NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑ Mi 3. Feb 2021, 07:15
Und ich bin immer noch der Meinung, dass WIR dem Berg eine Bedeutung geben. Wer denn sonst?
Aber du bist schon der Ansicht, dass Menschen reden, oder? Lies nicht weiter. Sprechen Menschen?
Bei uns ist es schließlich auch so, dass - grob vereinfacht gesagt - Wörter nur eine Bedeutung haben, wenn wir sie ihnen "geben". Und obwohl das so ist, sagen wir ja nicht, dass wir nicht wirklich sprechen.
In meiner Sicht ist es - sehr grob skizziert - ungefähr so: Rein physikalisch gesehen, spricht der Berg nicht. Wir aber auch nicht. Nichts spricht dann. Deswegen spricht man ja auch von einem anonymen Universum. Es gibt darin keinen Sinn. Aber diese Sicht kann nach wie vor uns nicht integrieren. Dessen ungeachtet behaupten zum Beispiel Denker wie Richard Dawkins, dass das angemessene Paradigma für
alles ist. Woraufhin Harald Lesch in dem Video, dass du selbst gepostet hast, einfach einwendet: Aber uns gibt es ja. Wir haben ja Ziele und sehen einen Sinn in unserem Leben, das ist also real. Lesch ist übrigens ein religiöser Mensch. Er glaubt an Gott.
Mein Ansatz: Wir leben im bewohnbaren Teil des Sonnensystems. Und unsere Nische versteht man nur angemessen, wenn wir sie vom Leben her betrachten. Die Dinge um uns herum bedeuten uns ja etwas, weil sie für uns (= alle Lebewesen) wichtig sind in den verschiedensten Hinsichten - positiv wie negativ. Das sind nicht einfach Projektionen, sondern
reale Relationen. Und wir sind nicht die einzigen, die da involviert sind. Das ist unsere Mitwelt. Im Prinzip geht es um die gesamte "Biosphäre" oder wie man es nennen sollte. Das ist eine unüberschaubare Vielfalt von Bedeutungen, es sind in dieser Sicht eben nicht bloß anonyme Prozesse, die da am Wirken sind, weil das reale Bewusstsein in seiner gesamten Vielfalt hier von größtem Belang ist. Das lässt sich nicht (vergröbert gesagt) nach dem Modell einer Maschine begreifen als anonymer Prozess. Hier spielen Sinnverhältnisse die größte Rolle.
Jetzt zu dem Berg. "Derselbe" Berg in einem Universum, in dem nie Leben entstanden wäre, würde auch nicht sprechen. Allerdings wäre es auch nicht derselbe Berg, weil zu dem sprechenden Berg auch das Leben zählt, was es dort, wenn auch vielleicht nur an seinen Füßen, gibt. Bedeutungsvoll ist er für das Leben, das er auch selbst beherbergt und natürlich für die größeren Zusammenhänge ebenso.
Ein Beispiel: Vögel zwitschern. Auch das kann man ja leugnen. Da ist nur Schall, bestimmte Wellenlängen. Aber das übergeht einfach das Leben. In dem Sinn wie Vögel zwitschern sprechen auch Berge, weil sie in diesem gesamten Sinnverweisungszusammenhang eine bestimmte Bedeutung haben. Allein schon, dass es Berge sind,
sagt ja etwas. Hoch und eine Grenze sind sie ja nur für uns Menschen. Für Lebewesen mit anderen körperlichen Merkmalen sind es vielleicht auch keine Berge.
Nehmen wir mal die kantianische Unterscheidung zwischen "für uns" und "an sich". Die halte ich für meinen Teil für Kappes. Denn, wie die Dinge für uns sind, das ist ja selbst ein "an sich". Diese Relationen sind ja wirklich. Uns sie ist nicht in unserem Kopf! Denn eine Relation besteht nicht nur aus einem Relat, sondern aus allen. Um das obige zu verstehen, muss man vom "Mythos der farblosen Dinge" ablassen, wie das der Philosoph Jocelyn Benoist nennt. Dass die Dinge so und so sind und, dass sie für uns so und so sind, ist keine Projektion auf eine "an sich" farblose Realität, sondern das ist Realität. In dieser Sicht ist der Himmel wirklich blau und die Bäume sind grün (was übrigens die meisten anderen Tiere nicht sehen können.)
Diese "Art des Gegebenseins" (Frege) ist objektiv. Nur, wenn man versucht, in dieses Paradigma hineinzukommen, kann man verstehen, dass Berge sprechen. Ansonsten ist es nur Unsinn. Ich für meinen Teil bin noch nicht so weit, dass ich es gut ausbuchstabieren kann. Aber ich halte es für ein spannendes Projekt. Im Übrigen auch für unser Überleben auf diesem Planeten.