die Freiheit, anderen weh zu tun

Es gibt heute kaum Bereiche des alltäglichen Lebens, die nicht in irgendeiner Weise mit dem World-Wide-Web zusammenhängen. Das Gleiche gilt für "künstliche Intelligenz". Was hat die Philosophie dazu zu sagen?
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Jörn Budesheim
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Sa 19. Jan 2019, 15:17

nzz hat geschrieben : Freiheit bedeutet stets die Freiheit, anderen weh zu tun. Sie wird im Zeitalter der sozialen Netzwerke durch eine Ethik der sanften Zensur ersetzt

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Unsere Gesellschaften würden ohne soziale Netzwerke nicht mehr funktionieren, ja sind ohne sie nicht mehr denkbar. Wie aber verändern sie unser Zusammenleben jenseits von Hate-Speech in stiller, kaum bemerkbarer Weise?

Slavoj Žižek
18.1.2019, 05:30 Uhr

https://www.nzz.ch/feuilleton/zensur-un ... ld.1451856




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novon
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So 20. Jan 2019, 00:46

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Jan 2019, 15:17
Unsere Gesellschaften würden ohne soziale Netzwerke nicht mehr funktionieren, ja sind ohne sie nicht mehr denkbar.
1. Ist das tatsächlich so?
2. Stellt es sich nicht eher, genau umgekehrt, so dar, dass die sog. "sozialen Netzwerke" möglichen gesellschaftlichen Konsens quasi implizit konterkarieren...? (Sozial Media operieren offenbar in Auffassung vielerlei Schwarzweißuniversen. Das widerspricht jeder praktikablen Idee von Gesellschaft, stellt eher genau das Gegenteil dar.)




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Jörn Budesheim
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novon hat geschrieben :
So 20. Jan 2019, 00:46
(Sozial Media operieren offenbar in Auffassung vielerlei Schwarzweißuniversen. Das widerspricht jeder praktikablen Idee von Gesellschaft, stellt eher genau das Gegenteil dar.)
Diese Netze sind ja keine monolithischen Blöcke, so dass man einfach sagen könnte: sie sind so und so. Meine ziemlich umfangreichen Erfahrungen mit FB und Twitter sind auf jeden Fall anders als du schreibst. Inwiefern sie repräsentativ sind, kann ich dir nicht sagen :-)




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Friederike
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So 20. Jan 2019, 15:57

S. Zizek hat geschrieben : Wir sind gefangen in der fortschreitenden Digitalisierung unseres Lebens. Die meisten unserer Aktivitäten (und Passivitäten) werden in irgendeiner digitalen Cloud registriert, die uns ständig bewertet, indem nicht nur unsere Handlungen, sondern auch unsere Gefühlszustände getrackt werden. Wenn wir uns weiterhin als frei wahrnehmen (und eben im Web surfen, wo die ganze Welt verfügbar scheint), so veräusserlichen wir uns gänzlich und werden subtil manipuliert. Anders formuliert: Das digitale Netzwerk gibt dem guten alten Slogan «Das Private ist politisch» eine völlig neue Bedeutung.
Dazu möchte ich erzählen, weil es mich ... ja, immer noch fasziniert, daß ich in der vergangenen Woche per e-Mail eine Anzeige vom "Aichinger-Verlag" erhalten habe und zwar ein oder zwei Tage, nachdem ich hier im Forum ein Aichinger-Zitat notiert hatte. Daß es diesen Verlag überhaupt gibt, wußte ich nicht, d.h. ich habe den noch niemals angeklickt und bisher auch noch nie eine Werbeanzeige von ihm gekriegt. Die mail-Adresse ist hier hinterlegt und kann als Verbindungsstück genommen werden. Die Datenvermittlung verstehe ich sowieso nicht, ich meine, technisch. Ich denke mir nur, daß es so sein muß, daß dieser Verlag irgendwo ins Netz eine Art von "Auftrag" eingeben muß, wie potentielle Kundschaft generiert wird?




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Stefanie
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Di 22. Jan 2019, 20:22

Mich erstaunt, dass der Autor von sanfter Zensur schreibt. Die Beispiele, die er nennt, sind doch das Gegenteil. Was meint er mit sanfter Zensur?



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Stefanie
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Di 22. Jan 2019, 20:30

Vielleicht gibt es sanfte Zensur umgekehrt in dem Sinne, dass viele Leute auf einen Beitrag z.b. auf Facebook nicht reagieren bzw. nichts schreiben, weil sie negative Reaktionen befürchten?



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Jörn Budesheim
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Mi 23. Jan 2019, 12:13

Beim Faktenfinder der tagesschau gibt es einen guten Artikel zu der Frage, was Zensur eigentlich ist, was der Begriff also bedeutet > http://www.salamander-areal.com/blog/lu ... his-leben/

In Schlagworten:
  • Unter Zensur versteht man eine Überprüfung und Kontrolle von Texten und Produktionen in Hörfunk, Fernsehen, Film, Video und Ähnlichem meist von staatlich eingerichteter Stelle. Die Zensoren kontrollieren Werke auf politische, sittliche, religiöse und gesetzliche Aspekte. Sie können zu einem Verbot der Veröffentlichung führen.
  • Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland eines der höchsten Güter. Die Grenzen dieser im Grundgesetz festgelegten Freiheit sind immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen. Beleidigungen sind durch die Meinungsfreiheit nicht geschützt. Gegen sie kann juristisch vorgegangen werden. Explizit verboten ist in den deutschsprachigen Ländern der Europäischen Union und der Schweiz zum Beispiel das Leugnen des Holocausts. In Deutschland umfasst dies auch die öffentliche Billigung oder Verharmlosung.
  • In Internetforen, auf Blogs und in sozialen Netzwerken findet sich oft der Vorwurf einer Zensur, wenn Kommentare gelöscht oder Accounts blockiert werden. [...] Die Gründe des Löschens von Kommentaren und Posts hat aber zumeist mit strafbaren oder beleidigenden Inhalten zu tun. Oder der Nichteinhaltung der Netiquette: Beleidigende Inhalte widersprechen nicht nur den Verhaltensregeln auf den Internetseiten, sondern können eine rechtliche Dimension haben. Dabei ist das Entfernen von Inhalten oder Blocken von Nutzern durch den Betreiber im engeren Sinne keine Zensur. Hier nehmen Betreiber und Moderatoren das digitale Hausrecht in Anspruch.




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Jörn Budesheim
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Stefanie hat geschrieben :
Di 22. Jan 2019, 20:30
Vielleicht gibt es sanfte Zensur umgekehrt in dem Sinne, dass viele Leute auf einen Beitrag z.b. auf Facebook nicht reagieren bzw. nichts schreiben, weil sie negative Reaktionen befürchten?
Ja, würde ich so ähnlich verstehen. "Grobe Zensur" bedeutet direktes "verbieten" mit direkter (zum Beispiel staatlicher) Gewalt. Sanfte Zensur dürfte wohl eher mit "psychologischen" Mitteln arbeiten. Es drohen vielleicht "Gruppenausschluss" ("Du bist keiner mehr von uns") oder ähnliche Dinge.




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Stefanie
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Mi 23. Jan 2019, 19:17

Mit negativen Reaktionen meine ich auch, aus Angst vor Hass und beleidigenden Kommentaren nicht gegen rechte, menschenfeindliche, und sonstige üble Äußerungen zu schreiben.



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Goethe

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Jörn Budesheim
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Do 24. Jan 2019, 05:54

Aus einem Interview:

Julliard: Robert Ménard hat Reporter ohne Grenzen 1985 gegründet, um Morde an Journalisten aufzuklären und Journalisten in Haft zu unterstützen. Aber die größte Gefahr für die Pressefreiheit 2009 sind nicht Morde an und Haft für Journalisten, sondern quasi sanfte Zensur, indirekte Zensur: wirtschaftlicher Druck oder politischer Druck über Verbindungen zu Medienkonzerne. Nehmen Sie etwa Frankreich, den Einfluss und die Verbindungen von Präsident Nicolas Sarkozy zu den großen Mediengruppen. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 19.2.2009)

Hier > https://mobil.derstandard.at/1234507426 ... fte-Zensur




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