Ethik des Sterbens, Philosophie und vorsätzliche Selbsttötung

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NaWennDuMeinst
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Fr 19. Feb 2021, 10:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 19. Feb 2021, 06:29
Diese Urteile erscheinen uns heute widersinnig. Sie wurden begründet mit der Strafwürdigkeit des Versuchs, der Krone einen Untertanen (oder dessen künftige Steuerzahlungen) zu entziehen
Die Vertreter der Krone müsste man dann aber konsequenter Weise auch aufhängen, weil sie durch Todesurteile Untertanen "vernichten".
Mit der Logik hatte man es wohl nicht so.



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Jörn Budesheim
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Fr 19. Feb 2021, 10:32

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 19. Feb 2021, 10:24
Alethos hat geschrieben :
Do 18. Feb 2021, 21:41
Da fragt man sich schon, wo bei diesem Urteil die Moral stecken soll...
Na, da ist sie doch. Das passiert, wenn man vor lauter Moral vergisst zu denken. Dann wird Moral einfach durchgezogen, egal wie widersinnig das ist.
Wäre ja schön, wenn die Menschen Moral einfach durchziehen würden. Das hieße nämlich, dass sie immer alles richtig machen. Leider liegen die Dinge jedoch anders, denn Menschen sind endliche, irrtumsanfällige Wesen und manchmal sind sie auch böse, das heißt, sie machen das Falsche, wohl wissend, was eigentlich moralisch wäre.




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Alethos
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Fr 19. Feb 2021, 12:23

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 19. Feb 2021, 10:24
Alethos hat geschrieben :
Do 18. Feb 2021, 21:41
Da fragt man sich schon, wo bei diesem Urteil die Moral stecken soll...
Na, da ist sie doch. Das passiert, wenn man vor lauter Moral vergisst zu denken. Dann wird Moral einfach durchgezogen, egal wie widersinnig das ist.
Aber kann man die moralische Wahrheit begründen, die da lautet, ein Mensch gehöre sich nicht selber?
Ich frage nicht, ob man die Ansicht rechtfertigen oder durchsetzen kann, sondern, ob es Argumente für die Wahrheit dieser moralischen Richtigkeit gibt. Argumente verstanden hier als objektive Gründe. Argumente für die Wahrheit können doch nicht widersinnig sein?

Was da durchgesetzt wurde, ist kein moralisches Recht, sondern ein moralisches Unrecht.



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Jörn Budesheim
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Sa 20. Feb 2021, 10:50

Rüdiger Zill in "Blumenberg lesen" hat geschrieben : Blumenberg erzählt die Fabel von dem alten Mann, der sich frisch gefälltes Holz auf seinen Rücken lädt, um es nach Hause zu tragen, unterwegs aber, ermüdet von der schweren Last, Rast macht und den Tod ruft. Als dieser kommt und fragt, was der Alte wolle, ändert er seinen Sinn und verlangt, dass der Tod ihm die Last wieder auflade. Die Bedeutungsspanne dieser Geschichte ist breit und nicht eindeutig auf einen Sinn verengbar.




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NaWennDuMeinst
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Sa 20. Feb 2021, 11:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 19. Feb 2021, 10:32
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 19. Feb 2021, 10:24
Alethos hat geschrieben :
Do 18. Feb 2021, 21:41
Da fragt man sich schon, wo bei diesem Urteil die Moral stecken soll...
Na, da ist sie doch. Das passiert, wenn man vor lauter Moral vergisst zu denken. Dann wird Moral einfach durchgezogen, egal wie widersinnig das ist.
Wäre ja schön, wenn die Menschen Moral einfach durchziehen würden.
Ich sage ja nicht, dass das immer so ist. Ich sage nur, dass es gefährlich ist, wenn man blind irgendwelchen Prinzipien folgt.
In der Philosophie ist es häufig so, dass wenn man es mit der Konsequenz übertreibt, dass dann da meist auch Unsinniges bei rauskommt.
Das Leben ist so nicht. Es erfordert Flexibilität im Denken.
Nietzsche: "Ich misstraue allen Systematikern und gehe ihnen aus dem Weg. Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit."
Das hieße nämlich, dass sie immer alles richtig machen. Leider liegen die Dinge jedoch anders, denn Menschen sind endliche, irrtumsanfällige Wesen und manchmal sind sie auch böse, das heißt, sie machen das Falsche, wohl wissend, was eigentlich moralisch wäre.
Sicher. Das wäre dann für mich auch der einzige Fall wenn Menschen unmoralisch handeln, das heißt wider besseren Wissens.
Dass Menschen sich irren, oder schwach sind, kann man ihnen schlecht vorwerfen.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Sa 20. Feb 2021, 11:41, insgesamt 2-mal geändert.



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Sa 20. Feb 2021, 11:35

Alethos hat geschrieben :
Fr 19. Feb 2021, 12:23
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 19. Feb 2021, 10:24
Alethos hat geschrieben :
Do 18. Feb 2021, 21:41
Da fragt man sich schon, wo bei diesem Urteil die Moral stecken soll...
Na, da ist sie doch. Das passiert, wenn man vor lauter Moral vergisst zu denken. Dann wird Moral einfach durchgezogen, egal wie widersinnig das ist.
Aber kann man die moralische Wahrheit begründen, die da lautet, ein Mensch gehöre sich nicht selber?
Begründen kann man wohl alles. Ob das auch überzeugend ist, ist eine andere Frage.
Argumente für die Wahrheit können doch nicht widersinnig sein?
So einfach ist es wohl leider nicht. Sinn und Unsinn hängen ja auch davon ab, was wir darunter verstehen.
Jemanden der die Logik als Autorität nicht akzeptiert, dem kannst Du schlecht mit Logik kommen.
Deshalb stimme ich da Kant zu, wenn er sagt das was vorbehaltlos gut genannt werden kann ist einzig der gute Wille.
Den braucht es. Ohne den kommst Du nicht weit.



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Sa 20. Feb 2021, 13:57

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 11:35
Deshalb stimme ich da Kant zu, wenn er sagt das was vorbehaltlos gut genannt werden kann ist einzig der gute Wille.
Ja, den braucht es gewiss. Darum muss sich der Wille dem Guten beugen können Es muss das Gute geben, damit sich der Wille an ihm ausrichten und gut sein kann.



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Sa 20. Feb 2021, 14:05

Alethos hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 13:57
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 11:35
Deshalb stimme ich da Kant zu, wenn er sagt das was vorbehaltlos gut genannt werden kann ist einzig der gute Wille.
Ja, den braucht es gewiss. Darum muss sich der Wille dem Guten beugen können Es muss das Gute geben, damit sich der Wille an ihm ausrichten und gut sein kann.
Kannst Du mal aufhören mir deine merkwürdigen Vorstellungen von einer objektiven Moral unterschieben zu wollen?
Das wäre sehr nett, Danke.
Es gibt "das Gute" nicht an und für sich. Das halte ich für ein reines Hirngespinst.
Mit "guter Wille" ist einfach gemeint, dass wir offen sein müssen, bereit dafür zu ergründen was gut ist. Das bedeutet auch die eigenen Moralvorstellungen situationsabhängig immer wieder zu hinterfragen und nicht einfach stur wie ein Esel irgendwelchen Prinzipien zu folgen.
Prinzipien sind gut als "roter Faden" im Leben. Aber sie dürfen uns nicht daran hindern jede Situation neu zu bewerten und zu schauen ob unsere Prinzipien überhaupt anwendbar sind.



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Sa 20. Feb 2021, 14:38

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 14:05
Mit "guter Wille" ist einfach gemeint, dass wir offen sein müssen, bereit dafür zu ergründen was gut ist. Das bedeutet auch die eigenen Moralvorstellungen situationsabhängig immer wieder zu hinterfragen und nicht einfach stur wie ein Esel irgendwelchen Prinzipien zu folgen.
Okay, wir müssen offen sein. Offenheit ist etwas Gutes.



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Sa 20. Feb 2021, 14:41

Alethos hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 14:38
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 14:05
Mit "guter Wille" ist einfach gemeint, dass wir offen sein müssen, bereit dafür zu ergründen was gut ist. Das bedeutet auch die eigenen Moralvorstellungen situationsabhängig immer wieder zu hinterfragen und nicht einfach stur wie ein Esel irgendwelchen Prinzipien zu folgen.
Okay, wir müssen offen sein. Offenheit ist etwas Gutes.
Mach doch da kein "müssen" draus. Wieso machst Du das immer? Ist das eine Zwangsneurose?
Es ist einfach so: Will ich A dann brauche ich B.
Die erste Frage ist also: Will ich A?
Und dann schaue ich, was für A nötig ist.
Und ich kann dann nicht einfach sagen, dass ich zwar A will, aber B nicht.
Ich muss also B, wenn ich A will. Das ist aber was anderes als Dein "Müssen". Verstehst Du?
Es ist ein "müssen" das sich logisch aus Abhängigkeiten ergibt und auch nur Bestand hat, wenn A gewollt ist.
Wenn A wegfällt fällt auch das müssen zu B weg.

Wenn ich Leben schützen will (A), dann muss ich Maßnahmen (B) gut heißen die geeignet sind Leben zu schützen und Maßnahmen (B) schlecht heißen die A zuwiderlaufen, wenn ich logisch konsistent bleiben will.
Nirgendwo ist hier aber A als "das Gute" an sich zu finden. Fällt A weg, weil wir es nicht als Wert betrachten, fällt auch B weg.



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Sa 20. Feb 2021, 14:51

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 14:05
Mit "guter Wille" ist einfach gemeint, dass wir offen sein müssen, bereit dafür zu ergründen was gut ist. Das bedeutet auch die eigenen Moralvorstellungen situationsabhängig immer wieder zu hinterfragen und nicht einfach stur wie ein Esel irgendwelchen Prinzipien zu folgen.
Du selber hast gesagt, wir müssen offen sein: Das sei mit „guter Wille“ gemeint. Das kommt nicht von mir.

Also entweder ist bei dir „die Richtigkeit zu ergründen“ oder „Offenheit“ oder „nicht stur sein“ gut oder einiges oder alles.
Zuletzt geändert von Alethos am Sa 20. Feb 2021, 14:58, insgesamt 1-mal geändert.



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Sa 20. Feb 2021, 14:57

Alethos hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 14:51
Du selber hast gesagt, wir müssen offen sein: Das sei ein guter Wille.

Du hast nicht gesagt, wenn wir offen sein wollen, müssen wir offen sein.
:-) Nein. Da hast Du mich missverstanden.
Ich glaube der "gute Wille" ist eine Voraussetzung um eine Moral zu finden und zu verbessern.
Wollen wir Moral finden? Wenn ja, und wenn man weiter annimmt, dass das nur mit einem guten Willen (d.h. mit einem offenen Geist) möglich ist, dann folgt daraus, dass wir eben diesen guten Willen brauchen.
Wir können auch auf Moral scheissen. Dann gilt das nicht mehr und wir hauen uns alle gegenseitig die Fressen ein.
Aber ich bezweifle dass wir das wollen, weil uns das schadet (und zwar uns allen, oder möchtest Du jeden Tag auf die Fresse bekommen?).
Das hat mit Deinem "müssen" (also wir müssen moralisch sein und einen guten Willen haben weil das "das Gute" ist) nichts zu tun.
Am Anfang jeder Moral steht bei mir eben kein "müssen" (so wie bei dir), sondern ein "Wollen". Aus dem Wollen ergibt sich dann logisch das Müssen.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Sa 20. Feb 2021, 15:01, insgesamt 1-mal geändert.



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Alethos
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Sa 20. Feb 2021, 14:59

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 14:57
Wir können auch auf Moral scheissen.
Die Frage ist, ob das gut ist.



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Sa 20. Feb 2021, 15:02

Alethos hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 14:59
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 14:57
Wir können auch auf Moral scheissen.
Die Frage ist, ob das gut ist.
Die Frage ist ob wir das wollen.
Ich denke nicht, dass wir das wollen. Wir wollen ja z.B. eine funktionierende Gesellschaft (weil unser Leben, unser Gedeih und Verderb davon abhängt). Das geht nicht ohne Moral.
Aus A folgt B. Wenn ich eine funktionierende Gesellschaft und Gemeinschaft will, dann muss ich schauen was dafür nötig ist. Moral ist dafür nötig (würde ich sagen).
Also muss ich auch Moral wollen, wenn ich Gesellschaft und Gemeinschaft will. Für eine funktionierende Moral ist dann wiederum dies und das nötig. Auch das muss ich dann wollen.
Und so weiter.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Sa 20. Feb 2021, 15:04, insgesamt 1-mal geändert.



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Alethos
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Sa 20. Feb 2021, 15:04

Utilitarismus. Okay! :)



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Sa 20. Feb 2021, 15:13

Alethos hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 15:04
Utilitarismus. Okay! :)
Jein. Das kommt drauf an was Du meinst.
Wenn ich mal eine Definition aus der Wiki zitiere, also das hier:
Auf eine klassische Grundformel reduziert besagt er, dass eine Handlung genau dann moralisch richtig ist, wenn sie den aggregierten Gesamtnutzen, d. h. die Summe des Wohlergehens aller Betroffenen, maximiert.

dann würde ich dem eher nicht zustimmen. Es geht nicht immer zwangsläufig um die Maximierung des Nutzens für alle. Wir könnten auch etwas anderes wollen (uns könnte zum Beispiel auch das Wohl Einzelner vor dem Wohl aller am Herzen liegen).
Entscheidend ist für mich aber dieses Wollen zu Etwas. Das steht am Anfang und daraus folgt dann logisch etwas Anderes.
Wenn wir hier zum Beispiel Einzelne schützen wollen, dann müssen wir Maßnahmen gut heißen, die das stützen, auch wenn diese Maßnahmen für alle anderen Nachteile hat.
Die optimale Lösung wären für mich aber schon Maßnahmen zu finden die unseren Wert (der Einzelne) schützen aber keine negativen Auswirkungen auf die anderen hat. Sofern das möglich ist. Also der Blick ist schon auch immer auf den Nutzen Aller gerichtet.



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Jörn Budesheim
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Sa 20. Feb 2021, 15:49

Thomas Macho, in "das Leben nehmen" hat geschrieben : Albert Camus ist 28 Jahre alt, als er 1942 – mitten im Weltkrieg – zwei seiner wichtigsten Bücher publiziert: den Roman Der Fremde und den philosophischen Essay Der Mythos des Sisyphos. Der Essay beginnt mit einem programmatischen Satz: »Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord ...
Thomas Macho, in "das Leben nehmen" hat geschrieben : Am 10. Januar 1917 schreibt der Philosoph Ludwig Wittgenstein – an der Ostfront des Ersten Weltkriegs – in sein Tagebuch: »Wenn der Selbstmord erlaubt ist, dann ist alles erlaubt.
Ich denke, solche Zitate kann man auch diskutieren, ohne die Frage des moralischen Realismus bzw Antirealismus zu vertiefen. Denn neben der Frage, ob Wittgenstein bzw Albert Camus Recht hatten mit ihrer Einschätzung, kann es auch um die Frage gehen, welches Bild vom Mensch in der Wirklichkeit (der natürlichen und der sozialen) sich darin spiegelt. Man kann es übrigens auch als Bereicherung ansehen, zu erfahren, welche bunte Palette von Ansichten sich in der Geschichte der Menschheit dazu finden.




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Man kann diese und ähnliche Sichtweisen als überholt beiseite schieben. Vielleicht sollte man auch. Aber sie gehören zum menschenmöglichen, und daher können sie uns vielleicht auch heute noch etwas über uns sagen.




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Sa 20. Feb 2021, 17:06

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 20. Feb 2021, 15:49
Thomas Macho, in "das Leben nehmen" hat geschrieben : Albert Camus ist 28 Jahre alt, als er 1942 – mitten im Weltkrieg – zwei seiner wichtigsten Bücher publiziert: den Roman Der Fremde und den philosophischen Essay Der Mythos des Sisyphos. Der Essay beginnt mit einem programmatischen Satz: »Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord ...
Thomas Macho, in "das Leben nehmen" hat geschrieben : Am 10. Januar 1917 schreibt der Philosoph Ludwig Wittgenstein – an der Ostfront des Ersten Weltkriegs – in sein Tagebuch: »Wenn der Selbstmord erlaubt ist, dann ist alles erlaubt.
Ich denke, solche Zitate kann man auch diskutieren, ohne die Frage des moralischen Realismus bzw Antirealismus zu vertiefen. Denn neben der Frage, ob Wittgenstein bzw Albert Camus Recht hatten mit ihrer Einschätzung, kann es auch um die Frage gehen, welches Bild vom Mensch in der Wirklichkeit (der natürlichen und der sozialen) sich darin spiegelt. Man kann es übrigens auch als Bereicherung ansehen, zu erfahren, welche bunte Palette von Ansichten sich in der Geschichte der Menschheit dazu finden.
Also zu Wittgenstein kann ich gar nichts sagen. Ausser das ich nicht nachvollziehen kann wieso alles erlaubt sein sollte wenn der Selbstmord erlaubt ist.
Er sagt das ja so, als ob das logisch folgen würde. Ich sehe aber nicht wie.

Und Camus? Tja, seine Position zum Selbstmord folgt eigentlich direkt aus seiner Ansicht, dass die Existenz der Essenz voraus geht. Wir werden sozusagen essenzlos in die Existenz geworfen. Diese Existenz müssen wir zuerst annehmen (uns fragen: Wollen wir dieses Leben annehmen oder nicht). Erst dann, also wenn wir akzeptiert haben, dass uns keine Essenz vorgegeben ist, dass unser Leben ein ständiges, selbstverantwortliches Suchen nach Sinn ist, kann das Philosophieren (über das Leben und die Welt) beginnen. Und dann folgt "der Blick" und "die Anderen" und alles andere.



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Sa 20. Feb 2021, 20:15

Ich habe für das Zitat von Wittgenstein mal etwas mehr Kontext im Internet gesucht: "wenn der Selbstmord erlaubt ist, dann ist alles erlaubt. Wenn etwas nicht erlaubt ist, dann ist der Selbstmord nicht erlaubt. Dies wirft ein Licht auf das Wesen der Ethik. Denn der Selbstmord ist sozusagen die elementare Sünde."

Der Autor des Textes (Achim Lohmar), bei dem ich das Zitat gefunden habe, kommentiert: [Wittgensteins Intuition ist], dass alles gleichgültig wird, wenn jeder über sein eigenes Leben frei verfügen kann. Aus Wittgensteins Auffassung ergibt sich daher, dass eine Opposition gegen die Verwerflichkeit des Suizids nur in Gestalt einer Opposition gegen die Moral als solche - als eine Opposition ging die Vorstellung auftreten kann, dass es überhaupt "an sich" Gutes und Böses gibt.

Der Autor stellt auch Kants Position dar, der ebenfalls den Suizid für unmoralisch hält: "Kants Beschreibung des Suizids korrespondiert offenbar der Intuition Wittgensteins, das den Suizid zu erlauben, alles zu erlauben hieße. Denn wäre es erlaubt , sich aller Verbindlichkeit zu entziehen, dann dürfte man tun, was man will. Eine Erlaubnis sich aller Verbindlichkeit zu entziehen, käme daher einer Aufhebung der Moral gleich - und daher kann es unmöglich erlaubt sein, sich selbst das Leben zu nehmen ." So paraphrasiert der Autor Kant und Wittgenstein, ohne deren Position auch zu übernehmen, im späteren Teil des Textes versucht er, die fraglichen Positionen zu widerlegen.




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