Künstliche Intelligenz

Es gibt heute kaum Bereiche des alltäglichen Lebens, die nicht in irgendeiner Weise mit dem World-Wide-Web zusammenhängen. Das Gleiche gilt für "künstliche Intelligenz". Was hat die Philosophie dazu zu sagen?
sybok
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So 13. Nov 2022, 16:40

Aber dann zeige man mal, nachdem man es für einen technischen Kontext hinreichend genau definiert hat, mit welchem Kriterium man beim Menschen "intrinsische Intentionaliät" nachweist?

Was ist das Entscheidungskriterium??

Ich verstehe euren Zugang zum Thema nicht, wenn man praktisch jede Formulierung ablehnt - die Maschine kann nicht lernen, nicht intelligent sein, nicht rechnen, kein Bewusstsein haben, nicht verstehen, nicht wissen, nicht abstrahieren, nicht planen, nicht irgendwas - bei einem Stand, wo man schon bei den Wortdefinitionen Mühe hat und eben schon gar kein Entscheidungskriterium angeben kann.




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Lucian Wing
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So 13. Nov 2022, 17:46

sybok hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 16:40
Aber dann zeige man mal, nachdem man es für einen technischen Kontext hinreichend genau definiert hat, mit welchem Kriterium man beim Menschen "intrinsische Intentionaliät" nachweist?

Was ist das Entscheidungskriterium??

Ich verstehe euren Zugang zum Thema nicht, wenn man praktisch jede Formulierung ablehnt - die Maschine kann nicht lernen, nicht intelligent sein, nicht rechnen, kein Bewusstsein haben, nicht verstehen, nicht wissen, nicht abstrahieren, nicht planen, nicht irgendwas - bei einem Stand, wo man schon bei den Wortdefinitionen Mühe hat und eben schon gar kein Entscheidungskriterium angeben kann.
Kann man ja, wie ich schrieb, unter der Annahme der Als-Ob-Intentionalität sagen. Aber würdest du denn einem Roboter irgendeinen psychischen "Zustand" zuordnen?

Der Punkt ist, dass dein Nachweis nur in der Dritten-Person-Perspektive funktionieren würde. Das haut aber nicht hin, darüber besteht nun Einigkeit über alle Lager hinweg. Es treten dann nur verschiedene Modelle auf. Die materialistischen wollen eben dann entweder vom Verhalten oder der Funktionalität oder dem berühmten "Zurückführen auf" Erklärungen von Bewusstsein kommen.

Ich komm drauf zurück, aber wie gesagt, mir fehlt angesichts privater Dinge gerade die richtige Muße und die Möglichkeit, ein paar Dinge nachzulesen.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

sybok
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So 13. Nov 2022, 18:47

Lucian Wing hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 17:46
Kann man ja, wie ich schrieb, unter der Annahme der Als-Ob-Intentionalität sagen. Aber würdest du denn einem Roboter irgendeinen psychischen "Zustand" zuordnen?
Ich weiss es nicht, ich würde es aber nicht kategorisch ausschliessen. Ich würde halt eben Funktionalität als Kriterium heranziehen, bei Menschen macht man es ja auch genau so.
Lucian Wing hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 17:46
Der Punkt ist, dass dein Nachweis nur in der Dritten-Person-Perspektive funktionieren würde. Das haut aber nicht hin, darüber besteht nun Einigkeit über alle Lager hinweg.

Ja einverstanden, aber in eine Erste-Person-Perspektive setz ich kein Vertrauen. Dass weder das Eine noch das Andere funktioniert sähe ich auch als Grund für die Bezeichnung "hard problem",, es gibt einfach keinen Zugang.
Dann haben wir also Etwas, das wir nachbauen, replizieren wollen. Wir können es nicht aufschrauben, also bauen wir es so, dass es erstmal von Aussen die gleiche Erscheinung aufweist. Dann beginnen wir die Attribute und Funktionen durchzutesten und je mehr Tests erfüllt werden, desto grösser darf doch die Überzeugung sein, dass unser Nachbau das Ziel erreicht hat.




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Jörn Budesheim
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So 13. Nov 2022, 19:01

sybok hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 18:47
Ich weiss es nicht, ich würde es aber nicht kategorisch ausschliessen. Ich würde halt eben Funktionalität als Kriterium heranziehen, bei Menschen macht man es ja auch genau so.
Was meinst du hier mit "Funktionalität"?
Wikipedia hat geschrieben : Die Funktionalität bezeichnet den Grad der Zielgerichtetheit eines Produkts, „funktional“ zu sein, das heißt, für einen bestimmten Anwendungszweck, dem Produktverwender Funktionen mit festgelegten Eigenschaften nutzbringend bereitzustellen.
Wir erkennen das Gefühlsleben, die Absichten, die Intentionen unserer Mitlebewesen keineswegs generell über irgendwelche Funktionalitäten. Das ist doch absurd. Was Unseresgleichen angeht, verfügen wir zum Beispiel über außerordentliche Fähigkeiten, Gesichtsausdrücke zu lesen, was sich über sehr lange evolutionäre Prozesse herausgebildet hat, das wird unter anderem auch intensiv von der Hirnforschung untersucht.

Unsere sehr gut ausgebildete Fähigkeit, uns in andere hineinzuversetzen (was für eine wunderbare Metapher!), hat doch nichts mit Funktionalität zu tun. Die Schmerzen der anderen spüren wir wortwörtlich selbst, Lachen ist ansteckend, Blicke können töten, Stimmungen können hinüber schwappen, und so weiter und so fort.

Es gibt dementsprechend keineswegs nur die Alternative "Erste Person Perspektive" gegenüber "Dritter Person Perspektive". Es gibt darüber hinaus natürlich auch eine "Du Perspektive" sowie eine "Wir Perspektive". Das kann man auf naturwissenschaftlichen Weg erforschen, ein Stichwort dabei sind die berühmten Spiegelneurone. Aber natürlich widmet sich auch die Philosophie diesem Thema intensiv: die Überschrift dazu lautet: "Geteilte Intentionalität".

......

Was der Faden hier meines Erachtens sehr schön zeigt, sind die Gefahren des Themas, für unser Selbstbild. Menschen fangen dann zunehmend an, sich selbst im Lichte dieser reduzierten/reduktionistischen Begrifflichkeit als (Bio)Apparate zu betrachten. Das hat Tradition: Menschen haben über lange Zeiträume versucht sich selbst immer im Lichte ihrer avanciertesten Technologien zu sehen, und sich entsprechend selbst zu verdinglichen.




Timberlake
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So 13. Nov 2022, 19:27

Burkart hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 13:31
sybok hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 12:25
Lucian Wing hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 12:00


Dann wird man aber nicht verstehen, was Bewusstsein ist (nach Searle).
Ja, weil es eben womöglich im Rahmen einer formalen Theorie unentscheidbar ist, das war ja mein ursprünglicher Einstiegspunkt. ;)

Also diese Erwähnung von Searl in unserem Gespräch hat für mich bisher nichts entscheidendes geklärt und klingt für mich so:
Erkenntnisgewinn aus formalen Theorien heraus ist bekanntermassen begrenzt. Ergo müssen wir die Grenzen der Naturwissenschaft öffnen und Subjektives miteinbeziehen.
Oh, wieder Leben im KI-Thread :)

Wohlgemerkt " wieder Leben , im KI -Thread" , eingehaucht von etwas , was mit "Dann wird man aber nicht verstehen, was Bewusstsein ist (nach Searle)" möglicherweise unterstellt , dass KI ein Bewusstsein hat.

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:01

Was der Faden hier meines Erachtens sehr schön zeigt, sind die Gefahren des Themas, für unser Selbstbild. Menschen fangen dann zunehmend an, sich selbst im Lichte dieser reduzierten/reduktionistischen Begrifflichkeit als (Bio)Apparate zu betrachten. Das hat Tradition: Menschen haben über lange Zeiträume versucht sich selbst immer im Lichte ihrer avanciertesten Technologien zu sehen, und sich entsprechend selbst zu verdinglichen.

Ein Bewusstsein , auf Basis von (künstlichen) Apparaten , wonach Menschen dann wohl tatsächlich zunehmend anfangen sich selbst, im Lichte dieser reduzierten/reduktionistischen Begrifflichkeit, als (Bio)Apparate zu betrachten.
Zuletzt geändert von Timberlake am So 13. Nov 2022, 19:35, insgesamt 2-mal geändert.




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Lucian Wing
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So 13. Nov 2022, 19:32

Ich glaube, wenn der humanoide Roboter verhaltenstechnisch nicht "funktioniert", würde ihn niemand zur Psychotherapie, sondern zum Programmierer schicken.

Was den verhaltenstechnischen Ansatz angeht, so weiß der Behaviorist ganz genau, was seine Partnerin beim Sex empfunden hat, allerdings nicht, was er selbst empfunden hat. Dazu muss er sie fragen. Der Solipsist ist hier klar im Vorteil, weil er es von beiden weiß. :mrgreen:



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Lucian Wing
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So 13. Nov 2022, 19:35

Timberlake hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:27

Wohlgemerkt " wieder Leben , im KI -Thread" , eingehaucht von etwas , was mit "Dann wird man aber nicht verstehen, was Bewusstsein ist (nach Searle)" möglicherweise unterstellt , dass KI Bewusstsein hat.
Nein, falsch. Es wird unterstellt, dass manche von der KI auf den Menschen schließen, weil sie Bewusstsein aus dem Verhalten oder einer Funktionalität heraus erklären wollen.



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sybok
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So 13. Nov 2022, 19:52

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:01
Wir erkennen das Gefühlsleben, die Absichten, die Intentionen unserer Mitlebewesen keineswegs generell über irgendwelche Funktionalitäten. Das ist doch absurd. Was Unseresgleichen angeht, verfügen wir zum Beispiel über außerordentliche Fähigkeiten, Gesichtsausdrücke zu lesen, was sich über sehr lange evolutionäre Prozesse herausgebildet hat, das wird unter anderem auch intensiv von der Hirnforschung untersucht.
Der Gesichtsausdruck ist ja aber fast ein Paradebeispiel für einen Funktionwert über der nicht zugänglichen Innenwelt.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:01
Unsere sehr gut ausgebildete Fähigkeit, uns in andere hineinzuversetzen (was für eine wunderbare Metapher!), hat doch nichts mit Funktionalität zu tun. Die Schmerzen der anderen spüren wir wortwörtlich selbst, Lachen ist ansteckend, Blicke können töten, Stimmungen können hinüber schwappen, und so weiter und so fort.
Nichts davon kann ich als Kriterium dafür heranziehen, dass mein Gegenüber zum Beispiel ein Bewusstsein hat, oder Farberlebnisse hat. (Höchstens wieder über "Verhaltensabgleich": Ich finde das lustig, also muss ich lachen. Die andere Person lacht auch, wahrscheinlich auch wegen dieser Ursache hier, also empfindet sie wohl ein gleiches "lustig" wie ich)
Im Gegenteil werte ich solche Dinge eher als Indiz in Richtung "Mensch=Automat" denn es zeigt von Aussen nur, dass der Mensch auf spezifische Reize spezifisch reagiert - wie ein Automat.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:01
Es gibt darüber hinaus natürlich auch eine "Du Perspektive" sowie eine "Wir Perspektive". Das kann man auf naturwissenschaftlichen Weg erforschen, ein Stichwort dabei sind die berühmten Spiegelneurone. Aber natürlich widmet sich auch die Philosophie diesem Thema intensiv: die Überschrift dazu lautet: "Geteilte Intentionalität".
Es ging ja nicht darum irgendetwas vom Hirn zu erforschen, sondern um die Frage, wie ich entscheide, ob Du ein Bewusstsein hast, Qualia erlebst. Wenn du solche Dinge auf Neuronen, deren Typen und die Art und Architektur ihrer Verschaltung zurückführst, bist du ja bei der These, die ich in diesem Thread grob vertreten will: Die Quelle für all die Dinge wie Bewusstsein und Intelligenz liegen in einer informationstheoretischen Maschine, sind letztlich wahrscheinlich einfach komplizierte Rechenprozesse.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:01
Was der Faden hier meines Erachtens sehr schön zeigt, sind die Gefahren des Themas, für unser Selbstbild. Menschen fangen dann zunehmend an, sich selbst im Lichte dieser reduzierten/reduktionistischen Begrifflichkeit als (Bio)Apparate zu betrachten. Das hat Tradition: Menschen haben über lange Zeiträume versucht sich selbst immer im Lichte ihrer avanciertesten Technologien zu sehen, und sich entsprechend selbst zu verdinglichen.
Das stimmt sicher, abgesehen davon, dass ich da keine Gefahr drin sehe. Allerdings aber genauso wie es stets die umgekehrte Tendenz gab und gibt, alles Unerklärliche vor jeder Investigation in einen grossen Magie-Topf zu werfen, ganz besonders wenn es die heilige Stellung des Menschen im Mittelpunkt "seines" Kosmos in Frage stellt.




Timberlake
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So 13. Nov 2022, 19:53

Lucian Wing hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:35
Timberlake hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:27

Wohlgemerkt " wieder Leben , im KI -Thread" , eingehaucht von etwas , was mit "Dann wird man aber nicht verstehen, was Bewusstsein ist (nach Searle)" möglicherweise unterstellt , dass KI Bewusstsein hat.
Nein, falsch. Es wird unterstellt, dass manche von der KI auf den Menschen schließen, weil sie Bewusstsein aus dem Verhalten oder einer Funktionalität heraus erklären wollen.
Für diese Unterstellung bringe ich jedenfalls sehr viel mehr Verständnis auf , als eine Unterstellung , wonach manche vom Menschen auf eine KI schließen,weil sie Bewusstsein aus dem Verhalten oder einer Funktionalität heraus erklären wollen.

Beispiel
  • Schwarmintelligenz
    Die Schwarmintelligenz ist ein Forschungsfeld der künstlichen Intelligent und hat nahe Bindungen an die Agententechnologie. Als Agent meinen wir hier ein Computerprogramm, welches zu einem gewissen eigenständigem Verhalten fähig ist. Auch die Begriffe verteilte künstliche Intelligenz sowie kollektive Intelligenz im Allgemeinen sind für Schwarmintelligent i.w.S. gebräuchlich. Dabei wird versucht, in einem Computerprogramm das Verhalten von intelligenten Schwärmen zu simulieren. Besonders geeignet sind Schwarmalgorithmen, um für sehr komplexe Probleme schnell gute (keine optimalen) Lösungen zu finden.
So könnte ich mir schon vorstellen , dass sich auf Grundlage von Schwarmalgorithmen einer KI , auf das Schwarmverhalten von Menschen schließen lässt. Das Bewusstsein , sei an dieser Stelle einmal ausdrücklich davon ausgeklammert.




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Lucian Wing
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So 13. Nov 2022, 19:55

sybok hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:52
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:01
Wir erkennen das Gefühlsleben, die Absichten, die Intentionen unserer Mitlebewesen keineswegs generell über irgendwelche Funktionalitäten. Das ist doch absurd. Was Unseresgleichen angeht, verfügen wir zum Beispiel über außerordentliche Fähigkeiten, Gesichtsausdrücke zu lesen, was sich über sehr lange evolutionäre Prozesse herausgebildet hat, das wird unter anderem auch intensiv von der Hirnforschung untersucht.
Der Gesichtsausdruck ist ja aber fast ein Paradebeispiel für einen Funktionwert über der nicht zugänglichen Innenwelt.
Wie das?



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Timberlake
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So 13. Nov 2022, 20:02

Lucian Wing hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:55
sybok hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:52
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:01
Wir erkennen das Gefühlsleben, die Absichten, die Intentionen unserer Mitlebewesen keineswegs generell über irgendwelche Funktionalitäten. Das ist doch absurd. Was Unseresgleichen angeht, verfügen wir zum Beispiel über außerordentliche Fähigkeiten, Gesichtsausdrücke zu lesen, was sich über sehr lange evolutionäre Prozesse herausgebildet hat, das wird unter anderem auch intensiv von der Hirnforschung untersucht.
Der Gesichtsausdruck ist ja aber fast ein Paradebeispiel für einen Funktionwert über der nicht zugänglichen Innenwelt.
Wie das?
Ganz einfach ..
  • Gesichter und Gefühle

    Lie to machine

    Wäre eine solche Maschine nicht praktisch? Man trifft jemanden, seine SmartWatch-Kamera nimmt ihn auf und ein Gesichtserkennungsprogramm für Gefühle meldet: „Der sieht nach Ärger aus. Dem gehst du besser gleich aus dem Weg.“ Wenn mein Sohn von mir mehr Taschengeld haben möchte, könnte er nur seine Gefühlserkennungs-App lauern lassen, bis ich in guter Stimmung bin. Dann würde sie ihm Bescheid geben: „Jetzt ist dein Papa gut drauf! Frag ihn!“ Wir Männer müssten uns in unserem genetisch vererbten Autismus nie mehr den Kopf zerbrechen, welche Gefühle momentan unsere Partnerinnen hegen. Eine solche App würde uns sofort aufklären: „Sie ist traurig und braucht Unterstützung. Halte sie nur an der Hand und labere sie nicht mit deinen Arbeitsproblemen voll!“ Prägen aber unsere Gefühle eindeutig unsere Gesichtsausdrücke? Ist ein bestimmtes Lächeln immer und überall quer durch die Völker der Erde ein Ausdruck für Glück?




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Jörn Budesheim
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sybok hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:52
Der Gesichtsausdruck ist ja aber fast ein Paradebeispiel für einen Funktionwert über der nicht zugänglichen Innenwelt.
Der Gesichtsausdruck ist eigentlich das Paradebeispiel dafür, dass unsere Gefühle nicht grundsätzlich irgendwo in einer Innenwelt verborgen sind. Es gibt doch nicht generell einerseits die verborgene Innenwelt und andereseits den Gesichtsausdruck in der Außenwelt. Ein Lächeln z.b richtet sich direkt an die anderen und ist nichts, was irgendwo im Inneren verborgen ist. Die entsprechende Mimik ist nicht bloß Ausdruck des Lächelns, sondern ein Teil davon. Darüber gibt es auch ausführliche Untersuchungen. Das kann man übrigens auch sehr schön in Selbstversuchen herausfinden.




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Lucian Wing hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:32
Ich glaube, wenn der humanoide Roboter verhaltenstechnisch nicht "funktioniert", würde ihn niemand zur Psychotherapie, sondern zum Programmierer schicken.

Was den verhaltenstechnischen Ansatz angeht, so weiß der Behaviorist ganz genau, was seine Partnerin beim Sex empfunden hat, allerdings nicht, was er selbst empfunden hat. Dazu muss er sie fragen. Der Solipsist ist hier klar im Vorteil, weil er es von beiden weiß. :mrgreen:
Es gibt da diesen berühmten Witz, wo zwei Behavioristen Sex haben und einer sagt: für dich war es toll und wie war es für mich? :)




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Lucian Wing hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:55
sybok hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:52
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:01
Wir erkennen das Gefühlsleben, die Absichten, die Intentionen unserer Mitlebewesen keineswegs generell über irgendwelche Funktionalitäten. Das ist doch absurd. Was Unseresgleichen angeht, verfügen wir zum Beispiel über außerordentliche Fähigkeiten, Gesichtsausdrücke zu lesen, was sich über sehr lange evolutionäre Prozesse herausgebildet hat, das wird unter anderem auch intensiv von der Hirnforschung untersucht.
Der Gesichtsausdruck ist ja aber fast ein Paradebeispiel für einen Funktionwert über der nicht zugänglichen Innenwelt.
Wie das?
Also Gesichtsausdrücke sind ja geradezu darüber definiert: "ein fröhliches Gesicht", "ein nachdenkliches Gesicht", etc. Ich geb ja den vermuteten Innenzustand explizit an.




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sybok hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 19:52
Nichts davon kann ich als Kriterium dafür heranziehen, dass mein Gegenüber zum Beispiel ein Bewusstsein hat, oder Farberlebnisse hat.
Warum nicht?




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sybok hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 20:17
Also Gesichtsausdrücke sind ja geradezu darüber definiert: "ein fröhliches Gesicht", "ein nachdenkliches Gesicht", etc. Ich geb ja den vermuteten Innenzustand explizit an.
Die Definition, die du selbst angibst, lautet jedoch ganz anders, denn es steht da ja gar nichts von einem Innenzustand, stattdessen heißt es: "ein fröhliches Gesicht".

Wenn man sich mal einen kurzen Augenblick ein gemeinsames Essen vorstellt, bei dem ein paar Leute beieinander sitzen, zusammen essen trinken, viel reden, lachen, rumalbern, auch mal ernst sind und so weiter und so fort, dann muss einem diese Idee, dass unsere Gefühle nur in einer versteckten Innenwelt sind, doch irgendwie seltsam vorkommen. Und wenn alle gemeinsam über irgendeinen dummen Witz lachen, dann vermuten wir doch nicht, dass die anderen fröhlich sind.




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So 13. Nov 2022, 20:42

Lucian Wing hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 14:50
Burkart hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 13:31
Oh, wieder Leben im KI-Thread :)

Mit dem, was ich bei Searle gelesen habe, kann man noch einmal ein paar Dinge aufdröseln.
Wichtig ist, dass der Unterschied zwischen den beiden Fragen klar wird: "Wie erzeugen bewusstlose Materiestückchen Intelligenz" und "Wie erzeugen bewusstlose Materiestückchen Bewusstsein".

Ich muss oben noch einmal nachlesen, wo wir waren, aber man kann (mit Searle) unter der Berücksichtigung dessen Intentionalitätsbegriffes auch die Frage der Intelligenz ganz einfach abhaken. Searle unterscheidet die intrinsische Intentionalität, die eben Menschen (und einigen) Tieren zukommt, und die Als-Ob-Intentionalität. Mit letzterer kann man die KI-Frage ganz einfach lösen. Der Thermostat ist danach auch "intelligent", er registriert die Temperatur und löst dann ein Ereignis aus. Wir beschreiben es vom Verhalten her, als ob er intrinsische Intentionalität hätte, was aber nicht der Fall ist - und alle wissen das (nach Searle) auch, denn keiner würde beim Thermostat irgendein psychisch motiviertes Verhalten vermuten. Denn Verhalten, so ist Searles Punkt, ist weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für Bewusstsein. Was, wie ich extra noch einmal nachgelesen habe, auch im Karnath/Thier "Kognitive Neurowissenschaften" durchaus anerkannt ist.

(Was das Leben hier angeht, so habe ich diese Woche wenig Zeit - Kinderbetreuung plus Tauerfall mit Beerdigung und Gästen werden mich von Büchern und Internet etwas fernhalten)
Also verstehe ich dich richtig, dass "Künstliche Intelligenz" demnach begrifflich kein problematischer Begriff ist, "Künstliches Bewusstsein" aber schon? Also sozusagen gut für KI, die nicht auf Bewusstein beharrt.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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So 13. Nov 2022, 20:46

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 15:40
Burkart hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 13:31
KI soll irgendwie funktionieren
Wenn es nur das ist, was dich interessiert, warum behauptest du dann in dem Faden durchgängig so Dinge wie: KI kann lernen, KI ist intelligent, KI kann rechnen, KI kann etwas verstehen oder ähnliches. Auf solche Behauptungen könntest du doch komplett verzichten, wenn es dir nur darum geht, dass KI irgendwie funktioniert.
Die Frage ist doch "nur", was funktionieren soll. Für mich bedeutet es eben auch, dass sie auch lernfähig usw. ist, nur auf "Bewusstsein" kann ich verzichten.



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sybok
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So 13. Nov 2022, 20:47

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 20:11
Der Gesichtsausdruck ist eigentlich das Paradebeispiel dafür, dass unsere Gefühle nicht grundsätzlich irgendwo in einer Innenwelt verborgen sind. Es gibt doch nicht generell einerseits die verborgene Innenwelt und andereseits den Gesichtsausdruck in der Außenwelt. Ein Lächeln z.b richtet sich direkt an die anderen und ist nichts, was irgendwo im Inneren verborgen ist. Die entsprechende Mimik ist nicht bloß Ausdruck des Lächelns, sondern ein Teil davon. Darüber gibt es auch ausführliche Untersuchungen. Das kann man übrigens auch sehr schön in Selbstversuchen herausfinden.
Ich bin mir nicht sicher über "Innenwelt", das hab ich womöglich ganz falsch gewählt, mein Fehler.
Die offenen Fragen sind diese "hat X ein Bewusstsein?" oder "Ist X intelligent?" etc. Mein Punkt ist, dass man das nur mit "Verhaltensabgleich" feststellen kann. Wenn ich etwas lustig finde, muss ich lachen. Ich kenne also die Zuordnung "lustig finden --> lachen". Will ich das testen, serviere ich Jemandem eine Quelle die ich selber lustig finde und schaue, ob meine Zuordnung erfüllt wird. Je mehr und vielseitiger Tests, desto mehr vermute ich, dass beim Gegenüber die gleichen internen Prozesse ablaufen und das Gleiche erlebt wird. Aus dem gleichen Grund ordnen wir doch beispielsweise einem Hund mehr oder höheres Bewusstsein zu als einem Regenwurm - weil er wenigstens ein paar Tests besteht.




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Jörn Budesheim
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So 13. Nov 2022, 20:59

Burkart hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 20:46
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 15:40
Burkart hat geschrieben :
So 13. Nov 2022, 13:31
KI soll irgendwie funktionieren
Wenn es nur das ist, was dich interessiert, warum behauptest du dann in dem Faden durchgängig so Dinge wie: KI kann lernen, KI ist intelligent, KI kann rechnen, KI kann etwas verstehen oder ähnliches. Auf solche Behauptungen könntest du doch komplett verzichten, wenn es dir nur darum geht, dass KI irgendwie funktioniert.
Die Frage ist doch "nur", was funktionieren soll. Für mich bedeutet es eben auch, dass sie auch lernfähig usw. ist, nur auf "Bewusstsein" kann ich verzichten.
Ebenso könnte man sagen, hauptsache ich habe einen Schimmel, dass er weiß ist ist mir nicht so wichtig.




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