Können Apps etwas wissen?

Es gibt heute kaum Bereiche des alltäglichen Lebens, die nicht in irgendeiner Weise mit dem World-Wide-Web zusammenhängen. Das Gleiche gilt für "künstliche Intelligenz". Was hat die Philosophie dazu zu sagen?
Tosa Inu
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Sa 26. Mai 2018, 11:07

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 10:40
Herr K. hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 10:22
Wieso produzieren nur Bären etwas im Schnee, das wie Bärenspuren aussieht?
Bei einem Blick, auf das was du selbst zitiert hast, wirst du leicht feststellen, dass dort etwas völlig anderes behandelt wird.
Inwiefern?
Herr K. hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 10:22
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 25. Mai 2018, 07:06
In unserem Alltagsverständnis verwenden wir den Begriff genau so, wie du es darstellst: Information kann falsch sein. Nun gibt es allerdings Informationsbegriffe, die von diesem Alltagsverständnis abweichen. Dazu hab ich vor wenigen Seiten ein paar Zitate recherchiert und auf die Argumentation von Janich hingewiesen - zumindest soweit ich sie verstanden habe, das Buch liegt mir nicht im Original vor.

Zunächst erst mal (beispielhaft) der Text von Detel:
Wolfgang Detel, in Grundkurs Philosophie, Band 3, Philosophie des Geistes und der Sprache hat geschrieben : [...]

Bärenspuren im Schnee sind beispielsweise natürliche Zeichen dafür, dass Bären über den Schnee gelaufen sind, denn Bären, und nur Bären, produzieren naturgesetzlich Bärenspuren im Schnee. [...]



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Sa 26. Mai 2018, 11:25

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 11:07
Inwiefern?
Das hast du doch gerade selbst zitiert: Bärenspuren im Schnee sind beispielsweise natürliche Zeichen dafür, dass Bären über den Schnee gelaufen sind, denn Bären, und nur Bären, produzieren naturgesetzlich Bärenspuren im Schnee. [...] Dort ist von Bärenspuren die Rede, aber nicht von etwas was möglicherweise bloß so aussieht. Dass allein Bären Bärenspuren produzieren, ist im übrigen eine simple begrifflichen Wahrheit. Bärenfußatrappen produzieren eben keine Bärenspuren, sondern nur etwas, was möglicherweise so aussieht.

Die Bärenspur trägt die Information, von einem Bar zu stammen. Ob ein Spurenleser, das korrekt liest, ist nicht der Punkt. Denn die Unmöglichkeit der Fehlrepräsentation liegt bei der Spur und nicht beim Fährtenleser. Der Bärenspur ist es unmöglich nicht vom Bär zu sein, sie kann keine Fehlrepräsentation einer Bärenspur sein.




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Jörn Budesheim
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Sa 26. Mai 2018, 11:38

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Mai 2018, 12:25
Treten wir noch mal einen Schritt zurück und fragen, welches Problem die Forderung nach der Begründung des Wissens lösen sollte: Jemand mag zwar eine Ansicht haben, die sogar das Privileg besitzt, wahr zu sein, aber das bedeutet noch nicht automatisch, dass wir von einem Wissen sprechen können. Wer einfach rät, wie die Lottozahlen lauten, hat auch dann kein Wissen, wenn er richtig liegt. Wer nur zufällig richtig liegt, hat kein Wissen. Diese und ähnliche Fälle sollten in der Definition ausgeschlossen werden. Nun gehört implizites Wissen aber nicht zu den Fällen der geratenen oder ganz zufälligen wahren Ansichten. Es bietet sich daher nicht an, sie damit in einen Topf zu werfen.

Nehmen wir ein weiteres Problem, das vielleicht sogar noch gravierender ist. Wie steht es nämlich um die logischen Formen? Wie wollten wir sie begründen, ohne sie nicht schon voraus zu setzen? Unsere logischen Intuitionen lassen sich nicht ohne weiteres begründen. Dieses intuitive Wissen ist ein »nicht-inferenzielles Wissen. "Nicht-inferenziell" heißt: Wir leiten unsere Urteile nicht von anderen Urteilen ab, sondern erfassen die Wahrheit dieser Urteile direkt. Wir können also aus prinzpiellen Gründen, implizites und intuitives Wissen nicht per se aus dem Bereich des Wissens ausschließen, da wir sonst überhaupt kein Wissen hätten, denn an diesen Grundformen hängen auch viele andere Formen.

Vielleicht können wir hier sogar die Richtung umkehren: Nichts und niemand, dass nicht über diese Grundfertigkeiten zumindest in einem gewissen Ausmaß verfügt, kann jemals etwas wissen.

Die Forderung nach Begründungen bewegt sich also immer schon in diesem Rahmen, denke ich. Wobei meines Erachtens wichtig ist, zu sehen, dass die Fähigkeit etwas zu begründen keineswegs einheitlich sein kann oder muss: Je nach Wissensbereich können ganz und gar erschiedene Fertigkeiten gefragt sein.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Mai 2018, 12:25
Nur verstehe ich "gerechtfertigt" nicht so wie anscheinend Du. Nehmen wir an, P weiß x. X sei wahr - das erscheint mir hier relativ unproblematisch zu sein. Nun ist die Frage, wann x gerechtfertigt ist. Das ist meiner Ansicht nach dann der Fall, wenn x gerechtfertigt werden könnte. D.h. diese hypothetische Möglichkeit reicht hier aus, es ist jedoch mE nicht erforderlich, dass P diese Rechfertigung tatsächlich vorbringt oder sie vorbringen könnte, wie Du anscheinend meinst. Das aber wäre mE eine andere Anforderung an Wissen, das könnte man dann ungefähr so formulieren: "Wissen: wahre Ansicht, die vom Wissenden explizit gerechtfertigt werden kann".




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Herr K.
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Sa 26. Mai 2018, 12:01

Wenn Du jedoch nicht meinst, dass das "gerechtfertigt" in "wahre, gerechtfertigte Meinung" bedeute, dass der Wissende sein Wissen explizit müsse rechtfertigen können, dann verstehe ich nicht, wie Du darauf kommst, dass "gerechtfertigt" hier eingezogen werde.




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Herr K.
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Sa 26. Mai 2018, 12:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 11:25
Der Bärenspur ist es unmöglich nicht vom Bär zu sein, sie kann keine Fehlrepräsentation einer Bärenspur sein.
Klar, wenn man "Information" so definiert, dass nur wahre Information Information sei, dann kann es definitionsgemäß keine falsche Information geben. Was aber hat das mit unserer Diskussion hier zu tun?




Tosa Inu
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Sa 26. Mai 2018, 12:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 11:25
Das hast du doch gerade selbst zitiert: Bärenspuren im Schnee sind beispielsweise natürliche Zeichen dafür, dass Bären über den Schnee gelaufen sind, denn Bären, und nur Bären, produzieren naturgesetzlich Bärenspuren im Schnee. [...] Dort ist von Bärenspuren die Rede, aber nicht von etwas was möglicherweise bloß so aussieht. Dass allein Bären Bärenspuren produzieren, ist im übrigen eine simple begrifflichen Wahrheit. Bärenfußatrappen produzieren eben keine Bärenspuren, sondern nur etwas, was möglicherweise so aussieht.
Okay, danke, jetzt weiß ich, was Du meinst.
Ich dachte, Du seiest der Meinung, das sei von Herr K. falsch zitiert oder interpretiert worden.

Es ist aber dann auch so, wie Herr K. sagt: Informationen die gar nicht falsch sein können, passen nicht zu einer Argumentation, die behauptet, dass Informationen falsch sein können.

Man könnte höchstens sagen (was glaube ich auch stimmt) dass es bestimmte Informationen gibt, die nicht falsch sein können und bestimmte, bei denen man sich irren kann, oder sie bewusst falsch gegeben sein können. Normalerweise kann man gegen die Regeln, die man sich als Gesellschaft selbst gibt (z.B. Moral. evtl. Mathematik) verstoßen, gegen jene, die naturgegeben sind, nicht.
Nur muss eben der Zusammenhang geklärt werden, zwischen denen die naturgegeben sind und jenen, die es eventuell nicht sind.
Das kennen wir aus den Diskussionen ums Hirn.



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Jörn Budesheim
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Sa 26. Mai 2018, 12:51

Herr K. hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 12:03
Was aber hat das mit unserer Diskussion hier zu tun?
Tosa Inu hat geschrieben : Information ist m.E. stets ein breiter Begriff gewesen, aus Physik, Informationstechnik, Biologie, Psychologie, Soziologie und Philosophie
Das hat was mit der Diskussion zu tun, weil der Begriff Information von Alethos in die Diskussion eingeführt wurde. Und dieser Begriff umfasst den der "natürlichen Information" sowie etliche andere. Da diese Begriffe hochgradig verschiedenes bedeuten können, ist es angezeigt sie zu differenzieren.




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Jörn Budesheim
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Sa 26. Mai 2018, 12:55

Herr K. hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 12:01
Wenn Du jedoch nicht meinst, dass das "gerechtfertigt" in "wahre, gerechtfertigte Meinung" bedeute, dass der Wissende sein Wissen explizit müsse rechtfertigen können, dann verstehe ich nicht, wie Du darauf kommst, dass "gerechtfertigt" hier eingezogen werde.
Abgesehen davon, dass das eine falsche Paraphrase meines Textes ist: Wenn man beispielsweise den Begriff der natürlichen Informationen nutzt, dann zieht man damit z.b. automatisch den der Rechtfertigung ein. Eine Bärenspur nach der Rechtfertigung der "Informationen", die Sie bereithält, zu fragen wäre reichlich seltsam ...




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Jörn Budesheim
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Sa 26. Mai 2018, 13:19

Herr K. hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 12:03
Klar, wenn man "Information" so definiert, dass nur wahre Information Information sei, dann kann es definitionsgemäß keine falsche Information geben.
Wenn du dir das Zitat noch einmal in Ruhe anschaust, wird dir sofort auffallen, dass der Autor das gar nicht tut. Er erläutert nämlich über einen spezifischen Informationsbegriff und nicht Information überhaupt.




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Sa 26. Mai 2018, 13:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 12:55
Herr K. hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 12:01
Wenn Du jedoch nicht meinst, dass das "gerechtfertigt" in "wahre, gerechtfertigte Meinung" bedeute, dass der Wissende sein Wissen explizit müsse rechtfertigen können, dann verstehe ich nicht, wie Du darauf kommst, dass "gerechtfertigt" hier eingezogen werde.
Abgesehen davon, dass das eine falsche Paraphrase meines Textes ist:
Das ist überhaupt keine Paraphrase Deines Textes, sondern enthält eine Annahme adrüber, was Du nicht meint. Ist diese Annahme nicht korrekt?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 12:55
Wenn man beispielsweise den Begriff der natürlichen Informationen nutzt, dann zieht man damit z.b. automatisch den der Rechtfertigung ein. Eine Bärenspur nach der Rechtfertigung der "Informationen", die Sie bereithält, zu fragen wäre reichlich seltsam ...
Aber Du bist doch hier der Einzige, der den Begriff der "natürlichen Information" benutzt. Mir war er so bislang noch nicht mal bekannt.

Jedoch hat Information auch nach meiner Ansicht nichts mit Rechtfertigung zu tun - Information ist ja nicht Wissen.




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Jörn Budesheim
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Sa 26. Mai 2018, 14:07

Herr K. hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 13:55
Aber Du bist doch hier der Einzige, der den Begriff der "natürlichen Information" benutzt.
Ich versuche herauszufinden, welche verschiedene Informationsbegriffe hier im Spiel sind. Alethos, der den Begriff hier ins Spiel gebracht hat, fand diese Vorgehensweise im übrigen nicht verkehrt. Beispiele für verschiedene Verwendungen habe ich gebracht. Das ist meines Erachtens ein typisches Verfahren bei philosophischen Erörterungen, um nicht Äquivokationen aufzusitzen. So etwas führt nämlich sehr leicht zu Fehlschlüssen, wie du sicherlich weißt.




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Sa 26. Mai 2018, 14:44

Gut, dann wissen wir jetzt, dass niemand von uns hier auf den Begriff der natürlichen Information sonderlich scharf ist.
Information, so sind wir uns ebenfalls einig, kann wahr oder falsch sein.
Ferner ist sie eine kleinere Einheit des Wissens.

Wissen wäre demnach, wenn man Wissen bottom up verwenden möchte, aktiv und situationsadäquat, auf 'Anfrage' über Informationen zu verfügen und auf diese in Wort (Begründung) und/oder Tat (Herzeigen, Fähigkeit) verfügen zu können.

Ist das als Zwischenergebnis brauchbar oder gibt es Einwände?



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Jörn Budesheim
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Sa 26. Mai 2018, 14:57

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 14:44
Gut, dann wissen wir jetzt, dass niemand von uns hier auf den Begriff der natürlichen Information sonderlich scharf ist.
Welche Art von "Information" ist denn deiner Ansicht nach genetische Information?




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Sa 26. Mai 2018, 15:40

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 14:57
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 14:44
Gut, dann wissen wir jetzt, dass niemand von uns hier auf den Begriff der natürlichen Information sonderlich scharf ist.
Welche Art von "Information" ist denn deiner Ansicht nach genetische Information?
Ich würde mit diesen Kategorien gar nicht arbeiten, da sie vermutlich zwingend wieder in Probleme führt, wenn man Erbinformationen mit Appinformationen zusammenbringen will, da wir dann wieder bei technisch vs. biologisch sind und dann klären müssten, ob Technik nicht auch 'natürlich' ist, da sie ja nicht gegen Naturgesetze verstößt (sondern sich ihrer bedient) und was überhaupt nichtnatürliche Informationen sein könnten, da ja ebenfalls weder die Theorie A noch B gegen die Naturgesetze verstößt usw.

Mein Vorschlag aus meiner Antwort an Tommy war:
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 08:16
Ich würde bei der Frage nach Wissen, den Blick auf die logische Operation richten: Zuverlässig, auf Anforderung das Richtige in einem bestimmten Kontext zu tun, ist m.E. das Ausführen einer „Wenn, … dann …“ Operation, zu der die Fähigkeit zu Unterscheiden gehört.
Diese Eigenschaften kennzeichnen m.E. in gleicher Weise die Eigenschaften einer App und die Verhaltensweise einiger Tiere, vor allem, wenn in ihnen eine bestimmte komplexe Reaktion auf einen Schlüsselreiz hin bis zum Ende ausgeführt wird, d.h. das Verhalten nicht gestoppt werden kann, wenn der Reiz nicht mehr vorhanden ist.
Nun hat man die Möglichkeit zu sagen, dass das Tier weiß, was es tut, da es ja kann, was es tut, aber man könnte auch sagen, es weiß nicht, was es tut, weil es ja sein Verhalten im Grunde sinnloserweise durchzieht.

Falls also irgendwo hier der heikle Punkt liegt, der einen automatisierten Prozess vom feiner unterscheidenden Wissen trennt, dann hieße die Lösung an der Stelle so in etwa, schneller in Kaskaden eingreifen zu können, also in der Reaktion noch einmal reagieren zu können, also ein (oder mehrere) Ausfahrt(en) mehr zu haben. Nun wäre hier die kritische Frage, ob das nicht mit einem weiteren, denkbar simplen Algorithmus im Algorithmus zu ‚programmieren‘ wäre. Einfach eine Kontrollschleifen, nach einem definierten Schritt, der sagt: Wenn Reiz noch da, dann weiter, oder: Wenn Reiz weg, dann Ende. Ist es das, was Wissen ausmacht?

Also liegt Wissen vielleicht doch noch etwas oberhalb dessen, aber wenn wir uns mal das Verhalten vom impliziten Wissen des Chefoperateurs anschauen: Was ist dort prinzipiell anders, als dass in den Algorithmus, einfach ein paar mehr Kontrollschleifen eingebaut sind?
Oder noch stärker: Was ist bei dem Begründen einer Aussage oder Handlung eigentlich anders, als dass man einer Aktion den Algorithmus hinzufügt: ‚Wenn Aktion oder Aussage, dann begründen‘?
Bevor man lautstark Einspruch und sagt: „Ja ist doch klar, wer begründen kann, der weiß genau was er tut“, denken wir noch mal einen Moment an Freud, den ich nicht umsonst, oder weil ich so gerne über Freud schreibe, ins Spiel brachte. Freud stellt in aller ihm eigenen knochentrockenen Nüchternheit fest, dass wir alle sehr gerne mal Begründungen geben, die uns als vermeintlichen Urheber einer Handlung ausweisen, aber dass das nicht stimmt. Sein Begriff: Rationalisierung. Seine Erklärung: Auch Menschen, die nachweislich, unter Hypnose einen absurden Befehl suggeriert bekamen und diesen auf ein suggeiertes Zeichen hin posthypnotisch ausführten, behaupten, der Urheber der Handlung zu sein und präsentieren für diese Handlung gute, d.h. plausibel und rational klingenden Gründe. Nur, dass die halt nachweislich falsch sind.
Überzeugt: ja, wahr: nein, gerechtfertigt: Kann man so und so sehen. Wenn ich glaube, was ich für wahr halte, ist meine Überzeugung ja gerechtfertigt.
Da wir aber letztlich nie wissen, was nun wirklich wahr ist, sind die Punkte wahr und gerechtfertigt bei der Definition von Wissen problematisch.



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Alethos
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Sa 26. Mai 2018, 15:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 25. Mai 2018, 07:06
Nach meiner Sichtweise hat @'Alethos' in die Diskussion einen neuen Begriff eingeführt, der nach meinem bisherigen Verständnis von dem abweicht, was wir zuvor diskutiert haben. In unserem Alltagsverständnis verwenden wir den Begriff genau so, wie du es darstellst: Information kann falsch sein.
Eine Information kann nur falsch sein, wenn sie über etwas anderes etwas aussagt, das über dieses nicht wahr ist. Falsche Information kann es nur in einem korrespondierendem Sinn geben, d.h. in einem Bedeutungskonnex, durch den gegeben ist, was Fakt und was nicht Fakt ist. Und es kann sie nur geben als dieser Faktizität zuwiderlaufende Bedeutung in Form einer Aussage.
Eine falsche Information kann es aber nie geben unter Ausblendung dieses korrespondenztheoretischen Horizonts. Denn über eine existierende Information, die an sich ist und über die nie etwas ausgesagt wird, was nicht der Fall ist, kann nicht sein, dass etwas über sie falsch wäre, sofern nichts über sie ausgesagt wird, was falsch ist. Falschheit ist eindeutig eine Folge von Aussagen in korrespondenztheoretischem Sinn. Falschheit in einem realistischen Sinn kann es aber auch geben, wenn eine Finalität als Bestimmung oder Bestimmtheit gesetzt wird oder gesetzt ist, und diese Bestimmung nicht erfüllt wird. Falschheit gibt es also auch in teleologischem Sinn als nicht Erreichen eines gesollten Zustands. Wenn es gesollt ist, dass der Baum in die Höhe wächst, er aber seitlich wächst, dann hat hier eine Irregularität stattgefunden, eine Falschheit durch Abweichung vom Sollen. Aber nirgends über dieses Sollen hinaus gibt es Falschheit der Information, denn sofern sie Information ist, ist sie wahr und in diesem Sinne weder richtig noch falsch, sondern nur wahr.

Und mich irritiert, dass du dich durch Leugnung dieses Umstands, dass Information für sich genommen nur wahr sein kann, vom ontischen Wahrheitsbegriff abwendest, den du zuvor vehemment verfochten hattest. :)

Wenn nämlich eine Wahrheit völlig unbesehen von der Tatsache einer korrespondierenden Aussage bestehen kann, in Form, dass etwas über etwas als wahr gilt, dann gilt dies über die Information ebenso. Eine Information ist immer wahr, sofern sie ist, denn in ihrem Sein ist sie immer positiv bestimmt, dann weder richtig noch falsch, aber seiend. Und darum gibt es auch bei der Information eine ontische Dimension, die immer wahr ist.

Und darum, weil Information für sich genommen immer wahr ist, und nie falsch sein kann, kann eine Informtion als Information nicht disqualifiziert durch den Hinweis auf die fehlende Polarität von richtig und falsch. Nur deshalb, weil eine Information nicht richtig oder falsch sein kann, disqualifiziert sie das nicht vom Informationsein, was du aber suggerierst. Und als Information ist sie Trägerin von Wissen, nämlich von jenem Informationsgehalt, durch den sie diese Information ist.

Ich gebe zu, dass eine Information in dieser Lesart eine sehr wenig dimensionale Geschichte ist, sie ist nur ein Signal, ein Anstoss, eine informative Kraft. Aber diese Information, da sie nur informierend wirkt und über nichts weiter informiert, als über das, was sie bewirkt, kann sie nicht falsch sein. Dass sie aber nicht falsch sein kann, heisst nicht, dass sie nicht Wissen sein kann, denn auch dieses ist nicht bestimmt durch ein Falschsein, sondern allein durch das Wahrsein.



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Sa 26. Mai 2018, 16:03

@ 'Alethos'

Für mich wäre Wahrheit tatsächlich immer nur eine Eigenschaft von Aussagen, nicht von Sein (oder Seiendem).
Ich dachte im Gabriel-Thread hätten wir das breiter zurückgewiesen, aber da habe ich mich wohl falsch erinnert.

Wenn Information immer wahr ist, wie kommt es dann Deiner Meinung nach zum Irrtum, also Unwissen?



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Sa 26. Mai 2018, 16:08

future06 hat geschrieben :
Fr 25. Mai 2018, 10:38
"Meine Kritik daran lautete: Information kann falsch sein."

Ja, denn Bärenspuren können auch gefälscht sein.

Bärenspuren im Schnee sind also notwendige Bedingungen für im Schnee gelaufene Bären, aber keine hinreichenden.
Darum kann Information nie falsch sein: Eine Bärenspur im Schnee, die nicht von einem Bär im Schnee gezeichnet wurde, ist eben keine Bärenspur, sondern nur Fake News.

Und eine Lüge kann, wenn man sie isoliert betrachtet, keine Falschinformation sein, sondern nur mit Bezug auf eine Tatsache, die sich anders verhält, kann sie eine falsche Information sein.



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Sa 26. Mai 2018, 16:13

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 16:03
@ 'Alethos'

Für mich wäre Wahrheit tatsächlich immer nur eine Eigenschaft von Aussagen, nicht von Sein (oder Seiendem).
Ich dachte im Gabriel-Thread hätten wir das breiter zurückgewiesen, aber da habe ich mich wohl falsch erinnert.

Wenn Information immer wahr ist, wie kommt es dann Deiner Meinung nach zum Irrtum, also Unwissen?
Ich hatte mich dort tatsächlich für einen solchen aussagelogischen Wahrheitsbegriff eingesetzt, zu Beginn jedenfalls eindringlich. Und Jörn hatte sich für einen ontischen Wahrheitsbegriff stark gemacht. Vielleicht haben wir Jörn damals überzeugt, dass Wahrheit nur ist, wo Menschen (resp. Aussagen) sind. Ich bezweifle das aber :)

Ich bin heute jedenfalls der Meinung, nach reiflicher Überlegung, dass Wahrheit keine Korrespondenz braucht, um zu sein. Denn es ist alles auch dann wahr, wenn niemand von uns ist. Das ist induktiv geschlossen, weil empirisch erwiesen :)



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Sa 26. Mai 2018, 16:25

Alethos hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 16:13
Ich bin heute jedenfalls der Meinung, nach reiflicher Überlegung, dass Wahrheit keine Korrespondenz braucht, um zu sein. Denn es ist alles auch dann wahr, wenn niemand von uns ist. Das ist induktiv geschlossen, weil empirisch erwiesen :)
Im Fall der Korrespondenztheorie wissen wir vieles nicht, im Fall der ontischen Wahrheitstheorie wäre alles wahr, was ist, auch die Lüge.
Kann Wissen dann überhaupt noch wahre, gerechtfertigte Überzeugung sein?

Na gut, davon ab, wollen wir ja klären, ob die App was weiß.



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Sa 26. Mai 2018, 16:31

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 16:03
Wenn Information immer wahr ist, wie kommt es dann Deiner Meinung nach zum Irrtum, also Unwissen?
Irrtum und Unwissen sind nicht dasselbe.

Irrtum ist das nichtvorhanden Sein von Wahrheit mit Bezug auf eine Ansicht. Eine Ansicht, die nicht wahr ist, weil sie etwas zum Inhalt hat, das so nicht der Fall ist, irrt. Ansichten sind dabei eine Fülle von Aussagen über die Welt und ihre Gegebenheiten. Es können dabei alle Aussagen unwahr sein oder nur einige, wodurch sich der Grad des Irrtums ergibt.

Unwissen ist schlicht das nicht zur Verfügung haben von Information, im Sinne einer nicht vorhandenen Wahrheit. Ich lege hier ganz bewusst die Schwelle für Wissen ganz tief. Auch ein Gen kann wissen, eben in einem sehr rudimentären Sinn von Wissen.

Ich reduziere aber Wissen nicht auf diesen naturalistischen Aspekt, ich glaube, es gibt Wissensformen, die ohne referenzielle Komplexität nicht auskommen, sie entstehen durch semantische Zusammenhänge und nicht durch Syntax. Aber auch Syntax beinhaltet Wissen.
Zuletzt geändert von Alethos am Sa 26. Mai 2018, 16:39, insgesamt 2-mal geändert.



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