im Raum ist. Gegenstände, die sich darin befinden, ich selber, und Gegenstände, die den Raum begrenzen. Dadurch sehe ich den Raum.
Die Zeit sehe ich auch nicht. Ich "sehe" sie durch die Uhr. Die Zeitmessung macht die Zeit sichtbar.
Raum und Zeit lassen sich nicht auseinanderdividieren. Sehen bedeutet, dass Licht reflektiert vom Gesehenen auf deine Netzhaut trifft - anschließende kognitive Prozesse mal außenvor gelassen -. Sehen ist weder ohne Zeit noch ohne Raum denkbar. Oder in meiner Nomenklatur: 'Sehen' bezeichnet einen vollständig raumzeitlich konstituierten Prozess - wobei ich nicht davor zurückschrecke darauf zu verweisen, dass 'Prozess' als solches bereits notwendig auf (irgendwie) raumzeitliche Konstituierung verweist; Denkt man da Raum oder Zeit weg, bleibt nichts übrig -.




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novon
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Mi 28. Feb 2018, 22:38

Alethos hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 21:32
Das [...] Jetzt [...] müsste eine Zeiteinheit sein, die das Vorherige von dem Künftige trennt.
Vielleicht könnte man auch so definieren, dass 'Jetzt' den Zeitpunkt bezeichnet, an dem bisherige Indetermination - eventuell graduell - in strikte Determination umschlägt. Im Jetzt kann noch determinierend agiert werden, über diesen Punkt hinaus entfällt eine solche Option/Möglichkeit.




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Alethos
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Mi 28. Feb 2018, 22:48

novon hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 22:38
Alethos hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 21:32
Das [...] Jetzt [...] müsste eine Zeiteinheit sein, die das Vorherige von dem Künftige trennt.
Vielleicht könnte man auch so definieren, dass 'Jetzt' den Zeitpunkt bezeichnet, an dem bisherige Indetermination - eventuell graduell - in strikte Determination umschlägt. Im Jetzt kann noch determinierend agiert werden, über diesen Punkt hinaus entfällt eine solche Option/Möglichkeit.
Das muss wohl so sein, sonst könnte ich jetzt diesen Beitrag gar nicht geschrieben haben. Oder du ihn lesen.

Von besonderem Interesse: 'graduell'.



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Stefanie
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Mi 28. Feb 2018, 22:55

novon, ich verstehe den Zusammenhang zwischen Zeit und Sehen nicht.
Wieso kann ich ohne Zeit nicht sehen? Das Auge interessiert doch die Zeit nicht.



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novon
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Mi 28. Feb 2018, 23:14

Alethos hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 22:48
Das muss wohl so sein, sonst könnte ich jetzt diesen Beitrag gar nicht geschrieben haben. Oder du ihn lesen.
Ja, klingt gut für mich... :)
Alethos hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 22:48
Von besonderem Interesse: 'graduell'.
Im Sinne von Impulsen, Attraktoren etc. Die Indetermination kippt weder unmittelbar noch vollständig unvorhersehbar in die Determination. Determination verfestigt sich quasi kontinuierlich und bis zum endgültigen Kippen kann immer noch etwas passieren, dass den Prozess wandelt.




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Jörn Budesheim
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novon hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 22:30
Denkt man da Raum oder Zeit weg, bleibt nichts übrig
Sind für ein X Raum und Zeit notwendig, dann bleibt nichts übrig, wenn man beide wegdenkt. That's right. Allerdings darf man daraus nicht folgern, dass das, was also notwendig ist, auch hinreichend ist. Mit anderen Worten, daraus das von etwas nichts übrig bleibt, wenn man Raum und Zeit weg denkt, folgt keineswegs dass Raum und Zeit dieses Etwas hinreichend erklären können.

Der Test mit dem Weglassen sagt immer nur, ob eine Zutat notwendig ist und nie ob sie auch hinreichend ist.




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Stefanie hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 19:49
Wieso ist die Gegenwart unfassbar?
Das bezieht sich auf Augustinus und andere, die daraus, dass das jetzt angeblich nicht festzustellen ist, argumentatives Kapital schlagen wollen.
Yves Bossart, in den verlinkten Artikel hat geschrieben : Augustinus macht kurzen Prozess. Er erklärt die Zeit zu einer blossen Illusion. Sie sei nämlich zusammengesetzt aus Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit. Zeit gäbe es nur, weil die Zukunft zur Gegenwart und die Gegenwart zur Vergangenheit wird, kurz: Weil die Vergangenheit die Zukunft der Gegenwart ist, oder anders: das Heute das Gestern von morgen.

Nun aber kommt der Clou: Nach Augustinus gibt es weder Zukunft, noch Vergangenheit, noch Gegenwart. Denn das Zukünftige ist noch nicht, das Vergangene ist nicht mehr, und die Gegenwart ist eine blosse Grenze zwischen Zukunft und Vergangenheit: Sobald wir sie denken, ist sie bereits vorbei.

Zeit ist nach Augustinus also ein unwirkliches Phantasiegebilde von uns Menschen




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novon hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 22:30
Raum und Zeit lassen sich nicht auseinanderdividieren.
Etwas zu unterscheiden ist etwas anderes, als es auseinander zu dividieren, oder? Um die Geschwindigkeit von etwas anzugeben, muss man beide sogar dividieren, wenn auch nicht "auseinander". Dividiert man Raum und Zeit auseinander, wenn man z.b. von Kilometern pro Stunde spricht? :mrgreen:




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Alethos hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 21:32
Aber das Jetzt, sagen wir, sei ja nicht vergangen, sondern Jetzt :) Es gibt doch daher eine logische Unmöglichkeit, das Jetzt zu fassen. Es ist eine unendlich kleine Zeiteinheit, die sich also immer ins noch kleinere zurückziehen kann, ohne dass sie sich fassen liesse. Das Jetzt ist flüchtig.
Na dann will ich mal lospoltern :) nach meiner Ansicht ist (wie oben knapp skizziert) das Jetzt ein Verhältnis von Subjekt und objektiver Zeit. Jede Messung muss ihrem Gegenstande angemessen sein. Wer das Jetzt messen möchte, ohne sich zugleich auf das Ich zu beziehen, verfehlt sein Gegenstand daher notwendig. Der Versuch das Jetzt mit physikalischen Methoden auszumessen, ist meines Erachtens genauso sinnlos, wie der Versuch das Hier auszumessen. Weil beide nicht einfache physikalische Gegebenheiten sind. Es kann aus logischen Gründen daher weder einen physikalisch präzisen Ort für das Jetzt noch ein physikalisch präzisen Ort für das Hier geben.

Es ist daher meines Erachtens falsch, zu glauben es gäbe eine logische Unmöglichkeit Bezug auf das Jetzt. Wenn wir über das Jetzt sprechen wollen, dann müssen wir logischerweise uns selbst, unser Leben und unser Erleben mit einbeziehen. Wenn wir das Jetzt messen wollen, dann müssen wir es selbst ermessen und erfahren. Wenn wir uns z.b. ein Musikstück anhören, dann erleben wir nicht eine Abfolge von unverbundenen Jetzt-Punkten, sondern wir hören gegebenenfalls eine Melodie. Beim Hören einer Melodie kann einem bereits der Begriff Jetzt suspekt werden. Denn wir erleben hier eher Sinn und Klangräume, bis dann vielleicht ein Lospoltern ein Jetzt schafft :)




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Jörn Budesheim
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Do 1. Mär 2018, 06:30

Stefanie hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 22:55
Das Auge interessiert doch die Zeit nicht.
Während meines Studiums hat der Dozent mal darüber berichtet, dass es in der Philosophie eine ausführliche Diskussion darüber gab, ob oder inwiefern Fotografie und Wahrnehmung sich ähneln. Obwohl man im Alltag dazu geneigt ist, das zu glauben, war das Ergebnis dieser Diskussion, dass diese Ähnlichkeit nicht besteht, zumindest nicht in dem Maße, wie man es für gemeinhin glaubt. Dafür gab es eine ganze Reihe von Gründen. Einer der Gründe war, dass unser Sehen dauernd in Bewegung ist. Ein erstartetes (in der Zeit stillgestelltes) Sehen, wie man es sich von der Fotografie her vorstellen mag, gibt es nicht und kann es auch nicht geben, weil ein solches Sehen z.b. sehr schnell ermüdet und letztendlich dysfunktional wird. Mit anderen Worten: das Auge interessiert sich sehr stark für die Zeit. :D




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Jörn Budesheim
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Frist (Günter Kunert)


Und Sonne war und fiel heiß auf sie nieder

Und fiel auf mich der ich doch bei ihr war.

Die Wellen gingen fort und kamen immer wieder

Zurück voll Neugier zu dem nackten Paar.



Ein wenig Fleisch auf soviel Sandgehäufe

Ein wenig Frist in ziemlich viel Unendlichkeit

Ein wenig Leben und zwei Lebensläufe

Darüber Sonne und darunter Dunkelheit.




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Jörn Budesheim
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Do 1. Mär 2018, 06:56

Wenn man sich fragt, welche Funktion das Wort Jetzt haben kann, könnte es vielleicht sogar noch deutlich schwieriger werden. Denn dann bietet es sich an, nicht nur von einem Subjekt auszugehen, sondern von mehreren Subjekten und ihrer Gleichzeitigkeit. Man stelle sich dazu vor, dass eine Gruppe (sagen wir von Steinzeitmenschen) eine Jagd plant. Zunächst verfolgen sie ihre Beute still und leise ... und zu einem bestimmten Moment, der von einem Jetzt! signalisiert wird stürzen sich alle darauf :)




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Stefanie
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Do 1. Mär 2018, 11:56

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 1. Mär 2018, 06:30
Stefanie hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 22:55
Das Auge interessiert doch die Zeit nicht.
Während meines Studiums hat der Dozent mal darüber berichtet, dass es in der Philosophie eine ausführliche Diskussion darüber gab, ob oder inwiefern Fotografie und Wahrnehmung sich ähneln. Obwohl man im Alltag dazu geneigt ist, das zu glauben, war das Ergebnis dieser Diskussion, dass diese Ähnlichkeit nicht besteht, zumindest nicht in dem Maße, wie man es für gemeinhin glaubt. Dafür gab es eine ganze Reihe von Gründen. Einer der Gründe war, dass unser Sehen dauernd in Bewegung ist. Ein erstartetes (in der Zeit stillgestelltes) Sehen, wie man es sich von der Fotografie her vorstellen mag, gibt es nicht und kann es auch nicht geben, weil ein solches Sehen z.b. sehr schnell ermüdet und letztendlich dysfunktional wird. Mit anderen Worten: das Auge interessiert sich sehr stark für die Zeit. :D
Wieso?
Es ist doch ein biologischer/physikalischer Grund, warum das Auge nicht still bleiben kann, und mehr oder weniger immer in Bewegung ist und das Sehen eine Bewegung ist. Das Sehen ist aber doch nicht an die Zeit gekoppelt. Oder umgekehrt.
Zeit ist der Ablauf von Geschehnissen und Handlungen. Für das Auge und das Sehen ist es doch unerheblich, welchen zeitlichen Ablauf jemand gerade sieht bzw. er oder sie sich befindet. Das Auge sieht was, und damit der Mensch. Das Auge reagiert und macht seinen Job unabhängig von der Zeit.
Die Wertungen aus dem was gesehen wurde, ist was anderes.
Jemand, der bei nicht Bewusstsein ist, sieht nichts. Besser, er sieht wohl etwas, je nach dem ob dabei die Augen auf sind, oder nicht (Wachkoma) schon etwas, kann es aber nicht verarbeiten. Die Zeit steht dabei nicht still, sie läuft weiter.

Also bei ist nach vor Widerstand, das Sehen und die Zeit so in Verbindung zu setzen, dass das Sehen von der Zeit abhängig ist.

Dieses Thema ist "schlimmer" als die besagte Katze in dem anderem Thread. ;- )



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Alethos
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Do 1. Mär 2018, 13:27

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 1. Mär 2018, 06:09
Wer das Jetzt messen möchte, ohne sich zugleich auf das Ich zu beziehen, verfehlt sein Gegenstand daher notwendig. Der Versuch das Jetzt mit physikalischen Methoden auszumessen, ist meines Erachtens genauso sinnlos, wie der Versuch das Hier auszumessen.
Naja, ziemlich laut gepoltert :)

Ich kann das nachvollziehen und dem teilweise auch zustimmen. Wenn das Jetzt eine Relation des Subjekts mit der objektiven Zeit ist, dann ist diese Relation objektiv, oder? Das Ich ist in seinem Jetzt voll und ganz gägenwärtig. Damit ist nicht gemeint, dass das Ich seiner Präsenz gewahr werden muss, er kann auch ganz gegenwärtig sein, wenn er in Erinnerungen an die gute alte Zeit schwelgt. Aber seine Präsenz gibt der objektiven Zeit eine Relation, zu der sie sich eben verhält, dieses Jetzt ist nun diese Relation.

Aber mir will noch nicht ganz in den Kopf, wie lange dieses Jetzt dauert. Aus Sicht des präsentischen Subjekts dauert es an, solange dieses Subjekt präsent ist. Es scheint sogar fast dauerlos zu sein mit Bezug auf die Relation des Ichs und 'seiner' Zeit.

Nun ergibt sich also das Jetzt als Relation aus der objektiven Zeit und dem Subjekt. Wenn es aber kein Jetzt gibt, das ohne ein entsprechendes Ich gedacht werden kann, wie du vorschlägst, dann kann es auch keine Vergangeheit und Zukunft geben, ohne das ein Ich gedacht wird. Denn Vergangheitheit ist doch das, was vor dem Jetzt geschah und Zukunft das, was noch geschehen wird. Wenn also objektive Zeit kein ontisches Jetzt hat, sondern nur ein relationales Jetzt zum Subjekt bildet, dann hat absolute Zeit nach deinem obigen Vorschlag auch kein Zuvor und Danach. Das scheint mir nicht sehr plausibel zu sein oder man schlägt dann vor, dass Zeit (und Raum) überhaupt nur eine Relation von Gehenständen ist, sie also nicht absolut vorkommt.



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novon
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Do 1. Mär 2018, 23:19

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 1. Mär 2018, 05:26
novon hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 22:30
Denkt man da Raum oder Zeit weg, bleibt nichts übrig
Sind für ein X Raum und Zeit notwendig, dann bleibt nichts übrig, wenn man beide wegdenkt. That's right. Allerdings darf man daraus nicht folgern, dass das, was also notwendig ist, auch hinreichend ist. Mit anderen Worten, daraus das von etwas nichts übrig bleibt, wenn man Raum und Zeit weg denkt, folgt keineswegs dass Raum und Zeit dieses Etwas hinreichend erklären können.

Der Test mit dem Weglassen sagt immer nur, ob eine Zutat notwendig ist und nie ob sie auch hinreichend ist.
Da steht von mir "Raum oder Zeit", nicht "Raum und Zeit". Und die beschreibe ich beide als notwendig, notwendig vorausgesetzt, was impliziert, weil doch bevor überhaupt irgendwie ein Hinreichen erwogen werden könnte das Notwendige bereits erfüllt zu sein hätte, damit etwaiges Hinreichen auch nur am Horizont irgendwie Bedeutung haben könnte. Notwendiges ist doch jedem etwaigen Hinreichen notwendig vorausgesetzt, oder wie?
In dem Sinne, notwendig, hatte ich in diesem Post sowohl Raum, als auch Zeit gesetzt. Sprich: Ohne das eine oder das andere... Nix. Schon gar kein Hinreichen in Sicht.




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Jörn Budesheim
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Fr 2. Mär 2018, 05:21

novon hat geschrieben :
Do 1. Mär 2018, 23:19
Sprich: Ohne das eine oder das andere... Nix.
novon hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 22:30
Sehen' bezeichnet einen vollständig raumzeitlich konstituierten Prozess -
Was bedeutet denn dann vollständig raumzeitlich konstituiert?




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Fr 2. Mär 2018, 05:24

Stefanie hat geschrieben :
Do 1. Mär 2018, 11:56
das Sehen und die Zeit
Ich befürchte bei diesem Beitrag muss ich passen, mir ist einfach deine Argumentation nicht klar.




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Fr 2. Mär 2018, 05:47

Alethos hat geschrieben :
Do 1. Mär 2018, 13:27
Denn Vergangheitheit ist doch das, was vor dem Jetzt geschah und Zukunft das, was noch geschehen wird.
Für Wesen, die die Zeit erfahren, mag das so sein, aber an sich ist es nicht so, meine ich. Nehmen wir uns noch mal Augustinus Gott vor die Brust, in dem Artikel, den Stefanie zu Beginn gepostet hat, heißt es: "Zeit ist nach Augustinus also ein unwirkliches Phantasiegebilde von uns Menschen. Aus der Sicht Gottes nämlich gibt es keine Zeit. Für ihn ist alles gleichzeitig. Er sieht den gesamten Verlauf der Welt ausgebreitet vor seinem Geist – ähnlich wie wir die Geschichte auf einem Zeitstrahl abbilden und so das zeitliche Nacheinander zu einem räumlichen Nebeneinander machen." Gottes Blick aus dem nirgendwo ergibt nach meiner Einschätzung, dass die Zeit zwar ein früher und ein später kennt, aber kein jetzt. Gott hat keinen Standpunkt also auch kein jetzt. Der gesamte Verlauf vom Anfang bis zum Ende der Welt ist ausgebreitet vor seinem Geist. In dieser Sicht, die natürlich unmöglich ist, gibt es keinen ausgezeichneten Punkt namens jetzt. Also ich meine, früher und später sind objektiv, während Vergangenheit, Jetzt und Zukunft an unserem Gang durch die Zeit hängen.

Die Analogie mit dem Raum hilft vielleicht weiter. Wir versetzen uns in die Stellung Gottes, indem wir uns ein leeres Zimmer vorstellen. Dieses Zimmer hat alle drei Dimensionen des Raums und wenn man möchte auch die vierte Dimension der Zeit. Es ist auch ohne uns selbstverständlich in allen Dimensionen vollständig. Hier und jetzt (und damit solche Aspekte wie "da hinten" oder "früher") treten erst hinzu, wenn Wesen hinzutreten, die für Raum und Zeit Sinne haben und sich selbst räumlich sowie zeitlich verorten.




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