Künstliche Intelligenz

Es gibt heute kaum Bereiche des alltäglichen Lebens, die nicht in irgendeiner Weise mit dem World-Wide-Web zusammenhängen. Das Gleiche gilt für "künstliche Intelligenz". Was hat die Philosophie dazu zu sagen?
Burkart
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Di 13. Sep 2022, 19:43

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 00:57
Burkart hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 00:13
Warum kann es auch gar nicht gehen, da sie den Menschen gar nicht nachbauen wollen, sondern nur Intelligenz (bzw. entsprechendes Agieren in der Welt).
Wessen Intelligenz wollen sie nachbauen?
Doch wohl die des Menschen, oder welche sonst?
Wollen wir Computer bauen, die wie ein Hund bellen können?
Natürlich nicht.
Wie ich gerade schon schrieb: Entscheidend sollte sein, was man nachbaut, und nicht, wer nachzubauende Eigenschaften besitzt.
Z.B. könnte eine sehr gute Suchstrategie etwas sinnvoll Nachzubauendes sein; ob ein Mensch, ein Hund, ein Delphin oder Ameisen diese beherrschen, spielt eigentlich keine Rolle.
Wenn Du deine Lösungsansätze baust, wo kommen die denn her? Doch wohl aus dir als Menschen, oder?
Das heißt was immer Du da tust, Du hast den Menschen zum Vorbild, das geht gar nicht anders.
Das Woher des Entwicklers und das Ziel des Algorithmus/der KI sind zwei verschiedene Dinge.
Jedenfalls nicht, wenn Du was bauen willst, das wir dann auch wirklich gebrauchen können.
Klar, wir wollen etwas bauen, was wir gebrauchen können, aber z.B. kann ein Massageroboter ganz anders aussehen als ein Mensch, Hauptsache, er massiert gut.
Es geht eben nicht nur darum, dass die Maschine denken können soll. Sie soll auch für uns nachvollziehbar denken.
Noch ein weiterer Aspekt. Bei einfachen Maschinen kann Nachvollziehbarkeit noch funktionieren, bei komplexen dürfte es irgendwann zu schwierig werden. Bei Menschen und vielen anderen Lebewesen können wir es ja auch nicht. Dafür dient dann Kommunikation, mit der man sich hoffentlich möglichst ehrlich austauschen kann.
Und das heißt letztlich nichts anderes als:
Nach Art des Menschen.
Mir scheint, dass einfache Lebewesen z.T. einfacher nachzuvollziehen sind als Menschen, z.B. bestimmte Frauen ;) (mit'm Euro in die Chauvi-Kasse ;) ).



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Körper
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Di 13. Sep 2022, 21:58

sybok hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 14:51
Systeme, die auf eine bestimmte Art hinreichend komplex sind, sowohl in Struktur als auch der darauf stattfindenden Dynamik, sozusagen "Emergenzphänomene" ausbilden, selbstbezügliche Verarbeitungen. Und ich glaube, Bewusstsein und die Fähigkeit zur Abstraktion basieren darauf.
Hier gibt es mehrere Probleme:
  • "Komplexität" ist eine Angabe ohne Richtung und "hinreichend" ist hier keine Grenze.
    Worin besteht die Komplexität und was ist die exakte Grenze?
  • Das System von dem du bei Lebewesen sprichst, ist das Nervensystem. Das Nervensystem ist aber nicht bewusst. Die sogenannte Emergenz müsste sich demnach im Nervensystem durch die Komplexität des Nervensystems ergeben, aber für das Lebewesen passen.
    Hier kommt dann sozusagen eine "Zieltauglichkeit für die umgebenden Zellen" mit dazu. Das ist deutlich ausserhalb der Emergenz-Idee.
  • Der Sprung von "Basis" zu "Bewusstsein und Abstraktion", also von einer Konstellation im Nervensystem zu einer fortgesetzt flexiblen Funktion des Lebewesens, ist völlig offen.
    Du möchtest dir hier natürlich die "Innenschau" und insgesamt das "Innenleben" erschliessen, aber mehr als ein "jetzt ist es halt da" ist das gar nicht.
Du hast oben nach einem Kriterium zur "Beurteilung von Innenleben" gefragt.
Deine Angeben hier zeigen eher in die Richtung, dass du jegliche Chance auf ein Kriterium aus der Hand geben möchtest.
sybok hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 14:51
Wahrscheinlich ist es noch komplizierter, weitere Faktoren werden wohl ebenfalls wichtige Rollen spielen, aber ich glaube, das ist die Grundüberlegung, die Stossrichtung für die intelligenzsimulierende Maschine, der "kognitive Kern" eines "generischen Bewusstseins".
Was genau ist "Simulation von Intelligenz"?
Wenn ein System mit einer Situation konfrontiert wird, von der klar ist, dass sich das System erweitern muss und dies dann auch geschieht und dadurch Korrektheit erreicht wird, weshalb sollte es dann hier um eine Simulation gehen?

Siehst du Bewusstsein als Voraussetzung von Intelligenz?
sybok hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 14:51
Wenn ich deine Position richtig verstanden habe, gehen deine Überlegungen in die Richtung der Embodiment-Theorien.
Ich kannte noch nicht einmal den Begriff :-)
Wenn ich es hier nachlese, dann habe ich bereits mit "Verkörperung", "Verleiblichung" meine Probleme.

Auch die Angabe "Bewusstsein benötigt einen Körper" halte ich nicht für richtig, wobei ein Körperbewusstsein, Subjektivität, Intentionalität sicherlich einen Körper benötigt, aber da geht es um ein spezielles Bewusstsein. (vielleicht ist das hier aber sogar gemeint)

Über irgendwelche Ähnlichkeiten, kann ich nichts sagen, weil ich nicht über den Anfang hinaus gelesen habe.
Du siehst aber auf jeden Fall, dass ich mit diesem Konzept erst einmal nichts zu tun habe.




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NaWennDuMeinst
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Di 13. Sep 2022, 22:21

Wei0 Jemand eine Antwort auf die Frage, warum natürliche Intelligenz nur bei Lebewesen vorkommt?
Warum z.B. sind Steine nicht intelligent?



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Di 13. Sep 2022, 22:30

Vermutlich stellt man solche Fragen, wenn man die eigenen Ideen nicht mit dem Nervensystem/Gehirn abgleichen kann.
Insgesamt zeigen die Fragen dann aber zielsicher auf die Hausaufgaben, die der Fragensteller noch vor sich hat.




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Di 13. Sep 2022, 22:34

Burkart hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 19:29
Timberlake hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 01:07
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 00:57

Wessen Intelligenz wollen sie nachbauen?
Doch wohl die des Menschen, oder welche sonst?
und wodurch zeichnet sich diese Intelligenz des Menschen aus ? ...Nur das das nicht in Vergessenheit gerät ! Wenn man denn etwas nachbauen will, so sollte man sich doch wohl zunächst einmal darüber einig sein , was man nachbaut.
Richtig, entscheidend sollte sein, was man nachbaut, und nicht, wer nachzubauende Eigenschaften besitzt.
Das läuft aber aufs selbe hinaus, wenn es die Eigenschaft nur im Menschen gibt. Nochmal: Siri soll sich mit uns in einer unserer natürlichen Sprachen unterhalten. Wir wollen nicht, dass sie uns anbellt., weil wir das nicht verstehen. Also ist der Mensch (und seine Fähigkeiten) das Vorbild. Völlig und unleugbar klar.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Di 13. Sep 2022, 22:37, insgesamt 1-mal geändert.



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NaWennDuMeinst
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Di 13. Sep 2022, 22:35

Körper hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 22:30
Vermutlich stellt man solche Fragen, wenn man die eigenen Ideen nicht mit dem Nervensystem/Gehirn abgleichen kann.
Insgesamt zeigen die Fragen dann aber zielsicher auf die Hausaufgaben, die der Fragensteller noch vor sich hat.
Das ist keine Antwort auf die Frage.
Oder soll die Antwort lauten: "Der Stein hat kein Nervensystem"?
Dann wäre die Frage: Wieso hat er keins?
Wieso kommt sowas nur in Lebewesen vor?
Oder nochmal anders: Was sind die Voraussetzungen für ein Nervensystem?



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Burkart
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Di 13. Sep 2022, 23:03

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 22:34
Burkart hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 19:29
Timberlake hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 01:07

und wodurch zeichnet sich diese Intelligenz des Menschen aus ? ...Nur das das nicht in Vergessenheit gerät ! Wenn man denn etwas nachbauen will, so sollte man sich doch wohl zunächst einmal darüber einig sein , was man nachbaut.
Richtig, entscheidend sollte sein, was man nachbaut, und nicht, wer nachzubauende Eigenschaften besitzt.
Das läuft aber aufs selbe hinaus, wenn es die Eigenschaft nur im Menschen gibt.
Ja, wenn das so ist/wäre.
Um 19:43 Uhr nannte ich z.B. dies Beispiel, das eben nicht nur auf Menschen bezogen ist:
"Z.B. könnte eine sehr gute Suchstrategie etwas sinnvoll Nachzubauendes sein; ob ein Mensch, ein Hund, ein Delphin oder Ameisen diese beherrschen, spielt eigentlich keine Rolle."
Nochmal: Siri soll sich mit uns in einer unserer natürlichen Sprachen unterhalten. Wir wollen nicht, dass sie uns anbellt., weil wir das nicht verstehen. Also ist der Mensch (und seine Fähigkeiten) das Vorbild. Völlig und unleugbar klar.
Sicher ist eine tolle Sprachschnittstelle nett. Aber mehr würde mich ein nicht so toll sprechendes, aber wirklich intelligentes System begeistern.
...und auch eines, dass keine Daten ungefragt an irgendwelche Server weiterleitet...



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sybok
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Di 13. Sep 2022, 23:29

Körper hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 21:58
  • "Komplexität" ist eine Angabe ohne Richtung und "hinreichend" ist hier keine Grenze.
    Worin besteht die Komplexität und was ist die exakte Grenze?
  • Das System von dem du bei Lebewesen sprichst, ist das Nervensystem. Das Nervensystem ist aber nicht bewusst. Die sogenannte Emergenz müsste sich demnach im Nervensystem durch die Komplexität des Nervensystems ergeben, aber für das Lebewesen passen.
    Hier kommt dann sozusagen eine "Zieltauglichkeit für die umgebenden Zellen" mit dazu. Das ist deutlich ausserhalb der Emergenz-Idee.
  • Der Sprung von "Basis" zu "Bewusstsein und Abstraktion", also von einer Konstellation im Nervensystem zu einer fortgesetzt flexiblen Funktion des Lebewesens, ist völlig offen.
    Du möchtest dir hier natürlich die "Innenschau" und insgesamt das "Innenleben" erschliessen, aber mehr als ein "jetzt ist es halt da" ist das gar nicht.
Interessante Punkte, Danke!
  • Genau kann ich dir das natürlich nicht beantworten (könnte ich es, würde ich die Theorie ja einfach empirisch testen). Komplexität würde sich in diesem Fall, stelle ich mir vor, nach der Anzahl der Teile, womöglich irgendeiner Art von Rekursionstiefe, der Anzahl Relationen, dem Grad an Entropie, der Ausdrucksstärke und ähnlicher Dinge bemessen. Die Grenze: Ich sehe das ja irgendwo durch die Berechenbarkeitstheorie und vermute, die Grenze(n) könnten durch so eine Art computationale Klassen jenseits konsistenter formaler Systeme definiert sein.
  • Ja genau, die Emergenz ergäbe sich aus der Komplexität des Nervensystems. Diese Zieltauglichkeit könnte theoretisch ja - und nach meinem Wissensstand wird sie das auch - durch "lokale" Kommunikation zwischen Zellen und Nervensystem hergestellt werden. Die Sichtweise wäre, dass das aus der Perspektive des Nervensystems auch nur Peripherie wäre, wie beispielsweise optische Reize. Unterschiede dabei (etwa dass das System stabil gehalten wird) könnte man womöglich als Koevolution von Nervensystem mit dem Rest des Körpers erklären.
  • Da würde ich dir zustimmen. Ich würde auf ein bisschen mehr als "ist halt da" hoffen, aber - meiner Ansicht nach: naturgemäss - wird es eine Blackbox bleiben.
Körper hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 21:58
Siehst du Bewusstsein als Voraussetzung von Intelligenz?
Streng genommen weiss ich gar nicht was die Begriffe bedeuten. Aber in naiver Umgangssprache interpretiert: Ich glaube sie entspringen der gleichen Quelle, die Metakognitions-Idee von NaWennDuMeinst: Die Dinger scheinen irgendwo zu korrelieren. Das scheint ja auch Sinn zu machen, beides hat irgendwie mit Erhöhung des Grades an Abstraktion zu tun.
Körper hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 21:58
Du siehst aber auf jeden Fall, dass ich mit diesem Konzept erst einmal nichts zu tun habe.
Ok, denn habe ich da einen Aspekt deiner Sichtweise noch nicht verstanden, weiter diskutieren :)




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NaWennDuMeinst
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Mi 14. Sep 2022, 00:10

sybok hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 23:29
Körper hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 21:58
Siehst du Bewusstsein als Voraussetzung von Intelligenz?
Streng genommen weiss ich gar nicht was die Begriffe bedeuten. Aber in naiver Umgangssprache interpretiert: Ich glaube sie entspringen der gleichen Quelle, die Metakognitions-Idee von NaWennDuMeinst: Die Dinger scheinen irgendwo zu korrelieren. Das scheint ja auch Sinn zu machen, beides hat irgendwie mit Erhöhung des Grades an Abstraktion zu tun.
Zumindest wenn wir von höherer Intelligenz sprechen, glaube ich kommen wir um ein Bewusstsein nicht herum.
Oder es ist umgekehrt: Höhere Intelligenz führt in ein Bewusstsein. Weiß ich nicht.



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sybok hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 23:29
empirisch testen
Felix Hasler hat geschrieben : Gemäß Tononis Theorie entspricht das Phänomen Bewusstsein der Fähigkeit eines Systems, komplexe Information zu integrieren. Ein zum Bewusstsein befähigtes System muss dabei zwei grundlegende Eigenschaften aufweisen. Erstens: Differenziertheit, also die theoretische Verfügbarkeit einer riesigen Anzahl möglicher Zustände. Und zweitens die Möglichkeit zur Integration – die Fähigkeit, die aktuell ablaufenden Vorgänge zu einem einzigen einheitlichen Bewusstseinszustand zusammenzufassen. Als Maß dafür hat Tononi den »Φ-Wert« eingeführt. Stark vereinfacht gilt nach der Theorie von Tononi: Je höher der Φ-Wert eines Information tauschenden Systems, desto »mehr« Bewusstsein hat es. Oder etwas differenzierter ausgedrückt: »Bewusstsein entsteht aus dem interaktiven, reziproken und selbst propagierenden Feedback, das man in spezifischen Regelkreisläufen, besonders im thalamocorticalen System, findet.«
Felix Hasler, in Neuromythologie hat geschrieben : Eine echte Stärke der Bewusstseinshypothese von Tononi ist ihre (prinzipielle) experimentelle Überprüfbarkeit.
Vergleichbares kenne ich auch aus einer Podiumsdiskussion, das gilt als eine besondere Stärken der Theorie, dass sie Vorhersagen macht, die testbar sind. Wenn du Informationen zu dieser Theorie suchst, dann würde ich darauf achten, dass sie aktuell sind. Soweit ich weiß, hat diese Theorie einige Wendungen genommen. Das Zitat aus dem Buch von Hasler könnte vielleicht schon so alt sein z.b.




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Mi 14. Sep 2022, 07:35

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 22:21
Wei0 Jemand eine Antwort auf die Frage, warum natürliche Intelligenz nur bei Lebewesen vorkommt?
Warum z.B. sind Steine nicht intelligent?
Das ist eine gute Frage. Und die kürzeste Antwort, die mir in den Sinn kommt ist, dass ein Stein kein Gehirn hat.
Aber, ob ein Stein überhaupt keine Intelligenz besitzt, weiß ich nicht. Möglicherweise hat er auch eine Art von Intelligenz. Nur die ist hier nicht das Thema.



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Mi 14. Sep 2022, 15:56

sybok hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 23:29
Genau kann ich dir das natürlich nicht beantworten (könnte ich es, würde ich die Theorie ja einfach empirisch testen). Komplexität würde sich in diesem Fall, stelle ich mir vor, nach der Anzahl der Teile, womöglich irgendeiner Art von Rekursionstiefe, der Anzahl Relationen, dem Grad an Entropie, der Ausdrucksstärke und ähnlicher Dinge bemessen. Die Grenze: Ich sehe das ja irgendwo durch die Berechenbarkeitstheorie und vermute, die Grenze(n) könnten durch so eine Art computationale Klassen jenseits konsistenter formaler Systeme definiert sein.
Ja, aber das "nicht genau sagen können" ist Teil der Strategie bei "Emergenz".

"Komplexität" hört sich nach "etwas" an, aber wenn man hier den Begriff "Umständlichkeit" entgegenstellt, dann verblasst der Glanz ganz schnell.
Eine Gerade ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten. OK, dann machen wir einfach 10.000 Kurven dazwischen und erhöhen die Komplexität. Haben wir damit etwas erreicht, das wir als Funktion einsetzen können (zu was auch immer)? Nö.
"Komplexität" ist eigentlich eine Nebelkerze und auf der anderen Seite wartet ein Organismus dessen Situationen in der Umwelt punktgenau wahrnehmungstechnisch unterstützt werden müssen.
Die Emergenz-Idee betont hier den unwichtigen Umstand "Komplexität" und vernachlässigt den wichtigen Anteil, die Richtung.
Ich wiederhole das nochmal: die Richtung ist hier zentral wichtig, denn der "neue/emergente Effekt" muss etwas für den Organismus taugen.
Wenn du ehrlich bist, dann würdest du hier sogar ein Kontrollsystem erwarten, das die Tauglichkeit des "neuen/emergenten Effektes" rückabgleicht, mit den Detailvorgängen im System.

Bei "Anzahl der Teile" ist man sofort bei der "Paradoxie des Haufens". Das wurde hier auch schon angesprochen und wenn man vom Objekt/System her denkt, dann findet man schlicht keine Anzahl. Denkt man aber vom Wahrnehmenden her ("er will oder kann die Details nicht durchschauen"), dann hat man ein Kriterium für den Haufen.
Diese Lösung scheidet bei unserer aktuellen "Komplexitäts/Anzahl"-Emergenz aber aus, denn wir wollen ja gerade die wahrnehmungstechnische Handlung des Wahrnehmenden aufbauen.
=> Diese Emergenz-Idee kann keine Grenzangaben enthalten.
sybok hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 23:29
Diese Zieltauglichkeit könnte theoretisch ja - und nach meinem Wissensstand wird sie das auch - durch "lokale" Kommunikation zwischen Zellen und Nervensystem hergestellt werden. Die Sichtweise wäre, dass das aus der Perspektive des Nervensystems auch nur Peripherie wäre, wie beispielsweise optische Reize. Unterschiede dabei (etwa dass das System stabil gehalten wird) könnte man womöglich als Koevolution von Nervensystem mit dem Rest des Körpers erklären.
Naja, wir haben halt Sinnesorgane, für die es im Nervensystem zu Effekten kommt.
Würde man behaupten, im Nervensystem kam es zuerst zu einem "emergenten Seh-/Farbeffekt" und dann sind die Augen dazu gewachsen, dann hört sich das bescheuert an.
Selbst wenn man beides "parallel" entstehen lässt, ist die Emergenz immer der Sprung ins "funktionale Irgendwas".

Die Evolutionsidee scheitert bei Menschen, die nur eine Gehirnhälfte haben und sich dennoch bewusst durch die Welt bewegen. Das sind Einzelfälle bei denen die Evolution schlicht keine Zeit für irgendwelche Wirkungen hatte.

Schau dir mal deine eigene Wortwahl an: "aus der Perspektive des Nervensystems"
Das Nervensystem ist bei dir jetzt bereits der Akteur.
Ist dir klar, dass Perspektive aus Standpunkt und Blickrichtung besteht?
Schau dir den Körper an, da sind Standpunkt und Blickrichtung ohne irgendwelche Anstrengung vorhanden - was das bei einem Nervensystem zu suchen hat, ist mir völlig schleierhaft.

Die gesamten Bewusstseinseffekte (Phänomene), die man mit der Emergenz-Idee als Systemeigenschaften "in die Welt" holen können möchte, sind nach dem Prinzip aufgebaut "Akteur steht XYZ gegenüber".
Die einfachste Quelle für dieses Prinzip ist der Körper. In der Konsequenz ist der Körper der "Akteur" im Bewusstsein.
Du hast oben die Rasiermesser-Methode angesprochen - wozu nochmal einen Akteur ("Nervensystem mit Emergenz-Eigenschaften") entstehen lassen, wenn der Akteur ganz unspektakulär vorhanden ist?
sybok hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 23:29
Ich würde auf ein bisschen mehr als "ist halt da" hoffen, aber - meiner Ansicht nach: naturgemäss - wird es eine Blackbox bleiben.
Gerade hatten wir den Begriff "Perspektive", der beim Körper eine unmittelbare Entsprechung hat.
Erweitern wir "Perspektive" auf "Umgang mit der Welt und Bewegung in der Welt".
Was ist das Innenleben anderes, als dass sich der Körper "planend bewegt"?
Riecht das für dich nicht auch ganz deutlich nach Evolution.
Sagen wir zuerst entwickelte sich aus der Bewegung das "Erinnern an Bewegung" und danach das "Planen von Bewegung".

Ist das "Innenleben", die "Innenschau" nicht wie alle anderen Phänomene, eine Lösung für eine wahrnehmungstechnische Aufgabenstellung, nämlich, dass der Körper über Aktivität im Nervensystem planend navigieren kann?

Nimmt man den Körper aus all den Rechnungen heraus, dann ist das eine sonderbare Entwicklungskreativität, die da von einem System mit Emergenzeffekten zustande kommen soll und am Ende taugt davon wieder jeder Millimeter für den Körper (wenn man ihn dann später wieder hereinnimmt).
sybok hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 23:29
Streng genommen weiss ich gar nicht was die Begriffe bedeuten.
Machen wir es nicht zu kompliziert:

"Bewusstsein"
...ist die Überzeugung zu wissen, was wahrnehmungstechnisch vor sich geht.
Bei Mensch und Tier ist das sicherlich ein Akteursbewusstsein, also eine Objekt- und Handlungseinteilung, aber das muss ja nicht unbedingt so sein.

"Intelligenz"
...ist das sinnvolle Neu-Kombinieren (im Sinne einer Aufgabenstellung) von (neuen) Zusammenhängen.
Man erschliesst sich etwas. Die hier oft angesprochene Verengung auf "Problem" teile ich nicht.
Wie in einem anderen Thread angedeutet, steht für mich das Streben nach Harmonie im Nervensystem im Vordergrund und so ist Intelligenz das Erschliessen von immer mehr Harmonie in den Abläufen.
Das ist dann sozusagen eine automatische Optimierung, die auch ganz ohne "Problem"-Status abläuft.

Vergleicht man beide Begriffe miteinander, dann fällt unmittelbar auf, dass "Bewusstsein" eine Art Einsicht ist, während "Intelligenz" unbekannt im Hintergrund bleibt.
Über die Aufmerksamkeit haben wir "Bewusstsein" quasi "in der Hand", während bei "Intelligenz" maximal eine günstige Umgebung geschaffen werden kann, aber ansonsten kein Zugang besteht.

Wenn es um Wahrnehmung geht, trenne ich grundsätzlich zwischen "was"- und "wie"-Fragen.
Das "Was" dreht sich um das, was in der Wahrnehmung zur Verfügung steht - das wäre hier also "Bewusstsein".
Das "Wie" dreht sich darum, wie es zu der Wahrnehmung kommt - das wäre hier "Intelligenz"

Es ist nun kein Denk-Kunststück, dass das "Wie" die Grundlage von "Was" bildet und nicht umgekehrt.
Problematisch wird es, wenn Leute hier mit Existenz-Vorstellungen ankommen. Dann soll dies verdreht werden bzw. das "Wie" wird vernachlässigt.
sybok hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 23:29
Aber in naiver Umgangssprache interpretiert: Ich glaube sie entspringen der gleichen Quelle, die Metakognitions-Idee von NaWennDuMeinst: Die Dinger scheinen irgendwo zu korrelieren. Das scheint ja auch Sinn zu machen, beides hat irgendwie mit Erhöhung des Grades an Abstraktion zu tun.
Würdest du "Metakognition" bei "Was" oder bei "Wie" einordnen?
Wo würdest du "Erhöhung des Grades an Abstraktion" einordnen? (schau einfach nach, was ich oben zu den beiden Begriffen geschriebene habe).




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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 14. Sep 2022, 00:10
Höhere Intelligenz führt in ein Bewusstsein. Weiß ich nicht.
Das Problem bleibt trotzdem. Hast du den oben verlinkten "Delphin" gesehen? Der ist ja für den Zuschauer kaum oder gar nicht von einem echten zu unterscheiden. Aber ist das Ding nun in irgendeiner Form intelligent?



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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Mi 14. Sep 2022, 17:44

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 14. Sep 2022, 07:35
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 13. Sep 2022, 22:21
Wei0 Jemand eine Antwort auf die Frage, warum natürliche Intelligenz nur bei Lebewesen vorkommt?
Warum z.B. sind Steine nicht intelligent?
Das ist eine gute Frage. Und die kürzeste Antwort, die mir in den Sinn kommt ist, dass ein Stein kein Gehirn hat.
Aber, ob ein Stein überhaupt keine Intelligenz besitzt, weiß ich nicht. Möglicherweise hat er auch eine Art von Intelligenz. Nur die ist hier nicht das Thema.
Welche Intelligenz ist denn hier das Thema?



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Körper hat geschrieben :
Mi 14. Sep 2022, 15:56
"Intelligenz"
...ist das sinnvolle Neu-Kombinieren (im Sinne einer Aufgabenstellung) von (neuen) Zusammenhängen.
Man erschliesst sich etwas. Die hier oft angesprochene Verengung auf "Problem" teile ich nicht.
Wie in einem anderen Thread angedeutet, steht für mich das Streben nach Harmonie im Nervensystem im Vordergrund und so ist Intelligenz das Erschliessen von immer mehr Harmonie in den Abläufen.
Das ist dann sozusagen eine automatische Optimierung, die auch ganz ohne "Problem"-Status abläuft.
Interessant. Was bedeutet hier "Harmonie"?
Ein physikalischer Vorgang? Potentialausgleich?



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Mi 14. Sep 2022, 18:05

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 14. Sep 2022, 17:44

Welche Intelligenz ist denn hier das Thema?
Hier eine noch gute Definition von Intelligenz. Als mir gefällt sie noch:
William Stern: "Intelligenz ist die allgemeine Fähigkeit eines Individuums, sein Denken bewusst auf neue Forderungen einzustellen; sie ist allgemeine geistige Anpassungsfähigkeit an neue Aufgaben und Bedingungen des Lebens."

Was ich persönlich nicht gut finde, ist, wenn man, im Fall von KI, Intelligenz mit Emotionalität vermischt. Ich glaube, man muss das rein rationale Denken im Vordergrund behalten. Sonst wird es schwierig zu diskutieren. Immerhin bleibt ein Computer eine Maschine. Emotionen würde ich einmal außenvor lassen. Also die alte Schule.



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Mi 14. Sep 2022, 18:46

"Intelligenz ist die allgemeine Fähigkeit eines Individuums, sein Denken bewusst auf neue Forderungen einzustellen; sie ist allgemeine geistige Anpassungsfähigkeit an neue Aufgaben und Bedingungen des Lebens."

Du findest diese Definition gut, bei der einer der zentralen Begriffe das Leben ist, aber das Erleben möchtest du selbst aus der Definition ausschließen?




Burkart
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Mi 14. Sep 2022, 19:01

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 14. Sep 2022, 18:05
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 14. Sep 2022, 17:44

Welche Intelligenz ist denn hier das Thema?
Hier eine noch gute Definition von Intelligenz. Als mir gefällt sie noch:
William Stern: "Intelligenz ist die allgemeine Fähigkeit eines Individuums, sein Denken bewusst auf neue Forderungen einzustellen; sie ist allgemeine geistige Anpassungsfähigkeit an neue Aufgaben und Bedingungen des Lebens."

Was ich persönlich nicht gut finde, ist, wenn man, im Fall von KI, Intelligenz mit Emotionalität vermischt. Ich glaube, man muss das rein rationale Denken im Vordergrund behalten. Sonst wird es schwierig zu diskutieren. Immerhin bleibt ein Computer eine Maschine. Emotionen würde ich einmal außenvor lassen. Also die alte Schule.
Es freut mich, dass du hier so ähnlich denkst wie ich: Das Rationale sollte im Vordergrund stehen.
Und richtig, es ist sonst schwierig zu diskutieren, z.B. weil Begriffe wie "Erleben" hinsichtlich KI nicht rational analysiert, sondern nur gefühlsmäßig zu oberflächlich gesehen und gerne vor allem (oder nur?) auf Menschen (Lebewesen) bezogen werden.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Körper
Beiträge: 483
Registriert: Fr 18. Feb 2022, 20:14

Mi 14. Sep 2022, 19:15

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 14. Sep 2022, 17:51
Was bedeutet hier "Harmonie"?
Ein physikalischer Vorgang? Potentialausgleich?
Grundsätzlich geht es um Harmonien rund um Reaktion.

Ich habe in einem anderen Thread schon etwas dazu geschrieben:
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Im Nervensystem könnte es ein ganzes Spektrum an parallelem Harmoniestreben geben, das sich jeweils in Strukturveränderungen auswirkt.
Einheitlich gilt: es geht um Zellmechanismen. Das Nervensystem ist nirgendwo ein "(ganzer) Akteur".

Hier ein paar Schlagwörter, auf die es im Nervensystem ankommt bzw. ankommen könnte.

Auslastungsharmonie
Bereitschaftsharmonie
Versorgungs-/Verbrauchsharmonie
Sequenzharmonien
Nachbarschafts-/Partnerschaftsharmonien
Eigenrhythmusharmonien
usw. usf.




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Lucian Wing
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Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Mi 14. Sep 2022, 20:30

Burkart hat geschrieben :
Mi 14. Sep 2022, 19:01
... Das Rationale sollte im Vordergrund stehen.
Und richtig, es ist sonst schwierig zu diskutieren, z.B. weil Begriffe wie "Erleben" hinsichtlich KI nicht rational analysiert, sondern nur gefühlsmäßig zu oberflächlich gesehen und gerne vor allem (oder nur?) auf Menschen (Lebewesen) bezogen werden.
Was erlebt denn eine KI? Erlebt dieser Delphin, den ich verlinkt habe, denn etwas, indem er sich verhält wie ein echter Delphin?

Was das Rationale angeht: Ja, da bin ich bei dir. Das ist der Grund, weshalb dieser Delphin und alle sonstigen solchen Tierlein, die man in einen Zoo stellen könnte, als eine Sache betrachte.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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