Können Apps etwas wissen?

Es gibt heute kaum Bereiche des alltäglichen Lebens, die nicht in irgendeiner Weise mit dem World-Wide-Web zusammenhängen. Das Gleiche gilt für "künstliche Intelligenz". Was hat die Philosophie dazu zu sagen?
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Jörn Budesheim
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Mo 21. Mai 2018, 11:33

Offenbar ist der Begriff "Information" auch nicht ohne :-) "in" ihm wiederholen sich Aspekte unseres Problems. Zwar können Informationen objektiv sein. Nichts desto trotz ist eine Information immer eine Information für jemanden, zumindest nach meiner Einschätzung. In der Informationstechnologie werden (dabei bleibe ich) Dinge, die für uns Informationen sind, verarbeitet. Wir sind die Subjekte dieser objektiven Informationen und nicht die Programme. Das sind nur unsere Tools.




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Alethos
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Mo 21. Mai 2018, 13:00

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 11:33
Nichts desto trotz ist eine Information immer eine Information für jemanden, zumindest nach meiner Einschätzung.
Die von dir zitierten Definitionen (vielen Dank dafür) zeigen jedenfalls, dass der Begriff Information nicht so eindeutig ist. Ich verstehe deshalb, dass wir hier zu unterschiedlichen Konzepten kommen können.

Ich hege eine gewisse Sympathie für die Vorstellung, Information als etwas zu betrachten, dass zwischen Sender und Empfänger ausgetauscht wird. Aus dieser Optik ergibt es keinen Sinn, so zu tun, als könnten einfache Apparaturen zum Empfangen von Signalen (die als Signal immer eine Information beinhalten) tatsächliche Deuter von Informationen sein. Selbstverständlich nennt man eine Antenne den Empfänger eines Signals, insofern ist er Empfänger, aber als dieser Apparat verfügt er nicht über die Fähigkeit, über den Rand dieser Information hinaus zu empfangen. Er kann dieses Signal empfangen und nichts über den Äther sagen, in welchem es übertragen wird. :) Es kann nichts mit der Information anfangen, das über diese Information hinausgeht, insofern wird der Empfänger nicht informiert, sondern er empfängt lediglich. Es findet kein Austausch statt im Sinne einer bidirektionalen Kommunikation, sondern nur ein einfacher Transfer.

So gesehen kann einfache Informationsverarbeitung, als Signalverwertung auch kein Wissen sein, weil die Information nicht in etwas eingegliedert wird, das selbst mehr ist als diese Information. Es entsteht kein kommunikativer resp. informativer Mehrwert. Es findet keine Wissensproduktion statt, sondern es entstehen sich wechselseitig informierende Netzwerke.

Aber Wissen, so wie wir es verstehen, ist mehr als das blosse Vernetzen von Inputs, da letztere eingewoben werden in ein Geflecht von weiteren Informationen, die durch Kombination ein Mehr zu dieser reinen Information ergeben.
Dieser Wissensbegriff ist ein anthropomorpher, denn der Empfänger ist zugleich Mitgestalter der empfangenen Information, und er gestaltet sie gegeben sein Geformtsein als Mensch.

Nun müssen wir aber doch gleichwohl feststellen, dass Informationen auch völlig unbesehen unserer Kenntnis von ihnen stattfinden können. Es gibt da draussen eine Vielzahl von Seienden, über die wir nichts wissen, und dennoch tragen sie in sich die Information ihres Seins als diese Dinge. Information ist daher nicht per se etwas, das immer ein Jemand betreffen muss. Und, das war mein Punkt, sofern es ein Etwas, aber kein Jemand betrifft, können diese Informationen wechselwirken. Das stellt kein Wissen der oben beschriebenen anthropomorphen Art dar, aber es ist ein Wissen an sich der Dinge, das uns in einer prinzipiellen Wissbarkeit vorliegt. Die Möglichkeit, dass etwas für uns Wissen wird, ist angelegt in der Wahrheit der Dinge als ihr Gewusstwerden durch sie selbst. Das wäre vielleicht ein ontischer Wissensbegriff im Gegensatz zum epistemologischen, und mir ist bewusst, dass es komisch klingt, von diesem Zusammenhang der Dinge von Wissen zu sprechen. Ich hege selbst gewisse Widerstände gegen eine solche Auffassung.

Und doch müssen wir angeben können, wodurch sich Wissen als Wissen auszeichnet und dafür ist es meiner Meinung nach unumgänglich, die Bedingungen zu erforschen, ohne die Wissen überhaupt nicht entstehen kann. Es gibt keinen Grund für die Annahme, meine ich, das Wissen in die Köpfe oder das ganze Sein der Menschen zu legen und zu behaupten, jenseits davon sei alles bloss Faktizität, die kein Wissen in irgendeiner Form hat, denn dann wird man behaupten müssen, dass Wissen aus dem Nichts emergiert. Und das scheint mir angesichts der Tatsache, dass Wissen mit Faktizität zu tun hat, ein absurdes Vergnügen.



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Jörn Budesheim
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Alethos hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 13:00
Nun müssen wir aber doch gleichwohl feststellen, dass Informationen auch völlig unbesehen unserer Kenntnis von ihnen stattfinden können. Es gibt da draussen eine Vielzahl von Seienden, über die wir nichts wissen, und dennoch tragen sie in sich die Information ihres Seins als diese Dinge. Information ist daher nicht per se etwas, das immer ein Jemand betreffen muss.
Nehmen wir das Beispiel mit der Spur. Diese Spur (als natürliche Tatsache) ist einfach da, ein natürliches Etwas, ob sie jemand zur Kenntnis nimmt oder nicht. Sie trägt - wenn man gerne so sagen möchte - die Information, dass sie eine Spur des Bären ist, in einer gewisser Hinsicht in sich: Sie ist jederzeit als diese Information lesbar, jedoch allein von Wesen mit der entsprechenden Registratur, für die es dann schlussendlich zur Information wird: Da lief ein Bär. Über diese Spur gibt es viele andere Wahrheiten, doch manche dieser Wahrheiten zeigen sich nur bestimmten Wesen. Vermutlich ausschließlich Lebewesen. Andere Entitäten sind sozusagen blind für den Umstand, dass dort eine Information zur Verfügung steht. Diese Entitäten verarbeiten dann auch nicht die vorliegende Information, selbst dann nicht, wenn sie mit der Spur in welcher Weise auch immer wechselwirken. Auch wenn die Information gewissermaßen immer abrufbereit ist, muss sie erst auf Jemanden treffen, der sie lesen kann, damit sie für ihn Information ist.

Die Spur kann (da sie kausal wirksam werden kann) natürlich in irgendwelche Mechanismen eintreten, die auf uns so wirken, als läge ein Lesen der Information vor. Aber wir sollten uns hier wirklich vor Anthropomorphismen hüten.

Das ganze in Kurz: Irgendwo liegt ein Zettel Rum. Da steht drauf: "Ich bin deine Information." Das steht zwar die ganze Zeit drauf und ist auch ansich da. Aber damit es für jemanden eine Information ist, muss sie eben jemand lesen.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 13:56
Das ganze in Kurz: Irgendwo liegt ein Zettel Rum. Da steht drauf: "Ich bin deine Information." Das steht zwar die ganze Zeit drauf und ist auch ansich da. Aber damit es für jemanden eine Information ist, muss sie eben jemand lesen.
Eine schöne Erklärung dafür, dass es zur biologischen Evolution niemals gekommen sein kann.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Warum?




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Weil da nach Deinen Kategorien kein Leser der Information vorhanden ist. Das ist einfach nur ein Murmelspiel.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Zettel, auf denen etwas darauf steht, gibt es erst nachdem wir in der Welt überhaupt erschienen sind. Deswegen können sie schwerlich ein Problem für die Evolution sein.




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Alethos
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Mo 21. Mai 2018, 15:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 13:56
Über diese Spur gibt es viele andere Wahrheiten, doch manche dieser Wahrheiten zeigen sich nur bestimmten Wesen. Vermutlich ausschließlich Lebewesen. Andere Entitäten sind sozusagen blind für den Umstand, dass dort eine Information zur Verfügung steht. Diese Entitäten verarbeiten dann auch nicht die vorliegende Information, selbst dann nicht, wenn sie mit der Spur in welcher Weise auch immer wechselwirken. Auch wenn die Information gewissermaßen immer abrufbereit ist, muss sie erst auf Jemanden treffen, der sie lesen kann, damit sie für ihn Information ist.
Du vermutest, dass sich Wahrheiten nur Lebewesen zeigen würden. Damit verabschiedest du dich von deinem ontischen Wahrheitsbegriff, dessen Wahrheit sich in den Sachen selbst verortete und den du konsequent vertreten hast.

Dass Wahrheit nur eine Wahrheit für jemanden sein kann, wenn sie ein jemand rezipiert, das ist sicherlich richtig, aber tautologisch. Es zeigt sich aber, dass Wahrheit auch ist, ohne dass sie jemand wahrnimmt. Nun, wie gehen wir aber mit dieser Wahrheit um, die nicht wahrgenommen wird? Sie muss in sich ja das Wissen tragen, das potenziell über sie angeignet werden kann. Es muss sich alles, was über etwas wahr ist, darin enthalten als ein Wissen über es, ohne, dass ein Jemand es weiss.

Die Frage, was mit diesen in den Dingen liegenden Informationen geschehen muss, damit von diesem Prozess gesagt werden kann, es sei Wissen, das untersuchen wir nun hier. Sicherlich reicht ein blosses Wechselwirken nicht aus, so wie es beispielsweise zwischen zwei Billardkugeln der Fall ist. Es muss zu einer aktiven Verarbeitung dieser Information kommen, und Aktivität meint hier die Leistung eines Systems mit der Gerichtetheit, aus einem Input (ein Signal), einen Output zu generieren. Es reicht hier auch nicht aus, als Kriterium für das Wissen den Output zu messen, auch eine Billardkugel hat einen Output. Er zeigt sich in der Erhaltung der Kraft durch Anstoss der Kugel, die in einem bestimmten Winkel auf sie trifft. Wir müssen, meine ich, tiefer in das System eindringen, um zu verstehen, welche Prozesse in ihm ablaufen müssen, damit es Wissen generieren kann.

Wenn Informationsverarbeitung kein hinreichendes Kriterium für Wissen ist, dann müssen wir diese hinteichenden Bedingungen positiv bestimmen.

Das ist im Übrigen kein Anthropomorphismus, sondern im Gegenteil, ein Versuch der Entmenschlichung des Wissensbegriffs zwecks Analyse desselben.



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Mo 21. Mai 2018, 16:04

Alethos hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 15:55
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 13:56
Über diese Spur gibt es viele andere Wahrheiten, doch manche dieser Wahrheiten zeigen sich nur bestimmten Wesen. Vermutlich ausschließlich Lebewesen. [welche die Information lesen können.]
Du vermutest, dass sich Wahrheiten nur Lebewesen zeigen würden. Damit verabschiedest du dich von deinem ontischen Wahrheitsbegriff, dessen Wahrheit sich in den Sachen selbst verortete und den du konsequent vertreten hast.
By the way: Wahrheit garantiert ja noch nicht ihre eigene Erkennbarkeit. Daraus, dass Steine keine Wahrheit erkennen können, folgt nichts für den ontischen Wahrheitsbegriff, denke ich.




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Alethos
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Mo 21. Mai 2018, 16:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 06:20
Ich habe noch etwas zum Begriff Informationen gefunden. Aus: Grundkurs Philosophie, Band 3, Philosophie des Geistes und der Sprache, von Wolfgang Detel.
Die Idee der Repräsentation

Eine wichtige Eigenschaft und Funktion geistiger Zustände ist, dass diese Zustände andere Zustände repräsentieren. Zuweilen wird die Idee der Repräsentation so formuliert, dass ein Zustand A einen anderen Zustand B repräsentiert, wenn A für B steht. Und dass A für B steht, wird dadurch erläutert, dass A ein natürliches Zeichen für B ist.

Bärenspuren im Schnee sind beispielsweise natürliche Zeichen dafür, dass Bären über den Schnee gelaufen sind, denn Bären, und nur Bären, produzieren naturgesetzlich Bärenspuren im Schnee. Eine alternative Beschreibung dieses Zusammenhanges lautet, dass die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass Bären über den Schnee gelaufen sind, falls Bärenspuren im Schnee sind, gleich 1 ist. An dieser Stelle wird gewöhnlich ein einfacher Informationsbegriff eingeführt. Man sagt, dass die Bärenspuren im Schnee die Information tragen, dass Bären über den Schnee gelaufen sind. Allerdings ist der Gehalt dieser Information nicht eindeutig, denn die Bärenspuren im Schnee tragen z. B. auch die Information, dass irgendwelche Tiere über den Schnee gelaufen sind. Und dass Bären über den Schnee gelaufen sind, trägt in diesem Fall natürlich selbst wiederum die Information, dass irgendwelche Tiere über den Schnee gelaufen sind. Der Gehalt der Information ist daher eher die spezifischste Information, die mit dem Zeichen oder Signal verbunden ist.

[...]
Dieser kleine Ausschnitt ist bemerkenswert. In ihm wird Information in korrespondenztheoretischer Auslegung als semantische Spannung zwischen Zeichen und Repräsentation gedeutet. Was immer B repräsentiert, das ist in A angelegt als einem B korrespondierendem Gehalt. Dabei zeigt sich, dass der Informationsgehalt grösser ist, je spezifischer die Information ist, d.h. je mehr sie dem Spezifikum von A entspricht. Das heisst, dass eine Repräsentation umso mehr Wissen hat, je näher sie an A liegt, d.h. je realistischer sie ist.

Es steckt, um es etwas plakativ zu sagen, mehr Information in der Deutung, dass diese Spur im Schnee von einem Bären stammt als in der Deutung, dass sie von einem Tier stammt oder von einem Lebewesen. Je konkreter der Gehalt die Spezifität des Tatsächlichen erfasst, desto mehr Informationsgehalt hat sie.
Alle mit einer Information mitschwingenden Konnotationen gehören zum Gehalt einer Information.

Nun ist aber alles Information, solange es einer Repräsentation zum Grunde liegen kann, und die Kernfrage bleibt bestehen: Was alles gilt als Repäsentation? Wir haben die Frage, was Wissen ist, damit verschoben auf die Ebene der Semantik, aber wir haben dadurch keine hinreichenden Bedingungen für Wissen genannt.
Zuletzt geändert von Alethos am Mo 21. Mai 2018, 16:19, insgesamt 1-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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Mo 21. Mai 2018, 16:19

Alethos hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 15:55
Das ist im Übrigen kein Anthropomorphismus, sondern im Gegenteil, ein Versuch der Entmenschlichung des Wissensbegriffs zwecks Analyse desselben.
Meines Erachtens ist das ein aussichtsloses Programm. Das Wissen, das Denken etc. ist nur von innerhalb des Wissens und Denkens etc. zu verstehen. Man muss sich als Teilnehmer auf das Spiel einlassen und es von innen heraus erkunden. Wir (wollen) wissen, was Wissen ist: Erkenntnistheorie ist immer auch ein stückweit Selbsterkenntnis-Theorie. Soweit wir wissen, sind wir die einzigen Tiere auf diesem Planeten, die so etwas betreiben - das könnte für die Frage nach dem Wissen schon von Belang sein.




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Alethos
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Mo 21. Mai 2018, 16:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 16:19
Alethos hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 15:55
Das ist im Übrigen kein Anthropomorphismus, sondern im Gegenteil, ein Versuch der Entmenschlichung des Wissensbegriffs zwecks Analyse desselben.
Meines Erachtens ist das ein aussichtsloses Programm. Das Wissen, das Denken etc. ist nur von innerhalb des Wissens und Denkens etc. zu verstehen. Man muss sich als Teilnehmer auf das Spiel einlassen und es von innen heraus erkunden. Wir (wollen) wissen, was Wissen ist: Erkenntnistheorie ist immer auch ein stückweit Selbsterkenntnis-Theorie. Soweit wir wissen, sind wir die einzigen Tiere auf diesem Planeten, die so etwas betreiben - das könnte für die Frage nach dem Wissen schon von Belang sein.
Würde aber diese Argumentationslinie konsequent weitergedacht, so müsste sich mit ihr begründen lassen, dass Wahrheit überhaupt keine Sache der Dinge ist, sondern unserer Erkenntnis. Denn auch, was Tatsache ist, erschliesst sich uns nie anders als durch unsere Erkenntnisfähigkeit als diese Selbste.

Selbstverständlich kommen wir nicht umhin, unseren Wissensbegriff anzuwenden, um
das, was Wissen ist, zu analysieren, aber dabei darf nicht schon feststehen, dass die Bedingungen unserer Erkenntnis- und Wissensbegriffe bestimmend sind für den Wissensbegriff überhaupt. Das wäre in der Tat so, als würden wir von unsereren physiologischen Bedingungen auf eine Unfähigkeit überhaupt schliessen, unter Wasser zu atmen.



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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 15:49
Zettel, auf denen etwas darauf steht, gibt es erst nachdem wir in der Welt überhaupt erschienen sind. Deswegen können sie schwerlich ein Problem für die Evolution sein.
Ja, Jörn.
Du hast natürlich wie immer Recht.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Mo 21. Mai 2018, 16:46

Glaubst du beschriebe Zettel gab es bevor es uns gab? In dem Beitrag war Zettel keineswegs metaphorisch gemeint, falls du das denkst.




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Jörn Budesheim
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Mo 21. Mai 2018, 17:16

Alethos hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 16:28
Selbstverständlich kommen wir nicht umhin, unseren Wissensbegriff anzuwenden, um das, was Wissen ist, zu analysieren, aber dabei darf nicht schon feststehen, dass die Bedingungen unserer Erkenntnis- und Wissensbegriffe bestimmend sind für den Wissensbegriff überhaupt. Das wäre in der Tat so, als würden wir von unsereren physiologischen Bedingungen auf eine Unfähigkeit überhaupt schliessen, unter Wasser zu atmen.
Die Medaille hat zwei Seiten. Wenn wir paradigmatisch das in den Blick nehmen, was die "nicht-diskursiven Tiere" tun (wie Brandom sie nennt) dann laufen wir Gefahr, das spezifische unseres Wissens aus dem Blick verlieren. Und umgekehrt, wenn wir uns auf uns zu sehr auf uns selbst fokussieren, dann könnte es passieren, dass wir die Leistung der Tiere, die nicht so wie wir sprechen, falsch taxieren. Wenn wir jedoch bereits Toastern Wissen zubilligen wollen, dann weiß ich nicht, wie wir mit einem solchen Begriff unsere Praxis des Geben und Nehmens von Gründen einfangen wollen. Wir müssen einfach viele Bälle im Spiel halten.

Auf was gründet der Wunsch eigentlich für das Verschiedene einen vereinheitlichenden Begriff zu finden?




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Herr K.
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Mo 21. Mai 2018, 17:54

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 17:16
Wenn wir jedoch bereits Toastern Wissen zubilligen wollen, dann weiß ich nicht, wie wir mit einem solchen Begriff unsere Praxis des Geben und Nehmens von Gründen einfangen wollen.
Es ist allerdings gerade strittig, ob der Begriff "Wissen" ein Geben und Nehmen von Gründen impliziert, mit anderen Worten: ob Wissen notwendigerweise die Fähigkeit beinhalten muss, das Wissen begründen zu können. Ich z.B. meine das nicht. Daher muss mE hier gar nicht unsere o.g. Praxis eingefangen werden.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 17:16
Auf was gründet der Wunsch eigentlich für das Verschiedene einen vereinheitlichenden Begriff zu finden?
Es geht doch hier darum, den Begriff "Wissen" zu inspizieren. Nach meiner Intuition ist es z.B. so, dass ein Eichhörnchen wissen kann, wo es seine Nüsse vergraben hat. Anders gesagt: es geht darum, zu untersuchen, was "Wissen" bedeutet, und nicht darum, neue Begriffe zu finden.




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Mo 21. Mai 2018, 17:56

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 17:16
Auf was gründet der Wunsch eigentlich für das Verschiedene einen vereinheitlichenden Begriff zu finden?
Tatsächlich, wir sollten mehrere Bälle im Spiel halten und uns mit den Besonderheiten der Wissensbedingungen auseinandersetzen. Da bin ich sehr dafür.

Der Wunsch, einen allgemeinen Wissensbegriff zu finden, gründet auf dem vorgelagerten Ziel, die Threadfrage zu beantworten. Nur wenn wir wissen, was Wissen ist, können wir die Frage beantworten: Ob die Antwort 'Ja', 'Nein' oder 'unter Umständen, ja' lautet, das wird sich erst dann zeigen können. Ich würde aber nicht wollen, dass wir den Besonderheiten Gewalt antun durch die Rohheit eines erzwungenen Grundbegriffs. Wir sollten nach mehreren Optionen Ausschau halten.



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Mo 21. Mai 2018, 18:23

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 13:56
Das ganze in Kurz: Irgendwo liegt ein Zettel Rum. Da steht drauf: "Ich bin deine Information." Das steht zwar die ganze Zeit drauf und ist auch ansich da. Aber damit es für jemanden eine Information ist, muss sie eben jemand lesen.
Deine implizite Behauptung ist, dass es sich bei der biologischen Evolution nicht um eine Weitergabe von Informationen handeln kann, da ja niemand da ist, der liest. Wo kein Leser, da keine Informationsübermittlung.
Nach gängiger Meinung werden bei der biologischen Evolution aber Informationen weiter gegeben.
Wiki hat geschrieben : Die Vererbung (selten auch: Heredität, abgeleitet von lateinisch hereditas, deutsch ‚Erbe‘, vgl. englisch heredity) ist die Weitergabe von materiellen „Erbanlagen“ von einer Generation von Lebewesen an ihre Nachkommen, die bei diesen ähnliche Merkmale und Eigenschaften wie bei den Vorfahren bewirken und hervorbringen. Materielle Grundlage der Erbanlagen ist die DNA, die Erbsubstanz der Zellen, der kleinsten Einheiten aller lebenden Organismen. Diese Erbanlagen werden heute normalerweise mit den Genen gleichgesetzt, so dass die Ausdrücke Gen und Erbanlage mehr oder weniger synonym sind.

Die biologische Wissenschaft, die sich mit der biochemischen Informationsspeicherung und den Regeln ihrer Übertragung von Generation zu Generation befasst, ist die Genetik.
Quelle
Zuletzt geändert von Tosa Inu am Mo 21. Mai 2018, 18:31, insgesamt 1-mal geändert.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mo 21. Mai 2018, 18:31

Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 18:23
Nach gängiger Meinung wird bei der biologischen Evolution aber Informationen weiter gegeben.
Auch aus diesem Grunde habe ich heute morgen das Zitatemix gebracht, um zeigen, dass ich dazu keine gängige Meinung gibt. Ich schließe mich in dieser Hinsicht Peter Janich an.




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Jörn Budesheim
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Mo 21. Mai 2018, 18:35

Herr K. hat geschrieben :
Mo 21. Mai 2018, 17:54
Anders gesagt: es geht darum, zu untersuchen, was "Wissen" bedeutet, und nicht darum, neue Begriffe zu finden.
Vielleicht können wir uns auf folgendes einigen? Es ist besser die Begriffe den Tatsachen anpassen, als die Tatsachen in Begriffe zu zwängen, die nicht gut passen.




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