Michael Seemann zu Filterblasen, Fake News und Tribalismus

Es gibt heute kaum Bereiche des alltäglichen Lebens, die nicht in irgendeiner Weise mit dem World-Wide-Web zusammenhängen. Das Gleiche gilt für "künstliche Intelligenz". Was hat die Philosophie dazu zu sagen?
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Jörn Budesheim
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Sa 2. Jun 2018, 09:00

Michael Seemann zu Filterblasen, Fake News und Tribalismus

Michael Seemann ist laut Wikipedia ein deutscher Kulturwissenschaftler, Sachbuchautor und Journalist. In dem Text, um den es in diesem Thread gehen soll, argumentiert er, dass “Fake News” und “Filterblasen” Erscheinungsweisen eines tieferliegenden Phänomens sind, das er “digitalen Tribalismus” nennt.

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Filterblase, Fake News und Tribalismus

Filterblasen: Nach Ansicht des Autors und Netzkritikers Eli Pariser werden wir im Netz zunehmend in sogenannte "Filter-Blasen" eingeschlossen. Diese Filterblasen entstehen nach seiner Analyse, weil uns Google, Facebook & Co nur noch mit Informationen “füttern”, die mit unserem Profil übereinstimmen.

Fake News: Der Begriff hat sich zu einem politischen Kampfbegriff ("You are Fake News") entwickelt. Laut Duden steht er „umgangssprachlich für in den Medien und im Internet, besonders in den Social Media, in manipulativer Absicht verbreitete Falschmeldungen.”

Michael Seemann steht (wie viele Experten) dem Begriff Filterblase im obigen Sinn skeptisch gegenüber. Seine eigene Analyse bietet eine alternative Erklärung, die eine gewisse Ähnlichkeit hat mit einem Vorschlag von @'Tosa Inu', den wir hier diskutiert haben > https://www.dialogos-philosophie.de/vie ... 558#p15558

Auch einige verbreitete Vorstellungen, was Fake News sind, teilt Seemann nicht: "Fake News sind nicht, wie es oft angenommen wurde, die Produkte sinisterer Manipulatoren, die damit die Öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung lenken wollen. Sie sind vielmehr das Futter für bestätigungshungrige Stämme. Die Nachfrage macht hier das Angebot, nicht andersrum."

Tribalismus: Damit ist gleich der nächste entscheidende Begriff gefallen: “Stämme". “Tribalismus (Stammestum, englisch tribalism) bezeichnet eine Sichtweise der (gesamten) Gesellschaft als eine Menge kleinerer Gemeinschaften, der Stämme.” (Wikipedia)

Verantwortlich für die Verbreitung von Fake News ist nach Ansicht von Seemann der Wunsch von Menschen, ihren Identitätsrollen - ihrer Stammeszugehörigkeit - gerecht zu werden. Was gut für den Stamm und seinen Zusammenhalt ist, das ist auch wahr. “Der Psychologe Dan M. Kahan spricht von einer "Identity Protective Cognition", einer Identitätsbeschützenden Kognition, einer Art evolutionionsbedingtem Defekt im menschlichen Gehirn, der bewirkt, dass wir immer der Wahrheit der eigenen Gruppe folgen und die Wahrheit der gegnerischen Gruppe ablehnen. "Gut für uns" und "Wahr" werden eins.” (Seemann)

Nach Seemann ist das Phänomen in Amerika allgegenwärtig, doch auch in Deutschland greift es um sich. Seemann hat dazu die Netzwerkstrukturen von Twitteraccounts untersucht, die Fake News verbreiten: “Leute, die Fake News verbreiten sind vom Rest des Netzwerkes abgekoppelt und folgen sich fast ausschließlich untereinander. Bei der Analyse ihrer Tweets wurde ersichtlich, dass sie ein konzentriertes, geschlossenes Weltbild unterhalten [...] Technische und sozialpsychologische Prozesse greifen ineinander und generieren einen "digitalen Stamm".

Hier geht es zu dem Artikel > http://www.ctrl-verlust.net/digitaler-t ... fake-news/




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Jörn Budesheim
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Sa 2. Jun 2018, 10:30

Alethos hat geschrieben :
Fr 9. Mär 2018, 18:44
Ohne Recherche und ohne Einsatz gelangt man nie genug tief, um ein einigermassen objektives Bild zu erhalten, da scheint es vordergründig einfacher zu sein, die präsentierte Wahrheit als solche hinzunehmen, denn die Hinterfragung bedeutet in der Regel Investition.
Tommy hat geschrieben :
Sa 10. Mär 2018, 10:51
Es ist einfacher irgendeinen Blödsinn nachzuplappern.
Seemann dreht mit seinem Ansatz die Erklärungsrichtung sozusagen um, vereinfacht gesagt. Nicht die Leute plappern nach oder werden geködert, sondern die Leute haben einen Bedarf an Fake-News, welche ihr eigenes Weltbild stützen sollen. Und für jede Nachfrage gibt es auch ein Angebot. "Die Nachfrage macht hier das Angebot, nicht andersrum." Mittlerweile gibt es laut Seemann sogar entsprechende Portale, die Fake News als Wikipedia-Alternative verbreiten, um diese Nachfrage zu saftigen: Zum Beispiel Conservapedia und Infogalicatic. (Beide sind/waren mir bisher unbekannt.)




scilla
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Sa 2. Jun 2018, 11:16

bis vor ein paar Jahren noch standen am Bahnhofskiosk
mehrere Musikzeitschriften zur Auswahl,
die sich jeweils auf eine einzige Musikrichtung spezialisiert hatten
(z. B. Reggae, Schwermetall, Gothic, DJ-Mukke ...)

Kennzeichen all dieser Zeitschrfiten war,
daß man nicht über den Tellerrand geschaut hat

wenn es also Musik gab,
die zwar den Lesern gefallen hätte,
die aber unter einem anderen Etikett lief,
wurde darüber nicht berichtet

die FANS sollten weiterhin streng ihren Führern huldigen
und deren Sonderauflagen kaufen,
anstatt sich auf die Suche nach Neuem zu machen

jeder FAN ATISMUS muss gefüttert werden




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Jörn Budesheim
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So 3. Jun 2018, 06:13

Blaue Wolke, roter Knoten

Anfang März dieses Jahres war auf Twitter große Aufregung. Die Bundesregierung habe klammheimlich eine Reisewarnung für Schweden herausgegeben, so hieß es in verschiedenen Tweets. Die Bundesregierung und die Medien würden das aber verschweigen, denn es ginge um erhöhte Terrorgefahr. Viele waren sich einig: Das soll aus politischen Gründen totgeschwiegen werden.

[...]

Was Anfang März geschah, passt gut in das Raster der sogenannten „Fake News“. Also Nachrichten, die quasi aus der Luft gegriffen sind, sich aber durch ihre vermeintliche Brisanz viral im Netz verbreiten. Vor allem im rechten Spektrum gehören sie heute zur Normalität im Netz.

Der Datenjournalist Michael Kreil schaute sich den Fall genauer an. Er wollte wissen, wie sich Fake News verbreiten und ob die Richtigstellungen ein geeignetes Gegenmittel sind. Er holte sich die Twitterdaten von allen Accounts, die zu dem Thema etwas geschrieben hatten, und markierte die Tweets mit Fake News rot und die Tweets mit Richtigstellungen blau. Dann ordnete er die Accounts zueinander so an, dass sie Aufschluss über die Vernetzungsdichte geben. Wenn zwei Accounts sich gegenseitig folgen und/oder den selben Leuten folgen oder von den selben Leuten gefolgt werden, werden sie nah beieinander dargestellt. Je näher Punkte einander sind, desto enger sind diese vernetzt. Die Größe der Punkte entspricht der Anzahl von Followern, die der Account erreicht.


Bild


Das Ergebnis ist erstaunlich: Statt eines großen Netzwerks sehen wir zwei fast komplett voneinander getrennte Netzwerke. Diese Trennung wird einerseits durch die Farben deutlich und gleichzeitig durch die Anordnung der Accounts zueinander. Auf der linken Seite sehen wir eine recht weit gestreute, blaue Wolke, die sich nach außen hin zerfastert. Dazu sehen wir recht dicht zueinander stehend mehrere große blaue Punkte. Das sind die Massenmedien wie Spiegel Online, Zeit Online, Tagesschau und so weiter. Die blaue Wolke sind alle Accounts, die die Richtigstellungen veröffentlicht oder retweetet haben.

Auf der rechten Seite sehen wir einen stärker konzentrierten, dafür etwas kleineren, roten, nach außen ausfransenden Knoten. Es ist ein Knoten aus vielen Punkten, die sehr eng beieinander liegen. Das sind die Fake-News-Verbreiter. Sie sind nicht nur sehr eng vernetzt, sondern auch vernetzungstechnisch fast komplett abgeschnitten von der großen, blauen Wolke.

Das Entscheidende ist die deutliche Trennung der roten von der blauen Gruppe. Es findet praktisch gar kein Austausch statt. Jede Gruppe verharrt bei der von ihr verbreiteten Wahrheit.

[...]

www.ctrl-verlust.net/digitaler-tribalis ... fake-news/




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Alethos
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So 3. Jun 2018, 12:41

Ganz eindrücklich, wie sich der Parallelismus der beiden Informationswelten grafisch darstellt. Die beiden 'Knoten-Wolken' bilden zwei mediale Alternativuniversen ab, in welchen in dem einen Universum alles wahr wird, weil es geglaubt werden will, und in dem anderen alles geglaubt werden kann, sofern es wahr ist. Es stehen sich Kritische und Unkritische unversöhnlich gegenüber, wenigstens netzwerktechnisch gesehen.

Diese 'Hauptstämme der Wahrheit', der wirklichen und der erfundenen Wahrheit, bilden ein spannungsgeladenes Reservoir an Soldaten in einem Informationskrieg, wobei die Krieger der FakeNews-Armee nichts zu gewinnen haben. Denn wenn sie sich durchsetzen und 'gewinnen', wird es nur noch die FakeNews geben und keine Wahrheit mehr, die sich faken liesse. Und dann gibt es nur noch ein Netzwerk von Lügnern, die sich selbst bekriegen müssen, weil keine Wahrheit verlässliches Maß mehr bilden kann. Die Welt würde implodieren ohne Realismus und damit jede in ihr vorkommende Sozietät. Wir sind daher zur Wahrheit verpflichtet, nicht nur aus soziohygienischen Gründen, sondern aus Gründen ganz existenzialer Lebensbedingungen.
Zuletzt geändert von Alethos am So 3. Jun 2018, 13:05, insgesamt 1-mal geändert.



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Tosa Inu
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So 3. Jun 2018, 12:52

Alethos hat geschrieben :
So 3. Jun 2018, 12:41
Ganz eindrücklich, wie sich der Parallelismus der beiden Informationswelten grafisch darstellt. Die beiden 'Knoten-Wolken' bilden zwei mediale Alternativuniversen, in welchen in dem einen Universum alles wahr wird, weil es geglaubt werden will, und in dem anderen alles geglaubt werden kann, sofern es wahr ist.
Ich vermute allerdings, dass die noch tiefere Wahrheit (in aller Selbstwiderspüchlichkeit) die ist, dass diese beiden Welten strukturell indentisch sind.
Soll heißen, die Bewohner der Fake-Welt werden ihre Nachrichten gar nicht so sehr als Unwahrheiten empfinden, sondern in ihrem Kontext erscheinen die "Fakes" als das, was sogar die wahrscheinlichere Option ist, auch wenn man dabei ein bisschen um die Ecke denken muss.
Aus dieser Sicht lügen dann ohnehin alle, die einen machen es nur geschickter, man selbst lügt zwar auch ein wenig, aber dient damit letztlich der an sich guten Sache.

Die Idee der anderen Welt ist, dass es der guten Sache dient, wenn man versucht sich entlang der Wahrheit zu hangeln, aber die Intention ist dabei ähnlich.
So wie es aussieht, sind diese beiden Lager zwar die aktuell stärksten, aber es gibt noch weitere, vermutlich gibt es hier 4 oder 5 halbwegs bedeutsame Lager.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Alethos hat geschrieben :
So 3. Jun 2018, 12:41
Wir sind daher zur Wahrheit verpflichtet, nicht nur aus soziohygenischen Gründen, sondern aus Gründen ganz existenzialer Lebensbedingungen.
So ist es.
Susan Neiman hat geschrieben : Lügen wird immer mehr zur Normalität, das Vertrauen immer weiter zerstört, und dieser Vertrauensverlust wird wiederum für weitere Lügen ausgenutzt. Als die CIA berichtete, dass russische Hacker 2016 in die US-Wahlen eingriffen, um Trump zum Sieg zu verhelfen, konnte dieser den Bericht höhnisch abweisen: »Das sind dieselben Leute, die sagten, Saddam Hussein hätte Massenvernichtungswaffen.« Berechtigtes Misstrauen zu missbrauchen, um allgemeines Misstrauen so weit zu verbreiten, dass keinen seriösen Untersuchungen mehr geglaubt wird – dies ist eine Taktik, die jede Form der Gemeinschaft unterhöhlt. Denn jede Gemeinschaft setzt eine gemeinsame Wirklichkeit voraus, deren Existenz von Trumps Sprechern aber geleugnet wird. Inzwischen meinen mehrere Kritiker, die Strategie sei bewusst gewählt worden: Die permanente Verbreitung von offensichtlichen Lügen diene dazu, Gegner zu verwirren. Psychologen nennen diese Strategie Gaslighting. Sie zielt darauf ab, ihr Objekt in den Wahnsinn zu treiben.




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Jörn Budesheim
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So 3. Jun 2018, 13:10

Susan Neiman hat geschrieben : ... der erfolgreiche rechtsradikale Website-Betreiber Mike Czernowitz, erklärte der Zeitschrift The New Yorker: »Sehen Sie, ich habe die postmoderne Theorie an der Uni gelesen. Wenn alles ein Narrativ ist, brauchen wir Alternativen zu den herrschenden Narrativen.« Er lächelt. »Ich sehe nicht aus wie ein Typ, der französische Theoretiker wie Lacan liest, oder?«

Schon 2004 hat der französische Philosoph Bruno Latour beschrieben, wie die Rechten postmoderne Theorien einsetzen:
  • »›Sollte die Öffentlichkeit zu dem Schluss kommen‹, schrieb ein republikanischer Stratege, ›dass die wissenschaftlichen Fragen geklärt sind, wird sich ihre Haltung zur Klimaänderung ändern. Also müssen (diejenigen, die gegen neue Regelungen sind) weiter die Abwesenheit wissenschaftlicher Gewissheit in den Vordergrund stellen.‹«
Latour fährt selbstkritisch fort:
  • »Dennoch gibt es ganze wissenschaftliche Institute, die Studenten beibringen, dass Fakten erfunden sind, dass es keinen natürlichen vorurteilsfreien Zugang zur Wahrheit gibt, dass wir stets von der Sprache gefangen sind, dass wir immer nur von einem bestimmten Standpunkt sprechen usw., während gefährliche Extremisten die gleichen Argumente benutzen, um feste Beweise zu zerstören, die unsere Leben retten könnten. Lag ich falsch, als ich zu diesen Studien beigetragen habe?«




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Tosa Inu hat geschrieben :
So 3. Jun 2018, 12:52
Ich vermute allerdings, dass die noch tiefere Wahrheit (in aller Selbstwiderspüchlichkeit) die ist, dass diese beiden Welten strukturell indentisch sind.
Der Autor Michael Seemann macht dazu ja die Probe aufs Exempel. Auch dazu gibt es eine Auswertung von Fake-News und eine Grafik, etwas weiter unten im Text. Er kommt bei diesen Untersuchungen NICHT zu dem Schluss, dass die beiden "Welten strukturell identisch" sind.




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Alethos
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Tosa Inu hat geschrieben :
So 3. Jun 2018, 12:52
Ich vermute allerdings, dass die noch tiefere Wahrheit (in aller Selbstwiderspüchlichkeit) die ist, dass diese beiden Welten strukturell indentisch sind.
Soll heißen, die Bewohner der Fake-Welt werden ihre Nachrichten gar nicht so sehr als Unwahrheiten empfinden, sondern in ihrem Kontext erscheinen die "Fakes" als das, was sogar die wahrscheinlichere Option ist, auch wenn man dabei ein bisschen um die Ecke denken muss.
Aus dieser Sicht lügen dann ohnehin alle, die einen machen es nur geschickter, man selbst lügt zwar auch ein wenig, aber dient damit letztlich der an sich guten Sache.
Ich teile die Diagnose, dass die Anhänger von Fakenews ihre Fakten, indem sie sie zu 'alternativen Fakten' erheben, für die vorzüglichere Wahrheit halten. Auch hier müsste jedoch eine Differenzierung stattfinden: Es gibt nicht denen einen Block hier und den anderen da, weshalb die Front zwischen diesen beiden Blöcken auch eine diffuse ist.

Aber ungeachtet dieses subjektiven Fürwahrhaltens innerhalb dieser Blöcke gibt es Tatsachen, die überprüfbar so sind, wie sie sind und ihr Sosein ist unumstössliche Wahrheit. Auch wenn sich Empirie und die daraus resulierenden Schlussfolgerungen hinterfragen und anzweifeln lassen, so gibt es hierfür Grenzen, bei deren Überschreiten der 'common sense' verletzt wird, d.h. bei Leugnung dieser Tatsachen die Schwelle zur Irrationalität als überschritten gelten muss. So gesehen wären FakeNewsler, die mutwillig 'um die Ecke' denken, dabei die Tatsachen ausblenden, als Hysteriker und Wahnsinnige zu klassifizieren. Als Wahnsinnige, weil zu lügen auch ein Symptom für eine Pathologie sein kann. Wie gesagt, dieses Urteil ergeht nicht über den gesamten Block, sondern nur über die eifrigsten 'Fake-Warriors', die in ihrem Gestus einem Paranoiden in nichts nachstehen.

Natürlich gibt es diskutable Fakten, ganz gewiss. Aber das ist kein Strohhalm, an dem sich Absurditäten in den Rang von Gewissheiten hocharbeiten könnten.



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So 3. Jun 2018, 13:25

Michael Seemann zu Filterblasen, Fake News und Tribalismus hat geschrieben : Über die neue Rechte haben wir viel Neues erfahren. Sie ist nicht einfach eine Seite im politischen Kontinuum, sondern eine Abspaltung, das Abspreizen eines neuen Raums jenseits des herkömmlichen politischen Kontinuums. Das Internet ist nicht schuld an dieser Abspaltung, macht sie aber möglich und damit wahrscheinlich. Befreit von den Zwängen und Normalisierungsdynamiken des herkömmlichen Kontinuums, lassen sich „politisch inkorrekte“ Parallelrealitäten schaffen, die sich nicht mehr nur an die gesellschaftlichen Konventionen, sondern gar nicht mehr am Anspruch der Faktizität orientieren müssen.

Jonathan Haidt schreibt in „The Righteous Mind“, dass der Mensch nur ein einziges Argument braucht, um einen Glauben oder einen Nichtglauben zu rechtfertigen. Wenn ich etwas glauben muss (aber nicht will), reicht ein Gegenargument aus, tausend Argumente zu verwerfen. 99 von 100 Klimawissenschaftler sagen, der Klimawandel ist real? Der eine, der was anderes sagt, reicht mir, um die 99 anderen Meinungen zu verwerfen. Oder ich will etwas glauben, wogegen alle Fakten sprechen. Selbst wenn alle meine Einwände gegen die offizielle Version von 9/11 entkräftet werden – ein Argument findet sich immer, um den Glauben beizubehalten, dass es sich um einen „inside job“ handelte.

Das eine Argument ist der Grund, warum der rechte Stamm immun gegenüber den Richtigstellungen seiner Fake News ist, obwohl sie ihn erreichen. Es bleibt immer ein Argument über, um an seinem Narrativ – und somit an seinem Stamm – festzuhalten. Genau dafür wurde das Wort „Lügenpresse“ erfunden. Es impliziert mitnichten die komplette Ablehnung von allem, was die Massenmedien schreiben, sondern ist die Rechtfertigung dafür, der Presse nur das zu glauben, was in das eigene Weltbild passt und den Rest abzutun.




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So 3. Jun 2018, 14:56

Gegencheck: Linke Fake News

[...] Unser Stamm ist offensichtlich rechtslastig: Seine Fokussierung auf die Flüchtlingsthematik spricht eine deutliche Sprache. Negative Flüchtlingsgeschichten werden nicht oder deutlich weniger hinterfragt und unkritisch verbreitet, selbst dann, wenn die Nachrichtenlage dünn und die Geschichten unplausibel sind. Teilweise werden die Geschichten sogar wider besseren Wissens verbreitet.

All das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht auch ganz andere digitale Stämme im deutschsprachigen Twitter gibt oder geben kann. Unsere Entdeckung des Stammes mittels Fake News hat insofern einen eingebauten Bias. [...] Mit Fake News von rechts entdeckt man rechte Stämme. Aber wenn unsere Theorie soweit richtig ist, könnte man linke Stämme endecken, indem man von links blitzt, das heißt linke Fake News untersucht. Jedenfalls sofern es welche gibt.

Um es vorweg zu sagen: Es war gar nicht leicht, linke Fake News zu finden. [...]

Das sind Ergebnisse, mit denen wir nicht gerechnet haben. Zwar stand es durchaus in Frage, dass wir einen linken Stamm finden, aber eine so eindeutige Antwort hatten wir nicht erwartet. Wir fanden nicht nur keinen von Fake News getriebenen linken Stamm, sondern fanden wieder eine stammes-ähnliche Struktur, die in diesem Beispiel aber auf der Seite der Richtigsteller firmiert. In der Wolke finden wir zwar auch Fake-News-Verbreiter, aber es gibt keine Abspaltung, sondern eine wilde Vermischung von Fake-Newsern, Richtigstellern und Metadebattierern.

[...] Um die Robustheit unserer Analyse zu stärken, untersuchen wir auch hier ein zweites Beispiel [...] Auch dieses Beispiel bestätigt die [vorhergehenden] Erkenntnisse. Wieder sind die Fake-News-Verbreiter weit verstreut, es lässt sich keine enger vernetzte Gruppe ausmachen. Auch in diesem Fall sticht eine abgespaltene Gruppe heraus, die besonders eifrig die Richtigstellung verbreitet. Das gibt unserer These Nahrung, dass es sich um dieselbe Gruppe handelt, wie die, die in den anderen Beispielen so anfällig für rechte Fake News ist: unser rechter, digitaler Stamm. [...]

Im Zusammenhang lesen: www.ctrl-verlust.net/digitaler-tribalis ... fake-news/




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So 3. Jun 2018, 15:19

Alethos hat geschrieben :
So 3. Jun 2018, 12:41
Ganz eindrücklich, wie sich der Parallelismus der beiden Informationswelten grafisch darstellt.
Ich bin nicht ganz sicher, ob ich es so nennen würde, auch wenn die Autoren es vielleicht nahe legen. Die Roten sind deutlich enger verknüpft und sie scheinen tatsächlich einen Stamm zu bilden. Aber ist die "andere Seite" schon dadurch ein Stamm, dass sie bereit ist, die Wahrheit zu einem bestimmten Fall zur Kenntnis zu nehmen? Der Stamm wird durch spezifische Narrative zusammen gehalten, schätze ich. Und die andere "Gruppe" ist eher die "Umwelt" des Stammes.

Nehmen wir ein ganz anders geartetes Beispiel. Der Stamm der Kugelleugner. Das sind die Menschen, die die näherungsweise Kugelgestalt der Erde leugnen und statt dessen meinen, sie sei eine Scheibe. Dadurch werden aber doch jetzt nicht die anderen, die dem wissenschaftlichen "Mainstream" vertrauen und die Kugelgestalt der Erde annehmen zum Stamm der Kugelbefürworter, finde ich.




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So 3. Jun 2018, 16:22

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 3. Jun 2018, 15:19
Alethos hat geschrieben :
So 3. Jun 2018, 12:41
Ganz eindrücklich, wie sich der Parallelismus der beiden Informationswelten grafisch darstellt.
Ich bin nicht ganz sicher, ob ich es so nennen würde, auch wenn die Autoren es vielleicht nahe legen. Die Roten sind deutlich enger verknüpft und sie scheinen tatsächlich einen Stamm zu bilden. Aber ist die "andere Seite" schon dadurch ein Stamm, dass sie bereit ist, die Wahrheit zu einem bestimmten Fall zur Kenntnis zu nehmen? Der Stamm wird durch spezifische Narrative zusammen gehalten, schätze ich. Und die andere "Gruppe" ist eher die "Umwelt" des Stammes.

Nehmen wir ein ganz anders geartetes Beispiel. Der Stamm der Kugelleugner. Das sind die Menschen, die die näherungsweise Kugelgestalt der Erde leugnen und statt dessen meinen, sie sei eine Scheibe. Dadurch werden aber doch jetzt nicht die anderen, die dem wissenschaftlichen "Mainstream" vertrauen und die Kugelgestalt der Erde annehmen zum Stamm der Kugelbefürworter, finde ich.
Bei diesem Einwand klingt eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Stammesbegriff durch. Das muss man nicht so sehen. Es können durchaus auch lose vernetzte Menschen als in einem gewissen Sinne zu einem Stamm gehörig angesehen werden, z.B. zum Verbund derer, die glauben, dass die Erde rund ist, weil es gute Belege dafür gibt.

Vom realistischen (und pluralistischen) Standpunkt aus gesehen gibt es aber natürlicherweise Widerstand gegen eine solche trivialistische Wahrheitskonzeption, nicht sosehr wegen des naturvölkischen Analogons, sondern vielmehr, weil es Konventionalismus suggeriert: Wahrheit ist ein Produkt der Konventionen in diesen Verbünden.
Aber abgesehen von der intersubjektiven Kraft des Argumentierens im Spiel des Gebens und Einforderns von Gründen, durch die wir uns über Wahrheit rückversichern, gibt es für den Realisten eine Wahrheit 'da draussen', die sich nicht an Gruppierungen orientiert oder aus ihnen ergibt.
Und darum verstehe ich den Widerwillen gegen die Darstellung von Wahrheit resultierend aus solchen Clustern.

Auch darf nicht die grosse Mehrheit, die eine gegebene Wahrheit für eine solche nimmt, verstanden werden als ein Stamm überhaupt, in dem bloss andere Wahrheitskriterien gelten. Die Mehrheit des common sense ist kein Stamm, sondern bildet die verlässliche Grundlage unseres gemeinsamen Verstehens und Deutens von Wahrheit nach objektiven und nicht konspirativen Kriterien.

So gesehen sind Fakenewsler (vielleicht sollte man dafür einen besseren Begriff finden) nicht einfach gleichberechtigte Opponenten eines gegnerischen Stamms, die gegen den Stamm der Mehrheit kämpfen, sondern die Mehrheit bildet die soziale Verankerung für eine Wahrheit, die parteilos wahr ist. Und als solche nicht stammesorganisierte Wahrheit ist sie dem subkulturellen Phänomen der tribalistisch erzeugten Wahrheitssphären überlegen, denn sie hat ihren Grund in sich selbst und überdauert subjektive Präferenzen, was man von Stämmen nicht behaupten kann.



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So 3. Jun 2018, 16:33

Tosa Inu hat geschrieben :
So 3. Jun 2018, 12:52
die Bewohner der Fake-Welt werden ihre Nachrichten gar nicht so sehr als Unwahrheiten empfinden, sondern in ihrem Kontext erscheinen die "Fakes" als das, was sogar die wahrscheinlichere Option ist, auch wenn man dabei ein bisschen um die Ecke denken muss.
Darauf, dass die Verbreiter der Fake-News generell in gutem Treu und Glauben handeln, würde ich nicht setzen - auch wenn die Untersuchung das vielleicht nicht endgültig widerlegt.

Die Untersuchung liefert jedoch deutliche Evidenz, dass es das Phänomen „Tribale Epistemologie“ tatsächlich gibt. Darunter verstehen die Autoren: „Eine Information wird nicht anhand von Kriterien wie wissenschaftliche Standards der Beweisführung oder gar der Anschlussfähigkeit an das allgemeine Weltverständnis beurteilt, sondern einzig und allein danach, ob sie den Werten und Zielen des Stammes entspricht. ‘Gut für unsere Seite’ und ‘wahr’ beginnen eins zu werden.“

Der Datenjournalist Michael Kreil hat dementsprechend untersucht, wie sich Fake News verbreiten und ob die Richtigstellungen ein geeignetes Gegenmittel sind, die Verbreitung zu beenden.

Das Ergebnis ist ziemlich eindeutig: Weit über 80% der Fake-News-Verbreiter haben die Richtigstellung der von ihnen verbreiteten Fake News in ihrer Timeline gehabt. Weil sie von der Richtigstellung erreicht wird, diese aber nicht weiterverbreitet, gehen die Autoren davon aus, dass die Gruppe die Fake News verbreitet, völlig unabhängig davon, ob die Informationen wahr sind oder nicht – einfach weil sie es so will. Deswegen wäre ich mit der Idee, dass die Verbreiter zumindest subjektiv von den Fake-News überzeugt sind, vorsichtig.




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Jörn Budesheim
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So 3. Jun 2018, 16:49

Alethos hat geschrieben :
So 3. Jun 2018, 16:22
Es können durchaus auch lose vernetzte Menschen als in einem gewissen Sinne zu einem Stamm gehörig angesehen werden, z.B. zum Verbund derer, die glauben, dass die Erde rund ist, weil es gute Belege dafür gibt.
Der Stammesbegriff ist - glaub ich - nicht mein Problem.

Mein Problem ist ein anderes. Irgendein Kitt muss eine Gruppe ja zu dieser speziellen machen. Das ist ein wenig so wie bei den Begriffen System und Umwelt. Das System (tun wir so, als sei es ein Luhmannsches) ist durch irgendetwas bestimmt (z.B. durch die Leitunterscheidung Zahlen/nicht Zahlen) und die Umwelt des Systems ist einfach "alles andere". Das ist in gröbster Vereinfachung ja nur eine negative Bestimmung, die Umwelt ist halt nicht das System. Das ist natürlich nur eine Analogie, die verdeutlichen soll, was ich meine.

Wir haben auf der einen Seite den Stamm, und auf der anderen Seite die Umwelt des Stamms. Die Stämme sind wohl auch nach dem eigenen Verständnis häufig Formen der Abweichung, nämlich vom Mainstream.
Alethos hat geschrieben :
So 3. Jun 2018, 16:22
Die Mehrheit des common sense ist kein Stamm, sondern bildet die verlässliche Grundlage unseres gemeinsamen Verstehens und Deutens von Wahrheit nach objektiven und nicht konspirativen Kriterien.
Yepp. Um es noch mal zu verdeutlichen: Stell dir vor, wir beide würden nun einen Stamm Gründen. Und zwar den Stamm derjenigen, die glauben, dass Habermas und Sloterdijk heimlich geheiratet hätten. Das würde nach deiner Vorstellung aus den anderen sofort einen Stamm machen; und zwar den Stamm, der das eben nicht glaubt. Das halte ich aber nicht für plausibel. Denn wir zwei wissen, dass wir zum Stamm der Heiratsgläubigen gehören. Während die anderen nicht einmal eine Ahnung davon haben dürfen, dass sie jetzt plötzlich ein Stamm sind. Ist ein Stamm ohne Zugehörigkeitsgefühl ein Stamm? In der hier in diesem Thread und in diesen Themen Zusammenhang vorliegenden Terminologie sicherlich nicht.

Man kann natürlich, um noch mal ein Gegenargument gegen mich zu bringen, es so ähnlich machen wie Susan Neiman und alle anderen (uns) gewissermaßen auffordern, sich als Stamm zu verstehen, nämlich als Stamm, welcher die Werte des Universalismus, der Rationalität und der Wahrheit hochhält ...




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Alethos
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So 3. Jun 2018, 18:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 3. Jun 2018, 16:49
Man kann natürlich, um noch mal ein Gegenargument gegen mich zu bringen, es so ähnlich machen wie Susan Neiman und alle anderen (uns) gewissermaßen auffordern, sich als Stamm zu verstehen, nämlich als Stamm, welcher die Werte des Universalismus, der Rationalität und der Wahrheit hochhält ...
Das würde ich in der Tat tun, aber ich würde diesen Verbund, wie ich oben zu beschreiben versucht habe, nicht verstehen wollen als Stamm, der sich aus der Nagation ergibt. Wir sind nicht ein Stamm von Wahrheitsgläubigen, weil es dort einen sich von uns abgrenzenden Stamm gibt von Nichtwahrheitsgläubigen, sondern wir sind ein Stamm vereinigt durch die Wahrheit der Dinge und Tatsachen. Das gibt den Kitt, der uns als dieser Verbund zusammenhält (nebst vielen anderen Dingen natürlich).

Aber ich sehe dein Argument und möchte es unterstreichen:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 3. Jun 2018, 16:49
Stell dir vor, wir beide würden nun einen Stamm Gründen. Und zwar den Stamm derjenigen, die glauben, dass Habermas und Sloterdijk heimlich geheiratet hätten. Das würde nach deiner Vorstellung aus den anderen sofort einen Stamm machen; und zwar den Stamm, der das eben nicht glaubt. Das halte ich aber nicht für plausibel. Denn wir zwei wissen, dass wir zum Stamm der Heiratsgläubigen gehören. Während die anderen nicht einmal eine Ahnung davon haben dürfen, dass sie jetzt plötzlich ein Stamm sind. Ist ein Stamm ohne Zugehörigkeitsgefühl ein Stamm? In der hier in diesem Thread und in diesen Themen Zusammenhang vorliegenden Terminologie sicherlich nicht.
Ja. Ich bin z.B. auch nicht explizit im Lager der Leute, die nicht glauben, dass auf dem Mars Schokoriegel hergestellt werden. Ich, wusste, bevor ich diese Vorstellung entwickelte, nicht einmal, dass man so etwas überhaupt behauptet.

Aber ich würde mich dennoch mit einer gewissen Selbstverständlichkeit zur Mehrheit zählen wollen, die glaubt, dass es keine Schokoriegelproduktion auf dem Mars oder andere in bestimmtem Sinn unrealistischen Dinge gibt.

Wir sind apriori in gewisser Weise in die Bestrebungen verflochten, das für wahr zu halten, was Tatsache ist und damit implizit Wahrheitskämpfer auf Abruf. Wir werden als solche erst aktiv, wenn die Wahrheit, oder das, was wir dafür halten, bedroht ist. Aber wir sind nicht erst durch diese Immunisierungsleistung ein funktionaler Zusammenhang und dadurch eine Gemeinschaft, sondern wir sind es gegeben unsere Wirklichkeitsbezüge, die überaus verlässliche, (mit-)teilbare Erfahrungen möglich machen.

Wir werden also nicht zu Befürwortern einer Wahrheit, sobald es einen Widerspruch gibt oder die Wahrheit in Gefahr ist, sofern muss ich dir zustimmen. Wir sind kein Stamm, gebündelt zu einer Einheit durch die Unwahrheit, sondern wir sind ein Stamm, stillschweigend verbrüdert durch die Wirklichkeit.



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Alle lächeln in derselben Sprache.

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Jörn Budesheim
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Mo 4. Jun 2018, 05:43

Hier ein Vortrag Seemanns zu dem selben Thema > https://vimeo.com/240135285




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Jörn Budesheim
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Mo 4. Jun 2018, 06:05

Bild

Das ist die Grafik zu dem zweiten Fall. Das Bild zeigt ganz schön, finde ich, dass wir es hier nicht mit zwei "homogenen" Blöcken zu tun haben, die irgendwie gleichartig sind, wenn auch mit "umgekehrten Vorzeichen". Im Text heiß es als Erläuterung dazu:

"Dieses Mal mussten wir bei der Auswertung etwas anders vorgehen, weil die Debatte auf Twitter diesmal vielschichtiger war und sich viele Berichte nicht eindeutig einer der beiden Kategorien „Fake News“ oder „Richtigstellung“ zuordnen ließen. Diesmal brauchten wir noch eine dritte Kategorie dazwischen. Wir recherchierten alle Artikel zum Thema, sammelten sie in einer Tabelle und markierten, ob sie tendenziell die Falschmeldung weiterverbreiteten (rot), oder sie nur distanziert und unschlüssig weitergaben (gelb). Phrasen wie „Laut Berichten der BILD-Zeitung …“ und Hinweise darauf, dass die Polizei den Fall nicht bestätigen kann, reichten uns für das „unschlüssig“-Label aus. Natürlich suchten wir auch wieder die Artikel raus, die die Fake News widerlegten (blau). Wir vergaben auch noch eine vierte Kategorie: Meta. Im Anschluss an die Fehlleistung der BILD-Zeitung gab es eine ausführliche Debatte darum, dass ein umstrittenes, aber durchaus etabliertes Medium der Auslöser einer großen Fake-News-Kampagne werden konnte. Diese Metadebatten-Artikel färbten wir grün."

Quelle > http://www.ctrl-verlust.net/digitaler-t ... fake-news/




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Stefanie
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Mo 4. Jun 2018, 19:14

Wenn ich das richtig verstehe, ist die Gruppe der Metadebatten am größten und die Gruppe der Richtigstellungen am geringsten.
Es wurde mehr über die Leistung der Zeitung diskutiert, als über die falsche Nachricht?
Das ist eine Verschiebung.

An dieser Metadebatten waren beide Gruppen beteiligt? Also zwei Stämme haben sich zu einem Stamm in dieser Diskussion gemacht bzw. gebildet.

Dieser Text schafft mich.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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