Philosophie Foren versus social media

Es gibt heute kaum Bereiche des alltäglichen Lebens, die nicht in irgendeiner Weise mit dem World-Wide-Web zusammenhängen. Das Gleiche gilt für "künstliche Intelligenz". Was hat die Philosophie dazu zu sagen?
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Jörn Budesheim
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Do 7. Dez 2017, 12:11

Ist ein Philosophie Forum in Zeiten von Facebook, Twitter und Co überhaupt noch zeitgemäß?




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Stefanie
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Do 7. Dez 2017, 12:53

Ja.
Die anderen Medien sind Medien zur kurzen, schnellen schriftlichen Kommunikation. Ich glaube die Anzahl der möglichen Zeichen bei Twitter reicht nicht aus, um z.B. nur eine Wahrheitstheorie in Gänze wiederzugeben.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Alethos
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Do 7. Dez 2017, 20:54

Ja, unbedingt. Ich bin auf keinen Social Media präsent, ich wüsste gar nicht wohin mit meinem langsamen Denken in dieser schnellen Zeit :)

Ich würde es nicht missen wollen. Hast du Zweifel, Jörn?



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Jörn Budesheim
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Fr 8. Dez 2017, 05:56

Facebook Gruppe "Philosophie diskutiere mit" hat geschrieben : Religion hat in einer modernen und aufgeklärten Welt nichts verloren! Was meint ihr?
Diese Facebook Gruppe hat weit über 4000 Mitglieder. Und dieser Beitrag hat in den letzten beiden Wochen fast 1000 Antworten provoziert. Das gelingt allerdings nicht jedem Beitrag, die Zahlen schwanken sehr stark. Das Medium ist tatsächlich sehr schnell. Zur Qualität der Beiträge kann ich nicht viel sagen, da ich dort sehr selten etwas lese. Wenn ich gelegentlich etwas lese, habe ich das Gefühl, dass die meisten User keine in irgendeiner Form vertieften philosophischen Kenntnisse vorweisen können. Bei dem was ich bisher gelesen habe, handelt es sich in aller Regel um ganz allgemeine Gespräche zu ganz allgemeine Themen.

Von der Seitenstruktur her, ist so eine Gruppe im Prinzip völlig ungeeignet. Alle Beiträge erscheinen völlig ungeordnet untereinander. Es gibt also keineswegs so etwas wie eine Aufteilung in Bereiche wie sie in Foren üblich ist. Das scheint aber den Erfolg solcher Gruppen keineswegs abträglich zu sein.




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Alethos
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Fr 8. Dez 2017, 06:07

Der Erfolg, gemessen an den harten Fakten, z.B. an der Anzahl Beiträge, wäre ja vorerst ein quantitativer Erfolg. Weil Philosophie drauf steht, muss aber noch nicht Philosophie drin sein.

Aber stimmt, die Frage ist nach wie vor: Wie bekommen wir hier mehr User hin.



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Jörn Budesheim
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Fr 8. Dez 2017, 06:13

Wie gesagt, wäre es von mir voreilig, über die Qualität ein Urteil zu fällen. Aber ehrlich gesagt, ist das, was ich bisher in solchen Gruppen gelesen habe, nicht dazu angetan mich dorthin zu locken :) aber das basiert, wie gesagt, auf einer sehr schmalen Datenbasis.




Administrator
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Fr 8. Dez 2017, 07:02

Mir ging es im alten Forum schon zu schnell voran. Besonders bei etwas komplexeren Themen musste ich länger über das Geschriebene nachdenken, einige Beiträge öfters nachlesen. Bis ich dann meine Antwort parat hatte, war die Diskussion schon längst (thematisch) weiter. Ich bin also nicht böse, wenn alles langsamer bleibt :-)
Nur dass das eben keine Stärke der social media sind.




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iselilja
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Sa 16. Dez 2017, 01:19

Ottington hat geschrieben :
Fr 8. Dez 2017, 07:02
Mir ging es im alten Forum schon zu schnell voran. Besonders bei etwas komplexeren Themen musste ich länger über das Geschriebene nachdenken, einige Beiträge öfters nachlesen. Bis ich dann meine Antwort parat hatte, war die Diskussion schon längst (thematisch) weiter. Ich bin also nicht böse, wenn alles langsamer bleibt :-)
Nur dass das eben keine Stärke der social media sind.
Das ging mir auch oft so. Man wollte gern mit jemandem eine Sache etwas ausführlicher diskutieren und merkte dann nach wenigen Minuten bereits, dass die Fragen zwischen massenhaft Einzeilern untergehen. Andrerseits wurde aber auch der Chat als Alternative relativ wenig genutzt. Was ich eigentlich nur damit begründen kann, dass die Schriftvariante bevorzugt wird, aber bei Übernutzung ihren eigentlichen Vorteil verliert.




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novon
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So 17. Dez 2017, 01:05

Kennt ihr z. B. Stackoverflow?
Find ich ganz geil, dass man da einerseits auf Postebene kommentieren und diskutieren kann, darüber hinaus aber auch quasi auf Beitragsebene, also zwischen schlichten Kommentaren und kommentierenden Beiträgen unterschieden wird. Kommentare, Nachfragen etc. stellen quasi eine eigene Ebene dar, während an Beiträge erweiterte Anforderungen gestellt werden... Keine Ahnung, ob sich so etwas hier umsetzen ließe, gefällt mir aber ausgesprochen gut.




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Jörn Budesheim
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So 4. Mär 2018, 06:51

Nauplios hat geschrieben :
[...] Die Geschichte der Ernüchterung betrifft auch jene Hoffnung, welche man noch vor zehn oder zwanzig Jahren mit der Verbreitung des Internets für große Teile der Bevölkerung verbunden hat. Soziale Medien und ihre Geschwindigkeitsgewinne ließen Kommunikationsformen denkbar werden, welche die bis dahin konventionellen Formen als umwegige Arrangements erscheinen ließen.

[...] Philosophische Foren boten mit einem Mal die Möglichkeit, sich mit Entlegenen über Entlegenes auszutauschen. Was anfangs der 90er Jahre noch unter nahezu konspirativen Bedingungen stattfand, wurde alsbald zu Massenveranstaltungen mit mehreren Tausend Mitgliedern. Das Netz bescherte den philosophisch Interessierten ein Publikum.

[...] kaum etwas lähmt den philosophischen Diskurs im Netz mehr als der Einbau und die Übernahme jener Gebärdensprache, die stolz darauf ist, ihre „Message“ auf 140 Zeichen reduzieren zu können

[...] Mit der Hemdsärmeligkeit des Unbedachten verliert sich auch der Respekt vor dem philosophischen Text und seiner Tiefe. Gerade die Tiefe ist der erste Punkt, der auf der Strecke bleibt. Das liegt nicht an der rein formalen Begrenztheit der Zeichen – manche Fragmente der Vorsokratiker ließen sich als SMS verschicken – , sondern daran, daß der philosophische Gedanke nicht recht zur Entfaltung kommt. Vielleicht bricht eine Zeit an, in der das Projekt Philosophie im Netz neu überdacht werden muss.

Nauplios https://poetikundhermeneutik.wordpress.com




Tosa Inu
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So 4. Mär 2018, 10:33

Ganz ähnlich und ergänzend:
Emotionen im Internet

Man konnte sich in der Frühphase des Internet, als erste Diskussionsforen aufkamen, bereits darüber wundern, dass Emotionen im Internet überhaupt vorkommen. Vor der Zeit der Selfies und Kurzvideos war das Internet, wenigstens in den Foren, ein bildlich eher spröder Ort. Die ersten Foren setzten auf regionale Nähe, bevor sich nach und nach die inhaltliche Nähe als Bindeglied herausstellte.

Das war schön. Man fand ähnlich Interessierte, die räumliche Distanz spielte auf einmal keine Rolle mehr und man konnte sich über sein Thema austauschen. Nichts, was nicht irgendwo Gleichgesinnte fand, ob Kakteen, Baumaschinen, Philosophie oder Nassrasur.

Man konnte diskutieren, zeigen und streiten, hatte seine Rolle, seine Freunde und Feinde. Obwohl alles sehr karg und bildarm war, gab es schon Spannungen und Emotionen im Internet. Man war zwar anonym, diskutierte oft sehr sachbezogen und dennoch brodelte es, weil man unterschiedlicher Meinung war.

Da auch das Internet einer Entwicklung unterliegt, haben sich bestimmte Spezies ausdifferenziert, so die Trolle. Ihr Ziel ist der Streit an sich, ihr Motiv ist oft die Dunkle Triade plus Sadismus und der all das verbindende Affekt: Hass.

Der Inhalt der Diskussion ist längst zur Nebensache geworden, Hauptsache man kann sich an den hochkochenden Emotionen im Internet ergötzen, die man selbst anfeuert. Trolle geben das hinter vorgehaltener Hand oder auch sehr offen zu. Das gibt einem das Gefühl von Macht, Kontrolle, ein kurzer Kick, den man, kennt man die geeigneten Mittel um geschickt zu provozieren, endlos wiederholen kann. Im verlinkten Fall bis zu 200 Mal am Tag.

Immer mehr Emotionen im Internet

Das Netz wird zunehmend emotionalisiert, vorwiegend werden die primitiveren Affekte dabei verstärkt. ...

Quelle und weiterlesen



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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