Das ist eine gute Vorlage, der ich überwiegend zustimme. Nur ist sie zu verallgemeinert, daher ein kleiner Einwand. Das Verstehen ist nur da erforderlich bzw möglich, wo es etwas zu verstehen gibt. Viele Dinge sind kontingent. Manche meinen sogar, alles sei kontingent, was selbstverständlich keinen Sinn macht, denn dann gäbe es keinen Sinn, dann wäre Denken eine Energieverschwendung für nichts. Es gibt Nicht-kontingentes und Kontingentes, das Nichtkontingente muß verstanden, das Kontingente kann nur zur Kenntnis genommen werden. Allerdings ist die Kenntnis des Kontingenten als Grenze des Nichtkontingenten durchaus relevant. Und es ist immer nur eine problematische, die wie alles Reale nur falsifizizier-, nicht verifizierbar ist.
Die vollständige extensionale Erfassung der Welt wäre die faktische Kenntnis der Belegung aller Weltpunkte (Raum-Zeit-Punkte), eine Erfassung, die selbstverständlich nur angenähert in winzigen Weltsegmenten möglich ist. Aber im Mesoraum kann man mit mow guten Gründen von einer weitgehenden Erfassung des extensionalen Seins eines Objektbereichs sprechen. Einen höheren Erkenntniswert als verläßliche kurzfristige Prognosen zu stellen hat solche Kenntnis jedoch in der Regel nicht.
Ich würde hier erst einmal von einer Differenzierung des extensionalen Wisssens und des intensionalen Verstehens ausgehen. Ersteres ist die Kenntnis des Seins, letzteres ist das Verstehen des Seins, wenn es etwas zu verstehen gibt, also dieses Sein eine innere Notwendigkeit hat (= nicht kontingent ist). Nehmen wir das Fallgesetz. Ich kann empirisch testen, wie Dinge fallen. Ganz sicher werden die Maschinen auf Muster kommen, die unterschiedliche Klassen von Objekten definieren lassen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, wie die Maschinen erklären können, daß ein extrem dünnes Metallblättchen genauso schnell oder sogar langsamer fällt als ein zu einem dünnen Pfeil zusammengepresstes Stück Papier (gleichen Gewichts), beide werden womöglich in der gleichen Objektklasse landen. Das ist dann sogar richtig, aber völlig unverstanden.
Oder um ein Beispiel aus der Mathematik zu nehmen. Ein Beispiel, das ich schon einmal angesprochen habe, weil es für die Einfachheit und Schönheit mathematischen Beweisens steht, der Kreativität, Intelligenz operationalen Denkens. Das ist der Satz von der Winkelsumme eines Dreiecks. Es ist ein Satz über eine geometrische Figur, die aus 3 Punkten besteht, die nicht kollinear liegen, und die durch Linien miteinander verbunden sind. Die Maschine kann "erkennen", was ein Dreieck ist, und sie kann die Winkelsumme addieren, sie stellt also fest, daß das Ergebnis immer 180° beträgt. Es ist eine Kenntnis des Seins, aber kein Erkennen des Grunds für dieses Sein. Der Mensch kommt auf die Idee, ein gegebenes Dreieck stetig zu verkleinern, das ergibt eine unendliche Reihe ähnlicher Dreiecke, die selbstverständlich die gleiche Winkelsumme haben. Am Ende ist das Dreieck auf einen Punkt geschrumpft und es zeigt sich die Winkelsumme. Da das für jedes Dreieck gilt, ergibt sich der Satz. Ich habe verstanden, daß der Satz notwendig gilt.
Daß die Sachlage noch viel komplizierter ist, ergibt sich aus verwirrenden Erfahrungen, die nur in verstehendem Denken aufgelöst werden können, das der Maschine nicht möglich ist. Hier sei das schon einmal besprochene Phänomen des gekrümmten Stocks im Wasser erwähnt sowie eine im Zeitalter der Fernreisen tatsächlich mögliche Erfahrung.
Dazu betrachte ich riesige Dreiecke auf der Erdoberfläche, zB fliege ich vom Nordpol geradeaus bis zum Äquator, fliege dann den Äquator entlang, bis ich die Erde 1/4 umrundet habe, fliege dann zum Nordpol zurück. Die Winkelsumme dieses Dreiecks beträgt 270°, hätte ich auf dem Äquator die Erde statt 1/4 mal 3/4 mal umrundet, wäre die Winkelsumme sogar 450°.
Das führt auf die problematischen, mathematisch zu definierenden Begriffe von "gerader Linie" und "Raum".