Gedanken zu einem Markt der Moral

Es gibt heute kaum Bereiche des alltäglichen Lebens, die nicht in irgendeiner Weise mit dem World-Wide-Web zusammenhängen. Das Gleiche gilt für "künstliche Intelligenz". Was hat die Philosophie dazu zu sagen?
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Groot
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Fr 4. Jun 2021, 19:39

Der Markt der Moral, der sich eigtl. Öffentlich zeigt, ist in der wissenschaftlichen Institution ideologisch verklärt. Als gäbe es einen Kampf um die Wahrheit. Dabei gibt es nur die Frage nach Idealen, die dem Wissenschaftssystem vorausgehen. Im Kern Gleichheit oder Freiheit. Der Freie wird versuchen seine Glieder und sein Eigentum „beisammen“ zuhalten. Während der Gleiche versuchen wird, die Individualität zu fördern. Denn der Gleiche weiß sich im Rechte; er weiß sich also der legalistischen Tradition verpflichtet; statt des Primates der freien Hand eines göttlichen Willens, der im Markte sich zeitigen möge; sich zur Anschauung bringen dürfe.
Der Markt der Moral ist ein Markt, der demokratisch verfasst ist. Das heißt, eine Demokratie muss nicht zwingend liberale Werte tragen. Beispielsweise könnte China in den kommenden Jahrzehnten durchaus eine Demokratie werden; wiewohl das sicher nicht die wahrscheinlichste Option ist. Die Frage stellt sich dann hier, ob nicht-demokratische Staatsorgane auch nicht-autoritär operieren können?
Der Markt der Moral ist in gewissen Sinne kein Markt. Denn er zeigt sich in den Diskursen. Diese aber unterliegen dem Habermas zwanglosen Zwang des besseren Argumentes. Allerdings nur, wenn wir rational sind und sein wollen. China will das; Amerika nicht notwendig.

Diese Diskurse können dann analysiert werden. Diskurspraktisch, d.h. diskursethisch – oder pragmatisch. Oder aber diskursanalytisch, d.h. historisch. Sowohl hermeneutisch, als auch als historischer Materialismus. Der historische Materialismus ist nicht-dialektisch (!).

Der Markt der Moral. Das ist die tradierte Lebenswelt, die sich in jeder Fuge und Ritze; jeder Lücke der normativen Formalität und derer juridischen Manifestation zeigt. Der Markt der Moral scheint amoralisch; wenn das auch übel ist, so scheint es die Gegenwartsbezogene Darstellung zu sein.

Der Markt der Moral erfasst die verschiedenen Interessengruppen, sowie die diffuse Öffentlichkeit mit ihren Graswurzelbewegungen, ihren Kulten und ihrer harten finanziellen Realität.

Der Markt der Moral ist niemals eine Welt, in der der Finanzkapitalismus das Ende der Weisheit der Ökonomie ist. Der Markt der Moral ist kein Aktienmarkt. Er ist ein Markt, auf dem Werte gehandelt werden. Nicht Güter und ihr preislicher Gebrauch; keine bloße Valorisierung, sondern Werte.

Die Hermeneutik ist a-religiös. Aber das heißt, sie ist nicht wissenschaftlich in dem Sinne, dass sie einen Soziologismus mitgehen würde. Dieser würde nämlich die tradierte Ordnung in der Endkonsequenz über den Haufen werfen; ein schmaler Grat. Fraglich, ob dies organisch möglich wäre. Der Geist begründet den Markt der Moral, vielleicht?
Der Markt der Moral ist jedenfalls ein ethischer Markt. Denn er fasst in sich die Ethopoiesis; nicht die stochastisch-empirische Statistik (und Linguistik) und Deskription, und auch nicht Autopoiesis.

Angenommen -Poiesis ist ein Konzept, welches ermöglicht eine Analogie zwischen der biologischen Zelle in ihrer wissenschaftlichen Fülle auf der einen Seite und einem sozialen System mit seinem Institutionensystem (einer Zivilisation) auf der anderen Seiten, aufzubauen. Was ließe sich damit „Umgreifen“? Mehr oder weniger als mittels eines hermeneutischen Verständnisses von Sprache und Kontextualität?

Die Kontextualität ist eine historische Ausprägung. Es handelt sich hierbei um das, was Habermas „symbolische Reproduktion der Lebenswelt“ nennt. Denn in der Kontextualität setzt sich das notwendig geworfene Wesen kontingent – und gleicht sich damit mimetisch und kritisch an die Tradition und die Natur an. Tradition und Natur – hier ist es zwei. Ein Dualismus der den Epochenschnitt ersetzt; ist es das, was Descartes tut? Das wäre viel Unwucht; die Geschichte mit einem solchen Rumms einfach anzuhalten und mechanisch festzuspannen!! Insbesondere, wo die Historie das doch garnicht kümmert, dieser Stillstand also zur Blase wird – oder zur Pyramide des Bildungsbürgertums. Aber wer glaubt schon dran, das in den Freien Mauern der Freimaurer auch nur ein Fünkchen Wahrheit zu finden sei? :D

Etwas mythologisch – und ein Eisen hinzukredenzt...und es lässt sich denken

Feuer in Arsen – und Elektronik.
Das Wasser, das ist Honig.
So schön Gelb,
als wär es Geld.

Man im Gelde stets im Wind,
die Juristen sind des Winde Kind.
Denn...die haben Listen,
reichviel Material; und Fristen!

Die Elektronik jedenfalls, die bringt, dem Prometheus ähnlich, etwas, das „Ubiquitär“ ist; nämlich die Statistik und das Netz, in dem Systembildung ebenso möglich ist – ganz empirisch und deskriptiv – wie dies auch in begrifflichen Netzen möglich ist (oder in physischen, biologischen und psychologischen System).
Das Internet ward geboren.

Das Internet ist eine sehr ernsthafte Alternative zu einer historisierenden Perspektive. Denn neben der kommunikativen Option – die im Endeffekt Kant 2.0; diesmal richtig – ist, gibt es nur die naturwissenschaftliche. Und die nicht-ontologische „natürliche“ Perspektive, die uns allen gemein ist und die vom Allgemeinen abgegrenzt sich darstellt.

Das Internet ermöglicht nämlich sozusagen eine Art von Sog, die alle, damals analogen und nun historischen Phänomene; umwandelt in 1. Sinnesdaten, 2. Datenmaterial, 3. digital ubiquitäre Daten.

Das Internet ist das Grundphänomen des Kommunikats. Denn es vereint in sich Information und (digitale) Kommunikation. Es basiert auf Protokollen, die sich in Paketform verteilen oder von Sender zu Empfänger gesendet werden. Man könnte hier als Verteilungsmuster den Unterschied zwischen Amphietheater und Volksempfänger setzen oder Zeitung und Mund-zu-Mund-Propagandha.

Das Internet ermöglicht, Luhmanns rumgewurschtel zu entheddern. Denn es ermöglicht, dass man informatische Computersysteme nicht identisch denken muss (in Luhmanns System), wie institutionelle Verwaltungsapparaturen. Ein Apparatschik sowjetischer Bauart ist durchaus etwas anderes, als ein Technokrat der Europäischen Institutionen heutiger Zeit.

Das Kommunikat ermöglicht hierdurch, dass Informatik und soziale Welt gemeinsam eine Bastion (ein Alamo) eröffnen, die gegen die vollständige Reduktion der sozialen Welt auf Institutionen+Anthropologie, entgegenstehen kann. Denn dann müssten wir alle Experten der Ethologie sein – oder aber hypermoralisch.




Timberlake
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Sa 13. Aug 2022, 17:17

Groot hat geschrieben :
Fr 4. Jun 2021, 19:39


Angenommen -Poiesis ist ein Konzept, welches ermöglicht eine Analogie zwischen der biologischen Zelle in ihrer wissenschaftlichen Fülle auf der einen Seite und einem sozialen System mit seinem Institutionensystem (einer Zivilisation) auf der anderen Seiten, aufzubauen. Was ließe sich damit „Umgreifen“?
Ganz einfach ..
  • Autopoiesis
    Eine weitere wesentliche Voraussetzung für das Vorhandensein eines Systems ist die Fähigkeit, sich selbst (wieder-)herzustellen, also die Autopoiesis. Der Merksatz im Luhmannschen Sinne lautet: Wenn es sich nicht selbst macht, ist es kein System. Dabei bezog sich Luhmann auf das Konzept der chilenischen Neurobiologen Humberto Maturana und Francisco Varela. Diese wendeten das Konzept der Autopoiesis auf organische Prozesse an und meinten damit, dass Systeme sich mit Hilfe ihrer eigenen Elemente selbst herstellen. Lebewesen sind die ursprünglichen Beispiele für autopoietische Systeme. Für den Beobachter ereignet sich Leben von selbst, ohne dass ein äußerer herstellender Prozess eingreift. Luhmann überträgt dieses Konzept nicht nur auf biologische Systeme, sondern auch auf psychische Systeme und insbesondere soziale Systeme. Auch diese reproduzieren sich selbst mit Hilfe ihrer systemeigenen Operationen
.. damit ließe sich "umgreifen ", dass sich .. wie hier beschrieben .. ein sozialen System, mit seinem Institutionensystem (einer Zivilisation) gleichsam einer biologische Zelle , sich mit Hilfe ihrer systemeigenen Operationen selbst reproduziert.
Groot hat geschrieben :
Fr 4. Jun 2021, 19:39
Der Markt der Moral, der sich eigtl. Öffentlich zeigt, ist in der wissenschaftlichen Institution ideologisch verklärt.
.. und was wäre dazu nicht geeigneter als auf den "Markt der Moral" mit seiner ideologisch verklärten Version einer Moral , zu glänzen. Als solches ich die Moral zu jenen systemeigenen Operationen zählen würde, mit dessen Hilfe sich ein soziales System selbst reproduziert.
Groot hat geschrieben :
Fr 4. Jun 2021, 19:39

Das Internet ist das Grundphänomen des Kommunikats. Denn es vereint in sich Information und (digitale) Kommunikation. Es basiert auf Protokollen, die sich in Paketform verteilen oder von Sender zu Empfänger gesendet werden. Man könnte hier als Verteilungsmuster den Unterschied zwischen Amphietheater und Volksempfänger setzen oder Zeitung und Mund-zu-Mund-Propagandha.

Das Internet ermöglicht, Luhmanns rumgewurschtel zu entheddern. Denn es ermöglicht, dass man informatische Computersysteme nicht identisch denken muss (in Luhmanns System), wie institutionelle Verwaltungsapparaturen. Ein Apparatschik sowjetischer Bauart ist durchaus etwas anderes, als ein Technokrat der Europäischen Institutionen heutiger Zeit.

Das Kommunikat ermöglicht hierdurch, dass Informatik und soziale Welt gemeinsam eine Bastion (ein Alamo) eröffnen, die gegen die vollständige Reduktion der sozialen Welt auf Institutionen+Anthropologie, entgegenstehen kann. Denn dann müssten wir alle Experten der Ethologie sein – oder aber hypermoralisch.
.. eine systemeigene Operation , die sich dabei des Internet bedient. Auch das Internet reproduziert sich mit Hilfe seiner systemeigenen Operationen. Nur mit dem Unterschied, dass man sich das Internet weder mit einem soziale System der Moral von einem Apparatschik sowjetischer Bauart , noch mit einem Technokrat der Europäischen Institutionen heutiger Zeit identischen denken muss. Es sei denn der Apparatschik oder der Technokrat schränkt die Möglichkeiten so ein, dass das Internet nur noch ihre Version einer Moral zulässt. Auch mit einer solchen "systemeigenen Operation" lässt sich ein soziales reproduzieren. Wenn gleich ich die jeweilige Sprache , als sehr viel wirksamer halte. Was nützt einem Russen , ein englischsprachiges Internet , wenn er nur russisch spricht ? Soviel zum Thema, dass das Kommunikat des Internets gemeinsam eine Bastion (ein Alamo) eröffnen würde. Geschweige denn , für den Fall , dass das , ableitend daraus, so gemeint sein sollte, einen gemeinsamen "Markt der Moral".
Zuletzt geändert von Timberlake am Sa 13. Aug 2022, 18:07, insgesamt 1-mal geändert.




Groot
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Sa 13. Aug 2022, 18:07

.. damit ließe sich "umgreifen ", dass sich .. wie hier beschrieben .. ein sozialen System, mit seinem Institutionensystem (einer Zivilisation) gleichsam einer biologische Zelle , sich mit Hilfe ihrer systemeigenen Operationen selbst reproduziert.
Aber wäre das dann mehr als die Hermeneutiker umgreifen oder wäre es weniger als jene umgreifen?

Hermeneutik fasst bestimmte materielle Perspektiven und Prozesse nur metaphorisch, um damit auf die Fülle des Geistes zu verweisen. Aber ist diese Fülle umfassender, als es das Feld ist, welches durch Zelle und soziales System, bestimmt ist?
Es ließe sich beides annehmen. Dann wäre die Frage, was progressiver wäre; Konzepte der Hermeneutik oder Konzepte der -Poiesis ausgelegt in Bezug auf die Sprachlichkeit, die dem Menschen innewohnt.
Als solches ich die Moral zu jenen systemeigenen Operationen zählen würde, mit dessen Hilfe sich ein soziales System selbst reproduziert.
Ich bin mir nicht sicher, ob Moral noch so stark die Autopoiesis des Gesamtsystems beeinflußt. Sicher irritiert die Kirche noch mit ihrer Moral, die sich sicher auch in tieferen, unbewussten Schichten irgendwie noch auswirken mag; aber der moderne westliche Mensch ist nicht moralisch bzw. nur insoweit, als dass dies ethisch vertretbar wäre.
Auch das Internet reproduziert sich mit Hilfe seiner systemeigenen Operationen. Nur mit dem Unterschied, dass man sich das Internet weder mit einem soziale System der Moral von einem Apparatschik sowjetischer Bauart , noch mit einem Technokrat der Europäischen Institutionen heutiger Zeit identischen denken muss. Es sei denn der Apparatschik oder der Technokrat schränkt die Möglichkeiten so ein, dass das Internet nur noch ihre Version einer Moral zulässt. Auch mit einer solchen "systemeigenen Operation" lässt sich ein soziales reproduzieren. Wenn gleich ich die jeweilige Sprache , als sehr viel wirksamer halte. Was nützt einem Russen , ein englischsprachiges Internet , wenn er nur russisch spricht ?
Streng genommen ist das Internet nur das Programm, auf dem die sozialen Systeme sich digitalisiert zeigen. Natürlich ist das Internet nicht identisch mit einer Verwaltungsapparatur, genau das war ja der Punkt an dem Satz. Das Internet ermöglicht es, dass der Programmbegriff, den Luhmann verwendet (und der bestimmte Verwaltungsprozesse mit deterministischen informatischen Prozessen konfundiert), entheddert werden kann. Es zeigt sich nämlich im Internet die Möglichkeit sozialer Systeme auf einer materiellen Grundlage, welche gleichzeitig nicht der Staat und das Geld ist.


Ja, Probleme die mit der Separierung des Internets einhergehen, verhindern erstmal auf längere Zeit, dass sich die Kulturen weiter angleichen.




Groot
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Sa 13. Aug 2022, 18:12

Soviel zum Thema, dass das Kommunikat des Internets gemeinsam eine Bastion (ein Alamo) eröffnen würde. Geschweige denn , für den Fall , dass das , ableitend daraus, so gemeint sein sollte, einen gemeinsamen "Markt der Moral".
Das Kommunikat des Internets ist hier ein Alamo gegen allzuschnell schießende Handlungstheoretiker und Diskursethiker. Denn es zeigt, dass eben nicht jede Gesellschaft auf Handlung und Interaktion gegründet ist und solche Ansätze sozialtheoretisch nicht hinreichen, um Gesellschaft völlig zu erfassen. Deren Versuchen, alles auf Anthropologie und ein schlicht vorhandenes Institutionengefüge, zu reduzieren, was Sozietät beinhaltet, steht nun das Kommunikat des Internets entgegen, welches auf die strenge Kommunikation verweist, in der sich einzig die komplexesten Phänomene sozialer Vergesellschaftung und anthropologischer Zivilisiertheit, aufzeigen bzw. einsehen lassen.




Timberlake
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Sa 13. Aug 2022, 18:15

Groot hat geschrieben :
Sa 13. Aug 2022, 18:07

Ich bin mir nicht sicher, ob Moral noch so stark die Autopoiesis des Gesamtsystems beeinflußt.
.. ich bin mir aber auch so was von sicher, dass die Moral die Autopoiesis des Gesamtsystems stark beeinflußt. . Versuche doch mal hier, in unserem sozialem Gesamtsystem , die Moral von Putin auf den "Markt der Moral" verkaufen.




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Lucian Wing
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Sa 13. Aug 2022, 18:29

Die Idee, der Gleiche würde Individualität fördern, halte ich für falsch. Um gleich zu sein, muss ich mich an etwas Allgemeinem orientieren, das der Individualität den Stempel einer Norm aufdrückt. Um frei zu sein, versuche ich herauszufinden, vor welcher Tür der Individualität alle Stempel abgegeben werden müssen.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Timberlake
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Sa 13. Aug 2022, 18:51

Groot hat geschrieben :
Sa 13. Aug 2022, 18:12
Soviel zum Thema, dass das Kommunikat des Internets gemeinsam eine Bastion (ein Alamo) eröffnen würde. Geschweige denn , für den Fall , dass das , ableitend daraus, so gemeint sein sollte, einen gemeinsamen "Markt der Moral".
Das Kommunikat des Internets ist hier ein Alamo gegen allzuschnell schießende Handlungstheoretiker und Diskursethiker.
was man allzu schnell , quasi aus der Hüfte geschossen, mit dem Kommunikat des Internets bewirken kann, hat uns doch wohl Trump vorgeführt.

  • Donald Trump .. Der Fake News-Präsident
    30.573 falsche oder irreführende Aussagen hat Donald Trump laut Zählung der Washington Post im Verlauf seiner Amtszeit fabriziert. Zum Thema Einwanderung, Außenpolitik und Wahl waren es jeweils über 3.000. Zu Coronavirus, Außenhandel und Wirtschaft jeweils rund 2.500. So gesehen war Trump, der laut Twitter Trump Archive allein in fast 900 Tweets missliebige Medien - wie die Post oder CNN - als Fake News verunglimpft hat, in den letzten vier Jahren selbst ein eifriger Produzent von Botschaften mit zweifelhaftem Wahrheitsgehalt.Aktuell muss der Ex-Präsident indes kürzer treten, was die "Nachrichten"-Verbreitung angeht. Derzeit ist er bei allen großen Sozialen Netzwerken gesperrt. Sein liebster Kanal, Twitter, hat seinen Account gleich ganz gelöscht.


.. irgendwann wurden diese Schnellschüsse selbst für die großen Sozialen Netzwerken zu bunt und wenn man denn den Umfragen besonders unter den Republikaner glauben schenken darf , so hat ihm das auf dem "Markt der Moral " offenbar nicht im Geringsten geschadet. Um dazu einmal Kant zu Wort komen zu lassen ..
  • Der Freiheit zu denken ist erstlich der bürgerliche Zwang entgegengesetzt. Zwar sagt man: die Freiheit zu sprechen, oder zu schreiben, könne uns zwar durch obere Gewalt, aber die Freiheit zu denken durch sie gar nicht genommen werden. Allein, wie viel und mit welcher Richtigkeit würden wir wohl denken, wenn wir nicht gleichsam in Gemeinschaft mit andern, denen wir unsere und die uns ihre Gedanken mitteilen, dächten! Also kann man wohl sagen, daß diejenige äußere Gewalt, welche die Freiheit, seine Gedanken öffentlich mitzuteilen, den Menschen entreißt, ihnen auch die Freiheit zu denken nehme: das einzige Kleinod, das uns bei allen bürgerlichen Lasten noch übrig bleibt, und wodurch allein wider alle Übel dieses Zustandes noch Rat geschafft werden kann.
    Immanuel Kant Was heißt: sich im Denken orientieren?
.. wenn man denn auf den "Markt der Moral" hausieren geht, dann hat man dabei stets jene Gemeinschaft im Auge , denen wir unsere und die uns ihre Gedanken mitteilen. Womit .. so Kant ..ob man will oder nicht , selbst die Freiheit zu denken eingeschränkt wird.
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 13. Aug 2022, 18:29
Die Idee, der Gleiche würde Individualität fördern, halte ich für falsch. Um gleich zu sein, muss ich mich an etwas Allgemeinem orientieren, das der Individualität den Stempel einer Norm aufdrückt. Um frei zu sein, versuche ich herauszufinden, vor welcher Tür der Individualität alle Stempel abgegeben werden müssen.
um in Gedanken frei zu sein , sollte man also zunächst versuchen herauszufinden , von welcher Gemeinschaft, man den Stempel einer (moralischen) Norm auf gedrückt bekommt . Ein Stempel , der hundertmal aufrichtiger und belehrender über das Wesen des Menschen ist , als das Individuum ...
  • Grundsatz: nur Einzelne fühlen sich verantwortlich. Die Vielheiten sind erfunden, um Dinge zu tun, zu denen der Einzelne nicht den Mut hat. Eben deshalb sind alle Gemeinwesen, Gesellschaften hundertmal aufrichtiger und belehrender über das Wesen des Menschen als das Individuum, welches zu schwach ist, um den Mut zu seinen Begierden zu haben..

    Friedrich Nietzsche .. Aus dem Nachlaß der Achtzigerjahre
Sind doch Gemeinschaften in der Lage jene menschlichen Begierden aus zu leben, wozu das Individiuum zu schwach ist und ihm dem zufolge der Mut fehlt. Stichworte: Amerika first , Platz an der Sonne, Lebensraum im Osten ..




Groot
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So 14. Aug 2022, 15:28

Timberlake hat geschrieben :
Sa 13. Aug 2022, 18:15
Groot hat geschrieben :
Sa 13. Aug 2022, 18:07

Ich bin mir nicht sicher, ob Moral noch so stark die Autopoiesis des Gesamtsystems beeinflußt.
.. ich bin mir aber auch so was von sicher, dass die Moral die Autopoiesis des Gesamtsystems stark beeinflußt. . Versuche doch mal hier, in unserem sozialem Gesamtsystem , die Moral von Putin auf den "Markt der Moral" verkaufen.
Der Markt der Moral, das ist die Demokratie selbst. Sollte es zumindest sein. Was Putin tut ist wohl moralisch verwerflich; da kann man quasi schonmal mit der Nase rümpfen, wenn man sowas sieht.

In der Praxis, damit in der Instrumentalität des gegenwärtigen Gesellschaftssystems, spielt Moral garkeine Rolle. Hier ist man ethisch oder nicht.

Erkennt man bei Trump nicht gerade, dass eben handlungstheoretische bzw. rein interaktionistische Ansätze, sozialtheoretisch überkommen sind? Denn Twitter setzt nicht auf direkte Sender-Empfänger Verteilung von Daten, sondern kommunikativ. Von irgendwo kommt diese und jene Mitteilung. Derer entnehme ich Information, dadurch, dass ich bestimmte Teile der Mitteilung so und so verstehe. Es steht hierbei nicht das Handeln und die Person mehr im Zentrum, sondern gesellschaftliche Prozesse in ihrer Eigenschaft als soziales System, erscheinen. Damit aber auch die Option, bspw. Moral nicht mehr verweltlichen zu brauchen.




Groot
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So 14. Aug 2022, 15:33

Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 13. Aug 2022, 18:29
Die Idee, der Gleiche würde Individualität fördern, halte ich für falsch. Um gleich zu sein, muss ich mich an etwas Allgemeinem orientieren, das der Individualität den Stempel einer Norm aufdrückt. Um frei zu sein, versuche ich herauszufinden, vor welcher Tür der Individualität alle Stempel abgegeben werden müssen.
Das sehe ich nicht so. Gleichheit steckt in uns, allein schon weil wir Teil der Gattung sind. Es gibt zunächst keine Unterschiede zwischen den Einzelwesen, den Exemplaren einer Gattung. Erst der kontingente, historische Werdegang lässt die Individualität am Menschen, damit sein Wesen als Individuum, aufblühen. Denn in diesem kann ja jeder selbst entscheiden, so wie jeder natürlich hierarchisch und geldtechnisch oben oder unten steht; beides gemeinsam fördert die Vielfalt der Handlungsalternativen.

Ich wöllte niemals alle Stempel meiner Identität abgeben wollen. Adorno beschreibt die Urangst gerade darin, seinen eigenen Namen zu verlieren. Welche Art von Freiheit sollte dabei erblühen? Das "reale Reale" Zizeks? Nein, Danke...da kann niemand mit gesundem Menschenverstand hinwollen! :o




Timberlake
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So 14. Aug 2022, 15:55

Groot hat geschrieben :
So 14. Aug 2022, 15:28
Timberlake hat geschrieben :
Sa 13. Aug 2022, 18:15
Groot hat geschrieben :
Sa 13. Aug 2022, 18:07

Ich bin mir nicht sicher, ob Moral noch so stark die Autopoiesis des Gesamtsystems beeinflußt.
.. ich bin mir aber auch so was von sicher, dass die Moral die Autopoiesis des Gesamtsystems stark beeinflußt. . Versuche doch mal hier, in unserem sozialem Gesamtsystem , die Moral von Putin auf den "Markt der Moral" verkaufen.
Der Markt der Moral, das ist die Demokratie selbst. Sollte es zumindest sein. Was Putin tut ist wohl moralisch verwerflich; da kann man quasi schonmal mit der Nase rümpfen, wenn man sowas sieht.

Mitnichten .. der "Markt der Moral" umfasst alles , was man unter diesem Produkt verkauft . Schließlich würde man auch nicht sagen, dass der "Markt der Autos" .. der Ferarri selbst ist. Im Vergleich dazu wäre die Moral Putins , wenn man so will, ein Trabi und damit immer noch ein "Auto" . Ein Zweitakter , bei dessen Abgasen man tatsächlich die Nase rümpfen kann. ;)
  • Der Geist ist sich selbst voraus

    Der Philosoph Hans Blumenberg hat darauf hingewiesen, dass Metaphern für das menschliche Denken und Verhalten nicht weniger wichtig seien als klare Definitionen. Damit konnte Blumenberg die philosophische Begriffsgeschichte kategorial erweitern.
.. um sich dazu einmal , entprechend dieser kategorial erweiteten philosophische Begriffsgeschichte , einer Auto - Metapher zu bedienen. Das mal nur so nebenbei.
Zuletzt geändert von Timberlake am So 14. Aug 2022, 16:15, insgesamt 1-mal geändert.




Groot
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So 14. Aug 2022, 16:14

Ich meine dies so, dass eine Demokratie ihrem Anspruch nach ein Markt der Moral ist. Es werden dort verschiedene ethische Ansätze gehandelt.

In der Praxis herrscht natürlich das Geld und Einflußmöglichkeiten. Oder gar Krieg. Aber in der Praxis spielt Moral auch überhaupt keine Rolle; weil Moral nämliche Voraussetzungen hat, die dem Einzelnen unmöglich auferlegt werden können. Moral bedarf es nur, um auf die Kollektive Möglichkeit einer Gutheit zu verweisen, die die gesellschaftliche Form so anordnen täte, dass dadurch die Einzelnen vor Bösem gehütet sein könnten.

Mir geht es da nicht darum, dass Putin jetzt unmoralisch oder amoralisch handeln mag. Es geht hierbei darum, dem Staat bzw. der Staatsform Demokratie eine Legitimität zu verschaffen - eben Markt der Moral zu sein -, obwohl durch sie die Gier und der Geldmarkt katastrophale Blüten geschlagen haben. Mit einem chinesischen oder russischen Staat gehen andere Eigenschaften einher, um deren Verbrechen, die der Staat legitimiert, moralisch einzubegreifen.




Timberlake
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So 14. Aug 2022, 16:19

Groot hat geschrieben :
So 14. Aug 2022, 16:14
Ich meine dies so, dass eine Demokratie ihrem Anspruch nach ein Markt der Moral ist. Es werden dort verschiedene ethische Ansätze gehandelt.

.. und ich meine, um auf die Auto- Metapher zurück zu kommen , dass eine Demokratie ihrem Anspruch nach genau so wenig ein "Markt der Moral" ist , wie ein Ferrari seinem Anspruch nach ein "Markt der Autos" . Wie ich auch meine , so wie das auf dem Auto Markt , Autos , mit verschiedener Motorosierung , auch auf dem "Markt der Moral" verschiedene ethische Ansätze gehandelt werden.
Groot hat geschrieben :
So 14. Aug 2022, 16:14

In der Praxis herrscht natürlich das Geld und Einflußmöglichkeiten.

.. wäre vielleicht noch zu erwähnen , dass in der Praxis auf beiden Märkten natürlich das Geld und die Einflußmöglichkeiten herrscht.

So einfach ist das.
Zuletzt geändert von Timberlake am So 14. Aug 2022, 17:09, insgesamt 5-mal geändert.




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Lucian Wing
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So 14. Aug 2022, 16:26

Groot hat geschrieben :
So 14. Aug 2022, 15:33
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 13. Aug 2022, 18:29
Die Idee, der Gleiche würde Individualität fördern, halte ich für falsch. Um gleich zu sein, muss ich mich an etwas Allgemeinem orientieren, das der Individualität den Stempel einer Norm aufdrückt. Um frei zu sein, versuche ich herauszufinden, vor welcher Tür der Individualität alle Stempel abgegeben werden müssen.
Das sehe ich nicht so. Gleichheit steckt in uns, allein schon weil wir Teil der Gattung sind. Es gibt zunächst keine Unterschiede zwischen den Einzelwesen, den Exemplaren einer Gattung. Erst der kontingente, historische Werdegang lässt die Individualität am Menschen, damit sein Wesen als Individuum, aufblühen. Denn in diesem kann ja jeder selbst entscheiden, so wie jeder natürlich hierarchisch und geldtechnisch oben oder unten steht; beides gemeinsam fördert die Vielfalt der Handlungsalternativen.

Ich wöllte niemals alle Stempel meiner Identität abgeben wollen. Adorno beschreibt die Urangst gerade darin, seinen eigenen Namen zu verlieren. Welche Art von Freiheit sollte dabei erblühen? Das "reale Reale" Zizeks? Nein, Danke...da kann niemand mit gesundem Menschenverstand hinwollen! :o
Nun ja, aber wenn du den Begriff der Gleichheit auf die reine Biomasse reduzierst, also noch nicht einmal die unterschiedliche genetische Ausstattung einbeziehst, bist du bei einem rein materiellen Begriff gelandet, der sich von dem Begriff der soziokulturellen Wirklichkeit erheblich unterscheidet. Aus der rein materiellen Gleichheit der Biomasse lässt sich keine Individualität ableiten.

Was das Abgeben von Stempeln angeht, so war etwas anderes gemeint. Nämlich die (in einem anderen Strang hier schon aufgebrachte) Frage nach dem "inneren Bezirk", in denen keiner mit einem Stempel Zutritt erhalten sollte, um dem Einzelnen seinen Stempel aufzudrücken.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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So 14. Aug 2022, 16:38

Lucian Wing hat geschrieben :
So 14. Aug 2022, 16:26


Was das Abgeben von Stempeln angeht, so war etwas anderes gemeint. Nämlich die (in einem anderen Strang hier schon aufgebrachte) Frage nach dem "inneren Bezirk", in denen keiner mit einem Stempel Zutritt erhalten sollte, um dem Einzelnen seinen Stempel aufzudrücken.
  • Grundsatz: nur Einzelne fühlen sich verantwortlich. Die Vielheiten sind erfunden, um Dinge zu tun, zu denen der Einzelne nicht den Mut hat. Eben deshalb sind alle Gemeinwesen, Gesellschaften hundertmal aufrichtiger und belehrender über das Wesen des Menschen als das Individuum, welches zu schwach ist, um den Mut zu seinen Begierden zu haben..

    Friedrich Nietzsche .. Aus dem Nachlaß der Achtzigerjahre
Um noch mal auf dieses Zitat von Nietzsche zurück zu kommen, du lebst doch wohl noch in einer Gemeinschaft . Eine "Vielheit" , die dir .. ob du willst oder nicht .. ihren moralischen Stempel aufdrückt.
  • Autopoiesis
    Eine weitere wesentliche Voraussetzung für das Vorhandensein eines Systems ist die Fähigkeit, sich selbst (wieder-)herzustellen, also die Autopoiesis. Der Merksatz im Luhmannschen Sinne lautet: Wenn es sich nicht selbst macht, ist es kein System. Dabei bezog sich Luhmann auf das Konzept der chilenischen Neurobiologen Humberto Maturana und Francisco Varela. Diese wendeten das Konzept der Autopoiesis auf organische Prozesse an und meinten damit, dass Systeme sich mit Hilfe ihrer eigenen Elemente selbst herstellen. Lebewesen sind die ursprünglichen Beispiele für autopoietische Systeme. Für den Beobachter ereignet sich Leben von selbst, ohne dass ein äußerer herstellender Prozess eingreift. Luhmann überträgt dieses Konzept nicht nur auf biologische Systeme, sondern auch auf psychische Systeme und insbesondere soziale Systeme. Auch diese reproduzieren sich selbst mit Hilfe ihrer systemeigenen Operationen
.. einen Stempel , mit dessen Hilfe sich diese Vielheit . ob du willst oder nicht .. selbst reproduziert. Auch mit diesem Stempel macht sich das System selbst. Insofern dieser innere Bezirk, in denen keiner mit einem Stempel Zutritt erhalten sollte , bestenfalls eine «Fata Morgana» sein dürfte.
Groot hat geschrieben :
Fr 4. Jun 2021, 19:39


Angenommen -Poiesis ist ein Konzept, welches ermöglicht eine Analogie zwischen der biologischen Zelle in ihrer wissenschaftlichen Fülle auf der einen Seite und einem sozialen System mit seinem Institutionensystem (einer Zivilisation) auf der anderen Seiten, aufzubauen. Was ließe sich damit „Umgreifen“?
. womit ich zugleich demonstriert haben dürfte . wie sich was , mit diesem Konzept -Poiesis "umgreifen " lässt.




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So 14. Aug 2022, 18:41

Timberlake hat geschrieben :
So 14. Aug 2022, 16:19
Groot hat geschrieben :
So 14. Aug 2022, 16:14
Ich meine dies so, dass eine Demokratie ihrem Anspruch nach ein Markt der Moral ist. Es werden dort verschiedene ethische Ansätze gehandelt.

.. und ich meine, um auf die Auto- Metapher zurück zu kommen , dass eine Demokratie ihrem Anspruch nach genau so wenig ein "Markt der Moral" ist , wie ein Ferrari seinem Anspruch nach ein "Markt der Autos" . Wie ich auch meine , so wie das auf dem Auto Markt , Autos , mit verschiedener Motorosierung , auch auf dem "Markt der Moral" verschiedene ethische Ansätze gehandelt werden.
Groot hat geschrieben :
So 14. Aug 2022, 16:14

In der Praxis herrscht natürlich das Geld und Einflußmöglichkeiten.

.. wäre vielleicht noch zu erwähnen , dass in der Praxis auf beiden Märkten natürlich das Geld und die Einflußmöglichkeiten herrscht.

So einfach ist das.
Was ist eine Demokratie, ihrem Anspruch nach, denn in deinen Augen? Demokratie repräsentiert die Menschen, damit aber den Diskurs darüber, wie wir uns moralisch in Gemeinschaft zueinander ausrichten und interagieren und wie wir ethisch in Gesellschaft miteinander und anonym zueinander, kommunizieren. Das impliziert m.e. die Gegebenheit, dass sich in der Demokratie die Stimmen durchsetzen werden, die die harmonischste Weise des Lebens propagieren. Dieses Propagieren aber, bietet nun diesen Fiat oder jenen Mercedes an, aber am Ende setzt sich der Volkswagen durch, weil darin - moralisch beschaut -, die größte Menge an einzelnen Menschen ein relativ ähnliches Wohlergehen erdulden.
Das ist schon eine Art Markt der Moral, zumindest dem Anspruch nach. Die Praxis verbleibt natürlich instrumentell.




Groot
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So 14. Aug 2022, 18:48

Lucian Wing hat geschrieben :
So 14. Aug 2022, 16:26
Groot hat geschrieben :
So 14. Aug 2022, 15:33
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 13. Aug 2022, 18:29
Die Idee, der Gleiche würde Individualität fördern, halte ich für falsch. Um gleich zu sein, muss ich mich an etwas Allgemeinem orientieren, das der Individualität den Stempel einer Norm aufdrückt. Um frei zu sein, versuche ich herauszufinden, vor welcher Tür der Individualität alle Stempel abgegeben werden müssen.
Das sehe ich nicht so. Gleichheit steckt in uns, allein schon weil wir Teil der Gattung sind. Es gibt zunächst keine Unterschiede zwischen den Einzelwesen, den Exemplaren einer Gattung. Erst der kontingente, historische Werdegang lässt die Individualität am Menschen, damit sein Wesen als Individuum, aufblühen. Denn in diesem kann ja jeder selbst entscheiden, so wie jeder natürlich hierarchisch und geldtechnisch oben oder unten steht; beides gemeinsam fördert die Vielfalt der Handlungsalternativen.

Ich wöllte niemals alle Stempel meiner Identität abgeben wollen. Adorno beschreibt die Urangst gerade darin, seinen eigenen Namen zu verlieren. Welche Art von Freiheit sollte dabei erblühen? Das "reale Reale" Zizeks? Nein, Danke...da kann niemand mit gesundem Menschenverstand hinwollen! :o
Nun ja, aber wenn du den Begriff der Gleichheit auf die reine Biomasse reduzierst, also noch nicht einmal die unterschiedliche genetische Ausstattung einbeziehst, bist du bei einem rein materiellen Begriff gelandet, der sich von dem Begriff der soziokulturellen Wirklichkeit erheblich unterscheidet. Aus der rein materiellen Gleichheit der Biomasse lässt sich keine Individualität ableiten.

Was das Abgeben von Stempeln angeht, so war etwas anderes gemeint. Nämlich die (in einem anderen Strang hier schon aufgebrachte) Frage nach dem "inneren Bezirk", in denen keiner mit einem Stempel Zutritt erhalten sollte, um dem Einzelnen seinen Stempel aufzudrücken.
Aber genau auf diese physiologisch-physiognomische Ebene zieht ja die Wissenschaft, die Gleichheit des Menschen. Sicher kann man hier auch eine ökonomische Verhältnismäßigkeit, im Namen der Gleichheit, fordern.

Individualität braucht sich m.e. auch nicht unbedingt ableiten. Denn diese ist ja unbestreitbar. Ich würde aber auch nicht meinen, dass dies nicht ginge. Sondern man ermöglicht dadurch, den korrekten Ort zu erkennen, von wo aus Individualität sich ableiten lässt. Nämlich Zivilisation.
Die Gleichheit auf physiologischer Ebene ermöglicht, dass die Zivilisation sich in der Einheit der Institutionen erkennen kann. Diese nun sind es, die die Vielheit schaffen, in der sich die Individualität nicht in ihrer Biologie, sondern ihrer juridischen Subjektivität oder ästhetischen Individualität, zu erkennen vermag.
Eine Gleichheit der Individuen schafft sozusagen das, bspw. 2. Natur oder Zivilisiertheit, worin sich dann ein Mensch seiner Freiheit als Individuum gewahr wird.

Ja, eine Seele oder einen Wesenskern; instrumentell eine Monade - eben ein inneres Selbst -, hat natürlich jeder. Aber auch dort sind Stempel...die Schule, die Freunde, die nicht erwiderte Liebe, der fiese Chef. Stempellos ist wirklich schwer sich vorzustellen und bei Zizek mit technischen, imaginären und realen Realen, beschrieben. (Ich glaub es war technisch, aber die anderen beiden stimmen aufjedenfall)




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