#Bildbesprechungen > In ein Antlitz schauen?

Hier können Kunstwerke diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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Mo 23. Okt 2017, 19:43

Stefanie hat geschrieben :
Mo 23. Okt 2017, 19:41
Das macht dann klar, finde ich, dass die Würde und die Menschenwürde auch nach dem Tod gilt.
Darüber hab ich auch schon nachgedacht und ich kann mir noch keinen wirklichen Reim darauf machen, aber es ist so. Ich hab allerdings noch nie einen Toten, eine Tote gesehen ... (allerdings hab ich etliche Bilder und Zeichnungen mit Totenmasken gemacht, auch weil diese Masken oft sehr schön sind.)




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Jörn Budesheim
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Mo 23. Okt 2017, 20:29

Alethos hat geschrieben :
Mo 23. Okt 2017, 20:20
[der] Umstand, dass wir einander in die Augen schauen und erkennen können, dass der Andere ist auch ein Wesen ist, welches gewesen sein wird.
Heute Morgen hat mich das sehr beschäftigt. Der "Umstand", dass wir geboren werden und schließlich sterben und "dazwischen" leben, ist für so viele Fragen von Bedeutung. Aber da es so "selbstverständlich" ist, verliert man es so leicht aus dem Blick. Dass es bei dem, was wir tun (auch bei kleinen Sachen) immer um etwas geht, dass etwas auf dem Spiel steht, ist zwar "Binse", aber solche "Binsen" sind oft dennoch wichtig.




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Alethos
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Mo 23. Okt 2017, 20:47

Ob das Folgende jetzt hier zum Thema Antlitz passt, weiss ich nicht: Das Schwierige mit der eigenen Endlichkeit liegt meines Erachtens darin, dass wir das Leben immer nur aus der Perspektive des Lebendigseins erleben und der Tod überhaupt keine Perspektive bietet. Das macht uns Angst und nachdenklich, melancholisch vielleicht und traurig. Aber das ist im Grunde erstaunlich, weil es doch nichts gibt, was uns mehr in unserem Menschsein eint als das gemeinsame Schicksal aller je Gewesenen. Das müsste uns auch trösten.

Aber viel üblicher ist die Angst vor dem Tod und wir begegnen ihr, auch hier, mit Verdrängungs- und Kompensationsleistungen. Dass wir den Wert der Mitmenschen, der Tiere, der Dinge, kurz: unsere Menschlichkeit, aus den Augen verlieren, hat vielleicht auch damit zu tun, dass wir mit den Todesängsten gleichzeitig die Empfindsamkeit für die kleinen Dinge verdrängen? Ich weiss nicht, ob von da das Vergessen kommt, dass immer etwas auf dem Spiel steht.



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Alle lächeln in derselben Sprache.

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Jörn Budesheim
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Di 24. Okt 2017, 05:52

Thomas Fuchs hat geschrieben : [Sehr deutlich] hat Fichte in seiner Naturrechtslehre Würde und Leiblichkeit miteinander verknüpft. Es sei der Leib als primäre Sphäre für die Freiheit des Subjekts, der das Rechtsverhältnis konstituiere. Leiber sind nicht „Objekte im Raum“, sondern Mitte und Mittel der Freiheit anderer. Es ist ihr Leib, der meiner Freiheit ihre Grenze zieht. Deshalb sei „die Gestalt des Menschen dem Menschen notwendig heilig“. Jeder, der selbst ein „menschliches Antlitz trägt“, sei „genötigt, die menschliche Gestalt überall, sie sei nun bloß angedeutet … oder sie stehe schon auf einer gewissen Stufe der Vollendung, anzuerkennen und zu respektieren“




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Jörn Budesheim
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Di 24. Okt 2017, 19:42

Hier ist die Quelle des Textes > https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/ ... Leibes.pdf

16 gut zu lesende Seiten. Mich hat er heute sehr inspiriert.




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Mi 25. Okt 2017, 08:20

Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Blick in das Antlitz des Anderen ist mir bei der begleitenden Lektüre der Begriff der Rechts-Phänomenologie begegnet - ich muss zugeben, dass ich davon zuvor nie gehört habe. Kennt das jemand von euch und kann dazu etwas erzählen?




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Stefanie
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Sa 28. Okt 2017, 23:33

Leider nicht. Das Fach gab es definitiv nicht, als ich studierte.
Da scheint eine ganze Menge drunter zu fallen, bislang habe ich noch keinen längeren, frei verfügbaren Text dazu gefunden, ich denke man muss jeden der gleich genannten Autoren mit der passenden Themantik einzeln suchen:
https://d-nb.info/1009329251/04



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Jörn Budesheim
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Mo 30. Okt 2017, 06:13

Ausschnitte daraus gibt es übrigens bei Google Books. Scheint aber so etwas wie eine Lebensaufgabe zu sein :) hier




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Stefanie
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Mo 30. Okt 2017, 20:07

Ist wohl eine Lebensaufgabe. Das Buch aus dem Google Ausschnitte bringt, taucht immer wieder auf, wenn nach dem Thema gesucht wird. Es ist ziemlich neu -von 2010-, und scheint die erste Zusammenfassung zu diesem Thema zu sein. Ich tippe mal drauf, dass dieser Zweig sowohl bei den PhilosophInnen und bei den JuristInnen noch in den Kinderschuhen steckt. Ich habe eine kurze Zusammenfassung zu Edith Stein bei mir im Regal stehen, in der das Thema mit keinem Wort erwähnt wird. Auch die Aussagen von Hannah Arendt wurden unter diesem Blickwinkel noch nicht singulär betrachtet, wie es scheint.



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Jörn Budesheim
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Do 3. Mai 2018, 08:00

Im Zusammenhang mit unserem Projekt "Jacques Derrida und die Dekonstruktion" ist mir bei der Recherche nach Quellen ein Text zu Levinas in die Finger gekommen, dessen Anfang ich hier zum Besten geben will. Er ist deshalb interessant, weil er deutlich macht, wovon sich Levinas (auch) abgrenzt, wenn der das Antlitz zum Thema macht, nämlich den Hang der abendländischen Philosophie zur Egologie.
Welten im Kopf - Zur Philosophie von Emmanuel Levinas hat geschrieben : Scheinbar selbstverständlich gilt uns das eigene Ich als Aus­gangspunkt allen Denkens und Handelns. Das Primat des Selbst bestimmt unsere Identität und unser Verhältnis zur Welt. Es definiert unsere Beziehungen zum Anderen und zu Anderem. Descartes stellte es an den Anfang der Philosophie. Tief hat es seither in unserem Dasein Platz gegriffen, durch­dringt das Wesen der Wissenschaft und regiert das Politische ebenso wie das Soziale. Jeder scheint in seine eigene Welt ein­geschlossen, trägt seine persönliche Wahrheit aus, bleibt mit seinen Entscheidungen und seiner Verantwortung alleine. Mit einem Wort: Das Ich ist absolut.

Dies läßt sich besonders an unserer Haltung gegenüber Fremdem ablesen. Stets sind wir geneigt, in unseren Urteilen von uns selbst auszugehen. Was vertraut ist, verstehen wir nach unserem Maße, und was unbekannt bleibt, wird entwe­der vereinnahmt oder als Bedrohung beiseite geschoben. Beide Verhaltensweisen sind Strategien der Abwehr: die Rückführung des Anderen auf das gleiche genauso wie die Prozeduren seiner Ausgrenzung. Sie verraten eine genuine Gewaltsamkeit, die darin besteht, das Heteronome entweder zu vereinnahmen oder es zu erniedrigen, zu unterwerfen und schließlich zu vernichten.

Für Emmanuel Levinas ist unser Bezug zum Anderen durchgängig durch diese Gewaltstruktur geprägt ...




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Stefanie
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Do 3. Mai 2018, 21:12

Auf diesen Aspekt wird hier auch kurz eingegangen.

http://m.spiegel.de/spiegel/print/d-45424924.html



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Fr 11. Mai 2018, 15:14

Bild




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Stefanie
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Fr 11. Mai 2018, 19:43

https://www.dialogos-philosophie.de/vie ... &start=180

Ist es das Bild, nur neu bearbeitet?

Verblüffend.



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Fr 11. Mai 2018, 19:47

Yepp, mit Wachs, Ölkreide und Filzstift überarbeitet.




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Stefanie
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Fr 11. Mai 2018, 20:04

Wirkt völlig anders, total anders.
Es ist ein anderes Bild geworden.
Mit dem ersten Original konnte ich ehrlich gesagt nicht so viel anfangen.
Mit dem neuen "Look", auch mit dem A und hier plaziert, passt es. Für mich.
Verblüffend.



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Fr 11. Mai 2018, 20:21

Ja, ich bin auch überrascht, die ich nicht im Mindesten wusste, was mich erwarten würde. Beim Pinseln und Bügeln verschwand zunehmend die Zeichnung, aber dann zum Glück doch nicht so sehr, dass sie nicht mehr zu sehen war. Durch die Behandlung mit Wachs ist die Zeichnung jetzt etwas transparend, so dass ich die Farbe des Gesichts auf der Rückseite auftragen konnte, das war mir auch neu :-)




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Stefanie
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So 13. Mai 2018, 18:57

Es verblüfft mich noch immer. Nah am sprachlos, und das will was heißen.



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Stefanie
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Sa 26. Mai 2018, 23:28

Ich war und bin aus zweierlei Gründen verblüfft.

Zum einen, dass durch eine Nachbearbeitung aus einem Bild ein völlig neues Bild entstehen kann.

Zum anderen, dass es - wenn ich Dich richtig verstanden habe- doch auch ein bißchen Zufall war, also zumindest auch auch Dir vorher nicht ganz klar war, was mit dem Ursprungsbild passiert. Also, einfach gemacht, mal gucken was passiert, so ohne Ziel und Vorstellung?
Letzteres stellt etwas meine Vorstellung darüber auf den Kopf, wie ein Bild entsteht.

So in etwa mein Erklärungsversuch - ich glaube es ist der vierte Versuch- zu beschreiben, warum ich mich das so verblüffte.



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So 27. Mai 2018, 05:47

Stefanie hat geschrieben :
Sa 26. Mai 2018, 23:28
Also, einfach gemacht, mal gucken was passiert, so ohne Ziel und Vorstellung?
Das ist bei mir eher die Norm als die Ausnahme :-)




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Stefanie
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Di 29. Mai 2018, 20:12

Auch ohne Idee oder Einfall, oder kommt das, wenn ein Blatt vor Dir liegt?
Die Idee war doch das Wachsen?



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