Ethik des Sterbens, Philosophie und vorsätzliche Selbsttötung

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Jörn Budesheim
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Fr 23. Apr 2021, 06:54

Bei einem Gespräch kürzlich habe ich folgendes erfahren: für die Suizidprävention ist der Aspekt, dass die nahen Verwandten und Freunde unter dem Suizid wahrscheinlich lang oft lebenslang leiden werden von großer Bedeutung. Das heißt Menschen lassen sich durch ethische Erwägungen vom Suizid abbringen.




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TsukiHana
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Fr 23. Apr 2021, 23:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 23. Apr 2021, 06:54
... Das heißt Menschen lassen sich durch ethische Erwägungen vom Suizid abbringen.
So man sie (noch) erreichen kann.



Wozu die Tage zählen!?
(Ф.М. Достоевский)

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NaWennDuMeinst
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Mo 26. Apr 2021, 02:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 23. Apr 2021, 06:54
Bei einem Gespräch kürzlich habe ich folgendes erfahren: für die Suizidprävention ist der Aspekt, dass die nahen Verwandten und Freunde unter dem Suizid wahrscheinlich lang oft lebenslang leiden werden von großer Bedeutung. Das heißt Menschen lassen sich durch ethische Erwägungen vom Suizid abbringen.
Ah. Und allen, die Suizid begingen und dabei Verwandte und Freunde zurückgelassen haben, war das wohl nicht bewusst, dass die dann (lebenslang) leiden?
Nicht sehr wahrscheinlich.
Wahrscheinlicher ist eher, dass ihr eigenes Leid so groß war, dass die Überlegung einfach keine Rolle mehr spielte.

Aber selbst wenn:
Bei dem Moralspielchen kommt ja nichts Brauchbares heraus. Denn warum soll das Leid der Hinterbliebenen mehr wiegen als das eigene?
Denn man darf ja umgekehrt auch fragen ob die Verwandten und Freunde das Recht haben von dem Suizidgefährdeten zu verlangen ein Leben in andauerndem Leid fortzusetzen, nur damit sie keinen Verlustschmerz spüren müssen.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Mo 26. Apr 2021, 03:33, insgesamt 3-mal geändert.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
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NaWennDuMeinst
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Mo 26. Apr 2021, 03:03

TsukiHana hat geschrieben :
Fr 23. Apr 2021, 23:12
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 23. Apr 2021, 06:54
... Das heißt Menschen lassen sich durch ethische Erwägungen vom Suizid abbringen.
So man sie (noch) erreichen kann.
So man sie noch rational erreichen kann.

In der Sendung "Chez Krömer" haben die Comedians Kurt Krömer und Thorsten Sträter neulich sehr offen über ihre Depressionen gesprochen.
Herr Krömer wollte da von Herrn Sträter wissen, ob er auch Selbstmordgedanken hatte.
Und der Herr Sträter hat da wie ich finde was ganz Interessantes gesagt. Er sagte nämlich das Unheimliche war, dass ihm ab einem gewissen Punkt der Gedanke an Selbstmord ungeheuer plausibel vorkam.
Für uns, die wir nicht unter Depressionen leiden ist das natürlich kaum nachvollziehbar.
Nichts an dem Gedanken sich selbst zu töten ist "plausibel".
Aber der Leidensdruck der Betroffenen ist einfach so groß, dass das Rationale aussetzt.
Es geht dann nur noch darum dem Leid ein Ende zu setzen.


Ab 9:30 wird's interessant.



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Jörn Budesheim
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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 26. Apr 2021, 02:44
Bei dem Moralspielchen kommt ja nichts Brauchbares heraus
Doch, es gilt als eine der wirkungsvollsten Maßnahmen wurde mir erläutert. Und es ist auch kein Spielchen, sondern Teil von Prävention- bzw. Therapiemaßnahmen.




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NaWennDuMeinst
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 26. Apr 2021, 06:04
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 26. Apr 2021, 02:44
Bei dem Moralspielchen kommt ja nichts Brauchbares heraus
Doch, es gilt als eine der wirkungsvollsten Maßnahmen wurde mir erläutert. Und es ist auch kein Spielchen, sondern Teil von Prävention- bzw. Therapiemaßnahmen.
Würde bei mir zu keinem Ergebnis führen.
In der Prävention nicht, weil es wie gesagt keinen Grund gibt warum das Leid der Hinterbliebenen mehr wiegen sollte als das Leid des Suizidgefährdeten.
Und in der Therapie genauso wenig, weil ich mich dann fragen würde worum es dabei eigentlich geht: Um mich, oder um meine Verwandten.
Hinzu kommt, dass ich generell der Ansicht bin, dass Menschen das Recht haben ihr Leben freiwillig selbst zu beenden (weil das für mich zum selbstbestimmten Leben dazugehört).
Niemand hat das Recht von einem anderen zu verlangen ein Leben, das er nicht mehr leben will, fortzusetzen.

Natürlich ist das "unschön", wenn z.B. Eltern ihre Kinder zurücklassen. Und es sind die Fälle sogar noch schlimmer wo Eltern ihre Kinder "mitnehmen" (was ich dann wiederum ablehne, weil das kein Suizid der Kinder ist, sondern Mord).
Aber ich finde wir müssen akzeptieren, dass auch verwandte Menschen über ihr Leben selbst bestimmen. Und das Leben geht eben bis zum Tod.

Übrigens: Besonders schwierig finde ich die Situation bei suizidgefährdeten Jugendlichen und Kindern. Bisher sprach ich immer von Erwachsenen, also Menschen die ich als autonom und frei betrachte.
Be Kindern und Jugendlichen ist es so, dass die in der Regel mental noch nicht "fertig" sind. Das heißt die Frage, ob sie eine Entscheidung zum Freitod (also was das bedeutet) wirklich richtig abschätzen können, ist deutlich schwieriger.
Gefühlsmäßig würde ich dazu tendieren deshalb bei Kindern und Jugendlichen auf entsprechende Gefährdungen anders zu reagieren als bei Erwachsenen.
Wobei das nicht heißen soll, dass das Leben eines Erwachsenen egal ist (jedes Leben ist wertvoll und man sollte versuchen es zu retten, wenn dazu eine Chance besteht), aber bei Kindern sehe ich die Frage wie weit man dabei geht nochmal anders.
Während man bei einem Erwachsenen irgendwann einfach sagen muss : "Ok, Du musst das selber wissen. Wenn es Dein fester Entschluß ist, dann sei es so.", finde ich, dass Kinder und Jugendliche aufgrund mangelndem Wissen und Erfahrung das nicht wirklich richtig abschätzen können und man sie dann auch so ein bißchen vor sich selber schützen muss. Aber an der Stelle habe ich arge Schwierigkeiten. Denn auch junge Menschen haben ein Recht auf ihre freien Entscheidungen.



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Jörn Budesheim
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Ingeborg Bachmann look alike, unter der Sonne




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