Lucian Wing hat geschrieben : ↑ Fr 12. Aug 2022, 07:56
An Burkart:
Kennst du Searles Gedankenspiel "Chinesisches Zimmer"? Würdest du aus der Beherrschung von Syntax eine Beherrschung der Semantik ableiten?
Searls Gedankenspiel enthält einen gewissen Taschenspielertrick.
Hier ein Ausschnitt aus Wiki:
https://de.wikipedia.org/wiki/Chinesisches_Zimmer
Bei dem Gedankenexperiment stellt man sich einen geschlossenen Raum vor, in dem ein Mensch, der keinerlei Chinesisch versteht, in chinesischer Schrift gestellte Fragen – anhand einer in seiner Muttersprache verfassten Anleitung – in chinesischer Schrift sinnvoll beantwortet. Personen außerhalb des Raums folgern aus den Ergebnissen, dass der Mensch in dem Raum Chinesisch beherrscht, obwohl das nicht der Fall ist.
Die Schlussfolgerung auf
den Menschen im Raum ist eigentlich von aussen
nicht durchführbar.
Von Aussen kann man lediglich die Interaktion mit "dem Raum" beurteilen und diese Interaktion bestätigt, dass Chinesisch verstanden wird, was ja auch der Fall ist, denn es werden korrekte Zusammenhänge aufgebaut.
Der Mensch im Raum plus seine Anleitung ergeben einen korrekten Umgang mit Semantik.
=> "Der Mensch im Raum
plus seine Anleitung" versteht Chinesisch.
Wenn sich also von aussen jemand einen Menschen im Raum vorstellt, der Chinesisch versteht, dann bezieht sich diese Vorstellung
nicht auf den tatsächlichen Menschen, von dem wir (die Leser) wissen, dass er nicht chinesisch versteht.
=> dieser Bedeutungswechsel von "Mensch im Raum" ist der Taschenspielertrick, die Denkfalle.
Das kann man nun übertragen auf Vorgänge in den Gehirnzellen (Searl wollte wohl auch hierfür Kritik üben).
Die neuronale Aktivität stellt
vom Prinzip her kein Verständnis von Chinesisch dar.
Die neuronale Aktivität entlang von Bahnen, die auf Chinesisch ausgerichtet sind, stellt hingegen sehr wohl ein Verständnis von Chinesisch dar.
Sowohl bei Syntax, als auch bei Semantik geht es "nur" um korrekte Reaktion.
Sobald bei Syntax/Semantik korrekte Reaktionsbahnen vorliegen, ist "Verständnis" erreicht.
"Verständnis" ist nicht weiter steigerbar, als dass man die relevanten Zusammenhänge umfassend und korrekt aufbaut.
In Sachen "Intelligenz" ist Searls Gedankenexperiment insgesamt jedoch unbrauchbar, denn es geht nur um Reproduktion.
Lucian Wing hat geschrieben : ↑ Fr 12. Aug 2022, 07:56
An Burkart:
Was bedeutet für dich Intentionalität? Kann man das "wegrasieren"?
In Bezug auf Intelligenz ist Intentionalität tatsächlich irrelevant.
Intentionalität wird sozusagen mit Intelligenz erschlossen. Da kann man schlecht behaupten, dass man Intentionalität benötigt, damit Intelligenz vorkommt.
Man kann Intelligenz betrachten, als die Anwendung eines Mechanismus, der korrekte Reaktionsbahnen formt.
Das Zustandekommen von neuen Bahnkonstellationen kann man dann als den "eigentlichen Intelligenzschritt" ansehen.
Nimmt man als Beispiel ein künstliches Neuronales Netz her, das unter einem Trainingsmechanismus ("Fehlerkorrekturmechanismus") mit Daten konfrontiert wird und sich dabei neue Reaktionsbahnen formen, dann ist das System aus "Netz
und Trainingsmechanismus"
intelligent - zumal sich dabei heute bereits Strukturorganisationen ergeben, die eine von aussen nicht mehr nachvollziehbare Detail-Einteilung enthalten, bei gleichzeitiger Korrektheit.
Die Anwendung der neu gestalteten Reaktionsbahnen stellt hingegen "nur" Reproduktion dar und kann dann zwar als intelligent
wirken, es ist aber tatsächlich keine neuerliche Intelligenz enthalten.
Intelligenz ist quasi genau dann "vorhanden", wenn sich ein System neue und korrekte Zusammenhänge erschliesst.
Intelligenz ist sozusagen
das Erweitern des Verständnisumfanges. Der Einsatz des erweiterten Umfanges ist hingegen nur Reproduktion und kann dann nur noch "intelligent wirken".